Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 (14) KA 153/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen und einer schriftlichen Beratung für die Quartale 4/2004, 1/2005 und 3/2005.
Die Klägerin ist eine aus zwei Ärzten und einer Ärztin bestehende allgemeinmedizinische Gemeinschaftspraxis (nunmehr: Berufsausübungsgemeinschaft) in O-Innenstadt, die hausärztlich tätig ist.
In allen Quartalen lagen die Fallzahlen mit ca. 2.000 um ca. 50 % über denjenigen der Vergleichsgruppe; die Rentneranteile unterschritten diejenigen der Vergleichsgruppe um ca. 40 %.
Im Quartal 4/2004 überschritten die Fallkosten der Klägerin den Vergleichsgruppendurchschnitt bei den Gesamtleistungen um + 39 % und in der Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" um + 137,81 %. Mit Bescheid vom 25.04.2005 verfügte der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein eine Honorarkürzung in Höhe von 31,11 % in dieser Sparte = 265.026,09 Punkte.
Im Quartal 1/2005 überschritten die Fallkosten der Klägerin den Vergleichsgruppendurchschnitt bei den Gesamtleistungen um + 43 %, in der Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" um + 161,65 % und in der Sparte "Sonderleistungen" um + 63,94 %. Mit Bescheid vom 26.07.2005 verfügte der Prüfungsausschuss eine Honorarkürzung in Höhe von 38,03 % in der Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" = 389.662,99 Punkte und in Höhe von 4,03 % in der Sparte "Sonderleistungen" = 21.162,94 Punkte.
Im Quartal 3/2005 überschritten die Fallkosten der Klägerin den Vergleichsgruppendurchschnitt bei den Gesamtleistungen um +35 % und innerhalb der Sparte "Arztgruppenspezifische Leistungen" bei der Nr. 03120 EBM (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 min., je vollendete 10 min. 150 Punkte) um + 103,14 %. Mit Bescheid vom 30.01.2006 verfügte der Prüfungsausschuss eine schriftliche Beratung wegen Nr. 03120 EBM.
Diesen Bescheiden widersprach die Klägerin. Ein pauschaler Vergleich der Gemeinschaftspraxis mit der Vergleichsgruppe sei unzulässig, denn er berücksichtige nicht, dass diese aus drei Kassenärzten bestehe, welche pro Quartal jeweils ca. 2.000 Patienten behandelten. Davon würden dauerhaft ca. 300 Diabetiker betreut, die zur optimalen Einstellung allesamt am DMP teilnähmen. Die durch eine intensive Beratung im Rahmen des DMP gewonnenen Einsparungen stellten einen Rechtfertigungsgrund im Sinne der Prüfvereinbarung dar. Überdurchschnittlich hoch sei mit ca. 90 - 95 % auch der Anteil ausländischer Patienten. Da nicht jeder Arzt deren Sprachen beherrsche, gestalte sich auch die Beratung jedes einzelnen Patienten entsprechend schwierig. Insbesondere Patienten türkischer und russischer Herkunft, die einen Großteil der Patienten ausmachten, suchten vermehrt aufgrund psychischer Ursachen die Praxis auf. Auch der überdurchschnittliche Anteil ausländischer Mitbürger an der Arbeitslosenquote in O wirke sich auf die Praxis aus. Nicht selten erschienen
Patienten mehrfach pro Woche in der Sprechstunde. Zudem hätte berücksichtigt werden müssen, dass es unter den russischen Migranten überdurchschnittlich viele Krebspatienten gebe und die Praxis im Übrigen überdurchschnittlich viele Schilddrüsenpatienten betreue. Ein Großteil der Einweisungen sei mit konkreter Diagnose und zur gezielten Behandlung erfolgt, nur ein geringer Teil aufgrund von Verdachtsdiagnosen. Hierdurch seien erhebliche Kosten gespart worden.
Mit Bescheid vom 26.06.2007 wies der Beklagte die Widersprüche zurück:
Es handele sich um die Praxis von Allgemeinmedizinern und praktischen Ärzten, die jeweils der Untergruppe 4 angehöre. Dieser Untergruppe gehörten 369 Ärzte (4/2004), 366 Ärzte (1/2005) und 352 Ärzte (3/2005) an. Die abweichenden Anteile der Versichertengruppen seien durch die nach M/F/R gewogenen Honoraranforderungen berücksichtigt worden. Dezidierte Angaben der Klägerin zu Abweichungen im Morbiditätsspektrum der betreuten Klientel gegenüber dem der Vergleichsgruppe und zu dem Mehraufwand sowie zu kompensatorischen Einsparungen seien nicht dargelegt worden. Aufgrund des statistischen Zahlenmaterials sei der Beklagte nicht in der Lage zu erkennen, ob der Anteil der ausländischen Patienten in der Praxis der Klägerin von dem Ausländeranteil der Vergleichsgruppe abweiche. Darüber hinaus sei kein Erfahrungssatz des Inhaltes bekannt, dass ausländische Patienten höhere Honoraranforderungen verursachten. Die Struktur der Praxis sei typisch für die Behandlung von DMP-Patienten. Das Abrechnungsverhalten der infrage stehenden Ziffern habe keinen Einfluss auf die Behandlung von Diabetikern. Unter Berücksichtigung der von Amts wegen festgestellten Praxisbesonderheiten der abweichenden Anteile an Notdienst- und Vertreterfällen sowie Zuweisungen (1/2005) ergäben sich unter Berücksichtigung fiktiver Fallzahlen bereinigte Überschreitungen in der Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" von + 123,99 % (4/2004) und + 149,63 % (1/2005), in der Sparte "Sonderleistungen" von + 56,68 % (1/2005) und bei der Nr. 03120 EBM von + 101,16 % (3/2005). Die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis legte der Beklagte - unter Beachtung des Homogenitätsgrades der Vergleichsgruppe und des Morbiditätsspektrums der Patienten - bei den geprüften Sparten auf eine Überschreitung von jeweils 50 % und bei der Nr. 03120 EBM auf + 100 % fest. Die jenseits dieser Grenze liegenden Unwirtschaftlichkeiten bei den Sparten wurden gekürzt.
Hiergegen richtet sich die am 27.07.2007 erhobene Klage.
Zur Begründung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und weist ergänzend auf die Lage ihrer Praxis in der O Innenstadt am Hauptstraßenzug hin. Hierdurch werde die Praxis häufiger frequentiert als andere Praxen und sei aufgrund der günstigen Verkehrslage für ältere und körperlich gebrechliche Patienten einfach zu erreichen. Der angefochtene Bescheid sei zudem formell rechtswidrig. Bei den beiden Vorsitzenden des Beklagten handele es sich um den Inhaber sowie einen weiteren Rechtsanwalt aus der Sozietät, welche den Beklagten in diesem Rechtsstreit vertrete. Dies begründe die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden, denn dessen Rechtsanwaltssozietät profitiere wirtschaftlich nicht unerheblich von diesem Verfahren; der Vorsitzende sei deshalb nicht mehr unparteiisch. Zudem bestünden Zweifel an der ordnungsgemäßen Mandatierung der den Beklagten vertretenden Sozietät; es müsse bestritten werden, dass eine ordnungsgemäße Ausschreibung gemäß §§ 5 ff. VOF erfolgt sei. Schließlich sei entgegen § 106 Abs. 5 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) keine gezielte Beratung vor Kürzung erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2007 über ihre Widersprüche gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 25.04.2005 (4/2004), 26.07.2005 (1/2005) und 30.01.2006 (3/2005) unter Beachtung der Rechts- auffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angefochtenen Bescheid in jeder Hinsicht für rechtmäßig.
Die Besorgnis der Befangenheit seines Vorsitzenden sei nicht begründet. Dieser könne nach § 2 Abs. 4 der Wirtschaftlichkeitsprüfungsverordnung (WiPrüfVO) sogar persönlich die Prozessvertretung des Beklagten übernehmen; die Umstände seien insofern nicht anders als bei Beauftragung einer Kanzlei, welcher der Vorsitzende selbst angehöre. Schließlich sei die Übertragung des Mandates erst nach Erhebung der Klage erfolgt.
Die Beigeladenen zu 1) bis 8) stellen keine Prozessanträge.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für die Beigeladenen zu 1) bis 8) in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2009 niemand erschienen war, konnte die Kammer verhandeln und entscheiden, da auf diese Möglichkeit in den form- und fristgerecht zugestellten Terminbenachrichtigungen hingewiesen worden ist.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid des Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn dieser ist rechtmäßig.
Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung ab 01.01.2004 wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung geprüft durch Auffälligkeitsprüfung (Nr. 1) oder Zufälligkeitsprüfung (Nr. 2). Die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren.
Insofern haben die Beigeladenen zu 1) bis 8) in § 1 einer Übergangs- und Errichtungsvereinbarung für die Zeit ab 01.01.2004 geregelt, dass die ab 01.01.2001 geltende Prüfvereinbarung - soweit hier erheblich - zunächst unverändert fortgelten solle (Rhein. Ärzteblatt 6/2004, S. 72). Nach deren §§ 10, 11 erfolgt die Prüfung grundsätzlich auf der Grundlage von Durchschnittswerten. Diese Prüfmethode war bis zum 31.12.2003 in § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB V auch gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. Der Beklagte durfte daher rechtsfehlerfrei für alle drei streitbefangenen Quartale eine statistische Prüfung nach Durchschnittswerten vornehmen.
Dabei erfolgt die arztbezogene Prüfung nach Durchschnittswerten durch eine Gegenüberstellung der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Arztes einerseits und der Gruppe vergleichbarer Ärzte andererseits. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bringt die statistische Vergleichsprüfung, ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die typischerweise umfassendsten Erkenntnisse (vgl. nur BSG, Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R-). Weichen die Werte des geprüften Arztes von den Durchschnittswerten ab, ist zu prüfen, ob der mit dem Begriff des offensichtlichen Missverhältnisses gekennzeichnete Überschreitungsgrad erreicht ist. Das hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Prüfgegenstandes und den Umständen des konkreten Falles ab und kann nicht allgemein verbindlich festgelegt werden.
Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei einem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d.h. ist ein Überschreitungsmaß erreicht, das sich im Regelfall nicht durch Unterschiede in der Patientenstruktur oder in den Behandlungsmethoden erklären lässt, hat dies die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (BSG, Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -).
Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung kommt dabei den Prüfgremien ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkter richterlicher Kontrolle unterliegt. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf die ordnungsgemäße Durchführung des Verwaltungsverfahrens, die richtige und vollständige Ermittlung des Sachverhalts sowie die Frage, ob die Verwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht hat, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 27.06.2001 - B 6 KA 66/00 R -).
Auf der Grundlage dieser Kontrolldichte ist der Bescheid des Beklagten nicht zu beanstanden.
Es liegen keine Verfahrensfehler vor. Der Vorsitzende des Beklagten war unparteiisch. Nach § 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V besteht der Beschwerdeausschuss aus Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen in gleicher Anzahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden. Auf dieser Grundlage sieht § 1 Abs. 1 Satz 2 WiPrüfVO vor, dass der Beschwerdeausschuss aus einem unparteiischen Vorsitzenden und höchstens jeweils vier, mindestens jeweils zwei Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen besteht. Unparteiisch ist ein Vorsitzender danach, wenn er weder dem Lager der Kassenärztlichen Vereinigung noch demjenigen der Krankenkassen angehört. Dies ist bei X der Fall.
Der Vorsitzende war auch nicht ausgeschlossen. Gemäß § 16 Abs. 1 Nrn. 1 - 5 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) dürfen in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde Beteiligte oder ihnen nahe stehende Personen nicht tätig sein. Der unparteiische Vorsitzende des Beklagten war nicht Beteiligter im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB X, denn er war weder Antragsteller oder Antragsgegner, Adressat eines Verwaltungsaktes, Partner eines öffentlich-rechtlichen Vertrages noch Hinzugezogener. Er stand auch nicht einem Beteiligten gleich. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB X steht dem Beteiligten gleich, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. Diese Bestimmung fordert als Ausprägung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens den Ausschluss jeglicher Mitwirkung durch Beteiligte und andere Personen, bei denen nach den maßgeblichen Umständen des konkreten Falles eine Unparteilichkeit des Handelns nicht gewährleistet ist. Untersagt sind alle Handlungen, durch die die in der Vorschrift bezeichneten Personen Einfluss auf die Behördenentscheidung nehmen können (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.04.2004 - 10 B 2429/03 -).
Dabei ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass mit den §§ 16, 17 SGB X die Mitwirkung von Personen verhindert werden soll, die am Ausgang des Verwaltungsverfahrens ein eigenes, insbesondere wirtschaftliches Interesse haben und damit den bösen Schein möglicher Parteilichkeit hervorrufen (vgl. BVerwGE 69, 256, 266). Auf der anderen Seite muss eine Gesetzesauslegung vermieden werden, nach der jeder theoretisch denkbare Vor- oder Nachteil oder selbst untergeordnete, entfernt liegende Interessenkollisionen beachtlich sind oder die Ausschussarbeit geradezu blockiert würde (vgl. OVG NW, Urteil vom 24.01.1995 - 5 A 1746/91 - m.w.N.). Unmittelbare Vorteile erwachsen dem Vorsitzenden des Beklagten durch seine Tätigkeit im Ausschuss oder durch dessen Entscheidungen nicht. Er erhält nach § 2 Abs. 2, 3 WiPrüfVO Reisekosten sowie eine Entschädigung, die sich aus einem Grundbetrag sowie einem sitzungsbezogenen Pauschbetrag zusammensetzt. Soweit er den Ausschuss vor Gericht vertritt, kann er hierfür mit den Vertragspartnern eine gesonderte Vergütung vereinbaren. Vorliegend hat der Vorsitzende des Beklagten den Ausschuss nicht vor Gericht vertreten, sondern insofern eine Rechtsanwaltssozietät, der er selbst angehört, mandatiert. Die aus seiner wirtschaftlichen Beteiligung an der in der Rechtsform einer Partnerschaft geführten Rechtsanwaltssozietät resultierenden Vorteile sind aber lediglich mittelbarer Art, haben aber keinen unmittelbaren Bezug zu seiner Tätigkeit im Ausschuss und dessen Entscheidungen.
Auch eine Befangenheit des Vorsitzenden im Sinne des § 17 Abs. 1, 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 SGB X war nicht gegeben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Befangenheitsgründe, die ein Kläger erstmals im gerichtlichen Verfahren und nicht bereits vor dem Ausschuss geltend macht, überhaupt noch zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.1997 - 6 RKa 35/95 - m.w.N.). Die Tatsache, dass der Vorsitzende des Beklagten eine Rechtsanwaltssozietät, der er angehört, mit der Prozessvertretung des Beklagten beauftragt hat, rechtfertigt kein Misstrauen gegen seine unparteiische Amtsausübung. Die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses können von allen am Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung Beteiligten klageweise angefochten werden, d.h. vom geprüften Arzt, von der Kassenärztlichen Vereinigung, von den Landesverbänden der Krankenkassen und von den Ersatzkassen. Hierbei gehört nach § 2 Abs. 1 Ziffer 5 WiPrüfVO die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Beschwerdeausschusses zu den Aufgaben des Vorsitzenden. Insofern macht es keinen Unterschied aus, ob der Vorsitzende persönlich oder ein Mitglied der Rechtsanwaltssozietät, welcher er angehört, die Prozessvertretung übernimmt. Selbst wenn - unterstellt - der Vorsitzende durch seine wirtschaftliche Beteiligung an der den Ausschuss vertretenden Rechtsanwaltssozietät ein Interesse daran haben sollte, dass möglichst viele Bescheide klageweise angefochten werden, rechtfertigt dies kein Misstrauen gegen seine unparteiische Amtsführung. Denn eine Entscheidung, die zu Lasten der geprüften Ärzte ausfällt, kann von diesen angefochten werden, eine Entscheidung, die zu Gunsten der geprüften Ärzte ausfällt, kann von den Krankenkassen angefochten werden; hinzu kommt generell das Klagerecht der Kassenärztlichen Vereinigung aus ihrem Sicherstellungsauftrag. Angesichts dessen bestehen für eine parteiische - also einseitige - Amtsführung keinerlei Anhaltspunkte.
Eine formelle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich schließlich nicht aus solchen Umständen, die zu der Mandatierung der Prozessbevollmächtigten des Beklagten geführt haben. Insbesondere bedarf es keiner Entscheidung zu der Frage, ob insoweit ein Vergabeverfahren nach §§ 5 ff. der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) erforderlich war. Denn das Klageverfahren vor dem Sozialgericht schließt sich systematisch an das mit Erlass des Verwaltungsaktes abgeschlossene Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) an, so dass eventuelle Mängel in der späteren Prozessvertretung des Beklagten nicht auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides zurückwirken können.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat zunächst die richtige Vergleichsgruppe der Allgemeinärzte gewählt. Die vergleichsweise heranzuziehende Fachgruppe bestimmt sich grundsätzlich nach dem Fachgebiet, dem der zu prüfende Arzt angehört, weil hierdurch die Vergleichbarkeit in hohem Maße gewährleistet ist. Dies ist hier das Fachgebiet der Allgemeinmedizin. Die Vergleichsgruppe war mit 369 Leistungserbringern (4/2004), 366 Leistungserbringern (1/2005) und 352 Leistungserbringern (3/2005) ausreichend groß (vgl. zur Mindestgröße der Vergleichsgruppe z.B. BSG SozR 3-2500 Nr. 36). Auch die Fallzahlen der Klägerin reichten für eine Prüfung aus. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten ist ausgeschlossen, wenn die Fallzahl des Arztes 20 % des Fallzahldurchschnitts der Vergleichsgruppe nicht erreicht (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 45). Vorliegend überschritten die Fallzahlen der Klägerin diejenigen der Vergleichsgruppe sogar um ca. 50 %, wobei der Beklagte zutreffend darauf hinweist, dass eine größere Patientenzahl (hier: um 2.000) aufgrund von "Verdünnungseffekten" tendenziell eher für eine Verringerung des Fallwertes spricht. Auch der Umstand, dass die Klägerin insbesondere Sonographien und Endoskopien durchführte und Teilnehmer am DMP Diabetes behandelte, begründete keine Pflicht zur Bildung einer besonderen Vergleichsgruppe (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R - m.w.N. zu Ärzten mit Zusatzbezeichnungen). Soweit insofern die Voraussetzungen für eine besondere, vom üblichen Zuschnitt der Vergleichsgruppe abweichende Praxisausrichtung gegeben sein sollten, hätte der Klägerin ein dahingehender Nachweis oblegen, der sich auch darauf zu erstrecken gehabt hätte, ob und ggf. in welchem Umfang sich diese Ausrichtung in einem entsprechenden Mehrbedarf in den streitbefangenen Leistungssparten bzw. der Nr. 03120 EBM gegenüber der Vergleichsgruppe niedergeschlagen hatte. Daran fehlt es indes. Der Beklagte durfte daher die Klägerin rechtsfehlerfrei mit der Gruppe der Praktiker/Allgemeinmediziner, Untergruppe 4, vergleichen.
Der Beklagte hat die statistische Vergleichsprüfung rechtmäßig auch auf die Leistungssparten "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" und "Sonderleistungen" sowie die Nr. 03120 EBM beschränken dürfen. Denn ein Vertragsarzt ist verpflichtet, in dem Sinne umfassend wirtschaftlich zu handeln, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht nur im Gesamtfallwert, sondern auch in jedem Teilbereich seiner Tätigkeit und damit auch in den Sparten und Einzelleistungen gewahrt ist (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 42; SozR 4-2500 § 106 Nr. 4).
Es ist weiterhin nicht zu beanstanden, dass der Beklagte unter Dokumentation der Gesamtfallwerte das offensichtliche Missverhältnis bei den geprüften Sparten bei einer Überschreitung um + 50 % (vgl. BSG MedR 2004, 577) und bei der Einzelleistung nach Nr. 03120 EBM um + 100 % (vgl. BSG SozR-3 2500 § 106 SGB V Nr. 15) festgesetzt hat, zumal ein Prüfantrag bereits bei einer Überschreitung um + 40 % gestellt werden soll (§ 10 Abs. 2 lit. b der Prüfvereinbarung).
Mit der somit zutreffenden Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses ist entsprechend den Regeln des Anscheinsbeweises der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit erbracht (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr. 43, 44; Urteil vom 01.10.1990 - 6 RKa 32/89 -). Diesen hat die Klägerin nicht hinreichend widerlegt, denn sie hat weder substantiiert echte Praxisbesonderheiten, die Auswirkungen auf ihr Behandlungsverhalten haben, noch kompensatorische Einsparungen in anderen Leistungsbereichen vorgetragen und quantifiziert (vgl. BSG SozR 2200 § 368n RVO Nrn. 39, 43, 44, 57).
Unter Praxisbesonderheiten versteht man die individuellen Umstände, die eine Korrektur der statistisch dominierten Betrachtung notwendig machen. Ausgehend von der Prämisse, dass die Ärzte der Vergleichsgruppe im statistischen Durchschnitt den Versicherten genau das Maß der medizinisch gebotenen Be- handlungsweise haben angedeihen lassen, können nur die Praxisumstände relevant sein, die auf eine andere Zusammensetzung des Patientengutes schließen lassen. Eine Überschreitung kann daher nur wirtschaftlich sein, falls die Patienten auf Grund anderer und/oder schwererer Krankheitsbilder einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigen (vgl. Hesral, in: Ehlers u.a., Praxis der Wirtschaftlichkeitsprüfung, 2. Aufl. 2002, S. 53 ff. m.w.N.). Maßgeblich ist daher allein die Morbiditätsstruktur der Patientenschaft, während Umstände, die sich ausschließlich auf den Arzt, seine Qualifikation, seine Praxisausstattung oder seinen Behandlungsschwerpunkt beziehen, grundsätzlich nicht als Praxisbesonderheit zu werten sind.
Insofern hat der Beklagte von Amts wegen die durch die abweichenden Anteile an Notdienst- und Vertreterfällen sowie an Zuweisungen (1/2005) begründeten Besonderheiten erfasst und quantifiziert. Soweit die Klägerin auf einen erhöhten Ausländeranteil in ihrer Praxis hingewiesen hat, namentlich osteuropäischer und türkischer Herkunft, besteht insoweit kein Erfahrungssatz dahin, dass bei Ausländern generell ein erhöhter Behandlungsbedarf gegeben ist. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil "Ausländer" im statusrechtlichen Sinne auch Personen sind, die seit Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland leben, deren Kinder bzw. Kindeskinder bereits in Deutschland geboren und/oder hier aufgewachsen sind, und die - auch in sprachlicher Hinsicht - in die hiesige Wohnbevölkerung und die deutschen Lebensumstände integriert sind (vgl. BSG, Urteile vom 10.05.1995 - 6 RKa 2/94 - und vom 10.05.2000 - B 6 KA 25/99 R -). Substantiierte Angaben, aus welchen Gründen ein Mehraufwand durch die Behandlung ausländischer Patienten entstanden sein sollte, hat die Klägerin vorliegend nicht gemacht und auch nicht in der erforderlichen Weise quantifiziert. Da ausländische Versicherte auch von allen anderen Ärzten therapiert werden, reicht es nicht aus, die Prozentsätze ausländischer Versicherter in der eigenen Praxis anzugeben. Die Klägerin hätte vielmehr zahlenmäßig spezifiziert darlegen müssen, wie sich ihr Patientengut in der Zusammensetzung von demjenigen der Vergleichsgruppe unterscheidet und wie sich dies konkret auf die gekürzten Leistungssparten und die Nr. 03120 EBM auswirkt (st. Rspr.; vgl. z.B. LSG NRW, Urteil vom 25.11.1998 - L 11 KA 57/98 -). An solchen Darlegungen fehlt es vorliegend.
Auch die Lage der Praxis in der O Innenstadt am Hauptstraßenzug durfte der Beklagte rechtsfehlerfrei als Praxisbesonderheit unberücksichtigt lassen, da es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin fehlt, inwieweit hierdurch ein gegenüber der Vergleichsgruppe unterschiedlich zusammengesetztes Patientengut zu behandeln war. Dass die Praxis aufgrund ihrer günstigen Lage häufiger frequentiert wurde als die Praxen der Vergleichsgruppe, findet seinen Ausdruck in den um rund 50 % höheren Fallzahlen der Klägerin. Inwiefern hierdurch aber der maßgebliche Fallwert, d.h. die abgerechneten Punkte pro behandeltem Patienten in den betroffenen Leistungsbereichen, erhöht worden sein sollen, hätte einer schlüssigen Begründung bedurft.
Nichts anderes gilt auch für die Behandlung von DMP-Patienten. Es mangelt auch hier an schlüssigen Darlegungen dem Grunde und der Höhe nach, inwiefern hierdurch gegenüber der Vergleichsgruppe erhöhte Fallwerte begründet sein sollten. Rechtsfehlerfrei durfte der Beklagte deshalb annehmen, dass die Praxis typisch für die Behandlung von DMP-Patienten ist und das Abrechnungsverhalten der infrage stehenden EBM-Ziffern keinen Einfluss auf die Behandlung von Diabetikern hat.
Soweit die Klägerin vorträgt, durch umfassend durchgeführte vorstationäre Diagnostik oftmals lange Untersuchungs- und Behandlungsdauern im Krankenhaus vermieden zu haben, fehlt es ebenfalls an konkreten Darlegungen zu den hierdurch erzielten Einsparungen. Die Durchsicht der Frequenztabellen zeigt, dass die Überschreitungen in der hauptsächlich betroffenen Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" im Wesentlichen auf die Überschrei- tung der Nrn. 10 EBM (therapeutisches hausärztliches Gespräch) und 18 EBM (Zuschlag zu Nr. 10) zurückzuführen sind (4/2004: (Nr. 10) + 142,09 %, (Nr. 18) + 134,45 %; 1/2005: (Nr. 10) + 175,48 %, (Nr. 18) + 174,11 %). Demgegenüber unterschritten z.B. die Leistungsansätze der Nr. 60 EBM (Erhebung des Ganzkörperstatus) die Vergleichsgruppenwerte deutlich (4/2004: - 56,03 %; 1/2005: - 79,92 %). Angesichts dieser statistischen Werte hätte es eines substantiierten Vortrages bedurft, durch welche konkreten diagnostischen Maßnahmen in welchen Fällen welche konkreten Untersuchungsmaßnahmen im Krankenhaus eingespart worden sein sollen und welche Behandlungsdauern hierdurch abgekürzt worden sein sollen. Der pauschale Vortrag, ein Großteil der Einweisungen sei mit konkreter Diagnose und zur gezielten Behandlung erfolgt und nur ein geringer Teil aufgrund von Verdachtsdiagnosen, reicht insofern nicht, zumal davon auszugehen ist, dass sich auch die Ärzte der Vergleichsgruppe in gleicher Weise verhalten.
Rechtsfehlerfrei ist der angefochtene Bescheid schließlich hinsichtlich der nach der Feststellung der Unwirtschaftlichkeit dem Grunde nach in weiteren Schritten vorzunehmenden Feststellung bzw. Schätzung des durch die Unwirtschaftlichkeit bedingten Mehraufwandes sowie der Ausübung des Kürzungsermessens. Der Beklagte hat der Klägerin noch Restüberschreitungen nach Kürzung im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses belassen und für das Quartal 3/2005 eine schriftliche Beratung ausgesprochen; weiterer Begründungen bedurfte es insoweit nicht mehr (BSG, Urteil vom 18.06.1997 - 6 RKa 52/96 -).Gezielte Beratungen vor Honorarkürzungen sind im Übrigen nicht zwingend gefordert (BSGE 78, 278, 280 f.; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 1 m.w.N.). Vielmehr muss der Vertragsarzt wegen des hohen Rangs des Wirtschaftlichkeitsgebotes in der Regel noch bis zum Ablauf von vier Jahren nach Ergehen des Honorarbescheides mit einer Honorarkürzung in Folge einer Wirtschaftlichkeitsprüfung rechnen (vgl. BSGE 89, 90, 103; BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 6 KA 24/03 R-).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen und einer schriftlichen Beratung für die Quartale 4/2004, 1/2005 und 3/2005.
Die Klägerin ist eine aus zwei Ärzten und einer Ärztin bestehende allgemeinmedizinische Gemeinschaftspraxis (nunmehr: Berufsausübungsgemeinschaft) in O-Innenstadt, die hausärztlich tätig ist.
In allen Quartalen lagen die Fallzahlen mit ca. 2.000 um ca. 50 % über denjenigen der Vergleichsgruppe; die Rentneranteile unterschritten diejenigen der Vergleichsgruppe um ca. 40 %.
Im Quartal 4/2004 überschritten die Fallkosten der Klägerin den Vergleichsgruppendurchschnitt bei den Gesamtleistungen um + 39 % und in der Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" um + 137,81 %. Mit Bescheid vom 25.04.2005 verfügte der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein eine Honorarkürzung in Höhe von 31,11 % in dieser Sparte = 265.026,09 Punkte.
Im Quartal 1/2005 überschritten die Fallkosten der Klägerin den Vergleichsgruppendurchschnitt bei den Gesamtleistungen um + 43 %, in der Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" um + 161,65 % und in der Sparte "Sonderleistungen" um + 63,94 %. Mit Bescheid vom 26.07.2005 verfügte der Prüfungsausschuss eine Honorarkürzung in Höhe von 38,03 % in der Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" = 389.662,99 Punkte und in Höhe von 4,03 % in der Sparte "Sonderleistungen" = 21.162,94 Punkte.
Im Quartal 3/2005 überschritten die Fallkosten der Klägerin den Vergleichsgruppendurchschnitt bei den Gesamtleistungen um +35 % und innerhalb der Sparte "Arztgruppenspezifische Leistungen" bei der Nr. 03120 EBM (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 min., je vollendete 10 min. 150 Punkte) um + 103,14 %. Mit Bescheid vom 30.01.2006 verfügte der Prüfungsausschuss eine schriftliche Beratung wegen Nr. 03120 EBM.
Diesen Bescheiden widersprach die Klägerin. Ein pauschaler Vergleich der Gemeinschaftspraxis mit der Vergleichsgruppe sei unzulässig, denn er berücksichtige nicht, dass diese aus drei Kassenärzten bestehe, welche pro Quartal jeweils ca. 2.000 Patienten behandelten. Davon würden dauerhaft ca. 300 Diabetiker betreut, die zur optimalen Einstellung allesamt am DMP teilnähmen. Die durch eine intensive Beratung im Rahmen des DMP gewonnenen Einsparungen stellten einen Rechtfertigungsgrund im Sinne der Prüfvereinbarung dar. Überdurchschnittlich hoch sei mit ca. 90 - 95 % auch der Anteil ausländischer Patienten. Da nicht jeder Arzt deren Sprachen beherrsche, gestalte sich auch die Beratung jedes einzelnen Patienten entsprechend schwierig. Insbesondere Patienten türkischer und russischer Herkunft, die einen Großteil der Patienten ausmachten, suchten vermehrt aufgrund psychischer Ursachen die Praxis auf. Auch der überdurchschnittliche Anteil ausländischer Mitbürger an der Arbeitslosenquote in O wirke sich auf die Praxis aus. Nicht selten erschienen
Patienten mehrfach pro Woche in der Sprechstunde. Zudem hätte berücksichtigt werden müssen, dass es unter den russischen Migranten überdurchschnittlich viele Krebspatienten gebe und die Praxis im Übrigen überdurchschnittlich viele Schilddrüsenpatienten betreue. Ein Großteil der Einweisungen sei mit konkreter Diagnose und zur gezielten Behandlung erfolgt, nur ein geringer Teil aufgrund von Verdachtsdiagnosen. Hierdurch seien erhebliche Kosten gespart worden.
Mit Bescheid vom 26.06.2007 wies der Beklagte die Widersprüche zurück:
Es handele sich um die Praxis von Allgemeinmedizinern und praktischen Ärzten, die jeweils der Untergruppe 4 angehöre. Dieser Untergruppe gehörten 369 Ärzte (4/2004), 366 Ärzte (1/2005) und 352 Ärzte (3/2005) an. Die abweichenden Anteile der Versichertengruppen seien durch die nach M/F/R gewogenen Honoraranforderungen berücksichtigt worden. Dezidierte Angaben der Klägerin zu Abweichungen im Morbiditätsspektrum der betreuten Klientel gegenüber dem der Vergleichsgruppe und zu dem Mehraufwand sowie zu kompensatorischen Einsparungen seien nicht dargelegt worden. Aufgrund des statistischen Zahlenmaterials sei der Beklagte nicht in der Lage zu erkennen, ob der Anteil der ausländischen Patienten in der Praxis der Klägerin von dem Ausländeranteil der Vergleichsgruppe abweiche. Darüber hinaus sei kein Erfahrungssatz des Inhaltes bekannt, dass ausländische Patienten höhere Honoraranforderungen verursachten. Die Struktur der Praxis sei typisch für die Behandlung von DMP-Patienten. Das Abrechnungsverhalten der infrage stehenden Ziffern habe keinen Einfluss auf die Behandlung von Diabetikern. Unter Berücksichtigung der von Amts wegen festgestellten Praxisbesonderheiten der abweichenden Anteile an Notdienst- und Vertreterfällen sowie Zuweisungen (1/2005) ergäben sich unter Berücksichtigung fiktiver Fallzahlen bereinigte Überschreitungen in der Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" von + 123,99 % (4/2004) und + 149,63 % (1/2005), in der Sparte "Sonderleistungen" von + 56,68 % (1/2005) und bei der Nr. 03120 EBM von + 101,16 % (3/2005). Die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis legte der Beklagte - unter Beachtung des Homogenitätsgrades der Vergleichsgruppe und des Morbiditätsspektrums der Patienten - bei den geprüften Sparten auf eine Überschreitung von jeweils 50 % und bei der Nr. 03120 EBM auf + 100 % fest. Die jenseits dieser Grenze liegenden Unwirtschaftlichkeiten bei den Sparten wurden gekürzt.
Hiergegen richtet sich die am 27.07.2007 erhobene Klage.
Zur Begründung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und weist ergänzend auf die Lage ihrer Praxis in der O Innenstadt am Hauptstraßenzug hin. Hierdurch werde die Praxis häufiger frequentiert als andere Praxen und sei aufgrund der günstigen Verkehrslage für ältere und körperlich gebrechliche Patienten einfach zu erreichen. Der angefochtene Bescheid sei zudem formell rechtswidrig. Bei den beiden Vorsitzenden des Beklagten handele es sich um den Inhaber sowie einen weiteren Rechtsanwalt aus der Sozietät, welche den Beklagten in diesem Rechtsstreit vertrete. Dies begründe die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden, denn dessen Rechtsanwaltssozietät profitiere wirtschaftlich nicht unerheblich von diesem Verfahren; der Vorsitzende sei deshalb nicht mehr unparteiisch. Zudem bestünden Zweifel an der ordnungsgemäßen Mandatierung der den Beklagten vertretenden Sozietät; es müsse bestritten werden, dass eine ordnungsgemäße Ausschreibung gemäß §§ 5 ff. VOF erfolgt sei. Schließlich sei entgegen § 106 Abs. 5 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) keine gezielte Beratung vor Kürzung erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2007 über ihre Widersprüche gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 25.04.2005 (4/2004), 26.07.2005 (1/2005) und 30.01.2006 (3/2005) unter Beachtung der Rechts- auffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angefochtenen Bescheid in jeder Hinsicht für rechtmäßig.
Die Besorgnis der Befangenheit seines Vorsitzenden sei nicht begründet. Dieser könne nach § 2 Abs. 4 der Wirtschaftlichkeitsprüfungsverordnung (WiPrüfVO) sogar persönlich die Prozessvertretung des Beklagten übernehmen; die Umstände seien insofern nicht anders als bei Beauftragung einer Kanzlei, welcher der Vorsitzende selbst angehöre. Schließlich sei die Übertragung des Mandates erst nach Erhebung der Klage erfolgt.
Die Beigeladenen zu 1) bis 8) stellen keine Prozessanträge.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für die Beigeladenen zu 1) bis 8) in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2009 niemand erschienen war, konnte die Kammer verhandeln und entscheiden, da auf diese Möglichkeit in den form- und fristgerecht zugestellten Terminbenachrichtigungen hingewiesen worden ist.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid des Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn dieser ist rechtmäßig.
Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung ab 01.01.2004 wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung geprüft durch Auffälligkeitsprüfung (Nr. 1) oder Zufälligkeitsprüfung (Nr. 2). Die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren.
Insofern haben die Beigeladenen zu 1) bis 8) in § 1 einer Übergangs- und Errichtungsvereinbarung für die Zeit ab 01.01.2004 geregelt, dass die ab 01.01.2001 geltende Prüfvereinbarung - soweit hier erheblich - zunächst unverändert fortgelten solle (Rhein. Ärzteblatt 6/2004, S. 72). Nach deren §§ 10, 11 erfolgt die Prüfung grundsätzlich auf der Grundlage von Durchschnittswerten. Diese Prüfmethode war bis zum 31.12.2003 in § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB V auch gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. Der Beklagte durfte daher rechtsfehlerfrei für alle drei streitbefangenen Quartale eine statistische Prüfung nach Durchschnittswerten vornehmen.
Dabei erfolgt die arztbezogene Prüfung nach Durchschnittswerten durch eine Gegenüberstellung der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Arztes einerseits und der Gruppe vergleichbarer Ärzte andererseits. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bringt die statistische Vergleichsprüfung, ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die typischerweise umfassendsten Erkenntnisse (vgl. nur BSG, Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R-). Weichen die Werte des geprüften Arztes von den Durchschnittswerten ab, ist zu prüfen, ob der mit dem Begriff des offensichtlichen Missverhältnisses gekennzeichnete Überschreitungsgrad erreicht ist. Das hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Prüfgegenstandes und den Umständen des konkreten Falles ab und kann nicht allgemein verbindlich festgelegt werden.
Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei einem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d.h. ist ein Überschreitungsmaß erreicht, das sich im Regelfall nicht durch Unterschiede in der Patientenstruktur oder in den Behandlungsmethoden erklären lässt, hat dies die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (BSG, Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -).
Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung kommt dabei den Prüfgremien ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkter richterlicher Kontrolle unterliegt. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf die ordnungsgemäße Durchführung des Verwaltungsverfahrens, die richtige und vollständige Ermittlung des Sachverhalts sowie die Frage, ob die Verwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht hat, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 27.06.2001 - B 6 KA 66/00 R -).
Auf der Grundlage dieser Kontrolldichte ist der Bescheid des Beklagten nicht zu beanstanden.
Es liegen keine Verfahrensfehler vor. Der Vorsitzende des Beklagten war unparteiisch. Nach § 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V besteht der Beschwerdeausschuss aus Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen in gleicher Anzahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden. Auf dieser Grundlage sieht § 1 Abs. 1 Satz 2 WiPrüfVO vor, dass der Beschwerdeausschuss aus einem unparteiischen Vorsitzenden und höchstens jeweils vier, mindestens jeweils zwei Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen besteht. Unparteiisch ist ein Vorsitzender danach, wenn er weder dem Lager der Kassenärztlichen Vereinigung noch demjenigen der Krankenkassen angehört. Dies ist bei X der Fall.
Der Vorsitzende war auch nicht ausgeschlossen. Gemäß § 16 Abs. 1 Nrn. 1 - 5 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) dürfen in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde Beteiligte oder ihnen nahe stehende Personen nicht tätig sein. Der unparteiische Vorsitzende des Beklagten war nicht Beteiligter im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB X, denn er war weder Antragsteller oder Antragsgegner, Adressat eines Verwaltungsaktes, Partner eines öffentlich-rechtlichen Vertrages noch Hinzugezogener. Er stand auch nicht einem Beteiligten gleich. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB X steht dem Beteiligten gleich, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. Diese Bestimmung fordert als Ausprägung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens den Ausschluss jeglicher Mitwirkung durch Beteiligte und andere Personen, bei denen nach den maßgeblichen Umständen des konkreten Falles eine Unparteilichkeit des Handelns nicht gewährleistet ist. Untersagt sind alle Handlungen, durch die die in der Vorschrift bezeichneten Personen Einfluss auf die Behördenentscheidung nehmen können (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.04.2004 - 10 B 2429/03 -).
Dabei ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass mit den §§ 16, 17 SGB X die Mitwirkung von Personen verhindert werden soll, die am Ausgang des Verwaltungsverfahrens ein eigenes, insbesondere wirtschaftliches Interesse haben und damit den bösen Schein möglicher Parteilichkeit hervorrufen (vgl. BVerwGE 69, 256, 266). Auf der anderen Seite muss eine Gesetzesauslegung vermieden werden, nach der jeder theoretisch denkbare Vor- oder Nachteil oder selbst untergeordnete, entfernt liegende Interessenkollisionen beachtlich sind oder die Ausschussarbeit geradezu blockiert würde (vgl. OVG NW, Urteil vom 24.01.1995 - 5 A 1746/91 - m.w.N.). Unmittelbare Vorteile erwachsen dem Vorsitzenden des Beklagten durch seine Tätigkeit im Ausschuss oder durch dessen Entscheidungen nicht. Er erhält nach § 2 Abs. 2, 3 WiPrüfVO Reisekosten sowie eine Entschädigung, die sich aus einem Grundbetrag sowie einem sitzungsbezogenen Pauschbetrag zusammensetzt. Soweit er den Ausschuss vor Gericht vertritt, kann er hierfür mit den Vertragspartnern eine gesonderte Vergütung vereinbaren. Vorliegend hat der Vorsitzende des Beklagten den Ausschuss nicht vor Gericht vertreten, sondern insofern eine Rechtsanwaltssozietät, der er selbst angehört, mandatiert. Die aus seiner wirtschaftlichen Beteiligung an der in der Rechtsform einer Partnerschaft geführten Rechtsanwaltssozietät resultierenden Vorteile sind aber lediglich mittelbarer Art, haben aber keinen unmittelbaren Bezug zu seiner Tätigkeit im Ausschuss und dessen Entscheidungen.
Auch eine Befangenheit des Vorsitzenden im Sinne des § 17 Abs. 1, 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 SGB X war nicht gegeben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Befangenheitsgründe, die ein Kläger erstmals im gerichtlichen Verfahren und nicht bereits vor dem Ausschuss geltend macht, überhaupt noch zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.1997 - 6 RKa 35/95 - m.w.N.). Die Tatsache, dass der Vorsitzende des Beklagten eine Rechtsanwaltssozietät, der er angehört, mit der Prozessvertretung des Beklagten beauftragt hat, rechtfertigt kein Misstrauen gegen seine unparteiische Amtsausübung. Die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses können von allen am Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung Beteiligten klageweise angefochten werden, d.h. vom geprüften Arzt, von der Kassenärztlichen Vereinigung, von den Landesverbänden der Krankenkassen und von den Ersatzkassen. Hierbei gehört nach § 2 Abs. 1 Ziffer 5 WiPrüfVO die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Beschwerdeausschusses zu den Aufgaben des Vorsitzenden. Insofern macht es keinen Unterschied aus, ob der Vorsitzende persönlich oder ein Mitglied der Rechtsanwaltssozietät, welcher er angehört, die Prozessvertretung übernimmt. Selbst wenn - unterstellt - der Vorsitzende durch seine wirtschaftliche Beteiligung an der den Ausschuss vertretenden Rechtsanwaltssozietät ein Interesse daran haben sollte, dass möglichst viele Bescheide klageweise angefochten werden, rechtfertigt dies kein Misstrauen gegen seine unparteiische Amtsführung. Denn eine Entscheidung, die zu Lasten der geprüften Ärzte ausfällt, kann von diesen angefochten werden, eine Entscheidung, die zu Gunsten der geprüften Ärzte ausfällt, kann von den Krankenkassen angefochten werden; hinzu kommt generell das Klagerecht der Kassenärztlichen Vereinigung aus ihrem Sicherstellungsauftrag. Angesichts dessen bestehen für eine parteiische - also einseitige - Amtsführung keinerlei Anhaltspunkte.
Eine formelle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich schließlich nicht aus solchen Umständen, die zu der Mandatierung der Prozessbevollmächtigten des Beklagten geführt haben. Insbesondere bedarf es keiner Entscheidung zu der Frage, ob insoweit ein Vergabeverfahren nach §§ 5 ff. der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) erforderlich war. Denn das Klageverfahren vor dem Sozialgericht schließt sich systematisch an das mit Erlass des Verwaltungsaktes abgeschlossene Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) an, so dass eventuelle Mängel in der späteren Prozessvertretung des Beklagten nicht auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides zurückwirken können.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat zunächst die richtige Vergleichsgruppe der Allgemeinärzte gewählt. Die vergleichsweise heranzuziehende Fachgruppe bestimmt sich grundsätzlich nach dem Fachgebiet, dem der zu prüfende Arzt angehört, weil hierdurch die Vergleichbarkeit in hohem Maße gewährleistet ist. Dies ist hier das Fachgebiet der Allgemeinmedizin. Die Vergleichsgruppe war mit 369 Leistungserbringern (4/2004), 366 Leistungserbringern (1/2005) und 352 Leistungserbringern (3/2005) ausreichend groß (vgl. zur Mindestgröße der Vergleichsgruppe z.B. BSG SozR 3-2500 Nr. 36). Auch die Fallzahlen der Klägerin reichten für eine Prüfung aus. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten ist ausgeschlossen, wenn die Fallzahl des Arztes 20 % des Fallzahldurchschnitts der Vergleichsgruppe nicht erreicht (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 45). Vorliegend überschritten die Fallzahlen der Klägerin diejenigen der Vergleichsgruppe sogar um ca. 50 %, wobei der Beklagte zutreffend darauf hinweist, dass eine größere Patientenzahl (hier: um 2.000) aufgrund von "Verdünnungseffekten" tendenziell eher für eine Verringerung des Fallwertes spricht. Auch der Umstand, dass die Klägerin insbesondere Sonographien und Endoskopien durchführte und Teilnehmer am DMP Diabetes behandelte, begründete keine Pflicht zur Bildung einer besonderen Vergleichsgruppe (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R - m.w.N. zu Ärzten mit Zusatzbezeichnungen). Soweit insofern die Voraussetzungen für eine besondere, vom üblichen Zuschnitt der Vergleichsgruppe abweichende Praxisausrichtung gegeben sein sollten, hätte der Klägerin ein dahingehender Nachweis oblegen, der sich auch darauf zu erstrecken gehabt hätte, ob und ggf. in welchem Umfang sich diese Ausrichtung in einem entsprechenden Mehrbedarf in den streitbefangenen Leistungssparten bzw. der Nr. 03120 EBM gegenüber der Vergleichsgruppe niedergeschlagen hatte. Daran fehlt es indes. Der Beklagte durfte daher die Klägerin rechtsfehlerfrei mit der Gruppe der Praktiker/Allgemeinmediziner, Untergruppe 4, vergleichen.
Der Beklagte hat die statistische Vergleichsprüfung rechtmäßig auch auf die Leistungssparten "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" und "Sonderleistungen" sowie die Nr. 03120 EBM beschränken dürfen. Denn ein Vertragsarzt ist verpflichtet, in dem Sinne umfassend wirtschaftlich zu handeln, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht nur im Gesamtfallwert, sondern auch in jedem Teilbereich seiner Tätigkeit und damit auch in den Sparten und Einzelleistungen gewahrt ist (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 42; SozR 4-2500 § 106 Nr. 4).
Es ist weiterhin nicht zu beanstanden, dass der Beklagte unter Dokumentation der Gesamtfallwerte das offensichtliche Missverhältnis bei den geprüften Sparten bei einer Überschreitung um + 50 % (vgl. BSG MedR 2004, 577) und bei der Einzelleistung nach Nr. 03120 EBM um + 100 % (vgl. BSG SozR-3 2500 § 106 SGB V Nr. 15) festgesetzt hat, zumal ein Prüfantrag bereits bei einer Überschreitung um + 40 % gestellt werden soll (§ 10 Abs. 2 lit. b der Prüfvereinbarung).
Mit der somit zutreffenden Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses ist entsprechend den Regeln des Anscheinsbeweises der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit erbracht (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr. 43, 44; Urteil vom 01.10.1990 - 6 RKa 32/89 -). Diesen hat die Klägerin nicht hinreichend widerlegt, denn sie hat weder substantiiert echte Praxisbesonderheiten, die Auswirkungen auf ihr Behandlungsverhalten haben, noch kompensatorische Einsparungen in anderen Leistungsbereichen vorgetragen und quantifiziert (vgl. BSG SozR 2200 § 368n RVO Nrn. 39, 43, 44, 57).
Unter Praxisbesonderheiten versteht man die individuellen Umstände, die eine Korrektur der statistisch dominierten Betrachtung notwendig machen. Ausgehend von der Prämisse, dass die Ärzte der Vergleichsgruppe im statistischen Durchschnitt den Versicherten genau das Maß der medizinisch gebotenen Be- handlungsweise haben angedeihen lassen, können nur die Praxisumstände relevant sein, die auf eine andere Zusammensetzung des Patientengutes schließen lassen. Eine Überschreitung kann daher nur wirtschaftlich sein, falls die Patienten auf Grund anderer und/oder schwererer Krankheitsbilder einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigen (vgl. Hesral, in: Ehlers u.a., Praxis der Wirtschaftlichkeitsprüfung, 2. Aufl. 2002, S. 53 ff. m.w.N.). Maßgeblich ist daher allein die Morbiditätsstruktur der Patientenschaft, während Umstände, die sich ausschließlich auf den Arzt, seine Qualifikation, seine Praxisausstattung oder seinen Behandlungsschwerpunkt beziehen, grundsätzlich nicht als Praxisbesonderheit zu werten sind.
Insofern hat der Beklagte von Amts wegen die durch die abweichenden Anteile an Notdienst- und Vertreterfällen sowie an Zuweisungen (1/2005) begründeten Besonderheiten erfasst und quantifiziert. Soweit die Klägerin auf einen erhöhten Ausländeranteil in ihrer Praxis hingewiesen hat, namentlich osteuropäischer und türkischer Herkunft, besteht insoweit kein Erfahrungssatz dahin, dass bei Ausländern generell ein erhöhter Behandlungsbedarf gegeben ist. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil "Ausländer" im statusrechtlichen Sinne auch Personen sind, die seit Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland leben, deren Kinder bzw. Kindeskinder bereits in Deutschland geboren und/oder hier aufgewachsen sind, und die - auch in sprachlicher Hinsicht - in die hiesige Wohnbevölkerung und die deutschen Lebensumstände integriert sind (vgl. BSG, Urteile vom 10.05.1995 - 6 RKa 2/94 - und vom 10.05.2000 - B 6 KA 25/99 R -). Substantiierte Angaben, aus welchen Gründen ein Mehraufwand durch die Behandlung ausländischer Patienten entstanden sein sollte, hat die Klägerin vorliegend nicht gemacht und auch nicht in der erforderlichen Weise quantifiziert. Da ausländische Versicherte auch von allen anderen Ärzten therapiert werden, reicht es nicht aus, die Prozentsätze ausländischer Versicherter in der eigenen Praxis anzugeben. Die Klägerin hätte vielmehr zahlenmäßig spezifiziert darlegen müssen, wie sich ihr Patientengut in der Zusammensetzung von demjenigen der Vergleichsgruppe unterscheidet und wie sich dies konkret auf die gekürzten Leistungssparten und die Nr. 03120 EBM auswirkt (st. Rspr.; vgl. z.B. LSG NRW, Urteil vom 25.11.1998 - L 11 KA 57/98 -). An solchen Darlegungen fehlt es vorliegend.
Auch die Lage der Praxis in der O Innenstadt am Hauptstraßenzug durfte der Beklagte rechtsfehlerfrei als Praxisbesonderheit unberücksichtigt lassen, da es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin fehlt, inwieweit hierdurch ein gegenüber der Vergleichsgruppe unterschiedlich zusammengesetztes Patientengut zu behandeln war. Dass die Praxis aufgrund ihrer günstigen Lage häufiger frequentiert wurde als die Praxen der Vergleichsgruppe, findet seinen Ausdruck in den um rund 50 % höheren Fallzahlen der Klägerin. Inwiefern hierdurch aber der maßgebliche Fallwert, d.h. die abgerechneten Punkte pro behandeltem Patienten in den betroffenen Leistungsbereichen, erhöht worden sein sollen, hätte einer schlüssigen Begründung bedurft.
Nichts anderes gilt auch für die Behandlung von DMP-Patienten. Es mangelt auch hier an schlüssigen Darlegungen dem Grunde und der Höhe nach, inwiefern hierdurch gegenüber der Vergleichsgruppe erhöhte Fallwerte begründet sein sollten. Rechtsfehlerfrei durfte der Beklagte deshalb annehmen, dass die Praxis typisch für die Behandlung von DMP-Patienten ist und das Abrechnungsverhalten der infrage stehenden EBM-Ziffern keinen Einfluss auf die Behandlung von Diabetikern hat.
Soweit die Klägerin vorträgt, durch umfassend durchgeführte vorstationäre Diagnostik oftmals lange Untersuchungs- und Behandlungsdauern im Krankenhaus vermieden zu haben, fehlt es ebenfalls an konkreten Darlegungen zu den hierdurch erzielten Einsparungen. Die Durchsicht der Frequenztabellen zeigt, dass die Überschreitungen in der hauptsächlich betroffenen Sparte "Beratungs- und Betreuungsleistungen, Ganzkörperstatus" im Wesentlichen auf die Überschrei- tung der Nrn. 10 EBM (therapeutisches hausärztliches Gespräch) und 18 EBM (Zuschlag zu Nr. 10) zurückzuführen sind (4/2004: (Nr. 10) + 142,09 %, (Nr. 18) + 134,45 %; 1/2005: (Nr. 10) + 175,48 %, (Nr. 18) + 174,11 %). Demgegenüber unterschritten z.B. die Leistungsansätze der Nr. 60 EBM (Erhebung des Ganzkörperstatus) die Vergleichsgruppenwerte deutlich (4/2004: - 56,03 %; 1/2005: - 79,92 %). Angesichts dieser statistischen Werte hätte es eines substantiierten Vortrages bedurft, durch welche konkreten diagnostischen Maßnahmen in welchen Fällen welche konkreten Untersuchungsmaßnahmen im Krankenhaus eingespart worden sein sollen und welche Behandlungsdauern hierdurch abgekürzt worden sein sollen. Der pauschale Vortrag, ein Großteil der Einweisungen sei mit konkreter Diagnose und zur gezielten Behandlung erfolgt und nur ein geringer Teil aufgrund von Verdachtsdiagnosen, reicht insofern nicht, zumal davon auszugehen ist, dass sich auch die Ärzte der Vergleichsgruppe in gleicher Weise verhalten.
Rechtsfehlerfrei ist der angefochtene Bescheid schließlich hinsichtlich der nach der Feststellung der Unwirtschaftlichkeit dem Grunde nach in weiteren Schritten vorzunehmenden Feststellung bzw. Schätzung des durch die Unwirtschaftlichkeit bedingten Mehraufwandes sowie der Ausübung des Kürzungsermessens. Der Beklagte hat der Klägerin noch Restüberschreitungen nach Kürzung im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses belassen und für das Quartal 3/2005 eine schriftliche Beratung ausgesprochen; weiterer Begründungen bedurfte es insoweit nicht mehr (BSG, Urteil vom 18.06.1997 - 6 RKa 52/96 -).Gezielte Beratungen vor Honorarkürzungen sind im Übrigen nicht zwingend gefordert (BSGE 78, 278, 280 f.; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 1 m.w.N.). Vielmehr muss der Vertragsarzt wegen des hohen Rangs des Wirtschaftlichkeitsgebotes in der Regel noch bis zum Ablauf von vier Jahren nach Ergehen des Honorarbescheides mit einer Honorarkürzung in Folge einer Wirtschaftlichkeitsprüfung rechnen (vgl. BSGE 89, 90, 103; BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 6 KA 24/03 R-).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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