Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2283/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3663/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02. Juli 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ab 01. September 2005 Witwenrente aus der Versicherung ihres am 1950 geborenen und am 2005 verstorbenen Ehemannes D. R. (D.R.) beanspruchen kann.
Die am 1952 geborene Klägerin heiratete D.R. am 06. Juni 1974. Diese Ehe wurde 1976 geschieden. Nach dem Vorbringen der Klägerin lebten sie nach der Scheidung in E. in getrennten Wohnungen. Vom 12. Dezember 1979 bis 01. Oktober 1989 war die Klägerin wieder in der Wohnung des D.R. in E. gemeldet. Man lebte dort in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammen. Danach zog die Klägerin dort wieder aus und nahm eine eigene Wohnung im elterlichen Haus in A ... Ihren Angaben zufolge war der Grund für den Auszug, dass bei D.R. Alkoholprobleme überhand genommen und die Beziehung überlagert hätten. D.R. habe sich einer Therapie unterzogen. Trotz der getrennten Wohnungen habe eine gemeinsame Freizeitgestaltung und auch eine gemeinsame Haushaltsführung vorgelegen. Der Urlaub sei gemeinsam verbracht worden und am Wochenende sei sie nach E. gefahren, um dort aufzuräumen, Wäsche zu waschen und zu kochen. Ab 18. Februar 2005 war D.R. unter der Wohnung der Klägerin in A. gemeldet. 1993 hatte D.R. zwei Rentenversicherungen und eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen; dabei wurde die Klägerin im Todesfall als Bezugsberechtigte benannt.
Die Klägerin war seit 01. März 1987 als Metallarbeiterin beschäftigt. Ihr Monatslohn (brutto) betrug im November 2006 EUR 1.470,09 zuzüglich vermögenswirksame Leistungen (EUR 26,58) und Weihnachtsgeld (EUR 395,00). Seit April 2008 bezieht sie Krankengeld.
Bei D.R., der als Kranführer beschäftigt war, wurde im Dezember 2004 (Arbeitsunfähigkeit seit 04. Dezember 2004) ein Zungen-Mundboden-Karzinom festgestellt. Deswegen wurden eine PEG-Anlage sowie die Implantation eines venösen Port-Systems durchgeführt. Von Januar bis März 2005 erfolgte eine palliative Radiotherapie der Tumorregion und des Lymphabflusses. Im Januar 2005 wurde ferner in der Hämatologischen Ambulanz der Klinik A. E. in G. eine akute myeloische Leukämie diagnostiziert. Deswegen fand vom 07. bis 12. Januar 2005 eine stationäre Behandlung in der Abteilung Innere Medizin III des Universitätsklinikums U. statt (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. D. vom 27. Januar 2005). Anschließend wurde der Kläger weiter ambulant in der Medizinischen Klinik II der Klinik A. E. in G. (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 22. April 2005) sowie in deren Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie (vgl. Arztbrief des Chefarztes Privatdozent Dr. B. vom 12. Mai 2005) behandelt. Vom 21. bis 25. und am 26. Mai 2005 fand dann eine stationäre Behandlung in der genannten Medizinischen Klinik II wegen Tumorblutung aus der Zunge sowie dem Mundboden bei Thrombopenie statt (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 01. Juni 2005), daran anschließend erfolgte eine stationäre Weiterbehandlung vom 26. bis 30. Mai 2000 in der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums U. (vgl. Arztbrief des Ärztlichen Direktors Prof. Dr. R. vom 21. Juni 2005). Weiter erfolgten dann ambulante Behandlungen bei Dr. Dü., Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (vgl. Arztbriefe vom 31. Mai und 14. Juni 2005). Am 08. August 2005 erfolgte eine ambulante Vorstellung des D.R. wegen einer erneuten Tumorblutung aus dem Mund in der Medizinischen Klinik II der Klinik A. E. (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 10. August 2005); anschließend wurde D.R. wieder stationär bis zum 11. August 2005 in der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des Universitätsklinikums U. behandelt. Im Arztbrief des Prof. Dr. R. vom 11. August 2005 wurden die Diagnosen Mundbodenkarzinom (perkutan penetrierend Palliativsituation) und finales Blutungsgeschehen enoral zu erwarten gestellt; es wurde eine palliative Tracheostomie durchgeführt. Eine weitere stationäre Behandlung fand vom 13. bis 19. August 2005 in der Medizinischen Klinik II der Klinik A. E. statt. Die stationäre Aufnahme erfolgte, weil ansteigende Temperaturen und Entzündungsparameter aufgefallen waren (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 31. August 2005). In der genannten Klinik wurde D.R. dann am 28. August 2005 erneut stationär wegen auftretender Blutung aus dem Zungen-Mundboden-Karzinom aufgenommen, wo er dann am 01. September 2005 verstarb (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 08. September 2005). D.R. bezog vom 17. Januar bis 01. September 2005 Krankengeld. Auf einen von ihm am 05. Juli 2005 (mit ärztlichem Bericht des Dr. Eb., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 08. Juli 2005) gestellten Antrag auf medizinische Rehabilitation war ihm eine solche durch Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) vom 04. August 2005 noch bewilligt worden. Zur Durchführung dieser stationären Behandlung kam es dann nicht mehr.
Nach dem Vorbringen der Klägerin hatten D.R. und sie am 22. August 2005 die Eheschließung angemeldet, wobei die standesamtliche Trauung in der Wohnung in A. durchgeführt werden sollte. Am 23. August 2005 fand dann dort auch die Eheschließung statt.
Am 27. September 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Witwenrente aus der Versicherung des D.R. Sie gab an, die Heirat sei zur Durchführung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt, dessen Tod bei der Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Die tödlichen Folgen der Krankheit seien bei der Eheschließung auch nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen. Bei einem Telefongespräch mit der Beklagten am 20. Oktober 2005 wies die Klägerin darauf hin, dass sie mit D.R. schon einmal verheiratet gewesen sei. Nach der Scheidung hätten sie beide wieder zueinander gefunden. Sie hätten seit einiger Zeit zusammengelebt. In dieser Zeit sei D.R. krank geworden. Sie hätten schon mal früher heiraten wollen, aber durch die Krankheit keine Gelegenheit dazu gehabt. Die Beklagte erhob eine Auskunft bei der Arbeitgeberin der Klägerin, ferner Befundberichte der Dr. M.-B., Oberärztin der Medizinischen Klinik II der Klinik A. E., vom 18. November 2005, die auch weitere Klinikberichte einreichte, sowie des Dr. Ebe. vom 29. November 2005. Dr. M.-B. wies darauf hin, dass die Diagnosen eines metastasierten Zungen-Mundboden-Karzinoms und einer akuten myeloischen Leukämie im Dezember 2004 bzw. Januar 2005 gestellt worden seien. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei von einer rein palliativen Gesamtsituation auszugehen gewesen. D.R. und seine Familie seien dahingehend aufgeklärt gewesen. Im weiteren Verlauf habe sich eine zunehmende Verschlechterung bis zum Tod gezeigt. Danach vertrat Dr. Kl. (Stellungnahme vom 16. Dezember 2005) die Ansicht, der Tatbestand einer Versorgungsehe sei erfüllt. Mit Bescheid vom 13. Februar 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Ein Anspruch auf Witwenrente sei ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falls die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass der überwiegende Zweck der Heirat die Begründung einer Hinterbliebenenversorgung gewesen sei. Frühere Ehezeiten seien bei der Ermittlung der Jahresfrist nicht mit zu berücksichtigen. Im Falle der Klägerin sei bei der Heirat bereits bekannt gewesen, dass der Ehegatte in näherer Zukunft versterben werde. Dies sei durch die medizinischen Unterlagen belegt. Es sei daher zu unterstellen, dass die Heirat eine Hinterbliebenenversorgung habe begründen sollen. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie hätten seit vielen Jahren in einem eheähnlichen Verhältnis in getrennten Wohnungen gelebt. Seit "Dezember 2005" sei D.R. durch seine Krankheit bedingt nach A. zu ihr gezogen. Die Eheschließung sei schon längere Zeit geplant gewesen, jedoch durch familiäre Probleme (Tod ihrer Mutter, Pflege ihres Vaters) sei diese immer wieder verschoben worden. Die Heirat sei nicht wegen des Erwerbs einer Hinterbliebenenversorgung vollzogen worden; dies sei vielmehr der letzte Wunsch des Verstorbenen gewesen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 16. Mai 2006). Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen sei im Zeitpunkt der Heirat am 2005 damit zu rechnen gewesen, dass D.R. aufgrund seiner schweren Erkrankung nach kurzer Zeit sterben werde.
Deswegen erhob die Klägerin am 16. Juni 2006 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Sie benannte die D.R. behandelnden Ärzte und reichte Unterlagen zu ihrem aktuellen Einkommen ein. Sie trug vor, von 1979 bis 1989 hätten sie wieder zusammen in einer Wohnung in E. gewohnt. Auch nach ihrem Auszug 1989 hätten sie trotz getrennter Wohnungen die Freizeit gemeinsam verbracht. Auch habe am Wochenende eine gemeinsame Haushaltsführung stattgefunden. Nach dem Tod ihrer Mutter Anfang 2002 hätten konkrete Eheschließungspläne bereits bestanden, die nur aufgrund des schlechten Gesundheitszustands ihres Vaters nicht verwirklicht worden seien. Der Zeitpunkt der Eheschließung sei 2005 im Zusammenhang mit der Krebserkrankung des D.R. erfolgt. Dies sei dessen Wunsch gewesen, den sie (die Klägerin) habe erfüllen wollen, um ihrem Mann neuen Lebensmut in seiner Erkrankung zu geben. Das enge Zusammenleben in der Vergangenheit habe sich auch darin gezeigt, dass D.R. für sie 1993 drei Versicherungen abgeschlossen gehabt habe, wobei an sie daraus mittlerweile rund EUR 40.000,00 ausgezahlt worden seien. Im Dezember 2004, als die Krebserkrankung festgestellt worden sei, sei keinesfalls gewiss gewesen, dass die Erkrankung unweigerlich zum Tod führen werde. Die Bestrahlung habe anfangs gut angesprochen. Wegen der Leukämie habe die Behandlung nicht im notwendigen Umfang durchgeführt werden können. D.R. habe neuen Lebensmut geschöpft und an Gewicht zugenommen. Auch im Hinblick auf die späteren stationären Behandlungen sei sein Lebensmut noch ungebrochen gewesen. Die Eheschließung sei auf dessen Wunsch durchgeführt worden. Ihr sei die Erkrankung selbstverständlich bekannt gewesen; sie habe jedoch damit gerechnet, dass der Tod nicht in absehbarer Zeit eintreten werde und noch ein gemeinsames längeres Zusammenleben möglich gewesen wäre. Bei der Standesamtszeremonie sei D.R. noch ausgesprochen locker aufgelegt gewesen, habe mit alkoholfreiem Bier mit den Familienangehörigen angestoßen und sich das alkoholfreie Bier in die Magensonde leiten lassen. Die Eheschließung sei zu Hause durchgeführt worden. Sämtliche Beteiligten der Zeremonie seien überrascht gewesen, als D.R. so schnell nach der Eheschließung verstorben sei. Zum Tode habe ein Aufbrechen des Gewebes im Rachenraum geführt, wobei die Blutung letztlich nicht habe gestoppt werden können. Erst in dieser allerletzten Behandlungsphase, drei Tage vor dem Tod, sei eine reine Palliativbehandlung mit Morphium durchgeführt worden. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei die Lebenserwartung des D.R. ungewiss gewesen. Sie weise auch darauf hin, dass sie seit vier Jahrzehnten voll berufstätig sei und derzeit ein Nettoentgelt von EUR 1.130,00 beziehe. Sie habe Dr. M.-B. lediglich zweimal gesprochen. Wie schlecht es um D.R. gestanden habe, habe sie nicht realisieren können, zumal sie mit den Diagnosen wenig anzufangen gewusst habe. Ihre konkrete Frage nach der Lebenserwartung sei von der Ärztin nie beantwortet worden. Auch sei darauf hingewiesen worden, dass man die Hoffnung nie aufgeben solle. Sie habe mit ihrem verstorbenen Ehemann nicht über die Lebenserwartung bzw. den bevorstehenden Tod gesprochen. Er sei noch drei Wochen vor seinem Tod mit dem Auto gefahren. Auch über eine spätere Versorgung bzw. Rente sei nicht gesprochen worden. Ihr verstorbener Ehemann habe sehr am Leben gehangen und über diese Themen nicht sprechen wollen. Bei der letzten notfallmäßigen Aufnahme vier Tage vor dem Tod habe eine Ärztin zum ersten Mal ihr gegenüber geäußert, dass die Mediziner nun am Ende seien. Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte eine fiktive Berechnung hinsichtlich der Höhe der Witwenrente (monatlicher Zahlbetrag EUR 549,41) vor (Bl. 23 bis 48 der SG-Akte). Das SG erhob die Auskunft der Dr. M.-B. vom 16. April 2007, auf die Bezug genommen wird (Bl. 56 bis 58 der SG-Akte). Die Kombination beider Erkrankungen habe eine intensive Behandlung der einen oder der anderen Erkrankung nicht möglich gemacht, sodass von Anfang an eine palliative Situation vorgelegen habe. Mit einer Heilung sei nicht mehr zu rechnen gewesen. Sowohl D.R. als auch die Familienangehörigen seien über die fehlende Heilungschance und den palliativen Behandlungsansatz von Anfang an informiert gewesen. Mit Urteil vom 02. Juli 2007 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2006 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung des D.R. ab 01. September 2005 zu gewähren. Die Kammer habe sich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls davon überzeugt, dass der Versorgungsaspekt bei der Eheschließung zumindest nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei. Dafür spreche vor allem die Tatsache, dass die Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann seit der ersten Eheschließung im Jahre 1974 stets sehr eng verbunden gewesen sei. Seit ungefähr fünf Jahren hätten konkrete Heiratsabsichten bestanden, die jedoch aufgrund des Todes der Mutter der Klägerin und der Pflegebedürftigkeit ihres Vaters immer wieder hätten verschoben werden müssen. Im Übrigen sei der Verstorbene aufgrund seiner Erkrankung in die Wohnung der Klägerin in A. gezogen. Die Angabe der Klägerin, sie habe in absehbarer Zeit nicht mit dem Tod ihres Ehemannes gerechnet, erscheine nachvollziehbar. Trotz der vorliegenden negativen Diagnosen und der Berichte der behandelnden Ärzte erscheine es der Kammer durchaus nachvollziehbar, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann die Endgültigkeit der Diagnose nicht hätten wahrhaben und sich an jeden Strohhalm hätten klammern wollen. Vor diesem Hintergrund erscheine die Äußerung der Klägerin, sie habe mit ihrem verstorbenen Ehemann nie über dessen bevorstehenden Tod und ihre anschließende Versorgung gesprochen, nachvollziehbar. Die Einschätzung, dass der Versorgungsaspekt allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt habe, werde durch eine Reihe objektive Tatsachen gestützt. Die abgeschlossenen Versicherungen sprächen für eine sehr enge Verbundenheit auch nach der Scheidung und nach dem Auszug der Klägerin. Die Klägerin verfüge seit Jahren über eigenes Erwerbseinkommen, womit ihre Versorgung gewährleistet sei. Die finanzielle Versorgung der Klägerin sei auch ohne die Hinterbliebenenrente ausreichend gesichert durch die Zahlung von EUR 40.000,00 aus den Versicherungen des verstorbenen Ehemanns. Die sich ergebende Hinterbliebenenrente von EUR 550,00 pro Monat würde die Einkommenssituation der Klägerin nicht in allzu bedeutsamem Umfang verbessern. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalls liege hier kein typischer Fall einer Versorgungssituation vor.
Gegen das ihr am 12. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Juli 2007 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie trägt vor, die Ehe der Klägerin mit D.R. habe nur wenige Tage gedauert. Von der einjährigen Ehedauer könne nach § 46 Abs. 2a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nur dann abgesehen werden, wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Regelung verfolge den Zweck, den Leistungsträger nicht zur Ausforschung der Intimsphäre zu nötigen. Nichts anderes gelte grundsätzlich für den Ausnahmetatbestand. Vorrangig sei anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten der Frage nachzugehen, ob es entgegen der gesetzlichen Vermutung nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Witwe eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. Verblieben unter Berücksichtigung aller objektiven Umstände Zweifel, so gingen diese nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Nach der Rechtsprechung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur vergleichbaren Regelung des § 19 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes schließe die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohenden Charakters einer Erkrankung des verstorbenen Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe regelmäßig aus. Dies gelte nur dann nicht, wenn sich die Eheschließung als konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsentschlusses darstelle. Hier sprächen die konkreten Umstände der Eheschließung und der zeitliche Ablauf für eine Versorgungsehe. Nach der Diagnosestellung im Dezember 2004 bzw. im Januar 2005 sei D.R. zur Klägerin nach A. gezogen. Aus den Berichten, Stellungnahmen und Auskünften der Ärzte der Klinik A. E. ergebe sich, dass sowohl D.R. als auch die Angehörigen über die vorliegenden Erkrankungen, die fehlenden Heilungschancen und den nur noch palliativen Behandlungsansatz von Anfang an informiert gewesen seien. Des Weiteren seien wiederholt Angehörigengespräche geführt worden. Die Trauung sei dann wenige Tage vor dem Tod zu Hause durchgeführt worden. Auch in zeitlicher Hinsicht sei der konkrete Heiratsentschluss erst für die Zeit nach Bekanntwerden der zum Tod führenden Krankheit belegt. Es sei weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwar vorgetragen habe, dass die Eheschließung längere Zeit geplant gewesen sei, aber durch familiäre Probleme (Tod der Mutter Anfang 2002) und Pflege des Vaters immer wieder verschoben worden sei. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2005 habe der Vater jedoch noch gelebt; er sei erst am 27. Juli 2006 verstorben. Gleichwohl sei die Trauung kurz vor dem Tod des D.R. durchgeführt worden. Auch medizinischen Laien sei im Übrigen bekannt, dass bei Vorliegen eines Karzinoms mit Metastasen und zusätzlich noch einer Leukämie sowie bei lediglich noch palliativer Versorgung mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung zu rechnen sei. Dass eventuell der Verstorbene und die Klägerin das zu erwartende alsbaldige Ableben nicht hätten wahrhaben wollen bzw. verdrängt hätten, beweise nicht, dass mit der Heirat nicht doch die vom Gesetz vermutete Vorsorge zugunsten der Klägerin habe getroffen werden sollen. Dass die Klägerin und D.R. im guten Verhältnis zueinander gestanden hätten, gemeinsam Urlaub verbracht sowie nach eigenem Verständnis in nichtehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hätten, stehe der Motivation, durch die Heirat eine Versorgung sicherzustellen, nicht entgegen, sondern begründe diese gerade. Der Abschluss der Versicherungen, wobei jeweils die Klägerin für den Todesfall als Berechtigte eingetragen gewesen sei, bestätige, dass D.R. die Klägerin habe versorgt sehen wollen. Auch das eigene Erwerbseinkommen der Klägerin spreche nicht gegen eine durch den Versorgungsgesichtspunkt zumindest überwiegend motivierte Heirat. Durch den Bezug der Witwenrente wäre das Gesamteinkommen der Klägerin dauerhaft nicht unerheblich erhöht worden. Auch die Erlangung einer zusätzlichen Versorgung werde von § 46 Abs. 1a SGB VI erfasst. Die Beklagte hat verschiedene Gerichtsentscheidungen vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Die dritte Lebensversicherung (Rentenversicherung) sei durch D.R. am 12. Juli 1993 abgeschlossen worden. Insoweit sei ein Betrag von EUR 8.413,60 ausgezahlt worden. D.R. habe sich am 18. Februar 2005 bei ihr in A. angemeldet; gleichzeitig habe er sich in E. abgemeldet. Die Eheschließung sei am 22. August 2005 angemeldet worden. Von Anfang an sei vereinbart worden, dass die Eheschließung in der Wohnung stattfinden solle. Dies habe der Bürgermeister als Standesbeamter vorgeschlagen. Die Beklagte könne sich nicht auf Entscheidungen anderer Gerichte berufen. Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zur Beamtenpension könnten nicht auf die gesetzliche Rentenversicherung übertragen werden. Eine Beamtenpension könne nicht mit Rentenversorgungsbezügen verglichen werden. Hier gehe es um die Auslegung einer gesetzlichen Vermutung, von der im Einzelfall Ausnahmen möglich seien, da ansonsten eine gesetzliche Vermutung entbehrlich wäre. Die Beklagte gehe von einer falschen Subsumtion aus. Sie (die Klägerin) und ihr verstorbener Ehemann hätten trotz der lebensbedrohlichen Erkrankung nicht mit dem Tod gerechnet. Sie sei nicht über den bald bevorstehenden Tod informiert worden. Man habe ihr gegenüber diese Frage offen gelassen. Auch der Hinweis auf den palliativen Behandlungsansatz bedeute nur, dass Mediziner unangenehme Wahrheiten in Fachausdrücken verbergen würden. Was eine palliative Behandlung sei, habe sie erst nach dem Tod ihres Mannes erfahren. Es liege auch ein anderer Sachverhalt vor als er der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 2001 (L 15 U 27/99) zugrunde gelegen habe. Denn sie (die Klägerin) habe glaubhaft vorgetragen, dass sie aufgrund des Todes ihrer Mutter kurz vor ihrem runden Geburtstag große Angst davor gehabt habe, dass bei ihrem nächsten großen Familienfest ebenfalls etwas Schlimmes passieren würde. Ihr Vater sei schwer pflegebedürftig gewesen. Die Eheschließung sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als weder sie noch D.R. die Hoffnung auf eine Heilungschance aufgegeben hätten. Nach ihrer Ansicht wäre es ihrem verstorbenen Ehemann auch noch möglich gewesen, auf dem Rathaus in A. zu heiraten, zumal er später auch noch das Krankenhaus habe aufsuchen können. Es lasse sich auch belegen, dass der Heiratsentschluss lange vor dem Tod gefasst worden sei. Es habe ein großes Familienfest werden sollen. Sowohl der Familie des D.R. als auch in ihrer eigenen Familie sei der Heiratsentschluss unter den Geschwistern bekannt gewesen. Sie und ihr verstorbener Ehemann seien ausgesprochene Familienmenschen gewesen. Zum Heiratsentschluss, der bereits Jahre vor dem Tod ihres Mannes gefasst worden sei, benenne sie S. Z. (ihre Schwester) und B. V. (ihre Schwägerin). Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft sei von ihnen nicht beabsichtigt gewesen; sie hätten die Ehe ein zweites Mal schließen wollen. Es sei der ausdrückliche Wunsch des D.R. gewesen, die Ehe ein zweites Mal zu schließen. Da sie (die Klägerin) bestrebt gewesen sei, ihrem Ehemann die optimale Unterstützung zu geben, habe sie in die Eheschließung eingewilligt, bei der es kein großes Familienfest gegeben habe.
Der Berichterstatter des Senats hat Klinikberichte der Universitätsklinik U. sowie der Klinik A. E. beigezogen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakt sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig; die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2006, mit dem die Beklagte die Gewährung von Witwenrente aus der Versicherung des D.R. abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht Anspruch auf Witwenrente nicht zu, weshalb das SG der Klage nicht hätte stattgeben dürfen.
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie (1.) ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen (2.) das 45. Lebensjahr vollendet haben oder (3.) erwerbsgemindert sind.
Absatz 2a der genannten Vorschrift (in der durch Artikel 1 Nr. 6 Buchst. b des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl. I. S. 403) eingefügten Fassung) bestimmt weiter: Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Nach der Übergangsvorschrift des § 242a Abs. 3 SGB VI gilt das nicht für Ehen, die vor dem 01. Januar 2002 geschlossen wurden. Der in der gesetzlichen Rentenversicherung zuvor nicht bestehende Anspruchsausschluss entspricht den Regelungen, wie sie bis dahin im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB VII]) der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes [BVG]), aber auch im Beamtenversorgungsrecht bestanden hatten.
Die Klägerin erfüllt die positiven Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Witwenrente. D.R. hatte die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (vgl. § 50 Abs. 1 SGB VI) erfüllt. Die Klägerin hatte das 45. Lebensjahr vollendet und hat nicht wieder geheiratet. Die zweite Ehe zwischen der Klägerin und D.R., die nach dem 01. Januar 2002 geschlossen wurde (vgl. § 242 a Abs. 3 SGB VI), hat jedoch weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom ... bis 2005, sodass die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI eingreift. Darauf, dass die erste am 1974 mit D.R. geschlossen und 1976 geschiedene Ehe mehr als ein Jahr gedauert hatte, kann sich die Klägerin nicht berufen. Maßgebend ist hier allein die am 2005 geschlossene letzte Ehe der Klägerin mit D.R.
Die Anknüpfung an eine Ehedauer von weniger als einem Jahr enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel einer Eheschließung war (vgl. Bundestags-Drucksache 14/4595 S. 44). Diese gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert nach § 202 SGG i.V. mit § 292 der Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils (vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5). Das heißt, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe ist widerlegt, wenn zur vollen Überzeugung des Gerichts für die Eheschließung ein überwiegend anderes Motiv der Hinterbliebenen als das der Versorgung maßgebend war. Ergeben sich anhand des konkreten Einzelfalls nicht genügend beweiskräftige Anhaltspunkte gegen die Annahme, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung zu begründen, verbleibt es bei der Annahme einer Versorgungsehe. Auch wenn die maßgeblichen Umstände von Amts wegen zu ermitteln und zu bewerten sind, trifft die materielle Beweislast, also die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises, den, der den Anspruch auf Versorgung geltend macht (BSGE 30, 278 = SozR Nr. 84 zu § 128 SGG). Die gesetzliche Vermutung folgt einer Typisierung und verfolgt auch den Zweck, Leistungsträger und Gericht der Ausforschung im Bereich der Intimsphäre zu entheben (vgl. nochmals BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5).
Besondere Umstände, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, sind vor allem solche, die ein anderes Motiv, als das der Versorgung, ergeben. Hierbei sind die Motive beider Ehegatten zu beachten. Bei einer Gesamtwürdigung der Motive darf die Versorgungsabsicht nicht überwiegen (vgl. BSGE 35, 272). Gegen eine Versorgungsehe spricht beispielsweise die Tatsache, dass der Tod zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht vorhersehbar war, z.B. durch Unfall, Verbrechen oder plötzliche schwere Erkrankung eingetreten ist, oder die Eheschließung die Betreuung und Pflege sicherstellen soll (vgl. nochmals BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5; s. auch Kreikebohn in BeckOK SGB VI, § 46 Rdnr. 25). Die Darlegung allgemeiner, bei einer Heirat regelmäßig mitentscheidender Gesichtspunkte, wie die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer formal zu begründen, kann die Annahme besonderer Umstände nicht rechtfertigen.
Nach Maßgabe dieser Vorgaben ist die gesetzliche Vermutung im Fall der Klägerin nicht als widerlegt anzusehen. Nach Überzeugung des Senats sind keine Umstände im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen, die trotz der kurzen Ehedauer belegen könnten, dass die Annahme nicht gerechtfertigt ist, alleiniger oder zumindest überwiegender Zweck der Heirat sei die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen.
Der Senat ist aufgrund der medizinischen Ermittlungen im Klageverfahren und der im Berufungsverfahren beigezogenen Klinikberichte davon überzeugt, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2005 eine Überlebenswahrscheinlichkeit von einem Jahr und höher höchst ungewiss war und dies den Eheleuten - worauf es als subjektive Voraussetzung im Rahmen des § 46 Abs. 2 a SGB VI letztlich nicht ankommt (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2006 - L 4 R 3372/05 - und vom 16. Mai 2008 - L 4 R 3254/07 -; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 28. März 2007 - L 8 R 112/06 = in Juris veröffentlicht) - ausreichend bekannt war. D.R. litt an einem im Dezember 2004 diagnostizierten metastasierten Zungen-Mundboden-Karzinom sowie zusätzlich an einer im Januar 2005 festgestellten akuten myoloischen Leukämie. Der Auskunft der Dr. M.-B. vom 16. April 2007 entnimmt der Senat, dass es sich um ein ausgedehntes Zungen-Mundboden-Karzinom gehandelt hatte, bei dem nach einer PEG-Anlage sowie einer Implantation eines venösen Port-Systems lediglich eine palliative Radiotherapie stattfand. Auch im Hinblick auf die ferner festgestellte akute myeloische Leukämie ergab sich kein kurativer Therapieansatz mehr. Die Kombination der beiden Erkrankungen machte danach eine intensive Behandlung der einen oder anderen Krankheit nicht mehr möglich, sodass von Anfang an eine palliative Situation vorlag, eine Heilung mithin nicht zu erwarten war. Nach der Auskunft der genannten Ärztin, nach der sowohl D.R. als auch seine Angehörigen über die vorliegenden Erkrankungen, die fehlenden Heilungschancen sowie den palliativen Behandlungsansatz von Anfang an informiert worden waren, kam der Tod des D.R. am 2005 nicht überraschend, nachdem sich dessen Befinden in den vorangegangenen Wochen und Monaten weiter deutlich verschlechtert hatte. Insoweit war es immer wieder zu Blutungen aus dem dann exulcerierten Zungen-Mundboden-Karzinom gekommen, die auch wiederholt notfallmäßige stationäre Krankenhausaufenthalte erforderten. Kurz vor der Eheschließung am 2005 fand vom 08. bis 11. August 2005 erneut eine stationäre Behandlung wegen einer wiederholten Tumorblutung aus dem Mund statt, weswegen eine palliative Tracheostomie durchgeführt wurde, weil ein finales Blutungsgeschehen erwartet wurde. Kurz nach der Eheschließung wurde D.R. wegen erneut auftretender Blutung wieder stationär aufgenommen. Im Hinblick auf die stationären Behandlungen, insbesondere diejenige vom 08. bis 11. August 2005 kann auch D.R. bei der Anmeldung der Heirat und der Eheschließung nicht sicher erwartet haben, seine Erkrankungen um mindestens mehr als ein Jahr zu überleben. Es erschiene lebensfern, dass sich beide Ehepartner über die grundsätzliche Lebensbedrohlichkeit des Zustands des D.R. nicht im Klaren gewesen sein könnten.
Eine erneute feste Heiratsabsicht, z.B. durch Bestellung des Aufgebots oder durch Anmeldung der Eheschließung vor der zuletzt genannten stationären Behandlung vom 08. bis 11. August 2005, und zwar nach der früheren Ehescheidung im Jahr 1976 und nachdem die Eheleute von 1979 bis 1989 in einer Wohnung in E. in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen gelebt haben, ist nicht nachgewiesen worden. Zwar mögen die Eheleute auch nach dem Auszug der Klägerin aus der gemeinsamen Wohnung in E. am 01. Oktober 1989 und dem nachfolgenden Wohnen in getrennten Wohnungen in E. und A. bis zum erneuten Einzug des D.R. nun bei der Klägerin am 18. Februar 2005 in A. weiter (wieder) wie Eheleute zusammengelebt und allgemein eine erneute Heirat erwogen haben. Die Klägerin hat jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Anmeldung der Heirat erst am 22. August 2005, mithin ungefähr neuneinhalb Monate nach der Diagnose des Zungen-Mundboden-Karzinoms erfolgte, und zwar auch erst nach zahlreichen stationären Behandlungen, zuletzt vom 08. bis 11. August 2005. Soweit die Klägerin insoweit die Pflegebedürftigkeit ihres Vaters als (letzten) Hinderungsgrund, die Heirat anzumelden, geltend gemacht hat, hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Vater erst am 27. Juli 2006 verstorben ist, mithin am 22. bzw. 23. August 2005 weiterhin noch zu pflegen war. Allein der Wunsch, das langjährige (erneute) Zusammenleben zu formalisieren und nach Außen hin wieder zu dokumentieren, dass man ein Ehepaar sei, wobei die Klägerin angegeben hat, sie habe diesem Wunsch des D.R. entsprechen wollen, lässt keinen Rückschluss auf die Beantwortung der Frage zu, weshalb der (erneute) Heiratswunsch nicht zu einem früheren Zeitpunkt, also insbesondere vor Dezember 2004, konkretisiert wurde. Das langjährige einverständliche Zusammensein der Klägerin mit D.R. ohne Eheschließung deutet vielmehr darauf hin, dass beide das Zusammenleben ohne Eheschließung, sei es in einer gemeinsamen Wohnung (zuletzt wieder ab 18. Februar 2005) oder in getrennten Wohnungen, als gewählte Lebensform nach der früheren ersten Ehe für ausreichend erachteten und sich demgemäß letztlich doch für diese Lebensform entschieden hatten, und zwar selbst dann noch, als sie seit 18. Februar 2005 wieder zusammengelebt hatten. Es unterstreicht eher die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung war, der Klägerin jedenfalls eine zusätzliche Versorgung zu verschaffen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass D.R. die Klägerin in 1993 abgeschlossenen Versicherungen ersichtlich als Partnerin der eheähnlichen Gemeinschaft als Bezugsberechtigte benannt hatte. Insoweit hat der Versorgungsgedanke auch schon zu Zeiten der nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine Rolle im Verhältnis zwischen der Klägerin und D.R. gespielt.
Ferner ist die eigene Rentenanwartschaft der Klägerin, die sie aufgrund ihrer eigenen Erwerbstätigkeit erlangt, sowie ihre Stellung als Alleinerbin kein objektiver Umstand, der die gesetzliche Vermutung widerlegt, dass die Klägerin wegen ausreichender eigener Einkünfte nicht auf eine Hinterbliebenenrente wesentlich angewiesen war. Denn andernfalls wären gutsituierte Hinterbliebene bei der Prüfung der gesetzlichen Vermutung und deren Widerlegung bevorzugt (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2006 - L 4 R 3372/05 - und vom 16. Mai 2008 - L 4 R 3254/07 -; s. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06. März 2008 - L 2 R 4994/07 -; a. A. SG Würzburg, Urteil vom 15. September 2004 - S 8 RJ 697/02 -, aufgehoben vom Bayerischen LSG, Urteil vom 18. April 2007 - L 19 R 603/04 - = in Juris veröffentlicht; SG Chemnitz, Urteil vom 13. Oktober 2005 - S 14 KN 1293 - = in Juris veröffentlicht).
Auch die Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 SGB VI, eingefügt mit Wirkung ab 01. Januar 2005 durch Art. 3 Nr. 4 b des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3396), liegen im Fall der Klägerin nicht vor. Nach dieser Vorschrift gelten für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe oder Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Die Gleichstellung als Lebenspartnerschaft mit einer Ehe bei der Witwenrente setzt jedoch voraus, dass es sich um eine nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2005 (BGBl. I, S. 26) eingetragene Lebenspartnerschaft handelt. Eine solche lag zwischen der Klägerin und D.R. unstreitig nicht vor.
Mithin war das sozialgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ab 01. September 2005 Witwenrente aus der Versicherung ihres am 1950 geborenen und am 2005 verstorbenen Ehemannes D. R. (D.R.) beanspruchen kann.
Die am 1952 geborene Klägerin heiratete D.R. am 06. Juni 1974. Diese Ehe wurde 1976 geschieden. Nach dem Vorbringen der Klägerin lebten sie nach der Scheidung in E. in getrennten Wohnungen. Vom 12. Dezember 1979 bis 01. Oktober 1989 war die Klägerin wieder in der Wohnung des D.R. in E. gemeldet. Man lebte dort in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammen. Danach zog die Klägerin dort wieder aus und nahm eine eigene Wohnung im elterlichen Haus in A ... Ihren Angaben zufolge war der Grund für den Auszug, dass bei D.R. Alkoholprobleme überhand genommen und die Beziehung überlagert hätten. D.R. habe sich einer Therapie unterzogen. Trotz der getrennten Wohnungen habe eine gemeinsame Freizeitgestaltung und auch eine gemeinsame Haushaltsführung vorgelegen. Der Urlaub sei gemeinsam verbracht worden und am Wochenende sei sie nach E. gefahren, um dort aufzuräumen, Wäsche zu waschen und zu kochen. Ab 18. Februar 2005 war D.R. unter der Wohnung der Klägerin in A. gemeldet. 1993 hatte D.R. zwei Rentenversicherungen und eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen; dabei wurde die Klägerin im Todesfall als Bezugsberechtigte benannt.
Die Klägerin war seit 01. März 1987 als Metallarbeiterin beschäftigt. Ihr Monatslohn (brutto) betrug im November 2006 EUR 1.470,09 zuzüglich vermögenswirksame Leistungen (EUR 26,58) und Weihnachtsgeld (EUR 395,00). Seit April 2008 bezieht sie Krankengeld.
Bei D.R., der als Kranführer beschäftigt war, wurde im Dezember 2004 (Arbeitsunfähigkeit seit 04. Dezember 2004) ein Zungen-Mundboden-Karzinom festgestellt. Deswegen wurden eine PEG-Anlage sowie die Implantation eines venösen Port-Systems durchgeführt. Von Januar bis März 2005 erfolgte eine palliative Radiotherapie der Tumorregion und des Lymphabflusses. Im Januar 2005 wurde ferner in der Hämatologischen Ambulanz der Klinik A. E. in G. eine akute myeloische Leukämie diagnostiziert. Deswegen fand vom 07. bis 12. Januar 2005 eine stationäre Behandlung in der Abteilung Innere Medizin III des Universitätsklinikums U. statt (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. D. vom 27. Januar 2005). Anschließend wurde der Kläger weiter ambulant in der Medizinischen Klinik II der Klinik A. E. in G. (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 22. April 2005) sowie in deren Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie (vgl. Arztbrief des Chefarztes Privatdozent Dr. B. vom 12. Mai 2005) behandelt. Vom 21. bis 25. und am 26. Mai 2005 fand dann eine stationäre Behandlung in der genannten Medizinischen Klinik II wegen Tumorblutung aus der Zunge sowie dem Mundboden bei Thrombopenie statt (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 01. Juni 2005), daran anschließend erfolgte eine stationäre Weiterbehandlung vom 26. bis 30. Mai 2000 in der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums U. (vgl. Arztbrief des Ärztlichen Direktors Prof. Dr. R. vom 21. Juni 2005). Weiter erfolgten dann ambulante Behandlungen bei Dr. Dü., Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (vgl. Arztbriefe vom 31. Mai und 14. Juni 2005). Am 08. August 2005 erfolgte eine ambulante Vorstellung des D.R. wegen einer erneuten Tumorblutung aus dem Mund in der Medizinischen Klinik II der Klinik A. E. (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 10. August 2005); anschließend wurde D.R. wieder stationär bis zum 11. August 2005 in der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des Universitätsklinikums U. behandelt. Im Arztbrief des Prof. Dr. R. vom 11. August 2005 wurden die Diagnosen Mundbodenkarzinom (perkutan penetrierend Palliativsituation) und finales Blutungsgeschehen enoral zu erwarten gestellt; es wurde eine palliative Tracheostomie durchgeführt. Eine weitere stationäre Behandlung fand vom 13. bis 19. August 2005 in der Medizinischen Klinik II der Klinik A. E. statt. Die stationäre Aufnahme erfolgte, weil ansteigende Temperaturen und Entzündungsparameter aufgefallen waren (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 31. August 2005). In der genannten Klinik wurde D.R. dann am 28. August 2005 erneut stationär wegen auftretender Blutung aus dem Zungen-Mundboden-Karzinom aufgenommen, wo er dann am 01. September 2005 verstarb (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 08. September 2005). D.R. bezog vom 17. Januar bis 01. September 2005 Krankengeld. Auf einen von ihm am 05. Juli 2005 (mit ärztlichem Bericht des Dr. Eb., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 08. Juli 2005) gestellten Antrag auf medizinische Rehabilitation war ihm eine solche durch Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) vom 04. August 2005 noch bewilligt worden. Zur Durchführung dieser stationären Behandlung kam es dann nicht mehr.
Nach dem Vorbringen der Klägerin hatten D.R. und sie am 22. August 2005 die Eheschließung angemeldet, wobei die standesamtliche Trauung in der Wohnung in A. durchgeführt werden sollte. Am 23. August 2005 fand dann dort auch die Eheschließung statt.
Am 27. September 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Witwenrente aus der Versicherung des D.R. Sie gab an, die Heirat sei zur Durchführung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt, dessen Tod bei der Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Die tödlichen Folgen der Krankheit seien bei der Eheschließung auch nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen. Bei einem Telefongespräch mit der Beklagten am 20. Oktober 2005 wies die Klägerin darauf hin, dass sie mit D.R. schon einmal verheiratet gewesen sei. Nach der Scheidung hätten sie beide wieder zueinander gefunden. Sie hätten seit einiger Zeit zusammengelebt. In dieser Zeit sei D.R. krank geworden. Sie hätten schon mal früher heiraten wollen, aber durch die Krankheit keine Gelegenheit dazu gehabt. Die Beklagte erhob eine Auskunft bei der Arbeitgeberin der Klägerin, ferner Befundberichte der Dr. M.-B., Oberärztin der Medizinischen Klinik II der Klinik A. E., vom 18. November 2005, die auch weitere Klinikberichte einreichte, sowie des Dr. Ebe. vom 29. November 2005. Dr. M.-B. wies darauf hin, dass die Diagnosen eines metastasierten Zungen-Mundboden-Karzinoms und einer akuten myeloischen Leukämie im Dezember 2004 bzw. Januar 2005 gestellt worden seien. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei von einer rein palliativen Gesamtsituation auszugehen gewesen. D.R. und seine Familie seien dahingehend aufgeklärt gewesen. Im weiteren Verlauf habe sich eine zunehmende Verschlechterung bis zum Tod gezeigt. Danach vertrat Dr. Kl. (Stellungnahme vom 16. Dezember 2005) die Ansicht, der Tatbestand einer Versorgungsehe sei erfüllt. Mit Bescheid vom 13. Februar 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Ein Anspruch auf Witwenrente sei ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falls die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass der überwiegende Zweck der Heirat die Begründung einer Hinterbliebenenversorgung gewesen sei. Frühere Ehezeiten seien bei der Ermittlung der Jahresfrist nicht mit zu berücksichtigen. Im Falle der Klägerin sei bei der Heirat bereits bekannt gewesen, dass der Ehegatte in näherer Zukunft versterben werde. Dies sei durch die medizinischen Unterlagen belegt. Es sei daher zu unterstellen, dass die Heirat eine Hinterbliebenenversorgung habe begründen sollen. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie hätten seit vielen Jahren in einem eheähnlichen Verhältnis in getrennten Wohnungen gelebt. Seit "Dezember 2005" sei D.R. durch seine Krankheit bedingt nach A. zu ihr gezogen. Die Eheschließung sei schon längere Zeit geplant gewesen, jedoch durch familiäre Probleme (Tod ihrer Mutter, Pflege ihres Vaters) sei diese immer wieder verschoben worden. Die Heirat sei nicht wegen des Erwerbs einer Hinterbliebenenversorgung vollzogen worden; dies sei vielmehr der letzte Wunsch des Verstorbenen gewesen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 16. Mai 2006). Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen sei im Zeitpunkt der Heirat am 2005 damit zu rechnen gewesen, dass D.R. aufgrund seiner schweren Erkrankung nach kurzer Zeit sterben werde.
Deswegen erhob die Klägerin am 16. Juni 2006 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Sie benannte die D.R. behandelnden Ärzte und reichte Unterlagen zu ihrem aktuellen Einkommen ein. Sie trug vor, von 1979 bis 1989 hätten sie wieder zusammen in einer Wohnung in E. gewohnt. Auch nach ihrem Auszug 1989 hätten sie trotz getrennter Wohnungen die Freizeit gemeinsam verbracht. Auch habe am Wochenende eine gemeinsame Haushaltsführung stattgefunden. Nach dem Tod ihrer Mutter Anfang 2002 hätten konkrete Eheschließungspläne bereits bestanden, die nur aufgrund des schlechten Gesundheitszustands ihres Vaters nicht verwirklicht worden seien. Der Zeitpunkt der Eheschließung sei 2005 im Zusammenhang mit der Krebserkrankung des D.R. erfolgt. Dies sei dessen Wunsch gewesen, den sie (die Klägerin) habe erfüllen wollen, um ihrem Mann neuen Lebensmut in seiner Erkrankung zu geben. Das enge Zusammenleben in der Vergangenheit habe sich auch darin gezeigt, dass D.R. für sie 1993 drei Versicherungen abgeschlossen gehabt habe, wobei an sie daraus mittlerweile rund EUR 40.000,00 ausgezahlt worden seien. Im Dezember 2004, als die Krebserkrankung festgestellt worden sei, sei keinesfalls gewiss gewesen, dass die Erkrankung unweigerlich zum Tod führen werde. Die Bestrahlung habe anfangs gut angesprochen. Wegen der Leukämie habe die Behandlung nicht im notwendigen Umfang durchgeführt werden können. D.R. habe neuen Lebensmut geschöpft und an Gewicht zugenommen. Auch im Hinblick auf die späteren stationären Behandlungen sei sein Lebensmut noch ungebrochen gewesen. Die Eheschließung sei auf dessen Wunsch durchgeführt worden. Ihr sei die Erkrankung selbstverständlich bekannt gewesen; sie habe jedoch damit gerechnet, dass der Tod nicht in absehbarer Zeit eintreten werde und noch ein gemeinsames längeres Zusammenleben möglich gewesen wäre. Bei der Standesamtszeremonie sei D.R. noch ausgesprochen locker aufgelegt gewesen, habe mit alkoholfreiem Bier mit den Familienangehörigen angestoßen und sich das alkoholfreie Bier in die Magensonde leiten lassen. Die Eheschließung sei zu Hause durchgeführt worden. Sämtliche Beteiligten der Zeremonie seien überrascht gewesen, als D.R. so schnell nach der Eheschließung verstorben sei. Zum Tode habe ein Aufbrechen des Gewebes im Rachenraum geführt, wobei die Blutung letztlich nicht habe gestoppt werden können. Erst in dieser allerletzten Behandlungsphase, drei Tage vor dem Tod, sei eine reine Palliativbehandlung mit Morphium durchgeführt worden. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei die Lebenserwartung des D.R. ungewiss gewesen. Sie weise auch darauf hin, dass sie seit vier Jahrzehnten voll berufstätig sei und derzeit ein Nettoentgelt von EUR 1.130,00 beziehe. Sie habe Dr. M.-B. lediglich zweimal gesprochen. Wie schlecht es um D.R. gestanden habe, habe sie nicht realisieren können, zumal sie mit den Diagnosen wenig anzufangen gewusst habe. Ihre konkrete Frage nach der Lebenserwartung sei von der Ärztin nie beantwortet worden. Auch sei darauf hingewiesen worden, dass man die Hoffnung nie aufgeben solle. Sie habe mit ihrem verstorbenen Ehemann nicht über die Lebenserwartung bzw. den bevorstehenden Tod gesprochen. Er sei noch drei Wochen vor seinem Tod mit dem Auto gefahren. Auch über eine spätere Versorgung bzw. Rente sei nicht gesprochen worden. Ihr verstorbener Ehemann habe sehr am Leben gehangen und über diese Themen nicht sprechen wollen. Bei der letzten notfallmäßigen Aufnahme vier Tage vor dem Tod habe eine Ärztin zum ersten Mal ihr gegenüber geäußert, dass die Mediziner nun am Ende seien. Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte eine fiktive Berechnung hinsichtlich der Höhe der Witwenrente (monatlicher Zahlbetrag EUR 549,41) vor (Bl. 23 bis 48 der SG-Akte). Das SG erhob die Auskunft der Dr. M.-B. vom 16. April 2007, auf die Bezug genommen wird (Bl. 56 bis 58 der SG-Akte). Die Kombination beider Erkrankungen habe eine intensive Behandlung der einen oder der anderen Erkrankung nicht möglich gemacht, sodass von Anfang an eine palliative Situation vorgelegen habe. Mit einer Heilung sei nicht mehr zu rechnen gewesen. Sowohl D.R. als auch die Familienangehörigen seien über die fehlende Heilungschance und den palliativen Behandlungsansatz von Anfang an informiert gewesen. Mit Urteil vom 02. Juli 2007 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2006 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung des D.R. ab 01. September 2005 zu gewähren. Die Kammer habe sich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls davon überzeugt, dass der Versorgungsaspekt bei der Eheschließung zumindest nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei. Dafür spreche vor allem die Tatsache, dass die Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann seit der ersten Eheschließung im Jahre 1974 stets sehr eng verbunden gewesen sei. Seit ungefähr fünf Jahren hätten konkrete Heiratsabsichten bestanden, die jedoch aufgrund des Todes der Mutter der Klägerin und der Pflegebedürftigkeit ihres Vaters immer wieder hätten verschoben werden müssen. Im Übrigen sei der Verstorbene aufgrund seiner Erkrankung in die Wohnung der Klägerin in A. gezogen. Die Angabe der Klägerin, sie habe in absehbarer Zeit nicht mit dem Tod ihres Ehemannes gerechnet, erscheine nachvollziehbar. Trotz der vorliegenden negativen Diagnosen und der Berichte der behandelnden Ärzte erscheine es der Kammer durchaus nachvollziehbar, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann die Endgültigkeit der Diagnose nicht hätten wahrhaben und sich an jeden Strohhalm hätten klammern wollen. Vor diesem Hintergrund erscheine die Äußerung der Klägerin, sie habe mit ihrem verstorbenen Ehemann nie über dessen bevorstehenden Tod und ihre anschließende Versorgung gesprochen, nachvollziehbar. Die Einschätzung, dass der Versorgungsaspekt allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt habe, werde durch eine Reihe objektive Tatsachen gestützt. Die abgeschlossenen Versicherungen sprächen für eine sehr enge Verbundenheit auch nach der Scheidung und nach dem Auszug der Klägerin. Die Klägerin verfüge seit Jahren über eigenes Erwerbseinkommen, womit ihre Versorgung gewährleistet sei. Die finanzielle Versorgung der Klägerin sei auch ohne die Hinterbliebenenrente ausreichend gesichert durch die Zahlung von EUR 40.000,00 aus den Versicherungen des verstorbenen Ehemanns. Die sich ergebende Hinterbliebenenrente von EUR 550,00 pro Monat würde die Einkommenssituation der Klägerin nicht in allzu bedeutsamem Umfang verbessern. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalls liege hier kein typischer Fall einer Versorgungssituation vor.
Gegen das ihr am 12. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Juli 2007 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie trägt vor, die Ehe der Klägerin mit D.R. habe nur wenige Tage gedauert. Von der einjährigen Ehedauer könne nach § 46 Abs. 2a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nur dann abgesehen werden, wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Regelung verfolge den Zweck, den Leistungsträger nicht zur Ausforschung der Intimsphäre zu nötigen. Nichts anderes gelte grundsätzlich für den Ausnahmetatbestand. Vorrangig sei anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten der Frage nachzugehen, ob es entgegen der gesetzlichen Vermutung nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Witwe eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. Verblieben unter Berücksichtigung aller objektiven Umstände Zweifel, so gingen diese nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Nach der Rechtsprechung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur vergleichbaren Regelung des § 19 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes schließe die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohenden Charakters einer Erkrankung des verstorbenen Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe regelmäßig aus. Dies gelte nur dann nicht, wenn sich die Eheschließung als konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsentschlusses darstelle. Hier sprächen die konkreten Umstände der Eheschließung und der zeitliche Ablauf für eine Versorgungsehe. Nach der Diagnosestellung im Dezember 2004 bzw. im Januar 2005 sei D.R. zur Klägerin nach A. gezogen. Aus den Berichten, Stellungnahmen und Auskünften der Ärzte der Klinik A. E. ergebe sich, dass sowohl D.R. als auch die Angehörigen über die vorliegenden Erkrankungen, die fehlenden Heilungschancen und den nur noch palliativen Behandlungsansatz von Anfang an informiert gewesen seien. Des Weiteren seien wiederholt Angehörigengespräche geführt worden. Die Trauung sei dann wenige Tage vor dem Tod zu Hause durchgeführt worden. Auch in zeitlicher Hinsicht sei der konkrete Heiratsentschluss erst für die Zeit nach Bekanntwerden der zum Tod führenden Krankheit belegt. Es sei weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwar vorgetragen habe, dass die Eheschließung längere Zeit geplant gewesen sei, aber durch familiäre Probleme (Tod der Mutter Anfang 2002) und Pflege des Vaters immer wieder verschoben worden sei. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2005 habe der Vater jedoch noch gelebt; er sei erst am 27. Juli 2006 verstorben. Gleichwohl sei die Trauung kurz vor dem Tod des D.R. durchgeführt worden. Auch medizinischen Laien sei im Übrigen bekannt, dass bei Vorliegen eines Karzinoms mit Metastasen und zusätzlich noch einer Leukämie sowie bei lediglich noch palliativer Versorgung mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung zu rechnen sei. Dass eventuell der Verstorbene und die Klägerin das zu erwartende alsbaldige Ableben nicht hätten wahrhaben wollen bzw. verdrängt hätten, beweise nicht, dass mit der Heirat nicht doch die vom Gesetz vermutete Vorsorge zugunsten der Klägerin habe getroffen werden sollen. Dass die Klägerin und D.R. im guten Verhältnis zueinander gestanden hätten, gemeinsam Urlaub verbracht sowie nach eigenem Verständnis in nichtehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hätten, stehe der Motivation, durch die Heirat eine Versorgung sicherzustellen, nicht entgegen, sondern begründe diese gerade. Der Abschluss der Versicherungen, wobei jeweils die Klägerin für den Todesfall als Berechtigte eingetragen gewesen sei, bestätige, dass D.R. die Klägerin habe versorgt sehen wollen. Auch das eigene Erwerbseinkommen der Klägerin spreche nicht gegen eine durch den Versorgungsgesichtspunkt zumindest überwiegend motivierte Heirat. Durch den Bezug der Witwenrente wäre das Gesamteinkommen der Klägerin dauerhaft nicht unerheblich erhöht worden. Auch die Erlangung einer zusätzlichen Versorgung werde von § 46 Abs. 1a SGB VI erfasst. Die Beklagte hat verschiedene Gerichtsentscheidungen vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Die dritte Lebensversicherung (Rentenversicherung) sei durch D.R. am 12. Juli 1993 abgeschlossen worden. Insoweit sei ein Betrag von EUR 8.413,60 ausgezahlt worden. D.R. habe sich am 18. Februar 2005 bei ihr in A. angemeldet; gleichzeitig habe er sich in E. abgemeldet. Die Eheschließung sei am 22. August 2005 angemeldet worden. Von Anfang an sei vereinbart worden, dass die Eheschließung in der Wohnung stattfinden solle. Dies habe der Bürgermeister als Standesbeamter vorgeschlagen. Die Beklagte könne sich nicht auf Entscheidungen anderer Gerichte berufen. Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zur Beamtenpension könnten nicht auf die gesetzliche Rentenversicherung übertragen werden. Eine Beamtenpension könne nicht mit Rentenversorgungsbezügen verglichen werden. Hier gehe es um die Auslegung einer gesetzlichen Vermutung, von der im Einzelfall Ausnahmen möglich seien, da ansonsten eine gesetzliche Vermutung entbehrlich wäre. Die Beklagte gehe von einer falschen Subsumtion aus. Sie (die Klägerin) und ihr verstorbener Ehemann hätten trotz der lebensbedrohlichen Erkrankung nicht mit dem Tod gerechnet. Sie sei nicht über den bald bevorstehenden Tod informiert worden. Man habe ihr gegenüber diese Frage offen gelassen. Auch der Hinweis auf den palliativen Behandlungsansatz bedeute nur, dass Mediziner unangenehme Wahrheiten in Fachausdrücken verbergen würden. Was eine palliative Behandlung sei, habe sie erst nach dem Tod ihres Mannes erfahren. Es liege auch ein anderer Sachverhalt vor als er der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 2001 (L 15 U 27/99) zugrunde gelegen habe. Denn sie (die Klägerin) habe glaubhaft vorgetragen, dass sie aufgrund des Todes ihrer Mutter kurz vor ihrem runden Geburtstag große Angst davor gehabt habe, dass bei ihrem nächsten großen Familienfest ebenfalls etwas Schlimmes passieren würde. Ihr Vater sei schwer pflegebedürftig gewesen. Die Eheschließung sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als weder sie noch D.R. die Hoffnung auf eine Heilungschance aufgegeben hätten. Nach ihrer Ansicht wäre es ihrem verstorbenen Ehemann auch noch möglich gewesen, auf dem Rathaus in A. zu heiraten, zumal er später auch noch das Krankenhaus habe aufsuchen können. Es lasse sich auch belegen, dass der Heiratsentschluss lange vor dem Tod gefasst worden sei. Es habe ein großes Familienfest werden sollen. Sowohl der Familie des D.R. als auch in ihrer eigenen Familie sei der Heiratsentschluss unter den Geschwistern bekannt gewesen. Sie und ihr verstorbener Ehemann seien ausgesprochene Familienmenschen gewesen. Zum Heiratsentschluss, der bereits Jahre vor dem Tod ihres Mannes gefasst worden sei, benenne sie S. Z. (ihre Schwester) und B. V. (ihre Schwägerin). Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft sei von ihnen nicht beabsichtigt gewesen; sie hätten die Ehe ein zweites Mal schließen wollen. Es sei der ausdrückliche Wunsch des D.R. gewesen, die Ehe ein zweites Mal zu schließen. Da sie (die Klägerin) bestrebt gewesen sei, ihrem Ehemann die optimale Unterstützung zu geben, habe sie in die Eheschließung eingewilligt, bei der es kein großes Familienfest gegeben habe.
Der Berichterstatter des Senats hat Klinikberichte der Universitätsklinik U. sowie der Klinik A. E. beigezogen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakt sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig; die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2006, mit dem die Beklagte die Gewährung von Witwenrente aus der Versicherung des D.R. abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht Anspruch auf Witwenrente nicht zu, weshalb das SG der Klage nicht hätte stattgeben dürfen.
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie (1.) ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen (2.) das 45. Lebensjahr vollendet haben oder (3.) erwerbsgemindert sind.
Absatz 2a der genannten Vorschrift (in der durch Artikel 1 Nr. 6 Buchst. b des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl. I. S. 403) eingefügten Fassung) bestimmt weiter: Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Nach der Übergangsvorschrift des § 242a Abs. 3 SGB VI gilt das nicht für Ehen, die vor dem 01. Januar 2002 geschlossen wurden. Der in der gesetzlichen Rentenversicherung zuvor nicht bestehende Anspruchsausschluss entspricht den Regelungen, wie sie bis dahin im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB VII]) der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes [BVG]), aber auch im Beamtenversorgungsrecht bestanden hatten.
Die Klägerin erfüllt die positiven Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Witwenrente. D.R. hatte die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (vgl. § 50 Abs. 1 SGB VI) erfüllt. Die Klägerin hatte das 45. Lebensjahr vollendet und hat nicht wieder geheiratet. Die zweite Ehe zwischen der Klägerin und D.R., die nach dem 01. Januar 2002 geschlossen wurde (vgl. § 242 a Abs. 3 SGB VI), hat jedoch weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom ... bis 2005, sodass die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI eingreift. Darauf, dass die erste am 1974 mit D.R. geschlossen und 1976 geschiedene Ehe mehr als ein Jahr gedauert hatte, kann sich die Klägerin nicht berufen. Maßgebend ist hier allein die am 2005 geschlossene letzte Ehe der Klägerin mit D.R.
Die Anknüpfung an eine Ehedauer von weniger als einem Jahr enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel einer Eheschließung war (vgl. Bundestags-Drucksache 14/4595 S. 44). Diese gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert nach § 202 SGG i.V. mit § 292 der Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils (vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5). Das heißt, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe ist widerlegt, wenn zur vollen Überzeugung des Gerichts für die Eheschließung ein überwiegend anderes Motiv der Hinterbliebenen als das der Versorgung maßgebend war. Ergeben sich anhand des konkreten Einzelfalls nicht genügend beweiskräftige Anhaltspunkte gegen die Annahme, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung zu begründen, verbleibt es bei der Annahme einer Versorgungsehe. Auch wenn die maßgeblichen Umstände von Amts wegen zu ermitteln und zu bewerten sind, trifft die materielle Beweislast, also die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises, den, der den Anspruch auf Versorgung geltend macht (BSGE 30, 278 = SozR Nr. 84 zu § 128 SGG). Die gesetzliche Vermutung folgt einer Typisierung und verfolgt auch den Zweck, Leistungsträger und Gericht der Ausforschung im Bereich der Intimsphäre zu entheben (vgl. nochmals BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5).
Besondere Umstände, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, sind vor allem solche, die ein anderes Motiv, als das der Versorgung, ergeben. Hierbei sind die Motive beider Ehegatten zu beachten. Bei einer Gesamtwürdigung der Motive darf die Versorgungsabsicht nicht überwiegen (vgl. BSGE 35, 272). Gegen eine Versorgungsehe spricht beispielsweise die Tatsache, dass der Tod zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht vorhersehbar war, z.B. durch Unfall, Verbrechen oder plötzliche schwere Erkrankung eingetreten ist, oder die Eheschließung die Betreuung und Pflege sicherstellen soll (vgl. nochmals BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5; s. auch Kreikebohn in BeckOK SGB VI, § 46 Rdnr. 25). Die Darlegung allgemeiner, bei einer Heirat regelmäßig mitentscheidender Gesichtspunkte, wie die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer formal zu begründen, kann die Annahme besonderer Umstände nicht rechtfertigen.
Nach Maßgabe dieser Vorgaben ist die gesetzliche Vermutung im Fall der Klägerin nicht als widerlegt anzusehen. Nach Überzeugung des Senats sind keine Umstände im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen, die trotz der kurzen Ehedauer belegen könnten, dass die Annahme nicht gerechtfertigt ist, alleiniger oder zumindest überwiegender Zweck der Heirat sei die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen.
Der Senat ist aufgrund der medizinischen Ermittlungen im Klageverfahren und der im Berufungsverfahren beigezogenen Klinikberichte davon überzeugt, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2005 eine Überlebenswahrscheinlichkeit von einem Jahr und höher höchst ungewiss war und dies den Eheleuten - worauf es als subjektive Voraussetzung im Rahmen des § 46 Abs. 2 a SGB VI letztlich nicht ankommt (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2006 - L 4 R 3372/05 - und vom 16. Mai 2008 - L 4 R 3254/07 -; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 28. März 2007 - L 8 R 112/06 = in Juris veröffentlicht) - ausreichend bekannt war. D.R. litt an einem im Dezember 2004 diagnostizierten metastasierten Zungen-Mundboden-Karzinom sowie zusätzlich an einer im Januar 2005 festgestellten akuten myoloischen Leukämie. Der Auskunft der Dr. M.-B. vom 16. April 2007 entnimmt der Senat, dass es sich um ein ausgedehntes Zungen-Mundboden-Karzinom gehandelt hatte, bei dem nach einer PEG-Anlage sowie einer Implantation eines venösen Port-Systems lediglich eine palliative Radiotherapie stattfand. Auch im Hinblick auf die ferner festgestellte akute myeloische Leukämie ergab sich kein kurativer Therapieansatz mehr. Die Kombination der beiden Erkrankungen machte danach eine intensive Behandlung der einen oder anderen Krankheit nicht mehr möglich, sodass von Anfang an eine palliative Situation vorlag, eine Heilung mithin nicht zu erwarten war. Nach der Auskunft der genannten Ärztin, nach der sowohl D.R. als auch seine Angehörigen über die vorliegenden Erkrankungen, die fehlenden Heilungschancen sowie den palliativen Behandlungsansatz von Anfang an informiert worden waren, kam der Tod des D.R. am 2005 nicht überraschend, nachdem sich dessen Befinden in den vorangegangenen Wochen und Monaten weiter deutlich verschlechtert hatte. Insoweit war es immer wieder zu Blutungen aus dem dann exulcerierten Zungen-Mundboden-Karzinom gekommen, die auch wiederholt notfallmäßige stationäre Krankenhausaufenthalte erforderten. Kurz vor der Eheschließung am 2005 fand vom 08. bis 11. August 2005 erneut eine stationäre Behandlung wegen einer wiederholten Tumorblutung aus dem Mund statt, weswegen eine palliative Tracheostomie durchgeführt wurde, weil ein finales Blutungsgeschehen erwartet wurde. Kurz nach der Eheschließung wurde D.R. wegen erneut auftretender Blutung wieder stationär aufgenommen. Im Hinblick auf die stationären Behandlungen, insbesondere diejenige vom 08. bis 11. August 2005 kann auch D.R. bei der Anmeldung der Heirat und der Eheschließung nicht sicher erwartet haben, seine Erkrankungen um mindestens mehr als ein Jahr zu überleben. Es erschiene lebensfern, dass sich beide Ehepartner über die grundsätzliche Lebensbedrohlichkeit des Zustands des D.R. nicht im Klaren gewesen sein könnten.
Eine erneute feste Heiratsabsicht, z.B. durch Bestellung des Aufgebots oder durch Anmeldung der Eheschließung vor der zuletzt genannten stationären Behandlung vom 08. bis 11. August 2005, und zwar nach der früheren Ehescheidung im Jahr 1976 und nachdem die Eheleute von 1979 bis 1989 in einer Wohnung in E. in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen gelebt haben, ist nicht nachgewiesen worden. Zwar mögen die Eheleute auch nach dem Auszug der Klägerin aus der gemeinsamen Wohnung in E. am 01. Oktober 1989 und dem nachfolgenden Wohnen in getrennten Wohnungen in E. und A. bis zum erneuten Einzug des D.R. nun bei der Klägerin am 18. Februar 2005 in A. weiter (wieder) wie Eheleute zusammengelebt und allgemein eine erneute Heirat erwogen haben. Die Klägerin hat jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Anmeldung der Heirat erst am 22. August 2005, mithin ungefähr neuneinhalb Monate nach der Diagnose des Zungen-Mundboden-Karzinoms erfolgte, und zwar auch erst nach zahlreichen stationären Behandlungen, zuletzt vom 08. bis 11. August 2005. Soweit die Klägerin insoweit die Pflegebedürftigkeit ihres Vaters als (letzten) Hinderungsgrund, die Heirat anzumelden, geltend gemacht hat, hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Vater erst am 27. Juli 2006 verstorben ist, mithin am 22. bzw. 23. August 2005 weiterhin noch zu pflegen war. Allein der Wunsch, das langjährige (erneute) Zusammenleben zu formalisieren und nach Außen hin wieder zu dokumentieren, dass man ein Ehepaar sei, wobei die Klägerin angegeben hat, sie habe diesem Wunsch des D.R. entsprechen wollen, lässt keinen Rückschluss auf die Beantwortung der Frage zu, weshalb der (erneute) Heiratswunsch nicht zu einem früheren Zeitpunkt, also insbesondere vor Dezember 2004, konkretisiert wurde. Das langjährige einverständliche Zusammensein der Klägerin mit D.R. ohne Eheschließung deutet vielmehr darauf hin, dass beide das Zusammenleben ohne Eheschließung, sei es in einer gemeinsamen Wohnung (zuletzt wieder ab 18. Februar 2005) oder in getrennten Wohnungen, als gewählte Lebensform nach der früheren ersten Ehe für ausreichend erachteten und sich demgemäß letztlich doch für diese Lebensform entschieden hatten, und zwar selbst dann noch, als sie seit 18. Februar 2005 wieder zusammengelebt hatten. Es unterstreicht eher die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung war, der Klägerin jedenfalls eine zusätzliche Versorgung zu verschaffen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass D.R. die Klägerin in 1993 abgeschlossenen Versicherungen ersichtlich als Partnerin der eheähnlichen Gemeinschaft als Bezugsberechtigte benannt hatte. Insoweit hat der Versorgungsgedanke auch schon zu Zeiten der nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine Rolle im Verhältnis zwischen der Klägerin und D.R. gespielt.
Ferner ist die eigene Rentenanwartschaft der Klägerin, die sie aufgrund ihrer eigenen Erwerbstätigkeit erlangt, sowie ihre Stellung als Alleinerbin kein objektiver Umstand, der die gesetzliche Vermutung widerlegt, dass die Klägerin wegen ausreichender eigener Einkünfte nicht auf eine Hinterbliebenenrente wesentlich angewiesen war. Denn andernfalls wären gutsituierte Hinterbliebene bei der Prüfung der gesetzlichen Vermutung und deren Widerlegung bevorzugt (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2006 - L 4 R 3372/05 - und vom 16. Mai 2008 - L 4 R 3254/07 -; s. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06. März 2008 - L 2 R 4994/07 -; a. A. SG Würzburg, Urteil vom 15. September 2004 - S 8 RJ 697/02 -, aufgehoben vom Bayerischen LSG, Urteil vom 18. April 2007 - L 19 R 603/04 - = in Juris veröffentlicht; SG Chemnitz, Urteil vom 13. Oktober 2005 - S 14 KN 1293 - = in Juris veröffentlicht).
Auch die Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 SGB VI, eingefügt mit Wirkung ab 01. Januar 2005 durch Art. 3 Nr. 4 b des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3396), liegen im Fall der Klägerin nicht vor. Nach dieser Vorschrift gelten für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe oder Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Die Gleichstellung als Lebenspartnerschaft mit einer Ehe bei der Witwenrente setzt jedoch voraus, dass es sich um eine nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2005 (BGBl. I, S. 26) eingetragene Lebenspartnerschaft handelt. Eine solche lag zwischen der Klägerin und D.R. unstreitig nicht vor.
Mithin war das sozialgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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