L 7 B 1091/08 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 2649/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 1091/08 AS ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 24. November 2008 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Verfahren L 7 B 1091/08 AS ER wird abgelehnt.



Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Die Beschwerdeführer (Bf.) - es handelt sich um Mutter und Sohn - leben in einer gemeinsamen Wohnung. Die Bf. zu 1 geht einer geringfügigen Tätigkeit nach, aus der ihr monatlich 400 EUR zufließen. Sie bezieht vom Beschwerdegegner (Bg.) laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Bf. zu 2 studiert an der L. B-Stadt für das Lehramt Hauptschule. Er befindet sich momentan im neunten Hochschulsemester sowie im achten Fachsemester; diese Diskrepanz resultiert aus einem Wechsel des Studiengangs nach dem ersten Hochschulsemester. Bis einschließlich September 2008 bezog der Bf. zu 2 Leistungen nach dem BAföG (zuletzt 377 EUR monatlich). Diese enthielten einen Unterkunftsanteil von 44 EUR pro Monat.

Zunächst bewilligte der Bg. mit Bescheid vom 12.03.2008 der Bf. zu 1 Leistungen für den Zeitraum Mai bis Oktober 2008, wobei er deren bereinigtes Erwerbseinkommen anrechnete und die anteiligen (halben) Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigte. Mit Schreiben vom 06.05.2008 sprach der Bg. der Bf. zu 1 weitere 291,25 EUR für ungedeckte Unterkunftskosten des Bf. zu 2 gemäß § 22 Abs. 7 SGB II von Mai bis Oktober 2008 zu.

Seit Oktober 2008 erhält der Bf. zu 2 keine BAföG-Leistungen mehr. Jedoch bewilligte ihm das Bundesverwaltungsamt für den Zeitraum August 2008 bis Juli 2009 einen monatlichen Bildungskredit in Höhe von 300 EUR (Bescheid vom 17.10.2008), der über die Kreditanstalt für Wiederaufbau abgewickelt wird. Auf die Einstellung der BAföG-Leistungen reagierte der Bg. mit Bescheid vom 25.09.2008. Damit hob er den Bescheid vom 12.03.2008 mit Wirkung ab 01.10.2008 auf und stellte den Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II ab dem gleichen Zeitpunkt ein. Zudem bewilligte er der Bf. zu 1 Leistungen bis einschließlich April 2009, allerdings ohne einen Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II. Ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.09.2008 blieb ohne Erfolg. Inzwischen ist vor dem Sozialgericht München Klage erhoben worden.

Am 10.11.2008 haben die Bf. beim Sozialgericht München einstweiligen Rechtsschutz beantragt mit dem Ziel, dass der Bg. für den gesamten Zeitraum Oktober 2008 bis einschließlich April 2009 die anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung vorläufig übernimmt. Mit Beschluss vom 24.11.2008 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid vom 25.09.2008 gerichteten Widerspruchs angeordnet, soweit der Zuschuss für den Monat Oktober 2008 eingestellt wurde. Es hat dies damit begründet, der Bescheid vom 25.09.2008 lasse eine Aufhebung der mit Schreiben vom 06.05.2008 getroffenen Regelung vermissen. Im Übrigen aber hat das Sozialgericht den beantragten einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Es hat die Ansicht vertreten, bei der Bf. zu 1 dürften nur die anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung angesetzt werden; es bestehe kein Anlass, von der Aufteilung nach Köpfen abzuweichen. Der Bf. zu 2 sei vom Leistungsbezug nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen; ein Ausnahmefall nach § 7 Abs. 6 SGB II liege nicht vor. Ein besonderer Härtefall nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II bestehe nicht. Der Bf. zu 2 habe sich seine schwierige Lage selbst zuzuschreiben; er hätte sich durch eine Erwerbstätigkeit neben dem Studium ein finanzielles Fundament verschaffen müssen. In diesem Zusammenhang macht das Sozialgericht auf die aus dem Bildungskredit fließenden Mittel sowie darauf aufmerksam, dass er Wohngeld in Höhe von 149 EUR monatlich erhalten könnte. Der Bf. zu 2 habe keinen Anspruch auf einen Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II, weil er keine BAföG-Leistungen mehr beziehe.

Mit weiterem Beschluss vom 24.11.2008 hat Sozialgericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (im Folgenden: PKH) abgelehnt, weil die Bf. trotz Aufforderung und Fristsetzung die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hätten.

Gegen die beiden Beschlüsse vom 24.11.2008 richten sich die Beschwerden, wobei auch für das Beschwerdeverfahren L 7 B 1091/08 AS ER die Bewilligung von PKH und die Beiordnung eines Anwalts beantragt werden. Die Bf. weisen darauf hin, der Bf. zu 2 befinde sich bereits im vorletzten Semester.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Bg. sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Beide Beschwerden sind zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag der Bf., auch über den Monat September 2008 hinaus die vollen Kosten für Unterkunft und Heizung zu tragen, zu Recht abgelehnt.

Der Senat sieht schon keinen Anordnungsanspruch. Als materielle Anspruchsnorm kommt allein § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II in Betracht, der abweichend von § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in besonderen Härtefällen ausnahmsweise die Gewährung von Leistungen als Darlehen zulässt. Andere Regelungen liegen als Anspruchsgrundlagen fern; insoweit wird auf die zutreffende Begründung des Sozialgerichts verwiesen.

Aber auch die Härtefallregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II vermag nicht, den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu tragen. Legt man den Vortrag der Bf. zu Grunde, erscheint zwar nicht ausgeschlossen, dass tatsächlich ein Härtefall im Sinn der Ausnahmeregelung gegeben sein könnte. Die für das vorliegende Problem richtungsweisenden Urteile des Bundessozialgerichts vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 28/06 R und B 14/7b AS 36/06 R ließen es nach Ansicht des Senats zu, auch bereits im vorletzten Semester unter Umständen eine hinreichende "Examensnähe" anzunehmen mit der Folge, dass ein aus finanziellen Gründen erzwungener Abbruch der Ausbildung grob unbillig erschiene. In dieser Weise kann aber nur dann verfahren werden, wenn mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass sich der Auszubildende "auf Kurs befindet". Das heißt, es muss erwiesen sein, dass alle Voraussetzungen für einen zeitnahen erfolgreichen Ausbildungsabschluss vorliegen. Das setzt voraus, dass der bisherige Studienverlauf - besonders die bisher erbrachten Leistungen (z.B. Prüfungen, Teilprüfungen, Scheine) - einen baldigen erfolgreichen Abschluss erwarten lassen; es muss feststehen, dass die Ausbildung konzentriert, erfolgreich und energisch betrieben wird.

Daran fehlt es hier. Von Seiten der Bf. ist zwar wiederholt vorgetragen worden, mit dem Sommersemester 2009 werde das Studium abgeschlossen sein. Belege hierfür finden sich aber weder in den Akten des Bg., noch haben die Bf. im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes solche vorgelegt. Dabei hätte dies aus ihrer Sicht nahegelegen: Einerseits liegt - insbesondere nach dem erstinstanzlichen Beschluss - auf der Hand, dass entsprechende Nachweise höchst relevant sind. Andererseits wäre es für die Bf. ein Leichtes, diese beizubringen. Vor diesem Hintergrund musste weder das Sozialgericht noch der Senat im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips von sich aus entsprechende Ermittlungen anstellen. Zwar ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der
Amtsermittlungsgrundsatz nicht aufgehoben; er wird jedoch durch erhöhte Mitwirkungsobliegenheiten des Antragstellers, nämlich die Obliegenheit zur Glaubhaftmachung der anspruchsbegründenden Umstände, überlagert. Jedenfalls wenn wie hier die Relevanz bestimmter Umstände für den Antragsteller evident und zudem Nachweise für ihn sehr leicht beschaffbar sind, darf das Gericht der Sozialgerichtsbarkeit ihm die fehlende Glaubhaftmachung zum Nachteil gereichen lassen, ohne selbst ermitteln zu müssen. Das gilt umso mehr, als die Bf. durch einen erfahrenen Fachanwalt für Sozialrecht vertreten sind und sie die fehlende Glaubhaftmachung jederzeit - mit einem neuen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz - nachholen können.

Der Senat weist darauf hin - ohne sich diesbezüglich festlegen zu müssen -, dass zudem fraglich ist, ob eine besondere Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens besteht, die es rechtfertigt, eine vorläufige Regelung zu treffen. Das Sozialgericht hat richtig dargelegt, dass der Bf. zu 2 durchaus Einnahmen hat bzw. in der Lage ist, solche zu realisieren. Des Weiteren muss die Bf. zu 1 aufgrund der Freibetragsregelungen ihr Arbeitsentgelt nicht vollständig zur Deckung des eigenen Bedarfs einsetzen. Schließlich gilt es zu bedenken, dass allem Anschein nach der Bf. zu 2 für die Monate August und September 2008 sowohl BAföG-Leistungen als auch die aus dem Bildungskredit bezogen hat. Letztere sind ihm offenbar in einer Phase zugeflossen - nämlich nach Erlass des Bescheids des Bg. vom 25.09.2008 -, in der er bereits wusste, dass er in einen finanziellen Engpass geraten könnte und deswegen mit seinem Geld sorgfältig "haushalten" musste.

Da das Rechtsschutzbegehren aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im prozesskostenhilferechtlichen Sinn hat, ist einerseits die Entscheidung des Sozialgerichts, PKH für das Antragsverfahren abzulehnen, richtig. Andererseits kann deswegen auch für das Beschwerdeverfahren keine PKH bewilligt werden. Auch wenn die "hinreichende Aussicht auf Erfolg" im Sinn von § 114 ZPO nach einem anderen Maßstab zu beurteilen ist als das Ergebnis in der Sache, so mangelt es trotzdem daran. Denn das Ergebnis der rechtlichen Prüfung ist, gerade weil die Bf. keine Studienunterlagen vorgelegt haben, eindeutig. Bezüglich des erstinstanzlichen PKH-Verfahrens kommt es somit auf das Problem der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved