L 4 R 346/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 567/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 346/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 307 a Abs. 8 SGB VI ermächtigt weder dazu, einen Verwaltungsakt mit einem Widerrufsvorbehalt zu erlassen, noch schließt er die Anwendung von § 45 SGB X aus oder modifiziert diesen.
Im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann auch ein rechtswidriger Bescheid über die Rücknahme eines seinerseits rechtswidrigen leistungsgewährenden Bescheids aufgehoben werden.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Januar 2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die zum 1. Januar 1992 umgewertete und angepasste Hinterbliebenenrente der Klägerin mit Bescheid vom 31. Oktober 1996 rechtmäßig neu festgestellt hat.

Die 1916 geborene Klägerin bezieht seit dem 1. August 1978 eine Hinterbliebenenrente nach ihrem 1913 geborenen und 1978 verstorbenen Ehemann K M, der seit Juli 1975 Invalidenrente bezogen hatte. Mit Bescheid vom 27. November 1991 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Rente ab dem 1. Januar 1992 umgewertet und angepasst und künftig als große Witwenrente geleistet werde. In der zwei Seiten umfassenden Anlage 16 zu dem Bescheid wird die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte aus Renten des Beitrittsgebiets erläutert. Es heißt dort, aus den der bisherigen Rente zugrunde liegenden Daten seien persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln, die sich durch die Vervielfältigung der durchschnittlichen Entgeltpunkte je Arbeitsjahr mit der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Arbeitsjahre ergäben. Für die Ermittlung der durchschnittlichen Entgeltpunkte je Arbeitsjahr sei das individuelle beitragspflichtige Durchschnittseinkommen, das der bisherigen Rentenberechnung zugrunde liege, mit 240 zu vervielfältigen und durch ein Gesamtdurchschnittseinkommen aller Versicherten zu teilen. Der Betrag des Gesamtdurchschnittseinkommens richte sich nach dem 20-Jahreszeitraum, der vor dem Jahr der Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit ende. Zu dem Gesamtdurchschnittseinkommen für den 20-Jahreszeitraum heißt es auf Seite 1 der Anlage 16, er ende 1944. In dem Bescheid selbst ist ausgeführt, er ergehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall, dass die der Umwertung zugrunde gelegten Daten nicht der Sach- und Rechtslage entsprächen. Ergebe sich dadurch eine Rentenminderung, werde die Rente nur für die Zukunft neu festgestellt.

Im Ergebnis einer von Amts wegen vorgenommenen Überprüfung nahm die Beklagte mit Bescheid vom 31. Oktober 1996 den Bescheid vom 27. November 1991 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zukunft zurück und stellte die Rente der Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1997 neu fest. Zur Begründung führte sie aus, bei der Umwertung der Rente im Jahr 1991 sei das Ende des Zeitraums, der anhand der maschinell verfügbaren Daten zur Ermittlung des beitragspflichtigen Durchschnittseinkommens herangezogen worden sei, auf den 31. Dezember 1944 gelegt worden, obwohl die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit am 30. Juni 1975 geendet habe. Für die Ermittlung des beitragspflichtigen Durchschnittseinkommens sei somit das Ende des Jahres 1974 maßgebend. Bei der Umwertung der Rente sei außerdem ein Zurechnungsjahr wegen Invalidität angerechnet worden, obwohl von Juli 1975 bis November 1968 tatsächlich keine Zurechnungsjahre bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres zu berücksichtigen seien. Die nun auf der Grundlage der richtigen Daten vorgenommene maschinelle Umwertung führe zu einem geringeren Zahlbetrag der Rente. Zwar lägen die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Umwertungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit nicht vor, diejenigen für die Rücknahme des Umwertungsbescheids mit Wirkung für die Zukunft seien hingegen erfüllt. In dem Umwertungsbescheid von 1991 sei die Klägerin dem in § 307 a Abs. 8 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelten Überprüfungsauftrag des Gesetzgebers entsprechend ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Umwertung allein anhand der maschinell verfügbaren Daten vorgenommen worden sei und der Bescheid unter dem Vorbehalt einer Überprüfung für den Fall ergehe, dass die der Umwertung zugrunde gelegten Daten nicht der Sach- und Rechtslage entsprächen. Für diesen Fall sei damals schon eine Neufeststellung der Rente und Minderung der Rentenzahlung für die Zukunft angekündigt worden. Es habe sich dabei um einen zulässigen Vorbehalt des Widerrufs im Sinne von § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gehandelt, so dass der Umwertungsbescheid innerhalb einer Frist von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe überprüft und bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen nach § 45 SGB X zurückgenommen werden könne. Zwar dürfe die Rücknahme nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nur erfolgen, soweit der Begünstigte nicht in schützenswerter Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraue. Dies stehe der Aufhebung hier nicht entgegen, denn zum einen sei der Verwaltungsakt unter dem Vorbehalt des Widerrufs erlassen worden, zum anderen habe die Klägerin nicht dargelegt, dass sie Vermögensdispositionen getroffen habe, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Im Rahmen der erforderlichen Ermessensausübung sei geprüft worden, ob die Entscheidung für die Klägerin zu einer unbilligen Härte führen würde. Dies sei nicht der Fall, denn aus ihrer Altersrente und der Witwenrente verbleibe ihr nach Abzug der monatlichen Unkosten von 276,68 DM noch ein Einkommen von 811,35 DM. Schließlich habe die Klägerin über einen längeren Zeitraum mehr Rente erhalten, als sie bekommen hätte, wenn der Umwertungsbescheid zu einem richtigen Zahlbetrag geführt hätte. Dies habe allein darin seinen Grund gehabt, dass der Gesetzgeber zunächst habe sicherstellen wollen, dass die nach altem (DDR-)Recht bewilligten Renten bei der Umstellung des Rentensystems reibungslos weitergezahlt werden konnten. Daher sei in diesem historischen Ausnahmefall bei der Umstellung der etwa vier Millionen Renten, die in die neuen Bundesländer zu zahlen seien, auf die sonst übliche und erforderliche Sachverhaltsprüfung bei Erlass der einzelnen Umwertungsbescheide zunächst verzichtet worden. Keinesfalls aber hätten die Beibehaltung einer fehlerhaften Berechnungsgrundlage und ein darauf beruhender zu hoher Rentenbezug für alle Zukunft festgeschrieben werden sollen. Von einer Rücknahme des Bescheids für die Zukunft könne somit auch nicht im Wege der Ermessensausübung abgesehen werden.

Am 13. September 2002 beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 31. Oktober 1996 zu überprüfen. Sie machte geltend, dass die Witwenrente für die Zeit ab Januar 1997 nicht nach unten hätte korrigiert werden dürfen.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Überprüfung des Bescheids vom 31. Oktober 1996 habe ergeben, dass dieser nicht zu beanstanden sei; er werde daher auch nicht zurückgenommen. Mit dem Bescheid seien eine Korrektur des Endes des 20-Jahreszeitraums vom 31. Dezember 1944 auf den 31. Dezember 1974 und der Zurechnungsjahre von 1 auf 0 vorgenommen worden. Aus dem Rentenbescheid des verstorbenen Ehemanns über die Zahlung der Invalidenrente gehe hervor, dass die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit im Monat Juni 1975 vorgelegen habe, so dass das Ende des 20-Jahreszeitraums der 31. Dezember 1974 sei. Vom Rentenbeginn am 1. Juli 1975 bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres am 25. November 1968 ergäben sich keine Zurechnungsjahre. Im Rahmen des Ermessens sei geprüft worden, ob die Entscheidung über die Rücknahme des Bescheids vom 27. November 1991 zu einer unbilligen Härte führen würde. Dabei sei von einer Bescheidrücknahme für die Zukunft nicht abgesehen und die Rente ab 1. Januar 1997 neu festgestellt worden.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 6. November 2002 Widerspruch ein und trug zur Begründung insbesondere vor, der Umwertungsbescheid vom 27. November 1991 sei nicht mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen worden. Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch bestehe, dürfe nach § 32 Abs. 1 SGB X nur dann mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen sei oder wenn sie sicherstellen solle, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt würden. Dies sei hier nicht der Fall.

Mit Bescheid vom 4. August 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte ergänzend aus, die Korrekturvorschrift des § 45 SGB X sei grundsätzlich anzuwenden, jedoch modifiziert durch § 307 a Abs. 8 SGB VI. Angesichts des zulässigen Vorbehalts im Umwertungsbescheid vom 27. November 1991 sei kein Fristablauf im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB X eingetreten; ein Vertrauensschutz komme wegen des Vorbehalts nicht in Betracht. Eine Ermessensentscheidung sei dann ebenfalls nicht erforderlich gewesen, weil angesichts der Gesetzesregelung nur eine Entscheidung, nämlich die Rücknahme für die Zukunft, zutreffend gewesen sei.

Daraufhin hat die Klägerin am 25. August 2003 Klage zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben und vorgetragen, durch den Bescheid vom 31. Oktober 1996 sei die Hinterbliebenenrente fast halbiert worden. Angesichts der Tatsache, dass sie außer ihrer eigenen Altersrente, die geringer als die Witwenrente sei, über keine weiteren Einkünfte verfüge, sei es ein sehr gravierender Einschnitt in ihre Rechte gewesen. Davon abgesehen sei der Bescheid vom 31. Oktober 1996 rechtswidrig gewesen, weil der ursprüngliche Umwertungsbescheid vom 27. November 1991 nicht hätte aufgehoben werden dürfen.

Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten und insbesondere unter Berufung auf eine Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts (LSG) vom 11. Juli 1996 ausgeführt, die §§ 44 und 45 SGB X setzten einen rechtswidrigen Verwaltungsakt voraus. Da der Umwertungsbescheid vom 27. November 1991 jedoch rechtmäßig gewesen sei, seien diese Vorschriften nicht anwendbar. Im Übrigen spreche für die Nichtanwendung des § 45 SGB X die Regelung des § 307 a Abs. 8 Satz 5 SGB VI, derzufolge ein Anspruch auf Überprüfung für den Berechtigten nicht vor dem 1. Januar 1994 bestehe. Erfolge die Überprüfung erst nach dem 1. Januar 1994, so wäre bei Anwendung des § 45 SGB X auch dessen Absatz 3 Satz 1 anzuwenden, wonach ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden könne. Praktisch hätte demnach kein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden dürfen. Dies könne nicht Sinn und Zweck des Überprüfungsverfahrens nach § 307 a Abs. 8 SGB VI sein. Schließlich erscheine es angesichts der ausdrücklich vorgesehenen Überprüfungsmöglichkeiten nach § 307 a Abs. 8 SGB VI nicht folgerichtig, wenn Vertrauensschutzregelungen eine Überprüfung von fehlerhaften Rentenbescheiden ausschließen sollten. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, dass § 45 SGB X grundsätzlich Anwendung finde, so sei dieser durch § 307 a Abs. 8 SGB VI modifiziert.

Das Sozialgericht hat Urteile beigezogen des LSG Thüringen vom 11. Juli 1996, L-2/J-31-96, des LSG Brandenburg vom 23. August 1999, L 4 RJ 169/98, und des LSG Berlin vom 22. September 1997, L 16/5 J 66/96.

Mit Urteil vom 25. Januar 2006 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hätte im Ergebnis der Überprüfung den Bescheid vom 31. Oktober 1996 aufheben müssen, weil er rechtswidrig gewesen sei. Mit ihm sei der Umwertungs- und Anpassungsbescheid vom 27. November 1991 aufgehoben worden, obwohl die Frist von zwei Jahren, innerhalb derer dies zulässig gewesen wäre, bereits verstrichen gewesen sei.

Gegen das ihr am 8. Februar 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. März 2006 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei es nicht Sinn und Zweck eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X, dem Betroffenen letztlich mehr zu gewähren, als ihm nach der materiellen Rechtslage zustehe; über § 44 SGB X könne somit nicht eine Leistung beansprucht werden, die nach Maßgabe der für sie geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften nicht zustehe. Ein schützenswertes Vertrauen auf den Bezug einer nicht zustehenden Leistung könne nach einer bindenden Leistungsentziehung nicht mehr bestehen. Das heiße, in Verfahren nach § 44 SGB X sei allein maßgeblich, ob im Zeitpunkt der Erteilung des Bescheids, dessen Rücknahme begehrt werde, die entzogene Rechtsposition zugestanden habe oder nicht. Dies sei ausschließlich anhand der Voraussetzungen und Beweiserfordernisse zu entscheiden, die für ihre erstmalige Feststellung gegolten hätten.

In Ausführung des erstinstanzlichen Urteils hat die Beklagte die Rente der Klägerin ab 1. Januar 1997 mit Bescheid vom 7. Juni 2006 neu festgestellt und dabei für die Zeit ab dem 1. August 2006 eine monatliche Nettorente von 561,90 Euro und eine Nachzahlung in Höhe von 30.442,81 Euro errechnet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Januar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu diesem Verfahren und zum Verfahren S 9 RA 213/03, Sozialgericht Frankfurt (Oder), und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSRN: ) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zwar statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet, denn zu Recht hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) den rechtswidrigen Überprüfungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 31. Oktober 1996 zurückzunehmen.

Rechtsgrundlage für den entsprechenden Anspruch der Klägerin ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dies ist hier der Fall. Der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 31. Oktober 1996 ist rechtswidrig, weil die Beklagte bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt hat. Aufgrund dieses Bescheids sind Sozialleistungen insoweit nicht erbracht worden, als die Klägerin ab dem 1. Januar 1997 eine deutlich niedrigere Witwenrente erhalten hat als in der Zeit davor.

Es ist unstreitig, dass der Bescheid vom 31. Oktober 1996 - im Gegensatz zu dem Umwertungs- und Anpassungsbescheid vom 27. November 1991 - von einem richtigen Sachverhalt ausgeht. Während nämlich in dem Bescheid von 1991 das Ende des für die Rentenberechnung bedeutsamen 20-Jahreszeitraums mit 1944 angegeben ist, heißt es in dem Bescheid von 1996 zu Recht, er ende 1974. Dadurch, dass in dem Bescheid von 1991 bei der Berechnung als Divisor ein falsches - nämlich viel zu niedriges - Gesamtdurchschnittseinkommen als Divisor eingesetzt ist, ergibt sich ein in der jeweiligen Anlage 16 zu den Bescheiden als "durchschnittliche Entgeltpunkte je Arbeitsjahr" bezeichneter Wert des Quotienten von 3,7306 statt 1,0991. Dieser Fehler wirkt sich wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Begrenzung auf 1,8000 zwar nicht in vollem Umfang aus, führt aber insoweit zu einem deutlichen höheren als dem an sich zustehenden Betrag, als der ermittelte Wert des Quotienten im weiteren als Faktor bei der Multiplikation mit den berücksichtigungsfähigen Arbeitsjahren fungiert. Auch ein weiterer sich rentenerhöhend auswirkender, in dem ersten Bescheid zu verzeichnender Fehler ist in dem Bescheid von 1996 korrigiert, nämlich die zu Unrecht erfolgte Berücksichtigung eines Zurechnungsjahrs. Rechtswidrig ist der Bescheid vom 31. Oktober 1996 nicht, weil die Hinterbliebenenrente der Klägerin fehlerhaft berechnet worden wäre, sondern allein deshalb, weil mit ihm zugleich der fehlerhafte und daher rechtswidrige Bescheid vom 27. November 1991 zu Unrecht aufgehoben wurde.

Soweit die Beklagte meint, daraus, dass der Bescheid vom 27. November 1991 rechtswidrig gewesen sei, folge, dass die Aufhebung des Rücknahmebescheids vom 31. Oktober 1996 im Wege eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nicht beansprucht werden könne, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Zwar könnte dem Wortlaut zu entnehmen sein, dass ein Verwaltungsakt, der allein die Rücknahme leistungsgewährender früherer Verwaltungsakte zum Inhalt hat, kein Verwaltungsakt ist, mit dem im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (vgl. das Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 16. Januar 1986, 4 b/9 a RV 9/85, SozR 1300 § 44 Nr. 22). Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung zutrifft, denn gegebenenfalls wäre die Vorschrift jedenfalls entsprechend anwendbar (vgl. zur direkten und analogen Anwendung die Urteile des BSG vom 12. Dezember 1996, 11 RAr 31/96, SozR 3-1300 § 44 Nr. 19, und vom 28. Mai 1997, 14/10 RKg 25/95, SozR 3-1300 § 44 Nr. 21; sowie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts [BVerwG] vom 15. November 1990, 5 C 78/88, BVerwGE 87, 103; Wiesner in von Wulffen, SGB X, 4. Auflage 2001, § 44 Rdnr. 2). Der Regelungszweck der Vorschrift erfasst nämlich nicht nur Fälle, in denen den Betroffenen ein rechtlicher Nachteil durch unrechtmäßiges Vorenthalten einer Sozialleistung entstanden ist, sondern auch solche, in denen der Bürger zwar Sozialleistungen erhalten hat, die Leistungsbewilligung nachträglich jedoch zurückgenommen worden ist. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns Geltung zu verschaffen und der Verwaltungsbehörde zur Herstellung materieller Gerechtigkeit die Möglichkeit zu eröffnen, Fehler, die im Zusammenhang mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, zu berichtigen. Eine auf derartige Fehler eines Verwaltungsakts zurückzuführende Benachteiligung des Bürgers soll auch noch nach Ablauf von Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelfristen durch Aufhebung des Verwaltungsakts rückwirkend beseitigt werden können. Dieses Ziel gilt nicht nur in den vom Wortlaut des Gesetzes erfassten Fällen, sondern gleichermaßen in Fällen, in denen Behörden Sozialleistungen gewährende Bescheide als rechtswidrig aufgehoben und zugleich die Erstattung der bereits erbrachten Sozialleistung angeordnet haben. In solchen Fällen macht es gegenüber rechtswidrigen Ablehnungen von Leistungsanträgen oder zu niedrigen Festsetzungen sozialer Geldleistungen keinen rechtserheblichen Unterschied, ob ein ursprünglich rechtswidriger Verwaltungsakt zur Folge hat, dass der Bürger nicht erhalten hat, was ihm zusteht, oder aber, ob er ursprünglich zwar die in Frage stehende Leistung zuerkannt und erhalten hat, nachträglich aber der Verwaltungsakt, mit dem die Leistung bewilligt worden ist, wieder zurückgenommen wurde und damit derselbe Zustand eingetreten ist, wie er bestanden hätte, wenn die Leistung von vornherein nicht bewilligt worden wäre und der Bürger deshalb die Leistung nach § 50 SGB X erstatten muss (vgl. das Urteil des BSG vom 12. Dezember 1996, a.a.O., m.w.N.). Dies gilt auch, wenn durch den Aufhebungsbescheid eine Leistung ex nunc entzogen wird. Denn dann tritt für die Zukunft derselbe Zustand ein, der eingetreten wäre, wenn die Leistung von vornherein nicht bewilligt worden wäre. Das gilt auch dann, wenn die Aufhebung eines eine Leistung gewährenden Verwaltungsakts deshalb rechtswidrig war, weil vertrauensschützende Regelungen fehlerhaft angewandt wurden oder Ermessen nicht oder fehlerhaft ausgeübt wurde (vgl. die Urteile des BSG vom 28. Mai 1997, a.a.O., und vom 4. Februar 1998, B 9 V 16/96 R, SozR 3-1300 § 44 Nr. 24, sowie das Urteil des LSG Brandenburg vom 25. April 2002, L 1 RA 143/00, zitiert nach juris; a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. August 1999, 1 RA 52/98, zitiert nach juris, sowie Steinwedel im Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2008, Rdnrn 31 ff zu § 44 SGB X, und Wiesner in von Wulffen, a.a.O., m.w.N.). Zwar soll § 44 SGB X ausschließlich der Herstellung materieller Gerechtigkeit dienen; eine dem materiellen Recht widersprechende Besserstellung widerspräche dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Daraus folgt jedoch nicht, dass ein Verwaltungsakt, der eine nach Grundsätzen des Vertrauensschutzes unaufhebbar gewordene rechtswidrige Leistungsbewilligung aufhebt, nicht auch nach § 44 SGB X zu korrigieren wäre. Vielmehr können die Vertrauensschutzvorschriften der §§ 45 und 48 SGB X ein eigenständiger materieller Rechtsgrund für den Weiterbezug einer zwar unter Verstoß gegen das materielle Leistungsrecht bewilligten, aber langjährig bezogenen Sozialleistung sein (vgl. das Urteil des BSG vom 4. Februar 1998, a.a.O., m.w.N.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Im Ergebnis ihrer im Jahr 1996 von Amts wegen durchgeführten Überprüfung aufheben konnte die Beklagte den Umwertungs- und Anpassungsbescheid vom 27. November 1991 nur unter den in § 45 SGB X geregelten Voraussetzungen. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X darf die Rücknahme grundsätzlich nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe erfolgen.

Der Bescheid vom 27. November 1991 ist ein bestandskräftig gewordener begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Er ist auch rechtswidrig, denn die Ermittlung des der Klägerin monatlich zustehenden Betrags ist, wie oben dargelegt, fehlerhaft und entspricht nicht den unter anderem in § 307 a SGB VI zu findenden gesetzlichen Vorgaben. Soweit das Thüringer Landessozialgericht die Auffassung vertreten hat (Urteil vom 11. Juli 1996, L-2/J-31/96, nicht veröffentlicht), § 45 SGB X sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht anwendbar, denn fehlerhafte Umwertungsbescheide seien nicht rechtswidrig, weil der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen habe, dass den Versicherten zunächst eine "unrichtige" Rente bewilligt werde, kann ihm nicht gefolgt werden (offenbar wird an der Rechtsprechung nur noch insoweit festgehalten, als keine Rechtswidrigkeit vorliegen soll, §§ 44 ff SGB X aber anwendbar sein sollen: Urteil vom 28. Oktober 2004, L 2 RA 990/03, zitiert nach juris). Der Gesetzgeber hat, insbesondere durch die Regelungen in § 307 a Abs. 8 SGB VI, dafür Sorge getragen, dass der mit der Überführung der Bestandsrenten des Beitrittsgebiets in das System der bundesdeutschen gesetzlichen Rentenversicherung verbundene Arbeitsanfall nicht zu einem Zusammenbruch geführt hat, indem er die weitgehende Verwendung vorhandener Daten und deren umfassende maschinelle Verarbeitung vorgesehen und sachliche, vor allem zeitliche Vorgaben für die Überprüfung und Korrektur gemacht hat. Damit aber hat er einen rechtswidrigen Bescheid nicht zu einem (fehlerhaften) rechtmäßigen gemacht und hätte dies auch nicht gekonnt. Da im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 31. Oktober 1996 die Bekanntgabe des Bescheids vom 27. November 1991 bereits deutlich mehr als zwei, nämlich über vier Jahre zurücklag, war die dessen Rücknahme nicht mehr zulässig.

Ein Ausnahmefall, in welchem die Zweijahresfrist nicht gilt, liegt hier nicht vor. Nach § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X gilt sie nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen. Das ist hier nicht der Fall. Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nrn 1 und 2 SGB X schließlich ist die Rücknahme bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X gegeben sind oder der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde. Beides ist hier nicht der Fall.

Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn einer der in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn 1 bis 3 SGB X genannten Fälle vorliegt, von denen hier allein der letzte in Betracht kommt. Danach genießt der Begünstigte keinen Vertrauensschutz, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Umwertungs- und Anpassungsbescheids gekannt hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass hier auch kein Fall der grob fahrlässigen Unkenntnis vorliegt. Die oben beschriebenen Fehler springen nicht ins Auge; ohne Rechtskenntnisse und intensive Befassung mit allen Details des Bescheids sind sie nicht erkennbar. Die falsche Berechnung führte zwar zu einer höheren als der an sich zustehenden Rente, der monatliche Zahlbetrag war jedoch nicht so hoch, dass der Klägerin Zweifel an der Richtigkeit hätten kommen und sie sich zu einer Nachfrage bei der Beklagten hätte veranlasst sehen müssen.

Der Umwertungsbescheid vom 27. November 1991 war auch nicht mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen worden. Nach § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur dann versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Der Umwertungsbescheid war ein Verwaltungsakt, auf den gemäß § 307 a SGB VI ein Anspruch bestand. Die Voraussetzungen der beiden Alternativen des § 32 Abs. 1 SGB X lagen nicht vor.

Die Vorschrift des § 307 a Abs. 8 SGB VI enthält keine Regelung, die zum Erlass eines Widerrufsvorbehalts ermächtigt (vgl. auch die beigezogenen Urteile des LSG Berlin vom 22. September 1997, L 16/5 J 66/96, und des LSG Brandenburg vom 23. August 1999, L 4 RJ 169/98, beide nicht veröffentlicht, sowie das Urteil des LSG Brandenburg vom 25. April 2002, L 1 RA 143/00, a.a.O.). Soweit das Thüringer Landessozialgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom Juli 1996 die Auffassung vertreten hat, der Gesetzgeber habe mit § 307 a Abs. 8 Satz 6 SGB VI in einer historisch einmaligen Situation ausnahmsweise dem Versichertenträger die Möglichkeit einräumen wollte, Rentenbescheide ohne die Einschränkungen der §§ 44 ff SGB X zu korrigieren, kann ihm nicht gefolgt werden. Dass nach dieser Vorschrift eine Überprüfung (nicht nur auf Antrag, sondern auch) von Amts wegen vorgenommen werden kann, muss und kann nicht bedeuten, dass deshalb die für sozialrechtliche Überprüfungsverfahren bestehenden gesetzlichen Regelungen außer Kraft gesetzt werden. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, so hätte er es deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck bringen und vor allem auch die statt der in §§ 44 ff SGB X vorgesehenen dann anzuwendenden Verfahrensregelungen formulieren müssen. Dies ist indessen nicht geschehen.

Bei dem Widerrufsvorbehalt in dem Bescheid vom 27. November 1991 handelte es sich auch nicht um eine Nebenbestimmung, durch welche in zulässiger Weise die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen sichergestellt werden sollte. Ein Rentenbescheid darf nur erlassen werden, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist und die Rentenhöhe feststeht. Ist dies nicht der Fall, können einstweilige Regelungen, etwa in Form von Vorschussleistungen, getroffen werden. Zur Durchführung des gesetzlichen Programms der Umwertung nach § 307 a SGB VI mag es für die Beklagte zweckmäßig und kostengünstig gewesen sein, Rentenbescheide zu erlassen und die Überprüfung von Amts wegen erst nach Ablauf mehrerer Jahre vorzunehmen. Auch unter diesem Aspekt war jedoch der Widerrufsvorbehalt nicht notwendig, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Umwertungsbescheids im Sinne des § 32 Abs. 1 SGB X erfüllt wurden. Diese Vorschrift darf grundsätzlich nur herangezogen werden, um die Erfüllung geringfügiger tatbestandlicher Vorschriften eines Verwaltungsakts sicherzustellen. Sie dient nicht dazu, das Verwaltungshandeln der Beklagten zu erleichtern und die Versicherten über einen langen, bis zu zehnjährigen Zeitraum im Ungewissen über die ihnen zustehenden Leistungen zu lassen (vgl. das bereits zitierte Urteil des LSG Brandenburg vom 23. August 1999).

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Voraussetzung dafür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegt. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen aus § 44 SGB X ein Anspruch auf Aufhebung eines rechtswidrigen Bescheids über die (teilweise) Rücknahme eines seinerseits (teilweise) rechtswidrigen leistungsgewährenden Bescheids folgen kann und ob § 307 a Abs. 8 SGB VI die uneingeschränkte Anwendung von § 45 SGB X ausschließt, durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht beziehungsweise nicht hinreichend geklärt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved