Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 2666/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 5709/08 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 19. November 2008 aufgehoben.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren S 3 AS 2666/08 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Prof. H. bewilligt.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführerin (Bf) für das Hauptsacheverfahren (S 3 AS 2666/08), in dem es um die Gewährung eines Bettes und eines Nachttisches im Rahmen des § 23 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) geht, Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen ist.
Die Bf steht seit Mai 2005 im Leistungsbezug der Beklagten; zuletzt erhielt sie für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Mai 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 760,74 EUR. Am 22. November 2007 beantragte sie als Sonderleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 23 SGB II die Gewährung eine Bettes und eines Nachttisches. Mit Bescheid vom 21. Januar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, bei den beantragten Gegenständen handele es sich um Ersatzbedarf, der aus der Regelleistung zu decken sei. Den Widerspruch, mit dem die Bf vortrug, hinsichtlich ihrer Schlafsituation (völlig durchgelegene neun Jahre alte Schlaf-Klappcouch) sei infolge ihres verschlechterten Gesundheitszustandes (seit September 2007 sei ein Grad der Behinderung von 50 sowie das Merkzeichen "G" anerkannt) eine neue Bedarfslage entstanden und einen Nachttisch habe sie bisher nicht besessen, weswegen es sich bei beiden Gegenständen um eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II handele, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2008). Deshalb erhob die Bf am 30. Mai 2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und beantragte die Bewilligung von PKH, die das SG mit Beschluss vom 19. November 2008 mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage ablehnte. Zur Begründung führte es aus, der Bedarf an einer der geordneten Haushaltsführung und dem menschenwürdigen Wohnen entsprechenden Schlafgelegenheit sei bei der Klägerin mit der vorhandenen Schlafcouch gedeckt gewesen. Ihr Vorbringen, auf Grund ihrer orthopädischen Leiden ein Bett zu benötigen, ändere hieran voraussichtlich nichts. Denn hinsichtlich nicht mehr funktionstüchtiger oder unbrauchbar gewordener Einrichtungsgegenstände scheide eine Erstausstattung bereits begrifflich aus, es handele sich dann vielmehr um Erhaltungsbedarf. Ein Erstausstattungsbedarf hinsichtlich des Nachttisches sei voraussichtlich zu verneinen, weil dieser nicht zur geordneten Haushaltsführung und menschenwürdigem Wohnen erforderlich sei.
Gegen diesen am 25. November 2008 zugestellten Beschluss hat die Bf am 26. November 2008 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, zutreffend habe das SG ausgeführt, dass gewährleistet sein müsse, dass eine hinsichtlich Größe und Beschaffenheit geeignete Möglichkeit zum Schlafen vorhanden sei. Gerade an dieser geeigneten Möglichkeit fehle es aber im Fall der Bf. Das SG habe verkannt, dass wegen der Schwerbehinderung und der chronischen Rückenbeschwerden hier der Bedarf einer geordneten Haushaltsführung eben nicht gedeckt sei. Hierzu werde auf das Attest des Orthopäden Dr. M. vom 24. November 2008 verwiesen, in dem dieser auf Grund der chronischen Rückenbeschwerden der Bf die Notwendigkeit eines Bettes betone.
II.
Die statthafte (§ 172 Sozialgerichtsgesetz -SGG -), frist- und formgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde ist begründet.
Die gesetzlichen Voraussetzungen, nach denen PKH zu bewilligen ist, hat das SG zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug. Das SG hat auch zutreffend unter Hinweis auf Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 73a RdNr 7 ff ausgeführt, dass die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden dürfen und sie deshalb zu bejahen ist, wenn der Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest vertretbar ist und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit der Beweisführung vorliegt und nicht nur eine entfernte Erfolgschance besteht.
In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze sieht der Senat eine hinreichende Erfolgsaussicht als gegeben an. Was den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Bettes als "Erstausstattung für die Wohnung" anbelangt, sind die Ausführungen des SG zu dem Begriff der Erstausstattung, zur Abgrenzung dieses Begriffes von dem des Erhaltungs- und Ergänzungsbedarfes und dazu, warum es sich vorliegend wohl eher um Erhaltungsbedarf handelt, nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl sieht der Senat im Hinblick darauf, dass eine Erstausstattung auch durch einen "neuen Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände" (s. BT-Drucks 15/1514, 60) begründet sein kann, eine hinreichende Erfolgsaussicht als gegeben an, weil hier nicht von vorne herein ausgeschlossen werden kann, dass infolge der behaupteten Verschlechterung der Rückenerkrankung der Bf (vermehrte Beschwerden bei chronischer Lumbago auf dem Boden einer radiologisch gesicherten Spondylose) ein derartiger "neuer Bedarf" entstanden sein kann, auch wenn das vorgelegte Attest wegen der vagen Formulierung insoweit noch keine eindeutige Wertung zulässt. Im Hinblick auf die von Dr. M. attestierte Grunderkrankung wäre auch zu prüfen, ob mit der vorhandenen Schlafcouch der Bedarf der Bf an Erstausstattung der Wohnung tatsächlich gedeckt war. Hinsichtlich des beantragten Nachttisches vertritt der Senat - anders als das SG (und auch das SG Düsseldorf) - die Auffassung, dass dieser Einrichtungsgegenstand zur "Erstausstattung für die Wohnung" gehört, denn hierzu zählen alle Einrichtungsgegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind und die dem Hilfeberechtigten ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglicht (vgl. Münder in LPK-SGB II § 23 Rz 29). Ein Nachttisch dient zur ordnungsgemäßen Ablage von Gegenständen, die man während des Schlafs nicht gebraucht, aber unmittelbar davor und danach, wie z.B. Brille, Uhr, Buch, Wecker, und geht deshalb über eine reine Annehmlichkeit hinaus. Schließlich hätte die Beklagte den Antrag der Bf mit Blick auf das Meistbegünstigungsprinzip nicht nur nach § 23 Abs. 3 SGB II, sondern auch nach § 23 Abs. 1 S 1 SGB II prüfen müssen (s. hierzu Aktennotiz vom 17.12.2007, Bl. 149 VerwA)
An der Bedürftigkeit der Bf, die seit Jahren im Leistungsbezug der Beklagten steht, bestehen keine Zweifel; auch erscheint die Rechtsverfolgung nicht mutwillig.
Aus den genannten Gründen ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Bf ratefreie PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt Prof. H. zu bewilligen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 73a Abs. 1 S 1SGG i.V.m. § 127 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Der Klägerin wird für das Klageverfahren S 3 AS 2666/08 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Prof. H. bewilligt.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführerin (Bf) für das Hauptsacheverfahren (S 3 AS 2666/08), in dem es um die Gewährung eines Bettes und eines Nachttisches im Rahmen des § 23 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) geht, Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen ist.
Die Bf steht seit Mai 2005 im Leistungsbezug der Beklagten; zuletzt erhielt sie für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Mai 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 760,74 EUR. Am 22. November 2007 beantragte sie als Sonderleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 23 SGB II die Gewährung eine Bettes und eines Nachttisches. Mit Bescheid vom 21. Januar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, bei den beantragten Gegenständen handele es sich um Ersatzbedarf, der aus der Regelleistung zu decken sei. Den Widerspruch, mit dem die Bf vortrug, hinsichtlich ihrer Schlafsituation (völlig durchgelegene neun Jahre alte Schlaf-Klappcouch) sei infolge ihres verschlechterten Gesundheitszustandes (seit September 2007 sei ein Grad der Behinderung von 50 sowie das Merkzeichen "G" anerkannt) eine neue Bedarfslage entstanden und einen Nachttisch habe sie bisher nicht besessen, weswegen es sich bei beiden Gegenständen um eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II handele, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2008). Deshalb erhob die Bf am 30. Mai 2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und beantragte die Bewilligung von PKH, die das SG mit Beschluss vom 19. November 2008 mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage ablehnte. Zur Begründung führte es aus, der Bedarf an einer der geordneten Haushaltsführung und dem menschenwürdigen Wohnen entsprechenden Schlafgelegenheit sei bei der Klägerin mit der vorhandenen Schlafcouch gedeckt gewesen. Ihr Vorbringen, auf Grund ihrer orthopädischen Leiden ein Bett zu benötigen, ändere hieran voraussichtlich nichts. Denn hinsichtlich nicht mehr funktionstüchtiger oder unbrauchbar gewordener Einrichtungsgegenstände scheide eine Erstausstattung bereits begrifflich aus, es handele sich dann vielmehr um Erhaltungsbedarf. Ein Erstausstattungsbedarf hinsichtlich des Nachttisches sei voraussichtlich zu verneinen, weil dieser nicht zur geordneten Haushaltsführung und menschenwürdigem Wohnen erforderlich sei.
Gegen diesen am 25. November 2008 zugestellten Beschluss hat die Bf am 26. November 2008 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, zutreffend habe das SG ausgeführt, dass gewährleistet sein müsse, dass eine hinsichtlich Größe und Beschaffenheit geeignete Möglichkeit zum Schlafen vorhanden sei. Gerade an dieser geeigneten Möglichkeit fehle es aber im Fall der Bf. Das SG habe verkannt, dass wegen der Schwerbehinderung und der chronischen Rückenbeschwerden hier der Bedarf einer geordneten Haushaltsführung eben nicht gedeckt sei. Hierzu werde auf das Attest des Orthopäden Dr. M. vom 24. November 2008 verwiesen, in dem dieser auf Grund der chronischen Rückenbeschwerden der Bf die Notwendigkeit eines Bettes betone.
II.
Die statthafte (§ 172 Sozialgerichtsgesetz -SGG -), frist- und formgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde ist begründet.
Die gesetzlichen Voraussetzungen, nach denen PKH zu bewilligen ist, hat das SG zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug. Das SG hat auch zutreffend unter Hinweis auf Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 73a RdNr 7 ff ausgeführt, dass die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden dürfen und sie deshalb zu bejahen ist, wenn der Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest vertretbar ist und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit der Beweisführung vorliegt und nicht nur eine entfernte Erfolgschance besteht.
In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze sieht der Senat eine hinreichende Erfolgsaussicht als gegeben an. Was den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Bettes als "Erstausstattung für die Wohnung" anbelangt, sind die Ausführungen des SG zu dem Begriff der Erstausstattung, zur Abgrenzung dieses Begriffes von dem des Erhaltungs- und Ergänzungsbedarfes und dazu, warum es sich vorliegend wohl eher um Erhaltungsbedarf handelt, nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl sieht der Senat im Hinblick darauf, dass eine Erstausstattung auch durch einen "neuen Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände" (s. BT-Drucks 15/1514, 60) begründet sein kann, eine hinreichende Erfolgsaussicht als gegeben an, weil hier nicht von vorne herein ausgeschlossen werden kann, dass infolge der behaupteten Verschlechterung der Rückenerkrankung der Bf (vermehrte Beschwerden bei chronischer Lumbago auf dem Boden einer radiologisch gesicherten Spondylose) ein derartiger "neuer Bedarf" entstanden sein kann, auch wenn das vorgelegte Attest wegen der vagen Formulierung insoweit noch keine eindeutige Wertung zulässt. Im Hinblick auf die von Dr. M. attestierte Grunderkrankung wäre auch zu prüfen, ob mit der vorhandenen Schlafcouch der Bedarf der Bf an Erstausstattung der Wohnung tatsächlich gedeckt war. Hinsichtlich des beantragten Nachttisches vertritt der Senat - anders als das SG (und auch das SG Düsseldorf) - die Auffassung, dass dieser Einrichtungsgegenstand zur "Erstausstattung für die Wohnung" gehört, denn hierzu zählen alle Einrichtungsgegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind und die dem Hilfeberechtigten ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglicht (vgl. Münder in LPK-SGB II § 23 Rz 29). Ein Nachttisch dient zur ordnungsgemäßen Ablage von Gegenständen, die man während des Schlafs nicht gebraucht, aber unmittelbar davor und danach, wie z.B. Brille, Uhr, Buch, Wecker, und geht deshalb über eine reine Annehmlichkeit hinaus. Schließlich hätte die Beklagte den Antrag der Bf mit Blick auf das Meistbegünstigungsprinzip nicht nur nach § 23 Abs. 3 SGB II, sondern auch nach § 23 Abs. 1 S 1 SGB II prüfen müssen (s. hierzu Aktennotiz vom 17.12.2007, Bl. 149 VerwA)
An der Bedürftigkeit der Bf, die seit Jahren im Leistungsbezug der Beklagten steht, bestehen keine Zweifel; auch erscheint die Rechtsverfolgung nicht mutwillig.
Aus den genannten Gründen ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Bf ratefreie PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt Prof. H. zu bewilligen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 73a Abs. 1 S 1SGG i.V.m. § 127 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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