Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SB 752/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 90/05
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Auf die Klage der Klägerin werden die Bescheide vom 06. Februar 2007 und 10. September 2007 hinsichtlich des Bescheides vom 06. Februar 2007 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage gegen den Bescheid vom 10. September 2007 hinsichtlich des Ausführungsbescheides vom 19. Juli 2005 abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Berufungsverfahren streiten die Beteiligten im Wesentlichen um die Zuerkennung des Merkzeichen "G" und die Aufhebung von Bescheiden mit dem Ziel der Weitergewährung des Merkzeichens "RF".
Auf den Erstantrag der 1957 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2000 ihren Grad der Behinderung (GdB) mit 60 fest und erkannte ihr das Merkzeichen "RF" zu. Hierbei berücksichtigte er als Funktionsstörungen eine Schwerhörigkeit bds. (Einzel-GdB 50), eine Sehminderung rechts (Einzel-GdB 30) sowie eine Funktionsbehinderung des Kniegelenks rechts (Einzel-GdB 10).
Am 13.09.2002 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihres GdB. Nachdem der Beklagte dies zunächst mit Bescheid vom 26.11.2000 abgelehnt hatte, erhöhte er ihn nach Widerspruchseinlegung mit Abhilfebescheid vom 26.06.2003 mit Wirkung ab 13.09.2002 auf 70 und stellte fest, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" seien weiterhin erfüllt, nicht jedoch die der übrigen Merkzeichen. Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch rügte die Klägerin im Wesentlichen eine Unterbewertung ihrer Funktionsbeeinträchtigungen und legte gleichzeitig weitere ärztliche Unterlagen vor. Mit Schreiben vom 26.08.2003 beantragte sie zusätzlich die Zuerkennung des Merkzeichens "G" unter Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) und einen schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Bundestagsdrucksache 10/5701). Obwohl während des Widerspruchsverfahrens die Kniebeschwerden mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet wurden, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2003 zurück.
Ihre anschließende Klage zum Sozialgericht Augsburg vom 08.11.2003 begründete die Klägerin mit einer angeborenen Schwerhörigkeit bds., zu der eine posttraumatische funktionelle Erblindung des rechten Auges hinzukäme; es bestünden erhebliche Knorpelschäden am rechten und am linken Kniegelenk.
Nach Beiziehung bzw. Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen beauftragte das Sozialgericht die Dres.L., D., W. und R. mit der Erstellung von Gutachten nach persönlicher Untersuchung der Klägerin. Nachdem der Ehemann der Klägerin mit Telefax vom 04.08. und 18.08.2004 rügte, eine Begutachtung sei nicht veranlasst, er beantrage eine ärztliche Stellungnahme nach Aktenlage durch den Versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten, kam der Beklagte diesem Antrag nach und unterbreitete, gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.11. und 12.11.2004 am 14.01.2005, ein Vergleichsangebot, den GdB ab Juni 2004 mit 80 festzustellen, nicht jedoch das Merkzeichen "G". Die Klägerin hielt in ihren weiteren per Telefax übersandten Schriftsätzen an ihrem Klagebegehren fest und betonte, aufgrund der bestehenden Schwerhörigkeit bds. sowie der funktionellen Erblindung des rechten Auges in ihrer Orientierungsfähigkeit so erheblich gestört zu sein, dass ihr das Merkzeichen "G" zustehe.
Mit Urteil vom 04.07.2005 verpflichtete das Sozialgericht den Beklagten, eine Neufeststellung nach Maßgabe seines Vergleichsangebotes vom 14.01.2005 in Ziff.I vorzunehmen, wies im Übrigen die Klage ab und verurteilte den Beklagten zur Erstattung von 2/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Zur Begründung verwies es u.a. darauf, bei der Klägerin lägen im Bereich der gesamten Wirbelsäule lediglich Funktionsstörungen vor, die einen Einzel-GdB von 20 bedingen. Gleiches gelte für die Knorpelschäden am Kniegelenk bds. Demzufolge bestünde bei der Klägerin noch keine "erhebliche Gehbehinderung i.S. von § 146 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX).
Ihre anschließende Berufung von 04.08.2005 zum Bayer.Landessozialgericht begründete die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.09.2005 mit einer Einschränkung ihres Gehvermögens, für das mindestens ein Einzel-GdB von 30 festgesetzt werden müsse, Störungen der Orientierungsfähigkeit sowie unter Hinweis auf den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 19.07.2005, in dem ab Juni 2004 ein GdB von 80 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" festgestellt wurden. Im Einzelnen wurden die Gesundheitsstörungen bzw. die daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen in diesem Bescheid wie folgt bewertet:
Schwerhörigkeit bds. (Einzel-GdB 50),
Sehminderung rechts (Einzel-GdB 30),
seelische Störung (Einzel-GdB 30),
Funktionsbehinderung der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen bei Bandscheibenschäden und degenerativen Veränderungen (Einzel-GdB 20),
Knorpelschäden am Kniegelenk bds. (Einzel-GdB 20),
Mittelnervendruckschädigung rechts (Karpaltunnelsyndrom - Einzel-GdB 10),
Bluthochdruck, Herzrhythmusstörung (Einzel-GdB 10).
Nachdem die Klägerin mit weiteren Schriftsätzen u.a. hirnorganische Ausfälle angab und mitteilte, nichts sagen zu können, holte das Gericht einen Befundbericht des behandelnden HNO-Arztes Dr.B. ein, den dieser am 27.01.2006 erstellte. Anschließend stellte der von Amts wegen beauftragte HNO-Sachverständige Prof.Dr.B. in seinem Gutachten vom 16.10.2006 u.a. abschließend fest, bei Auswertung lediglich des Tonaudiogramms werde gerade die Grenze zur hochgradigen Schwerhörigkeit mit einem GdB von 40, bei Zugrundelegung des Sprachaudiogramms ein GdB von 30 erreicht. Insgesamt ergäbe sich eine gute Hörgeräteanpassung, eine Orientierung im Verkehr sei trotz eingeschränktem Hörvermögen möglich.
Hiergegen wandte die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.11.2006 ein, wegen erheblicher Fehldiagnosen müsse der Sachverständige ausgeschlossen werden, im Übrigen habe er die Anordnung des Gerichtes zur Beiziehung eines polnischen Dolmetschers nicht beachtet.
Der Beklagte teilte am 03.01.2007 mit, nach den Feststellungen seines Ärztlichen Dienstes sei zwischenzeitlich eine wesentliche Besserung des Hörvermögens eingetreten, für das nur noch ein GdB von 40 festzustellen sei, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" lägen nicht mehr vor. Er werde deshalb einen entsprechenden Bescheid nach § 48 SGB X erlassen.
Nachdem der Beklagte am 06.02.2007 mit einem entsprechenden Änderungsbescheid der Klägerin das Merkzeichen "RF" entzogen hatte, lehnte er mit Bescheid vom 10.09.2007 auch die von der Klägerin am 02.07.2007 gemäß § 44 SGB X beantragte Rücknahme dieses Bescheides ab. Mit Schriftsatz vom 21.01.2008 stellte er fest, die in § 45 SGB X normierte Frist zur Rücknahme der Bescheide, mit denen das Merkzeichen "RF" zuerkannt bzw. weiter zuerkannt wurde, sei bereits abgelaufen, sodass der Entziehungsbescheid vom 06.02.2007 bzw. der anschließende Bescheid vom 10.09.2007 rechtswidrig seien; die Klägerin bat er, zu prüfen, ob auf dieser Grundlage das Berufungsverfahren abgeschlossen werden könnte; gleichzeitig legte er eine HNO-ärztliche Stellungnahme des Dr.N. vom 17.01.2008 vor.
Nachdem der bevollmächtigte Ehemann der Klägerin zunächst mit der Abhaltung eines Erörterungstermins einverstanden war, war in diesem am 28.01.2008 niemand erschienen. Hierzu gab er später an, seine Ehefrau hätte notfallmäßig im Krankenhaus versorgt werden müssen.
Auch in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2008 war für die Klageseite niemand erschienen. Der Beklagte hatte sich jedoch u.a. bereit erklärt, die Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 zurückzunehmen. Daraufhin vertagte das Gericht den Rechtsstreit und gab der Klägerin auf, sich zu äußern, ob das heutige Vergleichsangebot angenommen werde und sie zu einer ortsnahen orthopädischen Begutachtung nach persönlicher Untersuchung zur Verfügung stehe.
Mit Schreiben vom 04.11.2008 teilte die Klägerin daraufhin mit, das modifizierte Vergleichsangebot des Beklagten vom 28.10.2008 unter der Bedingung anzunehmen, dass der zuvor festgestellte Einzel-GdB von 50 für die Schwerhörigkeit bds. aktenkundig aufrecht erhalten bliebe. Einer orthopädischen Begutachtung nach einer persönlichen Untersuchung werde sie sich nicht unterziehen.
In der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2009 war für die Klägerin niemand erschienen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.07.2005 und die Bescheide des Beklagten vom 26.11.2002, 26.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2003 abzuändern und bei ihr rückwirkend ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt das Merkzeichen "G" zuzuerkennen sowie die Bescheide vom 06.02. und 10.09.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.07.2005 zurückzuweisen und die Klagen gegen die Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 abzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen wurden die Schwerbehindertenakten, die Akten des Sozialgerichts München - S 10 SB 752/03 - sowie die Akten des Bayer.Landessozialgerichts - L 15 SB 40/03 und L 15 B 190/04 SB PKH.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweisunterlagen, bezüglich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakten nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die ohne Zulassung statthafte (§ 144 Abs.1 Satz 2 SGG), form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 51 Abs.1 Nr.7, 143 ff., 151 SGG i.V.m. §§ 2, 69 SGB IX), jedoch nicht begründet und deshalb zurückzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die nach § 69 Abs.1 Satz 1 SGB IX zuständigen Behörden des Beklagten ihr das Merkzeichen "G" zuerkennen.
Dagegen ist die Klage gegen die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide vom 06.02.2007 (Entzug des Merkzeichens "RF") und 10.09.2007 (Ablehnung der Rücknahme des Bescheides vom 06.02.2007), die gemäß §§ 153, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens wurden, teilweise - hinsichtlich des Bescheides vom 06.02.2007 und des Bescheides vom 10.09.2007 hinsichtlich des Bescheides vom 06.02.2007 - begründet, im Übrigen jedoch bezüglich des Bescheides vom 10.09.2007 hinsichtlich des Ausführungsbescheides vom 19.07.2005 unbegründet; deshalb war die Klage der Klägerin insoweit abzuweisen.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.07.2005 und die ihm zugrunde liegenden Bescheide des Beklagten vom 26.11.2002, 26.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1998 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Entsprechend der Verurteilung durch das Gericht hat der Beklagte entsprechend der Verurteilung durch das Gericht zutreffend im Ausführungsbescheid vom 19.07.2005 den im Berufungsverfahren nicht mehr angefochtenen GdB von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" festgestellt und die Zuerkennung des Merkzeichens "G" abgelehnt. Hierbei bewertete er die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen bzw. die daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt:
Schwerhörigkeit bds. (Einzel-GdB 50),
Sehminderung rechts (Einzel-GdB 30),
seelische Störung (Einzel-GdB 30),
Funktionsbehinderung der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen bei Bandscheibenschäden und deg. Veränderungen (Einzel-GdB 20),
Knorpelschäden am Kniegelenk bds. (Einzel-GdB 20),
Mittelnervendruckschädigung rechts (Karpaltunnelsyndrom - Einzel-GdB 10),
Bluthochdruck, Herzrhythmusstörung (Einzel-GdB 10).
Die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Befunde einschließlich der in den Akten befindlichen Rentengutachten wurden vom Ärztlichen Dienst des Beklagten entsprechend dem ausdrücklichen Antrag der Klageseite, die eine Begutachtung durch die ursprünglich vom Gericht ins Auge gefassten Gutachter abgelehnt hatte, in Übereinstimmung mit den zu beachtenden rechtlichen Vorgaben bewertet. Hierzu gehörten bis zum 31.12.2008 auch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" - AP -, die nach der Rechtsprechung als antizipierte Sachverständigengutachten angeben, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um eine erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr i.S. des § 146 SGB IX (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 13.08.1997, 9 RVs 1/96, vom 27.08.1998, B 9 SB 13/97 R) anzunehmen und dies in Nr.30 Abs.3 bis 5 AP als Regelfälle beschreiben. Seit dem 01.01.2009 werden die AP durch die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 - VersMedV -) im Wesentlichen mit gleichem Wortlaut ersetzt (siehe BGBl. 2008 Teil I Nr.57, S.2412). Danach werden auf S.114 dieser Anlage zu § 2 VersMedV die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens dann als erfüllt angesehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40.
Diese Voraussetzungen liegen ausweislich sämtlicher auswertbarer Befunde bei der Klägerin nicht vor. Die ärztlichen Unterlagen im Bereich der gesamten Wirbelsäule beschreiben lediglich Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 20, gleiches gilt auch für die Knorpelschäden am Kniegelenk bds.
Auch die vom Beklagten nachträglich vorgenommene Auswertung des MRT-Befundes vom 18.07.2003 (vgl. die versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 30.04.2008 und 03.07.2008 durch Dr.N.) sind nicht zu beanstanden. Danach erwachsen hieraus keine wesentlich neuen Erkenntnisse, da bereits im Röntgenbefund vom Oktober 2000 eine Verschmälerung des innenseitigen Gelenksspaltes als Indiz für die innenseitig betonte Gonarthrose gefunden werden kann. Da die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen der unteren Extremitäten bei weitem nicht dem Verlust eines Beines im Unterschenkel gleichzustellen sind, ergäbe sich im Übrigen auch unter Mitberücksichtigung der Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule kein Teil-GdB von 50, der die Zuerkennung des Merkzeichens "G" begründen könnte. Im Übrigen kann bei der gegebenen Befundlage auch die Gleichstellung mit der Versteifung eines Kniegelenkes (GdB 30) nicht in Betracht gezogen werden, da Reizerscheinungen weder durch die vorgelegten Arztbriefe noch durch andere medizinische Befunde belegt sind; in Bezug auf das linke Kniegelenk sind dauerhafte Funktionseinbußen überhaupt nicht aktenkundig.
Die von der Klägerin beschriebenen Störungen der Orientierungsfähigkeit lassen sich anhand der objektiven medizinischen Befunde nicht belegen. Dabei müsste es sich um Störungen der Orientierungsfähigkeit handeln, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen und denen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderung, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit bds., geistige Behinderung) zugrunde liegen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Die von der Klägerin angegebenen hirnorganischen Ausfälle sind befundmäßig nicht dokumentiert, weder in ihrer Art noch in ihrer Häufigkeit. Dem eingeholten Befundbericht des behandelnden HNO-Arztes Dr.B. vom 27.01.2006 sind derartige Gesundheitsstörungen nicht zu entnehmen. Auch der von Amts wegen gehörte Sachverständige Prof.Dr.B., der die Klägerin als einziger medizinischer Sachverständiger persönlich untersuchte, stellte in seinem HNO-Gutachten vom 16.10.2006 eine gute Hörgeräteanpassung und die Möglichkeit einer Orientierung der Klägerin im Verkehr trotz eingeschränktem Hörvermögen, das er geringer als der Beklagte bewertete, fest. Nachdem jedoch der HNO-Arzt Dr.N. vom Ärztlichen Dienst des Beklagten selbst eine wesentliche Befundbesserung des Hörvermögens bis zum August 2006 nicht feststellte, sondern darauf hinweist, dass die Hörkurve vom 21.09.2000 falsch vom Ärztlichen Dienst interpretiert worden sei und der Beklagte daraufhin seine Bereitschaft zur Aufhebung der Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 erklärte, hat der Senat keinen Anlass von der für die Klägerin bislang sehr günstigen Beurteilung ihres Hörvermögens abzuweichen. Trotzdem lassen sich die gesundheitlichen Voraussetzungen für das begehrte Merkzeichen "G" nicht begründen. Nachdem darüber hinaus die Klägerin ausdrücklich eine persönliche Untersuchung/Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet im Schreiben vom 04.11.2008 ablehnte, sind die weiteren Aufklärungsmöglichkeiten bezüglich der Gehfähigkeit der Klägerin für den Senat ausgeschöpft. Sofern die Klageseite in diesem Schreiben einen Antrag gestellt hat, "dass der zuvor festgestellte Einzel-GdB von 50 für die Schwerhörigkeit bds. aktenkundig aufrecht erhalten" bleibt, ist sie darauf hinzuweisen, dass im Schwerbehindertenverfahren kein Anspruch auf eine gesonderte Feststellung eines Einzel-GdB besteht.
Dagegen hat die Klage gegen die Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 überwiegend Erfolg.
Wie der Beklagte in seinem Schreiben vom 21.01.2008, gestützt auf die HNO-Stellung-nahme des Dr.N. selbst ausführt, hätte das Hörvermögen der Klägerin aufgrund der Befundsituation vom 21.09.2000 nur mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet werden dürfen, sodass die Zuerkennung bzw. Bestätigung des Merkzeichens "RF", u.a. mit Bescheid vom 21.06.2003, rechtswidrig begünstigend war. Nach dem Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen wäre die Beeinträchtigung des Hörvermögens mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten, dies erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "RF". Der Bescheid vom 06.02.2007, mit dem das Merkzeichen "RF" gemäß § 48 Abs.1 SGB X wegen einer Besserung des Gesundheitszustand entzogen wurde, sowie der Bescheid vom 10.09.2007, soweit mit diesem der Antrag nach § 44 SGB X auf Rücknahme des Bescheides vom 06.02.2007 abgelehnt wurde, sind deshalb rechtswidrig, weil sich eine wesentliche Besserung nicht nachweisen lässt. Die in § 45 Abs.3 SGB X normierte Frist zur Rücknahme der letztlich falschen Bescheide, mit denen das Merkzeichen "RF" zuerkannt bzw. weiter zuerkannt wurde, ist bereits abgelaufen, sodass die Rücknahme dieser rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakte ausgeschlossen ist. Daraus folgt, dass auf die Klage der Klägerin die Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 hinsichtlich des Bescheides vom 06.02.2007 aufzuheben sind und im Übrigen die Klage gegen den Bescheid vom 10.09.2007 hinsichtlich des Ausführungsbescheides vom 19.07.2005, der dem nicht zu beanstandenden angefochtenen Urteil entspricht, abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG, wobei es der Senat angesichts des klägerischen Erfolges lediglich für angemessen erachtet, der Klägerin nur 1/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten; diese Kostenlast hätte der Beklagte jederzeit mit dem Erlass entsprechender Rücknahmebescheide abwenden können.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Auf die Klage der Klägerin werden die Bescheide vom 06. Februar 2007 und 10. September 2007 hinsichtlich des Bescheides vom 06. Februar 2007 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage gegen den Bescheid vom 10. September 2007 hinsichtlich des Ausführungsbescheides vom 19. Juli 2005 abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Berufungsverfahren streiten die Beteiligten im Wesentlichen um die Zuerkennung des Merkzeichen "G" und die Aufhebung von Bescheiden mit dem Ziel der Weitergewährung des Merkzeichens "RF".
Auf den Erstantrag der 1957 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2000 ihren Grad der Behinderung (GdB) mit 60 fest und erkannte ihr das Merkzeichen "RF" zu. Hierbei berücksichtigte er als Funktionsstörungen eine Schwerhörigkeit bds. (Einzel-GdB 50), eine Sehminderung rechts (Einzel-GdB 30) sowie eine Funktionsbehinderung des Kniegelenks rechts (Einzel-GdB 10).
Am 13.09.2002 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihres GdB. Nachdem der Beklagte dies zunächst mit Bescheid vom 26.11.2000 abgelehnt hatte, erhöhte er ihn nach Widerspruchseinlegung mit Abhilfebescheid vom 26.06.2003 mit Wirkung ab 13.09.2002 auf 70 und stellte fest, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" seien weiterhin erfüllt, nicht jedoch die der übrigen Merkzeichen. Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch rügte die Klägerin im Wesentlichen eine Unterbewertung ihrer Funktionsbeeinträchtigungen und legte gleichzeitig weitere ärztliche Unterlagen vor. Mit Schreiben vom 26.08.2003 beantragte sie zusätzlich die Zuerkennung des Merkzeichens "G" unter Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) und einen schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Bundestagsdrucksache 10/5701). Obwohl während des Widerspruchsverfahrens die Kniebeschwerden mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet wurden, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2003 zurück.
Ihre anschließende Klage zum Sozialgericht Augsburg vom 08.11.2003 begründete die Klägerin mit einer angeborenen Schwerhörigkeit bds., zu der eine posttraumatische funktionelle Erblindung des rechten Auges hinzukäme; es bestünden erhebliche Knorpelschäden am rechten und am linken Kniegelenk.
Nach Beiziehung bzw. Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen beauftragte das Sozialgericht die Dres.L., D., W. und R. mit der Erstellung von Gutachten nach persönlicher Untersuchung der Klägerin. Nachdem der Ehemann der Klägerin mit Telefax vom 04.08. und 18.08.2004 rügte, eine Begutachtung sei nicht veranlasst, er beantrage eine ärztliche Stellungnahme nach Aktenlage durch den Versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten, kam der Beklagte diesem Antrag nach und unterbreitete, gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.11. und 12.11.2004 am 14.01.2005, ein Vergleichsangebot, den GdB ab Juni 2004 mit 80 festzustellen, nicht jedoch das Merkzeichen "G". Die Klägerin hielt in ihren weiteren per Telefax übersandten Schriftsätzen an ihrem Klagebegehren fest und betonte, aufgrund der bestehenden Schwerhörigkeit bds. sowie der funktionellen Erblindung des rechten Auges in ihrer Orientierungsfähigkeit so erheblich gestört zu sein, dass ihr das Merkzeichen "G" zustehe.
Mit Urteil vom 04.07.2005 verpflichtete das Sozialgericht den Beklagten, eine Neufeststellung nach Maßgabe seines Vergleichsangebotes vom 14.01.2005 in Ziff.I vorzunehmen, wies im Übrigen die Klage ab und verurteilte den Beklagten zur Erstattung von 2/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Zur Begründung verwies es u.a. darauf, bei der Klägerin lägen im Bereich der gesamten Wirbelsäule lediglich Funktionsstörungen vor, die einen Einzel-GdB von 20 bedingen. Gleiches gelte für die Knorpelschäden am Kniegelenk bds. Demzufolge bestünde bei der Klägerin noch keine "erhebliche Gehbehinderung i.S. von § 146 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX).
Ihre anschließende Berufung von 04.08.2005 zum Bayer.Landessozialgericht begründete die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.09.2005 mit einer Einschränkung ihres Gehvermögens, für das mindestens ein Einzel-GdB von 30 festgesetzt werden müsse, Störungen der Orientierungsfähigkeit sowie unter Hinweis auf den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 19.07.2005, in dem ab Juni 2004 ein GdB von 80 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" festgestellt wurden. Im Einzelnen wurden die Gesundheitsstörungen bzw. die daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen in diesem Bescheid wie folgt bewertet:
Schwerhörigkeit bds. (Einzel-GdB 50),
Sehminderung rechts (Einzel-GdB 30),
seelische Störung (Einzel-GdB 30),
Funktionsbehinderung der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen bei Bandscheibenschäden und degenerativen Veränderungen (Einzel-GdB 20),
Knorpelschäden am Kniegelenk bds. (Einzel-GdB 20),
Mittelnervendruckschädigung rechts (Karpaltunnelsyndrom - Einzel-GdB 10),
Bluthochdruck, Herzrhythmusstörung (Einzel-GdB 10).
Nachdem die Klägerin mit weiteren Schriftsätzen u.a. hirnorganische Ausfälle angab und mitteilte, nichts sagen zu können, holte das Gericht einen Befundbericht des behandelnden HNO-Arztes Dr.B. ein, den dieser am 27.01.2006 erstellte. Anschließend stellte der von Amts wegen beauftragte HNO-Sachverständige Prof.Dr.B. in seinem Gutachten vom 16.10.2006 u.a. abschließend fest, bei Auswertung lediglich des Tonaudiogramms werde gerade die Grenze zur hochgradigen Schwerhörigkeit mit einem GdB von 40, bei Zugrundelegung des Sprachaudiogramms ein GdB von 30 erreicht. Insgesamt ergäbe sich eine gute Hörgeräteanpassung, eine Orientierung im Verkehr sei trotz eingeschränktem Hörvermögen möglich.
Hiergegen wandte die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.11.2006 ein, wegen erheblicher Fehldiagnosen müsse der Sachverständige ausgeschlossen werden, im Übrigen habe er die Anordnung des Gerichtes zur Beiziehung eines polnischen Dolmetschers nicht beachtet.
Der Beklagte teilte am 03.01.2007 mit, nach den Feststellungen seines Ärztlichen Dienstes sei zwischenzeitlich eine wesentliche Besserung des Hörvermögens eingetreten, für das nur noch ein GdB von 40 festzustellen sei, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" lägen nicht mehr vor. Er werde deshalb einen entsprechenden Bescheid nach § 48 SGB X erlassen.
Nachdem der Beklagte am 06.02.2007 mit einem entsprechenden Änderungsbescheid der Klägerin das Merkzeichen "RF" entzogen hatte, lehnte er mit Bescheid vom 10.09.2007 auch die von der Klägerin am 02.07.2007 gemäß § 44 SGB X beantragte Rücknahme dieses Bescheides ab. Mit Schriftsatz vom 21.01.2008 stellte er fest, die in § 45 SGB X normierte Frist zur Rücknahme der Bescheide, mit denen das Merkzeichen "RF" zuerkannt bzw. weiter zuerkannt wurde, sei bereits abgelaufen, sodass der Entziehungsbescheid vom 06.02.2007 bzw. der anschließende Bescheid vom 10.09.2007 rechtswidrig seien; die Klägerin bat er, zu prüfen, ob auf dieser Grundlage das Berufungsverfahren abgeschlossen werden könnte; gleichzeitig legte er eine HNO-ärztliche Stellungnahme des Dr.N. vom 17.01.2008 vor.
Nachdem der bevollmächtigte Ehemann der Klägerin zunächst mit der Abhaltung eines Erörterungstermins einverstanden war, war in diesem am 28.01.2008 niemand erschienen. Hierzu gab er später an, seine Ehefrau hätte notfallmäßig im Krankenhaus versorgt werden müssen.
Auch in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2008 war für die Klageseite niemand erschienen. Der Beklagte hatte sich jedoch u.a. bereit erklärt, die Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 zurückzunehmen. Daraufhin vertagte das Gericht den Rechtsstreit und gab der Klägerin auf, sich zu äußern, ob das heutige Vergleichsangebot angenommen werde und sie zu einer ortsnahen orthopädischen Begutachtung nach persönlicher Untersuchung zur Verfügung stehe.
Mit Schreiben vom 04.11.2008 teilte die Klägerin daraufhin mit, das modifizierte Vergleichsangebot des Beklagten vom 28.10.2008 unter der Bedingung anzunehmen, dass der zuvor festgestellte Einzel-GdB von 50 für die Schwerhörigkeit bds. aktenkundig aufrecht erhalten bliebe. Einer orthopädischen Begutachtung nach einer persönlichen Untersuchung werde sie sich nicht unterziehen.
In der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2009 war für die Klägerin niemand erschienen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.07.2005 und die Bescheide des Beklagten vom 26.11.2002, 26.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2003 abzuändern und bei ihr rückwirkend ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt das Merkzeichen "G" zuzuerkennen sowie die Bescheide vom 06.02. und 10.09.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.07.2005 zurückzuweisen und die Klagen gegen die Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 abzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen wurden die Schwerbehindertenakten, die Akten des Sozialgerichts München - S 10 SB 752/03 - sowie die Akten des Bayer.Landessozialgerichts - L 15 SB 40/03 und L 15 B 190/04 SB PKH.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweisunterlagen, bezüglich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakten nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die ohne Zulassung statthafte (§ 144 Abs.1 Satz 2 SGG), form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 51 Abs.1 Nr.7, 143 ff., 151 SGG i.V.m. §§ 2, 69 SGB IX), jedoch nicht begründet und deshalb zurückzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die nach § 69 Abs.1 Satz 1 SGB IX zuständigen Behörden des Beklagten ihr das Merkzeichen "G" zuerkennen.
Dagegen ist die Klage gegen die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide vom 06.02.2007 (Entzug des Merkzeichens "RF") und 10.09.2007 (Ablehnung der Rücknahme des Bescheides vom 06.02.2007), die gemäß §§ 153, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens wurden, teilweise - hinsichtlich des Bescheides vom 06.02.2007 und des Bescheides vom 10.09.2007 hinsichtlich des Bescheides vom 06.02.2007 - begründet, im Übrigen jedoch bezüglich des Bescheides vom 10.09.2007 hinsichtlich des Ausführungsbescheides vom 19.07.2005 unbegründet; deshalb war die Klage der Klägerin insoweit abzuweisen.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.07.2005 und die ihm zugrunde liegenden Bescheide des Beklagten vom 26.11.2002, 26.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1998 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Entsprechend der Verurteilung durch das Gericht hat der Beklagte entsprechend der Verurteilung durch das Gericht zutreffend im Ausführungsbescheid vom 19.07.2005 den im Berufungsverfahren nicht mehr angefochtenen GdB von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" festgestellt und die Zuerkennung des Merkzeichens "G" abgelehnt. Hierbei bewertete er die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen bzw. die daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt:
Schwerhörigkeit bds. (Einzel-GdB 50),
Sehminderung rechts (Einzel-GdB 30),
seelische Störung (Einzel-GdB 30),
Funktionsbehinderung der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen bei Bandscheibenschäden und deg. Veränderungen (Einzel-GdB 20),
Knorpelschäden am Kniegelenk bds. (Einzel-GdB 20),
Mittelnervendruckschädigung rechts (Karpaltunnelsyndrom - Einzel-GdB 10),
Bluthochdruck, Herzrhythmusstörung (Einzel-GdB 10).
Die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Befunde einschließlich der in den Akten befindlichen Rentengutachten wurden vom Ärztlichen Dienst des Beklagten entsprechend dem ausdrücklichen Antrag der Klageseite, die eine Begutachtung durch die ursprünglich vom Gericht ins Auge gefassten Gutachter abgelehnt hatte, in Übereinstimmung mit den zu beachtenden rechtlichen Vorgaben bewertet. Hierzu gehörten bis zum 31.12.2008 auch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" - AP -, die nach der Rechtsprechung als antizipierte Sachverständigengutachten angeben, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um eine erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr i.S. des § 146 SGB IX (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 13.08.1997, 9 RVs 1/96, vom 27.08.1998, B 9 SB 13/97 R) anzunehmen und dies in Nr.30 Abs.3 bis 5 AP als Regelfälle beschreiben. Seit dem 01.01.2009 werden die AP durch die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 - VersMedV -) im Wesentlichen mit gleichem Wortlaut ersetzt (siehe BGBl. 2008 Teil I Nr.57, S.2412). Danach werden auf S.114 dieser Anlage zu § 2 VersMedV die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens dann als erfüllt angesehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40.
Diese Voraussetzungen liegen ausweislich sämtlicher auswertbarer Befunde bei der Klägerin nicht vor. Die ärztlichen Unterlagen im Bereich der gesamten Wirbelsäule beschreiben lediglich Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 20, gleiches gilt auch für die Knorpelschäden am Kniegelenk bds.
Auch die vom Beklagten nachträglich vorgenommene Auswertung des MRT-Befundes vom 18.07.2003 (vgl. die versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 30.04.2008 und 03.07.2008 durch Dr.N.) sind nicht zu beanstanden. Danach erwachsen hieraus keine wesentlich neuen Erkenntnisse, da bereits im Röntgenbefund vom Oktober 2000 eine Verschmälerung des innenseitigen Gelenksspaltes als Indiz für die innenseitig betonte Gonarthrose gefunden werden kann. Da die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen der unteren Extremitäten bei weitem nicht dem Verlust eines Beines im Unterschenkel gleichzustellen sind, ergäbe sich im Übrigen auch unter Mitberücksichtigung der Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule kein Teil-GdB von 50, der die Zuerkennung des Merkzeichens "G" begründen könnte. Im Übrigen kann bei der gegebenen Befundlage auch die Gleichstellung mit der Versteifung eines Kniegelenkes (GdB 30) nicht in Betracht gezogen werden, da Reizerscheinungen weder durch die vorgelegten Arztbriefe noch durch andere medizinische Befunde belegt sind; in Bezug auf das linke Kniegelenk sind dauerhafte Funktionseinbußen überhaupt nicht aktenkundig.
Die von der Klägerin beschriebenen Störungen der Orientierungsfähigkeit lassen sich anhand der objektiven medizinischen Befunde nicht belegen. Dabei müsste es sich um Störungen der Orientierungsfähigkeit handeln, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen und denen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderung, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit bds., geistige Behinderung) zugrunde liegen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Die von der Klägerin angegebenen hirnorganischen Ausfälle sind befundmäßig nicht dokumentiert, weder in ihrer Art noch in ihrer Häufigkeit. Dem eingeholten Befundbericht des behandelnden HNO-Arztes Dr.B. vom 27.01.2006 sind derartige Gesundheitsstörungen nicht zu entnehmen. Auch der von Amts wegen gehörte Sachverständige Prof.Dr.B., der die Klägerin als einziger medizinischer Sachverständiger persönlich untersuchte, stellte in seinem HNO-Gutachten vom 16.10.2006 eine gute Hörgeräteanpassung und die Möglichkeit einer Orientierung der Klägerin im Verkehr trotz eingeschränktem Hörvermögen, das er geringer als der Beklagte bewertete, fest. Nachdem jedoch der HNO-Arzt Dr.N. vom Ärztlichen Dienst des Beklagten selbst eine wesentliche Befundbesserung des Hörvermögens bis zum August 2006 nicht feststellte, sondern darauf hinweist, dass die Hörkurve vom 21.09.2000 falsch vom Ärztlichen Dienst interpretiert worden sei und der Beklagte daraufhin seine Bereitschaft zur Aufhebung der Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 erklärte, hat der Senat keinen Anlass von der für die Klägerin bislang sehr günstigen Beurteilung ihres Hörvermögens abzuweichen. Trotzdem lassen sich die gesundheitlichen Voraussetzungen für das begehrte Merkzeichen "G" nicht begründen. Nachdem darüber hinaus die Klägerin ausdrücklich eine persönliche Untersuchung/Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet im Schreiben vom 04.11.2008 ablehnte, sind die weiteren Aufklärungsmöglichkeiten bezüglich der Gehfähigkeit der Klägerin für den Senat ausgeschöpft. Sofern die Klageseite in diesem Schreiben einen Antrag gestellt hat, "dass der zuvor festgestellte Einzel-GdB von 50 für die Schwerhörigkeit bds. aktenkundig aufrecht erhalten" bleibt, ist sie darauf hinzuweisen, dass im Schwerbehindertenverfahren kein Anspruch auf eine gesonderte Feststellung eines Einzel-GdB besteht.
Dagegen hat die Klage gegen die Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 überwiegend Erfolg.
Wie der Beklagte in seinem Schreiben vom 21.01.2008, gestützt auf die HNO-Stellung-nahme des Dr.N. selbst ausführt, hätte das Hörvermögen der Klägerin aufgrund der Befundsituation vom 21.09.2000 nur mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet werden dürfen, sodass die Zuerkennung bzw. Bestätigung des Merkzeichens "RF", u.a. mit Bescheid vom 21.06.2003, rechtswidrig begünstigend war. Nach dem Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen wäre die Beeinträchtigung des Hörvermögens mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten, dies erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "RF". Der Bescheid vom 06.02.2007, mit dem das Merkzeichen "RF" gemäß § 48 Abs.1 SGB X wegen einer Besserung des Gesundheitszustand entzogen wurde, sowie der Bescheid vom 10.09.2007, soweit mit diesem der Antrag nach § 44 SGB X auf Rücknahme des Bescheides vom 06.02.2007 abgelehnt wurde, sind deshalb rechtswidrig, weil sich eine wesentliche Besserung nicht nachweisen lässt. Die in § 45 Abs.3 SGB X normierte Frist zur Rücknahme der letztlich falschen Bescheide, mit denen das Merkzeichen "RF" zuerkannt bzw. weiter zuerkannt wurde, ist bereits abgelaufen, sodass die Rücknahme dieser rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakte ausgeschlossen ist. Daraus folgt, dass auf die Klage der Klägerin die Bescheide vom 06.02.2007 und 10.09.2007 hinsichtlich des Bescheides vom 06.02.2007 aufzuheben sind und im Übrigen die Klage gegen den Bescheid vom 10.09.2007 hinsichtlich des Ausführungsbescheides vom 19.07.2005, der dem nicht zu beanstandenden angefochtenen Urteil entspricht, abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG, wobei es der Senat angesichts des klägerischen Erfolges lediglich für angemessen erachtet, der Klägerin nur 1/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten; diese Kostenlast hätte der Beklagte jederzeit mit dem Erlass entsprechender Rücknahmebescheide abwenden können.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved