S 1 U 3406/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3406/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Tenor: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird endgültig auf 20.000,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung umstritten.

Der 1948 geborene Kläger ist seit dem 01.07.1973 selbständig als Maler- und Lackierermeister mit Betriebssitz in XXXX tätig. Durch - bestandskräftigen - Bescheid vom 01.08.1973 nahm die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin das Unternehmen des Klägers in ihr Unternehmerverzeichnis auf. Der Kläger selbst ist seit dem 31.10.1979 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Seit dem 01.10.1996 ist der Kläger zudem an den Technischen Beratungsdienst und seit dem 31.12.1996 zusätzlich an den Arbeitsmedizinischen Dienst der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin angeschlossen.

Bis zum 31.12.2005 veranlagte die Beklagte das Unternehmen des Klägers nach dem bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Gefahrtarif zum Gewerbezweig "Malerarbeiten aller Art", zuletzt Gefahrklasse 4,0, "Reinigungen aller Art an oder in Gebäuden", zuletzt Gefahrklasse 2,5, sowie zu "Kaufmännisches, Technisches Personal", zuletzt Gefahrklasse 1,0. Aufgrund des zum 01.01.2006 in Kraft getretenen neuen Gefahrtarifs veranlagte die Beklagte das Unternehmen nunmehr zum Gewerbezweig "Bauausbau" - Tarifstelle 200, Gefahrklasse 7,3 - sowie zu "Büroteil des Unternehmens" -Tarifstelle 900, Gefahrklasse 1,0; den Kläger selbst veranlagte sie zur freiwilligen Unfallversicherung bei der Tarifstelle 800, Gefahrklasse 5,0 (bestandkräftiger Veranlagungsbescheid vom 06.12.2005).

Für das Geschäftsjahr 2006 setzte die Beklagte den Beitrag für das Unternehmen des Klägers auf insgesamt 4.459,69 EUR unter Berücksichtigung von Beiträgen zum Internen Lastenausgleich, für Insolvenzgeld sowie für den Arbeitsmedizinischen Dienst und den Technischen Beratungsdienst fest (Bescheid vom 20.04.2007). Durch weiteren Bescheid vom selben Tag forderte die Beklagte von dem Kläger einen Beitragsvorschuss für das Unternehmen des Klägers für das Kalenderjahr 2007 von 4.180,40 EUR fest. Ebenfalls durch Bescheid vom 20.04.2007 erhob die Beklagte für das Jahr 2006 einen Beitrag zur freiwilligen Unternehmerversicherung des Klägers in Höhe von 683,55 EUR, ebenfalls unter Berücksichtigung eines Beitrags zum Internen Lastenausgleich. Schließlich erhob die Beklagte einen Vorschuss für die freiwillige Unternehmerversicherung für das Jahr 2007 in Höhe von insgesamt 665,91 EUR (Bescheid vom 20.04.2007).

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er die Beitragserhebungen für den Internen Lastenausgleich, das Insolvenzgeld sowie den Arbeitsmedizinischen Dienst und den Technischen Beratungsdienst beanstandete; entsprechende Leistungen nehme er bzw. sein Unternehmen nicht in Anspruch. Außerdem habe die Beklagte für das Jahr 2007 die Gefahrklasse für den Unternehmensbereich "Bauausbau" in nicht nachvollziehbarer Weise von Gefahrenklasse 4,0 auf Gefahrenklasse 7,3 und im Bereich der freiwilligen Unternehmerversicherung die Gefahrenklasse von 2,5 auf 5,0 erhöht. Er sei nicht mehr bereit, derart hohe Beiträge "für nichts und wieder nichts" zu zahlen.

Durch Bescheid vom 25.04.2008 erhob die Beklagte den Beitrag für das Unternehmen des Klägers für das Jahr 2007 in Höhe von insgesamt 4.751,26 EUR ebenfalls unter Festsetzung eines Beitrages für den internen Lastenausgleich, das Insolvenzgeld, den Arbeitsmedizinischen Dienst und den Technischen Beratungsdienst, ferner durch Bescheid vom selben Tag für das Jahr 2008 einen Beitragsvorschuss in Höhe von insgesamt 4.472,73 EUR.

Auch dagegen erhob der Kläger Widerspruch, ohne diesen zu begründen.

Die Beklagte wies die Widersprüche zurück: Die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Den Beitrag zum Internen Lastenausgleich habe sie unter Berücksichtigung der Bestimmungen über die Vereinbarung über die Gefahrtarif- und Beitragsgestaltung zu Recht erhoben. Die Beitragsgrundlagen habe ihr Vorstand in den Sitzungen vom 04.04.2007 und vom 07./08.04.2007 festgesetzt. Den Lastenausgleich zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften habe der Gesetzgeber im Jahr 2005 geändert. Diese Gesetzesänderung habe sie in ihre Satzung übernommen. Der interne Lastenausgleich führe nicht zu Mehreinnahmen auf ihrer Seite, sondern stelle lediglich einen anderen Verteilungsschlüssel des umzulegenden Bedarfs dar. Dem solidarischen Verfahren des internen Lastenausgleich sei immanent, die höher belasteten Unternehmen zu Ungunsten der weniger belasteten Unternehmen zu entlasten. Auch die Erhebung des Beitrags für das Insolvenzgeld für die Agentur für Arbeit sei nicht zu beanstanden. Die Arbeitsagenturen zahlten das Insolvenzgeld an Arbeitnehmer, die für die letzten drei Monate vor der Insolvenz ihres Arbeitgebers noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hätten. Die Berufsgenossenschaften seien verpflichtet, der Bundesagentur für Arbeit die Aufwendungen für das Insolvenzgeld jeweils bis zum 30.06. des nachfolgenden Jahres zu erstatten. Die Umlage zur Finanzierung des Insolvenzgeldes sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundessozialgerichts (BSG) verfassungsgemäß. Nicht zu beanstanden sei ferner die Erhebung der Beiträge für den Arbeitsmedizinischen Dienst und den Technischen Beratungsdienst. Der Widerspruchsführer sei seit Oktober 1996 bzw. Dezember 1996 an diese Dienste angeschlossen. Zwar sei nach ihrer Satzung unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von diesen Diensten möglich; jedoch habe der Kläger von dieser Befreiungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Die Beitragsberechnungen entsprächen den Beschlüssen ihres Vorstandes vom 04.04.2007 und vom 07./08.04.2008. Schließlich sei auch die Änderung der Gefahrklassen rechtmäßig. Die Veranlagung des Unternehmens des Klägers richte sich nach dem Gewerbezweig, in dem das Unternehmen tätig sei. Eine günstigere Veranlagung oder eine Veranlagung nach den Gefahrklassen eines alten Gefahrtarifes sei nicht zulässig. Mit Einführung des neuen Gefahrtarifs zum 01.01.2006 habe sich die Gefahrklasse für den Gewerbezweig "Malerarbeiten" bzw. "Bauausbau" geändert. Da der Kläger Malerarbeiten ausführe und der wirtschaftliche Schwerpunkt auf diesem Unternehmensteil liege, sei die von ihr - der Beklagten - vorgenommene Veranlagung korrekt. Mit Einführung des neuen Gefahrtarifes habe sich weiter die Gefahrklasse der freiwilligen Versicherung für Unternehmen geändert; die Tarifstelle 800 sei nunmehr der Gefahrklasse 5,0 zugeordnet. Diese Gefahrklasse sei für alle unternehmerähnlichen Personen unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit gleich. Die Gefahrklasse drücke die Durchschnittsgefährdung aller Tätigkeiten innerhalb des Gewerbezweigs "freiwillige Versicherung" aus. Durch die Zusammenfassung werde für die einzelnen unterschiedlich gefährlichen Tätigkeiten ein entsprechender Risikoausgleich herbeigeführt. Eine Abstufung der Gefahrklassen innerhalb der freiwilligen Versicherung nach Gefährlichkeit der Tätigkeit sei in ihrem Gefahrtarif nicht vorgesehen. Fehler bei der Berechnung der Beitragshöhe habe der Kläger nicht vorgetragen; solche seien auch nicht erkennbar (Widerspruchsbescheid vom 02.07.2008).

Deswegen erhob der Kläger am 31.07.2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Beklagte habe eine Beitragserhöhung von 23% ohne rechtzeitige Vorankündigung vorgenommen. Damit seien sämtliche Angebote und Aufträge, die er auf der Grundlage bis Februar 2007 kalkuliert und errechnet habe, nichtig, weil seine Gemeinkostenrechnung eine solche Erhöhung nicht beinhalte. Da es sich bei der Beklagten um eine Zwangsmitgliedschaft ohne jegliche Konkurrenz handle, sei ein Wechsel nach einer Beitragserhöhung wie in der privaten Versicherung nicht möglich. Durch die Fusion der Rechtsvorgängerin der Beklagten hätten die Beiträge stabil gehalten oder gesenkt, nicht jedoch erhöht werden sollen. Die Beklagte habe ihm nicht mitgeteilt, welche alten Gefährdungsgruppen zu der neuen Gefährdungsgruppe Bauausbau zusammengeschlossen seien. Hier müsse die Beklagte die ehemaligen Gefahrklassen beibehalten. Zum Schutz der Mitarbeiter und ihrer Gefährdung dürfe die Beklagte eine allgemeine Gefahrklasse nicht umsetzen, weil dies Betriebe belohne, die die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter vernachlässigten. Er frage sich, wann dieses viel zu teure Monopol der gewerblichen Berufsgenossenschaften gekippt und privatisiert werde.

Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,

die Bescheide vom 20. April 2007 und vom 25.April 2008, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Juli 2008, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm zuviel gezahlte Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG - ). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Veranlagungsgrundlagen (Tarifstellen und Gefahrklassen) für die Beitragsanforderungen für das Unternehmen des Klägers und für dessen freiwillige Unternehmerversicherung bei der Beklagten als auch für die Anforderung von Beiträgen zum Internen Lastenausgleich, für das Insolvenzgeld für die Bundesagentur für Arbeit, für den Arbeitsmedizinischen Dienst sowie für den Technischen Beratungsdienst/Sicherheitstechnischen Dienst der Beklagten. Die vom Kläger angegriffenen Beitragsanforderungen für die Jahre 2006 bis 2008 entsprechen den maßgebenden gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Grundlagen und sind weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die Kammer schließt sich insoweit der zutreffenden Begründung im Widerspruchsbescheid vom 02.07.2008 in vollem Umfang an und sieht von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 SGG).

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

1.) Die Einbeziehung des Klägers und seines Unternehmens in die Gesetzliche Unfallversicherung und seine Zwangsmitgliedschaft bei der Beklagten verstößt nicht gegen bundessdeutsches Verfassungsrecht, namentlich nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG -), die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) wie das BVerfG zu vergleichbaren Systemen in anderen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung (vgl. BVerfGE 10, 354, 361 ff; 12, 319, 323 ff, 28, 324, 348ff, 44, 70, 89 ff, 68, 193, 209 und 103, 197, 221) und speziell für die gesetzliche Unfallversicherung (vgl. BVerfGE 45, 376, 387 und SozR 2200 § 543 Nr. 6) bereits wiederholt entschieden hat. Dem hat sich das BSG angeschlossen (vgl. BSG SozR 4-2700 § 150 Nr. 1; BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 34/05 R -; die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen: vgl. BVerfG (Kammer) vom 06.05.2008 - 2 BvR 2419/06 -; sowie BSG vom 20.03.2007 - B 2 U 9/06 R -). Das in Art. 20 Abs. 1 GG normierte Sozialstaatsprinzip enthält auch den Auftrag an den Gesetzgeber, soziale Sicherungssysteme gegen die Wechselfälle des Lebens zu schaffen (vgl. BVerfGE 45, 376, 387 und 68, 193, 209). Auch ein Verstoß gegen europarechtliche Bestimmungen, namentlich das Monopolverbot der Art. 81 und 82 EGVtr vom 25.03.1957 in der Fassung des Vertrages vom Amsterdam vom 02.10.1997 (BGBl. 1998 II, Seite 387), liegt nicht vor (vgl. BSG SozR 4-2700 § 150 Nr. 1 unter Bezugnahme auf EuGHE 2002, I - 691 sowie - zuletzt - BSG vom 20.03.2007 - B 2 U 9/06 R -; vgl. zum Ganzen auch LSG Baden-Württemberg vom 24.04. 2007 - L 9 U 5363/05 - = UVRecht Aktuelle 2007, 829 mit zahlreichen weiteren Nachweisen und LSG Nordrhein-Westfalen vom 06.02.2008 - L 17 U 195/07 - = UVRecht Aktuell 2008, 417ff). Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht nach eigener Prüfung voll inhaltlich an.

2.) Die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Unternehmen des Klägers wie auch die freiwillige Unfallversicherung des Klägers selbst beruht auf den §§ 150 ff des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind beitragspflichtig die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Rechtsgrundlage für die freiwillige Unternehmerversicherung des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 der aufgrund der Ermächtigung in § 34 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften - (SGB IV) beschlossenen Satzung der Beklagten sind die freiwillig versicherten Unternehmer selbst beitragspflichtig.

Die Beiträge werden nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsansprüche dem Grunde nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Umlage muss den Bedarf des abgelaufenen Kalenderjahres einschließlich der zur Ansammlung der Rücklage nötigen Beiträge decken (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind nach § 153 Abs. 1 SGB VII grundsätzlich der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen. § 157 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII bestimmen in diesem Zusammenhang, dass der Unfallversicherungsträger als autonomes Recht einen Gefahrtarif festsetzt. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Der Unfallversicherungsträger veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen (§ 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

Die gesetzliche Unfallversicherung beruht seit jeher auch auf dem sozialen Schutzprinzip. Die Beitragserhebung der Berufsgenossenschaften, und damit auch der Beklagten, ist in vielfältiger Weise aufgrund der gesetzlichen Vorgaben durch das Solidaritätsprinzip geprägt. Zwischen den Unternehmen untereinander sowie den Unternehmen (= Arbeitgeber) und den Versicherten (= Arbeitnehmer) besteht eine spezifische Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbeziehung nicht nur hinsichtlich des aktuellen Arbeitsunfall- und Berufskrankheitengeschehens, sondern aufgrund des jährlichen Umlageprinzips und der ggf. jahrzehntelang zu erbringenden Entschädigungsleistungen über entsprechend viele Jahre und letztlich Generationen hinweg. Dadurch wird heute die Entschädigung ggf. jahrzehntelang zurückliegender Unfälle gesichert, einschließlich derjenigen aus dem Gebiet der früheren DDR (vgl. BSG SozR 4-2007 § 152 Nr. 1 und vom 09.05.2006 - B 2 U 34/05 R -). Letztlich handelt es sich um ein Solidaritätssystem über viele Stufen hinweg von der solidarischen Zusammenfassung aller Unternehmen, die zu einem bestimmten Gewerbezweig gehören, in einer Gefahrengemeinschaft (§ 157 Abs. 2 SGB VII) bis zu dem zwischenzeitlich neu organisierten Lastenausgleich der Berufsgenossenschaften untereinander (§§ 176 ff SGB VII; vgl. BSG SozR 4-2700 § 157 Nr. 2).

Die Rechtsetzungsbefugnis der Beklagten bei der Festsetzung des Gefahrtarifs (§ 157 SGB VII) unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 34/05 R -). Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen des § 157 Abs. 2 bis 4 SGB VII die Grundkriterien des aufzustellenden Gefahrtarifs, gemessen an dem Bestimmtheitsgebot des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) hinreichend genau festgelegt (vgl. BSG SozR 4-2700 § 157 Nr. 1). Soweit der Beklagten als Unfallversicherungsträger innerhalb dieses Spielraums noch Gestaltungsfreiheit zukommt, ist dies mit ihrer größeren Sachnähe zu rechtfertigen. Im Übrigen bedürfen die Gefahrtarife einschließlich jeder Änderung der Genehmigung der Staatlichen Aufsichtsbehörde (§ 158 SGB VII).

Ungeachtet dessen, dass die Einstufung sowohl des Unternehmens des Klägers als auch dessen freiwillige Unternehmensversicherung in Tarifstellen und Gefahrklassen bereits durch den Veranlagungsbescheid vom 06.12.2005 - bestandskräftig - erfolgte, mithin die angefochtenen Bescheide insoweit keine eigenständige Regelung enthalten, die im vorliegenden Rechtsstreit zur gerichtlichen Kontrolle gestellt wäre, unterliegt der Gefahrtarif auch nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfungskompetenz dahingehend, dass nur die Vereinbarkeit des Gefahrtarifs mit höherrangigem Recht zu prüfen wäre. Denn den Unfallversicherungsträgern ist als sich selbst verwaltenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften (§ 29 Abs. 1 SGB IV) ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Sozialgerichte. Die Bildung des Gefahrtarifs muss aber auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen (vgl. BSG SozR 4-2700 § 157 Nr. 1). Zudem findet die Rechtsetzungskompetenz der Unfallversicherungsträger ihre Grenzen vor allem in den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BSG, a.a.O.).

Mit Blick hierauf führen die von der Beklagten durch die angefochtenen Bescheide angeforderten Beiträge nicht zu einer übermäßigen Belastung des Klägers und/oder seines Unternehmens mit öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten, die jedes Maß übersteigend und erdrosselnd wäre. Dies ergibt sich schon aus der Relation des Gesamtbeitrages für das Unternehmen des Klägers für das Jahr 2006 in Höhe von 4.459,69 EUR zu den vom Unternehmen des Klägers in diesem Jahr gezahlten Gesamtarbeitsentgelten in Höhe von 137.519,36 EUR von rund 3,25% (für das Jahr 2007 beträgt diese Relation bei Gesamtbeiträgen in Höhe von 4.751,26 EUR zu einem Gesamt-Arbeitsentgelt von 153.441,75 EUR gerundet 3,1%). Überdies ist die Zunahme der hier streitigen Beiträge für die Kalenderjahre 2006 und 2007 gegenüber der Veranlagung im Jahr 2004 - entgegen dem Vorbringen des Klägers zuletzt im Schriftsatz vom 18.12.2008 - nicht Folge der Neuordnung der Tarifstellen und der Gefahrklassen durch den ab dem 01.01.2006 gültigen Gefahrtarif der Beklagten. Vielmehr ist die gestiegene Beitragslast für das Unternehmen des Klägers allein Folge des höheren Gesamtarbeitsentgelts für dessen Beschäftigte, das im Bereich "Malerarbeiten" im Jahr 2004 91.250,- EUR und in den Jahren 2006 und 2007 im Bereich "Bauausbau" 125.552,01 EUR bzw. 141.474,40 EUR betrug. Dagegen sank für dieselben Jahre der prozentuale Beitragssatz im Bereich "Malerarbeiten" bzw. "Bauausbau" - ermittelt aus dem Produkt der Gefahrklasse und dem jeweiligen Beitragsfuß - von 2,936% im Jahr 2004 auf 2,6645% im Jahr 2006 und 2,5185% im Jahr 2007, der Beitragssatz im Bereich "Kaufm./Techn. Personal" bzw. "Büroteil des Unternehmens" von 0,734% in 2004 auf 0,365 % in 2006 und 0,345% in 2007.

3.) Die vom Kläger angegriffene Insolvenzgeldumlage ist in den §§ 358 ff des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - (SGB III) geregelt und bereits dem Grunde nach nicht zu beanstanden (vgl. insoweit BVerfGE 89, 132, 141 f. und SozR 4100 § 186 b Nr. 2, ferner BSG SozR 4100 § 186 b Nr. 1; SozR 3-4100 § 186 b Nr. 1 sowie SozR 3-4100 § 186 c Nr. 3 und vom 09.05.2006 - B 2 U 34/05 R -). Zuletzt hat das BSG in seinem Urteil vom 29.05.2008 - B 11a AL 61/06 R -(veröffentlicht in juris) verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmungen über die Erhebung und Berechnung der Insolvenzgeld-Umlage ausdrücklich verneint. Auch dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht nach eigener Prüfung an. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Insolvenzgeldumlage nicht zu einer Vermögensvermehrung auf Seiten der Beklagten führt, sondern für diese nur einen "Durchlaufposten" bis zur Weiterleitung an die Bundesagentur für Arbeit darstellt.

4.) Die angeforderten Beiträge zum Internen Lastenausgleich unter den gewerblichen Berufsgenossenschaften ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für diese Beitragsanteile sind die §§ 176 ff SGB VII. Auch insoweit bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beitragspflicht dem Grunde nach (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 34/05 R - m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG).

5.) Weiter sind auch die Beitragsanforderungen für den Unterhalt eines überbetrieblichen Arbeitsmedizinischen Dienstes wie auch des Technischen Beratungsdienstes/Sicherheitstechnischen Dienstes der Beklagten nicht rechtswidrig. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VII können die Unfallversicherungsträger überbetriebliche arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Dienste einrichten; das Nähere bestimmt die Satzung. Die Satzung kann auch bestimmen, dass die Unternehmer verpflichtet sind, sich einem überbetrieblichen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Dienst anzuschließen, wenn sie innerhalb einer vom Unfallversicherungsträger gesetzten angemessenen Frist keine oder nicht in ausreichendem Umfang Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit bestellen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Unternehmer sind von der Anschlusspflicht zu befreien, wenn sie nachweisen, dass sie ihre Pflicht nach dem Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) erfüllt haben (§ 24 Abs. 2 Satz 2 VII). Die Mittel für die Einrichtungen nach § 24 SGB VII werden gemäß § 151 Satz 1 SGB VII von den Unternehmen aufgebracht, die diesen Einrichtungen angeschlossen sind. Die Satzung bestimmt Näheres über den Maßstab, nach dem die Mittel aufzubringen sind, und die Fälligkeit (§ 51 Satz 2 SGB VII). Im Fall der Beklagten sind dies die §§ 41 bis 44 ihrer Satzung. Nach § 42 Abs. 3 und § 44 Abs. 3 der Satzung werden die Beiträge und Beitragsvorschüsse im Beitragsbescheid gesondert ausgewiesen und gleichzeitig mit den Beiträgen für die übrigen Ausgaben der Beklagten eingefordert. Berechnungsgrundlage für die Beiträge sind die zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte der Versicherten in den Unternehmen bis zu einem näher bestimmten Höchstbetrag (§ 42 Abs. 1 Satz 3 und § 44 Abs. 1 Satz 3 d. Satzung). § 151 SGB VII trägt hinsichtlich der Finanzierung der überbetrieblichen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Dienste der Tatsache Rechnung, dass diese Dienste - wie auch im Fall des Klägers - nicht von allen Unternehmern in Anspruch genommen werden und zieht nur diejenigen Unternehmer zur Finanzierung heran, die diesen Einrichtungen angeschlossen sind. Ob der Anschluss auf freiwilliger Basis (§ 24 Abs. 1 SGB VII) oder aufgrund von Anschlusszwang (§ 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) erfolgt ist, ist dabei ohne Bedeutung. Die Einrichtung dieser Dienste sowie die Heranziehung der Unternehmer mit entsprechenden Beiträgen zur Finanzierung dieser Dienste durch die Unfallversicherungsträger befreit die Unternehmer - vorliegend: den Kläger - von ihrer Verpflichtung als Arbeitgeber zur arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung der bei ihm Beschäftigten nach § 1 ASiG. Dass der Kläger von der ihm nach dem Gesetz (§ 24 Abs. 2 Satz 2 SGB VII und der Satzung der Beklagten (§ 41 Abs. 5 und § 43 Abs. 6) eingeräumten Möglichkeit einer Befreiung von der Anschlusspflicht auf Antrag beim Nachweis, dass er seine Pflichten nach dem ASiG erfüllt hat, indem er entsprechende Fachkräfte (als Arbeitnehmer) selbst beschäftigt oder qualifizierte Dritte als Einzelpersonen zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem ASiG verpflichtet, Gebrauch gemacht hätte, ist weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich. Angesichts dessen ist die Festsetzung auch von Beiträgen für den Arbeitsmedizinischen Dienst und den Technischen Beratungsdienst/Sicherheitstechnischen Dienst der Beklagten dem Gunde nach zu Recht erfolgt.

5.) Schließlich sind auch hinsichtlich der konkreten Beitragserhebung keine Rechtsverstöße der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden zu erkennen. Detaillierte Einwände gegen die Berechnung der Beiträge in den streitgegenständlichen Jahren hat der Kläger nicht vorgebracht. Soweit er sich gegen die von der Beklagten berücksichtigten Gefahrklassen wendet, ist wiederholend darauf hinzuweisen, dass deren Veranlagung bereits durch den - bestandskräftig gewordenen - Bescheid vom 06.12.2005 dem Grunde nach erfolgt ist, mithin deren Rechtmäßigkeit nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Insoweit handelt es sich vielmehr um ein bloßes Begründungselement bei der Berechnung der Beitragshöhe. Insoweit sind Fehler seitens der Beklagten durch das Gericht nicht feststellbar. Die Einordnung des Betriebes des Klägers in die Tarifstellen 200 (Bauausbau), 800 (Freiwillige Versicherung) und 900 (Büroteil des Unternehmens) entspricht der Definition des ab dem 01.01.2006 gültigen Gefahrtarifs der Beklagten. Eine Eingruppierung nach dem früher gültig gewesenen Gefahrtarif scheidet damit aus.

Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig. Das Begehren des Klägers musste daher erfolglos bleiben.

6.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.

7.) Die Festsetzung des - endgültigen - Streitwerts richtet sich nach § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit § 72 Nr. 1 GKG. Danach ist bei einem Streit um die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung für den Streitwert der dreifache Jahresbeitrag des Unfallversicherungsträgers, mindestens aber der vierfache Auffangwert zugrunde zu legen (vgl. BSG SozR 4-1920 § 52 Nr. 3 sowie vom 06.05.2006 - B 2 U 34/05 R -). Dementsprechend war der Streitwert - endgültig - auf 20.000,- EUR festzusetzen, weil der dreifache Jahresbeitrag des Klägers an die Beklagte unter dem vierfachen Auffangstreitwert von 5.000,- EUR liegt.
Rechtskraft
Aus
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