L 1 U 3722/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2975/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3722/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.07.2008 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer höheren Verletztenrente im Streit.

Die Klägerin wurde am 29.08.2001 bei der Reinigung eines Kühlschranks Ihres Arbeitgebers durch eine explodierende Sprudelflasche verletzt. Hierbei drangen Glassplitter der Sprudelflasche in das rechte Handgelenk der Klägerin ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin bei ihrem Arbeitgeber als Reinigungskraft mit einer täglichen Arbeitszeit von zwei Stunden eingesetzt. Im Durchgangsarztbericht von Dr. V. vom Unfalltag ist als Diagnose eine Schnittwunde am rechten Handgelenk mit Verletzung des Nervus medianus sowie eine Beugesehnenverletzung D II und D III an der rechten Hand angegeben. Außerdem hätten bei der ersten Untersuchung ein Sensibilitätsverlust D I bis D III sowie eine Hyposensibilität D IV und D V vorgelegen. Die Durchblutung sei intakt gewesen, einen Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung habe es nicht gegeben.

Die Klägerin war vom 29.08. bis 11.09.2001, vom 30.10. bis 21.12.2001 und vom 27.12.2001 bis 21.01.2002 in stationärer Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in L ... Im letzten Entlassungsbericht ist angegeben, dass bei dem Unfall eine Schnittwunde mit Durchtrennung des Nervus medianus, der oberflächlichen Beugesehne 2 und 3 sowie der tiefen Beugesehne 2 in Zone 5 rechts erfolgt sei. Die ambulante Behandlung habe nicht ausgereicht, da eine massive Schwellneigung mit Beweglichkeitseinschränkung sowie eine überdurchschnittliche Schmerzempfindlichkeit festgestellt worden seien. Während des stationären Heilverfahrens hätten sich Komplikationen durch eine pectanginöse Attacke ergeben. Anschließend sei die Klägerin während des stationären Aufenthalts zudem von einer Behandlungsliege gefallen, wobei Schmerzen im Bereich des Ellenbogens aufgetreten seien. Durch die Behandlung hätten sich die Beschwerden der Klägerin langsam gebessert. Bei Entlassung habe die Klägerin die Hand zumindest zu Alltagstätigkeiten einsetzen können, ohne zu starke Schmerzen zu haben.

Aus dem beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis der A. R. ergab sich, dass die Klägerin 1988 unter einer Armtendovaginitis rechts sowie 1987 unter einem noch im selben Jahr operierten Karpaltunnelsyndrom rechts gelitten hatte.

Am 05.07.2002 wurde in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik eine Karpaltunnelspaltung vorgenommen, worüber ein komplikationsloser postoperativer Verlauf berichtet wurde. Dr. P. von der A.-Klinik in H. teilte am 12.09.2002 mit, dass weiterhin Arbeitsunfähigkeit vorliege und eine Arbeitserprobung frühestens in drei Monaten zu empfehlen sei. Die Dipl.-Psychologin Dr. Sch. stellte in einem Gutachten vom 15.04.2003 ein Karpaltunnelsyndrom rechts bei Zustand nach Schnittwunde und Durchtrennung des Nervus medianus 08/01 fest und nahm eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von insgesamt 55 v. H. an. Die Höhe der MdE erkläre sich aus einer Schädigung sowohl des sensiblen (20 v. H. MdE) als auch des motorischen Anteiles (35 v. H. MdE) des Nervus medianus. Im ersten Rentengutachten des Dr. P. vom 12.06.2003 wird eine MdE von 40 v. H. ab dem 26.02.2003 angenommen. Es bestünden erhebliche Gefühlsstörungen der medianusversorgten Finger der "linken" Hand (Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger, halber Ringfinger), eine Beuge- und Streckbehinderung der Finger 1 - 3 der "linken" Hand sowie eine dadurch bedingte Einschränkung der Feinmotorik.

Mit Bescheid vom 10.07.2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin als vorläufige Entschädigung Verletztenrente ab dem 26.02.2003 nach einer MdE von 40 v. H.

Dr. Sch. gab am 14.11.2003 an, dass sich bei der Klägerin inzwischen vermutlich aufgrund eines Karpaltunnelsyndroms vergleichbare Symptome an der linken Hand entwickelt hätten. Prof. Dr. B. berichtete am 08.01.2004, dass sich bei der Klägerin durch ihre Schnittverletzung ein chronifiziertes neuropatisches Schmerzsyndrom ausgebildet habe; als weitere Diagnosen wurden unter anderem psychologische Faktoren und Verhaltensfaktoren bei neuropatischem Schmerzsyndrom sowie eine Dysthymie benannt.

Im zweiten Rentengutachten des Dr. P. vom 06.05.2004 wurden als Unfallfolgen Gefühlsstörungen der medianusversorgten Finger der linken Hand mit schmerzhafter Hyperpathie der Finger D II und III, ein Neurom im Bereich des beugeseitigen Handgelenkes der rechten Hand, eine Beuge- und Streckbehinderung der Finger D I bis III der rechten Hand und ein Oppositionsdefizit des Daumens der rechten Hand, eine Einschränkung der Feinmotorik und Minderung der groben Kraft der rechten Hand, eine geringfügige Umfangsvermehrung des linken Oberarms und der Mittelhand rechts sowie ein chronisches Schmerzsyndrom an der rechten Hand angegeben. Unfallunabhängig bestehe ein Sulcus-ulnaris-Syndrom rechts sowie ein schmerzhaftes Lipom an der rechten Unterarmbeugeseite im Bereich der Ellenbeuge. Die MdE wurde mit 40 v. H. angegeben. Nach einem Aktenvermerk vom 16.06.2004 habe der Beratungsarzt der Beklagten Dr. J. die Auffassung vertreten, dass sich aufgrund einer Verbesserung der Beweglichkeit im Unterarm und im Handgelenk trotz des weiteren Vorliegens erheblicher neurologischer Beschwerden nur noch eine MdE von 30 v. H. rechtfertigen lasse.

Mit Bescheid vom 08.07.2004 bewilligte die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.08.2004 anstelle der vorläufigen Rente nunmehr eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v. H. Als Folgen des Arbeitsunfalls seien eine Bewegungseinschränkung der Fingergelenke der rechten Hand, druckschmerzhafte Narben mit Neurombildung an der Innenseite des rechten Unterarms und der rechten Hand, Empfindungsstörungen in den vom Medianusnerven versorgten Fingern der rechten Hand, eine Herabsetzung der Gebrauchs- und Belastungsfähigkeit der rechten Hand, eine Minderung der groben Kraft der rechten Hand sowie ein unvollständiger Faustschluss rechts festzustellen.

Die Klägerin legte Widerspruch mit der Begründung ein, dass sich die Behinderungen ihrer rechten Hand nicht gebessert hätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2004 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die beklagten Empfindungsstörungen und Nervenschäden seien als Unfallfolgen anerkannt und bei der MdE-Bewertung berücksichtigt worden. Da eine erstmalige Feststellung von Rente auf unbestimmte Zeit erfolgt sei, sei die MdE auch frei und ohne Rücksicht auf die vorläufig festgesetzte Entschädigung nach einer MdE von 40 v. H. zu bestimmen gewesen.

Die Klägerin hat am 28.09.2004 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Bereits die Einschränkung der Beweglichkeit der rechten Hand allein rechtfertige eine MdE von 30 v. H. Zuzüglich der umfangreichen Schmerzsymptomatik sowie der auftretenden Nervenausfälle sei jedenfalls eine MdE von 40 v. H. angemessen.

Das SG hat ein neurologisches Zusatzgutachten bei Prof. Dr. H. eingeholt. In dem Gutachten vom 21.02.2005 sind als Diagnose unfallbedingte Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten Nervus medianus ohne funktionell relevante motorische Ausfälle mitgeteilt worden. Da kein vollständiger sensibler Ausfall des Nervus medianus vorliege, sei eine neurologische Teil-MdE von 15 bis 20 v. H. anzunehmen. Bei der festgestellten reaktiven Depression habe sich kein rentenberechtigendes Ausmaß erheben lassen. Die von Dr. Sch. festgestellte MdE von 55 v. H. erscheine zu hoch, insbesondere weil die Medianusschädigung bei der Klägerin funktionell nicht relevant sei. Vermutlich habe Dr. Sch. unzulässigerweise eine Addition der sensiblen MdE von 20 v. H. und der motorischen MdE von 35 v. H. nach den Tabellen von Rauschelbach und Jochheim vorgenommen. Die Tabellen seien aber so zu verstehen, dass bei kompletter distaler Medianusschädigung der Gebrauchshand eine MdE von 35 v. H. zu veranschlagen sei; eine Hinzuaddition einer vorwiegend sensiblen Schädigung sei nicht statthaft.

In dem orthopädischen Sachverständigengutachten vom 21.03.2005 hat Prof. Dr. M. angegeben, dass bei der Klägerin eine Aufhebung des Gefühls in den ersten drei Fingern der rechten Hand, eine aktive Bewegungseinschränkung der Finger II bis V für die Beugung der rechten Hand, eine Minderung der groben Kraft für Faustschluss an der rechten Hand sowie ein chronisches Schmerzsyndrom der rechten Hand vorlägen. Die Gefühlsstörungen im Bereich des vierten und fünften Fingers seien als unfallunabhängig einzustufen, da der Nervus ulnaris durch die Verletzung beim Unfall nicht in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Zusätzlich zu der von Prof. Dr. H. festgestellten Teil-MdE seien die Minderung der groben Kraft und die einschränkte Langfingerbeweglichkeit zu berücksichtigen, wofür als wahrscheinlichste Ursache ein chronisch regionales Schmerzsyndrom anzunehmen sei. Die Gesamt-MdE betrage danach 30 v. H. Vergleiche man die Prozentangaben für den kompletten Verlust der Gebrauchshand im Handgelenksniveau, wofür 50 MdE zu veranschlagen seien, erscheine eine MdE von 40 v. H. bei der vorliegend noch vorhandenen Funktion des Langfingers und des Daumens trotz aufgehobener Sensibilität im Versorgungsgebiet des Nervus medianus als zu hoch angesetzt.

Anschließend ist auf Antrag der Klägerin am 25.10.2005 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres nervenärztliches Gutachten durch die Fachärztin E. H. erstellt worden. Unfallfolgen seien ein Schmerzsyndrom im Versorgungsgebiet des Nervus medianus der rechten Hand mit einer schweren Gefühlsstörung sowie einer leichten Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris, eine trophische Störung/autonome Funktionsstörung im Versorgungsgebiet des Nervus medianus der rechten Hand sowie Schmerzen im Operationsgebiet im Unterarm/Handgelenksbereich. Eine festgestellte mittelschwere Depression sei wahrscheinlich nicht eine Folge des Arbeitsunfalls, da Depressionen bereits vorher aufgetreten seien und die Gesundheitsstörung wahrscheinlich in der Krankengeschichte begründet sei. Ein Teil der depressiven Situation müsse jedoch dem Unfall zugerechnet werden, da insofern von einer Dekompensation durch den Unfall auszugehen sei. Insgesamt sei von einer MdE von 40 v. H. auszugehen. In zwei ergänzenden Stellungnahmen vom 07.11.2005 und 16.12.2005 hat die Gutachterin hierzu ausgeführt, dass sie die höhere MdE-Bewertung aufgrund der ausgeprägten Schmerzsymptomatik befürworte, und auch die Schädigung des Nervus ulnaris in die Bewertung mit einzubeziehen sei. Die psychische Symptomatik sei nicht mit hinreichender Sicherheit auf den Unfall und dessen Folgen zurückzuführen.

Hierzu hat der Vorgutachter Prof. Dr. H. am 10.04.2006 ergänzend angegeben, dass der Nervus ulnaris von der Gutachterin H. ausweislich ihres Gutachtens nicht gemessen worden sei. Unabhängig hiervon könnten leichte sensible Störungen dieses Nervs keine MdE in dem angenommenen Ausmaß begründen. Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik lägen in den Unterlagen zahlreiche Hinweise für eine psychogene Ausgestaltung und Überlagerung vor, welche es ausschlössen, eine höhere MdE als 30 v. H. anzunehmen. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass wesentliche motorische Defizite oder ein Muskelschwund in keinem der vorliegenden Gutachten dokumentiert seien.

Die Klägerin hat einen aktuellen Befund des Radiologen Dr. S. vom 16.06.2006 vorgelegt. Im Anschluss hieran ist nach § 109 SGG ein weiteres Gutachten durch die Nervenärztin Dr. A. erstellt worden. In dem Gutachten vom 21.10.2006 ist angegeben, dass weder ein sensible noch eine motorische Schädigung des Nervus ulnaris rechts nachweisbar seien. Vielmehr liege ein complex-regional-pain-Syndrom (CRPS; früher auch Morbus Sudeck genannt) vor. Durch das außergewöhnliche Schmerzsyndrom sei die rechte Hand völlig gebrauchsunfähig, weswegen eine MdE von wenigstens 50 v. H. angemessen sei. In ergänzenden Stellungnahmen vom 21.11.2006 und 20.02.2007 gab die Gutachterin an, dass das von ihr diagnostizierte CRPS letztlich nicht objektivierbar sei, jedoch auf den glaubwürdigen Angaben der Klägerin beruhe.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 04.07.2008 als unbegründet abgewiesen. Da die Beklagte mit Bescheid vom 08.07.2004 noch innerhalb der Frist von drei Jahren gemäß § 62 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) die Rente erstmals auf Dauer festgestellt habe, bestehe keine Bindung an die zuvor höher festgesetzte vorläufige Verletztenrente. Nach den vorliegenden medizinischen Aussagen rechtfertige sich keine höhere MdE als 30 v. H. Da für den konkreten Verlust der Gebrauchshand im Handgelenksniveau im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung üblicherweise eine MdE von 50 v. H. veranschlagt werde, und die Hand der Klägerin nicht völlig funktionslos sei, sei die Berücksichtigung der vorliegenden neurologischen und psychologischen Erkrankungen entsprechend den Gutachten von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. M. mit einer MdE von 30 v. H. angemessen vorgenommen worden. Die Bewertung des Dr. P. im Gutachten vom 06.05.2004 überzeuge nicht, da sich die Beweglichkeit im Unterarm und im Handgelenk seit der Begutachtung im Jahr 2003 verbessert habe. Auch der Bewertung durch die Neurologin und Psychiaterin H. im Gutachten vom 25.10.2005 könne nicht gefolgt werden, da die Gutachterin von einer Schädigung des Nervus ulnaris ausgegangen sei und diese mit einer Teil-MdE von 10 v. H. bewertet habe. Auch habe die Gutachterin trophische Störungen mit autonomen Funktionsstörungen im Versorgungsgebiet des Nervus medianus der rechten Hand angenommen, welche in dem Gutachten von Prof. Dr. M. nicht feststellbar gewesen seien; insoweit sei auch nicht ersichtlich, inwieweit eine relevante autonome Funktionsstörung vorliege. Die Begründung einer MdE von 50 v. H. mit der Annahme eines Morbus Sudeck und eines CRPS durch Dr. A. im Gutachten vom 21.10.2006 überzeuge ebenfalls nicht. Die Gutachterin habe eingeräumt, dass ein Vollbeweis der Diagnose CRPS nicht möglich sei. Zweifel an einem Zusammenhang bestünden insoweit, als Prof. Dr. M. überzeugend darauf hingewiesen habe, dass ein automatisierter Zusammenhang zwischen Nervenläsion mit einem Schmerzerleben nicht bestehe. Vorliegend könne danach auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein außergewöhnlicher Grad von Schmerzen im Bereich der unfallbedingten Gesundheitsschädigungen zusätzlich zu den üblicherweise bei den Bewertungen der MdE zu berücksichtigenden Grad an Schmerz vorliege. Das Urteil ist den Bevollmächtigten der Klägerin am 25.07.2008 zugestellt worden.

Am 04.08.2008 haben diese beim Landessozialgericht Berufung eingelegt, welche im Wesentlichen mit den Beurteilungen durch Dr. P., Dr. A. und die Neurologin und Psychiaterin H. begründet wird.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.07.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2004 zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 50 % ab dem 01.08.2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Auch unter Berücksichtigung des bereits festgestellten chronischen Schmerzsyndroms sei eine höhere MdE als 30 v. H. nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. M. nicht zu rechtfertigen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 SGG statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.

Gemäß § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld - § 45 SGB VII - und Rente - § 56 SGB VII -). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII).Da die Beklagte mit dem Bescheid vom 08.07.2004 noch innerhalb der Frist von drei Jahren gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) die Rente erstmals auf Dauer festgestellt hat, besteht keine Bindung an die zuvor mit Bescheid vom 10.07.2003 höher festgesetzte vorläufige Verletztenrente.

Der Senat hält vorliegend aufgrund der schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. M. und Prof. Dr. H. eine Rentengewährung ab dem 01.08.2004 nach einer höheren MdE als 30 v. H. für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 29.08.2001 nicht für gerechtfertigt.

Erforderlich ist für eine Entschädigung durch die Gewährung einer Rente nach dem SGB VII, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; st. Rspr., vgl. zuletzt BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a. F. RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Kap 1.3.6.1, S. 80 f.).

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Nach diesen Grundsätzen kann eine Entschädigung durch die Gewährung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als 30 v. H. nicht vorgenommen werden, wozu sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des SG anschließt und zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf diese Bezug nimmt.

Ebenso wie das SG entnimmt der Senat dies den überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. M., der unter Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur und unter Einbeziehung der ebenfalls überzeugenden Ausführungen des Vorgutachters Prof. Dr. H. eine MdE von 30 v. H. nachvollziehbar begründet hat. Danach liegen bei der Klägerin aufgrund des Unfalls eine Aufhebung des Gefühls in den ersten drei Fingern der rechten Hand, eine aktive Bewegungseinschränkung der Finger II bis V für die Beugung der rechten Hand, eine Minderung der groben Kraft für den Faustschluss an der rechten Hand sowie ein chronisches Schmerzsyndrom der rechten Hand vor. Hinsichtlich des hauptsächlich durch den Unfall verletzten Nervus medianus bestehen keinerlei relevanten motorischen Ausfälle, was im Übrigen auch durch die nach § 109 SGG gehörte Gutachterin Dr. A. bestätigt worden ist. Dr. A. hat außerdem ebenso wie Prof. Dr. M. und Prof. Dr. H. eine Verletzung des Nervus ulnaris ausgeschlossen, so dass nach der Überzeugung des Senats die Ausführungen der Gutachterin H. zum Vorliegen einer solchen Verletzung als widerlegt anzusehen sind. Zwar hat auch der Gutachter Dr. P. im zweiten Rentengutachten vom 06.05.2004 noch eine Verletzung des Nervus ulnaris angenommen, doch hierzu zugleich ausgeführt, dass diese als unfallunabhängig zu bewerten sei. Nachdem indes die Neurologen Prof. Dr. H. und Dr. A. in ihren aktuelleren Gutachten eine solche Verletzung mit Bestimmtheit ausschließen, ist davon auszugehen, dass diese Verletzung jedenfalls als Folge des entschädigungspflichtigen Arbeitsunfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist.

Die MdE-Bewertung durch die Neurologin und Psychiaterin H. im Gutachten vom 25.10.2005 überzeugt bereits deswegen nicht, da sie von einer Nervus ulnaris-Schädigung ausgeht und diese mit einer Teil-MdE von 10 v. H. bewertet. Auch die von der Gutachterin H. angenommenen trophischen Störungen mit autonomen Funktionsstörungen im Versorgungsgebiet des Nervus medianus der rechten Hand waren in den Gutachten von Prof. Dr. M. und Dr. A. nicht feststellbar, weswegen sich die Frage erübrigt, inwieweit hierdurch eine relevante autonome Funktionsstörung vorliegen könnte. Dies wird nach der Überzeugung des Senats auch dadurch belegt, dass bei der gutachtliche Untersuchung durch Prof. Dr. M. am 21.01.2005 eine aktive Beugefähigkeit der Langfinger rechts bestand. Außerdem waren bei dieser Untersuchung weder eine Minderung der Handmuskulatur rechts, eine seitendifferente Beschwielung noch eine unterschiedliche Schweißbildung feststellbar, welche indes bei einer gemäß den Behauptungen der Klägerin schmerzbedingt unbrauchbaren Hand zu erwarten wären.

Prof. Dr. H. weist in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.04.2006 auch zu Recht darauf hin, dass die Gutachterin H. selbst mehrfach auf bei der Klägerin vorhandene Hinweise für eine psychogene Überlagerung ihrer Beschwerden hinweist. Die Vorgutachterin Dr. Sch. hat zudem in ihrem Arztbrief vom 13.01.2005 an Dr. P. (B1. 72 f. der SG-Akte) bestätigt, dass die Klägerin auch schon vor dem Unfall sehr depressiv und deswegen öfter bei ihr in Behandlung gewesen sei.

Die Begründung einer höheren MdE von 50 v. H. mit der Annahme eines Morbus Sudeck bzw. eines CRPS durch Dr. A. im Gutachten vom 21.10.2006 überzeugt ebenfalls nicht. Die Gutachterin musste auf Nachfrage einräumen, dass ihr insoweit ein Nachweis nicht möglich sei und sie sich auf die Angaben der Klägerin verlassen habe. Nach den zahlreichen Hinweisen auf eine psychogene Überlagerung und einen möglichen sekundären Krankheitsgewinn erachtet es der Senat indes als ausgeschlossen, allein aufgrund der Angaben der Klägerin, wie die Gutachterin Dr. A. dies vornimmt, die Diagnose eines Morbus Sudeck bzw. CRPS vorzunehmen.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass druckschmerzhafte Narben an der rechten Hand und am rechten Unterarm sowie Empfindungsstörungen der medianusversorgten Finger der rechten Hand in dem angegriffenen Bescheid vom 08.07.2004 bereits als Unfallfolge anerkannt worden sind. Bei der Bewertung der MdE in Höhe von 30 v. H. ist dies bereits eingeflossen, beruhend auf den Aussagen des Gutachters Prof. Dr. M., der auch unter Berücksichtigung eines chronischen Schmerzsyndroms der rechten Hand die MdE in dieser Höhe eingeschätzt hat. Für eine darüber hinausgehende eigenständige Schmerzerkrankung, die eine höhere MdE rechtfertigen könnte, ist der Nachweis nicht erbracht worden. Hierzu ist auch auf die Ausführungen von Prof. Dr. M. hinzuweisen, der Anzeichen für eine gewisse Aggravation der Klägerin (B1. 18 des Gutachtens vom 21.03.2005) erkannt hat.

Dr. A. räumt ausdrücklich ein, dass sämtliche von ihr vorgenommenen Messbefunde unauffällig und im Normbereich gewesen seien, und dass die Differentialdiagnose zu der von den anderen Gutachtern festgestellten Verletzung des Nervus medianus objektiv nicht möglich sei, sondern allein von der Glaubwürdigkeit der Klägerin abhänge. Prof. Dr. M. hat insoweit in seinem Gutachten ausgeführt, dass ein außergewöhnlicher Schmerzgrad, welcher zusätzlich zu den bereits in die MdE-Tabellen eingerechneten Schmerzen zu berücksichtigen sei, nicht festgestellt worden sei. Schließlich überzeugt auch nicht der Hinweis auf die höhere MdE-Bewertung des Dr. P. im Gutachten vom 06.05.2004, da sich die Beweglichkeit im Unterarm und im Handgelenk seit der Begutachtung im Jahr 2003 ausweislich der aktuellen Befunde verbessert hat.

Danach sind die Beschwerden der Klägerin in Übereinstimmung mit den Gutachtern Prof. Dr. M. und Prof. Dr. H. in dem Bescheid vom 08.07.2004 umfassend anerkannt worden. Auf die von Prof. Dr. H. mit Schreiben vom 10.04.2006 zitierte Fundstelle, dass ein kompletter distaler Medianusausfall der Gebrauchshand mit einer MdE von 30 v. H. zu bewerten ist, wird Bezug genommen. Da vorliegend die Kraft in der rechten Hand nicht beeinträchtigt ist und auch eine gute Erholung der motorischen Funktion nach der stattgefunden Schnittverletzung vorliegt, kommt eine höhere MdE als 30 v. H. nicht in Betracht. Auch nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 2. Aufl. 2003, S. 641 ff.) kann nur der völlige Ausfall der Gebrauchshand mit einer MdE von 50 v. H. bewertet werden; mit einem solchen Zustand kann die rechte Hand der Klägerin bei normaler Muskulatur und Beschwielung nicht verglichen werden. Ob deswegen gemäß der letzten Äußerung von Prof. Dr. H. vom 10.04.2006 nur noch von einer MdE von 15 - 20 v. H. auszugehen ist, ist vorliegend nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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