L 4 P 1185/09 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 P 2071/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1185/09 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Januar 2009 aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Auf den Antrag der Klägerin vom 24. August 2001 bewilligte das Sozialgericht Konstanz (SG) ihr für das Klageverfahren S 2 P 2071/01 Prozesskostenhilfe und ordnete ihr Rechtsanwalt W. bei (Beschluss vom 30. Dezember 2002). Bereits mit rechtskräftigem Urteil vom 31. Mai 2005 wies das SG die Klage der Klägerin ab.

Mit Beschluss vom 20. Januar 2009 hob das SG den Beschluss vom 30. Dezember 2002 auf, weil die Klägerin entgegen ihrer Verpflichtung nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 120 Abs. 4 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) trotz mehrfacher Aufforderung und Fristsetzung bis 20. Dezember 2008 eine aktuelle Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt habe.

Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 28. Februar 2009 beim SG eingelegte Beschwerde.

II.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet.

1. Gemäß § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Vorliegend liegt keine andere Bestimmung in diesem Sinne vor, weil § 172 Abs. 2 Nr. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) nicht eingreift. Danach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil sich die Beschwerde nicht gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet, sondern gegen die Aufhebung der erfolgten Bewilligung gemäß §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 120 Abs. 4, 124 ZPO. Diese Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe wird vom Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfasst. Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann sich nur auf das Bewilligungsverfahren im Zusammenhang mit dem Hauptsacheverfahren beziehen. Das Aufhebungsverfahren ist ein gesondertes Verfahren und - wenn die Aufhebung nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erfolgt - nicht Teil des Hauptsacheverfahrens.

Eine erweiternde Auslegung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG dahin, dass sich der Ausschluss der Beschwerde auch auf die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erstrecken soll, ist nicht gerechtfertigt, da die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht vergleichbar ist mit der Aufhebung der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe. Mit der Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe wird dem Kläger eine Rechtsposition wieder entzogen. Dies gilt insbesondere, wenn die Aufhebung der Bewilligung - wie vorliegend - nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens erfolgt. Während vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens der Betreffende jederzeit einen neuen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen kann, ist dies nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr möglich. Auch den Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (Bundestags-Drucksache 16/7716 S. 22 zu Nr. 29 Buchst. b), Bundesrats-Drucksache 820/07, S. 29 zu Nr. 29 Buchst. b) ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Ausschluss der Beschwerde auf die Aufhebung von Prozesskostenhilfe erstrecken wollte. Da somit auch weder eine planwidrige Lücke ersichtlich ist noch gleichartige Sachverhalte vorliegen, scheidet auch eine analoge Anwendung aus (zum Ganzen auch: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Januar 2009 - L 2 U 4613/08 PKH-B, nicht veröffentlicht; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Juni 2008 - L 5 B 163/08 AS -, veröffentlicht in juris).

2. Die von der Klägerin am 28. Februar 2009 beim SG schriftlich eingelegte Beschwerde ist fristgerecht. Nach § 173 Satz 1 SGG ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; § 181 des Gerichtsverfassungsgesetzes bleibt unberührt. Das SG hat den Beschluss vom 20. Januar 2009, mit welchem es die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben hat, dem mit der Bewilligung beigeordneten Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt, der im Empfangsbekenntnis den Erhalt mit dem 27. Januar 2009 bescheinigte. Mit dem Zugang des Beschlusses an den mit der Bewilligung beigeordneten Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde indes die Beschwerdefrist des § 173 Abs. 1 SGG nicht in Lauf gesetzt (§ 65 Abs. 1 SGG), weil hierdurch keine ordnungsgemäße Bekanntgabe des Beschlusses erfolgte. Der Beschluss hätte der Klägerin selbst durch Zustellung bekannt gegeben werden müssen. Zwar sind nach § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an den Bevollmächtigten zu richten, wenn ein solcher bestellt ist. Nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens bestand allerdings die solche Bestellung des beigeordneten Prozessbevollmächtigten nicht mehr, da das Verfahren betreffend die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe nicht Teil des anhängig gewesenen Hauptsacheverfahrens ist. Eine Prozessvollmacht gilt grundsätzlich nur bis zum Ende des Rechtszuges, das heißt bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 73 Rdnr. 74). Hier ist die formelle Rechtskraft des Urteils vom 31. Mai 2005, das dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11. November 2005 und der Beklagten am 14. November 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde, mit Ablauf des 14. Dezember 2005 (einem Dienstag) eingetreten.

Die Abwicklung der Prozesskostenhilfe einschließlich der Überprüfungsverfahren nach §§ 120 Abs. 4, 124 Zivilprozessordnung (ZPO) ist nach Eintritt der formellen Rechtskraft eine reine Verwaltungssache, die den "anhängigen" Rechtsstreit im Sinne des § 172 ZPO nicht verlängert (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 17. Mai 2005 - L 6 SF 90/04 - m.w.N. = veröffentlich in juris). Liegt - wie im vorliegenden Fall - keine neue Vollmacht vor, ist der Schriftverkehr mithin unmittelbar an die Partei zu richten.

3. Die danach zulässige Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg. Das SG hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 120 Abs. 4 Satz 2, 124 Nr. 2, zweite Fallgruppe ZPO aufgehoben.

Nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO hat sich die Partei auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Nach § 124 Nr. 2, zweite Fallgruppe ZPO kann das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. Zwar wurde die Klägerin durch die Kostenbeamtin des SG mit Schreiben vom 30. September und 24. November 2008 unter Fristsetzung (20. Dezember 2008) aufgefordert, erneut die Erklärung zu den persönlichen Verhältnissen vorzulegen. Die Klägerin kam dieser Aufforderung auch innerhalb der Frist nicht nach. Allerdings war sie nicht verpflichtet, nochmals den Vordruck gemäß § 117 Abs. 2 und 3 ZPO vorzulegen. Denn § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO normiert nur eine allgemeine Erklärungspflicht der Partei (vgl. Reichold in Thomas Putzo, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage 2008, § 120 Rdnr. 9; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage, Rdnr. 842). Die Prozesskostenhilfe kann daher nicht aufgehoben werden, wenn nur verlangt wird, den Vordruck erneut auszufüllen. Dies ist nach dem Inhalt der Akten nicht auszuschließen. Der Klägerin ist zwar nach der entsprechenden Verfügung der Kostenbeamtin auch ein Formschreiben übersandt worden. Der Inhalt dieses Formschreiben ist dem Senat allerdings nicht bekannt, da die Akte kein Aktenexemplar dieses Formschreibens enthält. Eine weitere Klärung insoweit ist nicht erforderlich. Denn die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren gemachten Angaben lassen eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber der mit Beschluss vom 30. Dezember 2002 erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht erkennen.

Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Beschwerde die Bescheide des Landratsamts B. vom 31. Mai 2007 und 23. Januar 2009 vorgelegt. Die Klägerin konnte die Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch noch im Beschwerdeverfahren nachholen, wobei die Verspätung nicht entschuldigt werden muss (vgl. Reichold, a.a.O., § 124 Rdnr. 3 m.w.N.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O ... Rdnr. 842). Aus diesen Bescheiden des Landratsamts B. ergibt sich, dass die Klägerin nach wie vor Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hat. Ab Februar 2009 beläuft sich der Anspruch auf EUR 301,14. Insbesondere aus der Anlage zum Bescheid vom 23. Januar 2009 folgt, dass die Klägerin außer einer Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von EUR 773,23 kein weiteres Einkommen hat und daher weiterhin bedürftig im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO ist. Auch mit dem ursprünglichen Bewilligungsantrag hatte die Klägerin in der damals vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Vorlage der entsprechenden Belege angegeben, Sozialhilfe zu erhalten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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