L 20 B 1537/08 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 16 AS 1235/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 B 1537/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 3. Juli 2008 aufgehoben. Dem Kläger wird für das sozialgerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin D H, V Straße, Sch, beigeordnet. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 16 AS 1235/07 vor dem Sozialgericht Neuruppin.

Der Kläger bewohnt allein als Eigentümer ein seit 1949 bezugsfertiges Haus mit einer Wohnfläche von 109,80 qm, welches er im Jahr 2000 erworben hat. Er erhält seit Januar 2005 fortlaufend Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit dem Antrag vom 12. Juni 2007 auf Fortzahlung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für den Zeitraum ab 1. Juli 2007 reichte der Kläger bei dem Beklagten einen Kontoauszug seines Girokontos bei der D ein, aus dem sich der Zufluss einer Eigenheimzulage für das Jahr 2007 in Höhe von 907,03 EUR im März 2007 ergab.

Mit Schreiben vom 13. Juni 2007 forderte der Beklagte den Kläger zur Einreichung des Bescheides über die Bewilligung der Eigenheimzulage und zum Nachweis der Verwendung der Eigenheimzulage ab Januar 2005 auf.

Mit vorläufigem Bescheid vom 19. Juni 2007 (vgl. Blatt 110 VA) bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2007 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II in Höhe von 508,75 EUR.

Nachdem der Kläger am 3. Juli 2007 den "Bescheid über Eigenheimzulage ab 2002" des Finanzamtes Angermünde vom 11. Februar 2003 und eine Rechnung über den Kauf von Brennholz in Höhe von 1.399,44 EUR vom 20. Juni 2007 eingereicht und der Beklagte eine Auskunft des Finanzamtes Angermünde vom 4. Juli 2007 eingeholt hatte, bewilligte der Beklagte mit "Teilaufhebungs- und Änderungsbescheid" vom 10. August 2007 (vgl. Blatt 136 ff VA) dem Kläger für den Leistungszeitraum 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II in Höhe von monatlich 433,17 EUR; die Eigenheimzulage des Klägers rechnete der Beklagte als Einkommen in Höhe von monatlich 75,58 EUR auf den Bedarf an. Die ab 1. September 2007 erfolgte teilweise Aufhebung des Bescheides vom 19. Juni 2007 stützte die Beklagte auf § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2007 zurück.

Daraufhin hat der Kläger am 9. November 2007 Klage beim Sozialgericht Neuruppin erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe die Eigenheimzulage ausschließlich für die Instandsetzung des Eigenheims verwendet. Er habe das Haus in einem völlig unsanierten Zustand gekauft. Es habe ein erheblicher Instandhaltungsrückstau bestanden. Insbesondere seien Fenster, Türen, Fußboden und Heizung erneuerungsbedürftig gewesen. Im Jahr 2007 habe er 541,86 EUR für Wände und Decken und 656,55 EUR für Zubehör von Heizungsinstallationen ausgegeben.

Mit Beschluss vom 3. Juli 2008 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Eigenheimzulage sei als Einkommen zu berücksichtigen, weil der Kläger diese schon nach seinem eigenen Vortrag nicht zur Finanzierung des Eigenheims bzw. zur Deckung der mit dem Erwerb oder der Fertigstellung des Eigenheimes verbundenen Ausgaben verwendet habe.

Gegen den am 9. Juli 2008 zugestellten Beschluss hat der Kläger durch seine Verfahrensbevollmächtigte am 14. Juli 2008 Beschwerde eingelegt und bezieht sich zur Begründung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. September 2008 - B 4 AS 19/07 R -.

Dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers ist sinngemäß der Antrag zu entnehmen,

den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 3. Juli 2008 aufzuheben und dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin D H zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.

II.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung statthaft; sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Kläger ist nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Er verfügt nicht über einsetzbares Einkommen oder Vermögen.

Der Rechtsstreit bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO ist dann zu bejahen, wenn eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht. Die bloße Möglichkeit eines Erfolges reicht nicht aus, es muss vielmehr eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit bestehen, die Anforderungen daran dürfen jedoch nicht überspannt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Oktober 1991, 1 BvR 1486/91, NJW 1992, 889). Eine Rechtsverfolgung ist dann hinreichend Erfolg versprechend, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vortrages des anderen Beteiligten zumindest für vertretbar und den Prozesserfolg für wahrscheinlich hält. Eine Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache erfolgt im Rahmen der Prüfung der Erfolgswahrscheinlichkeit im Prozesskostenhilfeverfahren nicht (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347). Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ist vom Antrag des Klägers auszugehen, der ggf. auszulegen ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Klage eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit nicht abgesprochen werden. Bei sachgerechter Auslegung seines Vorbringens und des angekündigten Klageantrages begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten, ihm - dem Kläger - unter Abänderung des Bescheides vom 10. August 2007 höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Dezember 2007 zu bewilligen.

Ob der vorläufige Bescheid vom 19. Juni 2007 hinreichend bestimmt ist, kann dahingestellt bleiben. So ist bereits zweifelhaft, nach welcher Vorschrift die Beklagte den Bescheid vom 19. Juni 2007 abändern konnte. Der Bescheid spricht von einer "vorläufigen Leistung" und zielt damit auf eine vorläufige Bewilligung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i. V. m § 328 SGB III. Eine solche vorläufige Entscheidung könnte durch eine endgültige Entscheidung ersetzt werden, ohne dass die Rechtmäßigkeit des aufhebenden Bescheides anhand der Regelungen der §§ 45 bzw. 48 SGB X zur Überprüfung stände. Die Spezialvorschrift des § 328 Abs. 2 SGB III lässt eine derartige Möglichkeit zu.

Der als Teilaufhebungs- und Änderungsbescheid bezeichnete Bescheid vom 10. August 2007 wird auf die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt. Dessen Anwendung erscheint im Hinblick auf die mit Bescheid vom 19. Juni 2007 erfolgte "vorläufige" Leistungsbewilligung zweifelhaft, da § 48 SGB X Änderungen von Verhältnissen betrifft, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben. Ob vorliegend überhaupt ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vorlag, ist fragwürdig. Dies kann letztlich dahingestellt bleiben, da auch die inhaltliche Richtigkeit der streitgegenständlichen Bescheide als offen erachtet werden muss.

Der Kläger kann mit einer gewissen Erfolgswahrscheinlichkeit geltend machen, dass ihm für den streitgegenständlichen Zeitraum nach § 22 Abs. 1 SGB II höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen.

Zu Recht hat der Beklagte allerdings die dem Kläger im März 2007 zugeflossene Eigenheimzulage als Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB II i. V. m § 2 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Alg II-V in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (a. F.) berücksichtigt. Denn die Eigenheimzulage 2007 war keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, die einem anderen Zweck als die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II diente. Einem anderen Zweck als der Sicherung des Lebensunterhalts dient die Eigenheimzulage gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 AlG II-V a. F. nur, soweit sie nachweislich zur Finanzierung einer nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigenden Immobilie verwendet wird. Dieser Maßstab entspricht Sinn und Zweck von § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, Doppelleistungen für einen identischen Zweck zu verhindern. Hiervon ausgehend dient die Eigenheimzulage der Finanzierung der begünstigten Immobilie nur, soweit sie zur Deckung der mit der Anschaffung oder der Herstellung bzw. Fertigstellung des Wohnraums verbundenen Aufwendungen eingesetzt wird. Zur Fertigstellung ist die Eigenheimzulage eingesetzt, wenn und soweit die Verwendung darauf gerichtet ist, die Immobilie zu errichten (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 19/07 R -, veröffentlicht in juris). Die von dem Kläger geltend gemachte Verwendung der Eigenheimzulage 2007 für Kosten der Instandhaltung bzw. Instandsetzung von Wänden und Decken bzw. der Heizungsanlage diente demnach nicht der Finanzierung der begünstigten Immobilie, weil die genannten Maßnahmen nicht auf die Errichtung von Wohnraum im Sinne der Herstellung bzw. Fertigstellung, sondern auf den Erhalt des Wohnraums gerichtet waren.

Die Klage hat jedoch deshalb eine gewisse Erfolgsaussicht, weil einiges dafür spricht, dass die von dem Kläger durch Kassenbon vom 10. September 2007 und Rechnung vom 29. Oktober 2007 belegten Aufwendungen zumindest teilweise gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen sind. Nach dieser Vorschrift werden Kosten der Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Bei einem selbst genutzten Eigenheim zählen zu den Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat. Zur näheren Bestimmung der unmittelbar mit dem Eigentum verbundenen Lasten kann nach allgemeiner Auffassung § 7 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII (vormals § 76 BSHG) herangezogen werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2006 - L 10 AS 102/06 -, Beschluss vom 19. Januar 2007 - L 5 B 1101/06 AS ER -; Hessisches LSG, Beschluss vom 31. Oktober 2006 - L 9 AS 189/06 ER -; Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rdnr. 22; Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 26). Danach sind Aufwendungen für den Erhalt der Unterkunft, insbesondere für Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII) nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen, soweit diese angemessen sind. Die von dem Kläger getätigten Aufwendungen zur Instandhaltung bzw. Instandsetzung von Wänden und Decken bzw. der Heizungsanlage sind hierzu zu rechnen. Diese Kosten haben bisher keine Berücksichtigung gefunden.

Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint erforderlich (vgl. § 121 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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