S 1 U 302/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 302/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 30.12.2005.

Die 1951 geborene, seit Juni 1993 als Angestellte bei der Stadtsparkasse XXXX beschäftigte Klägerin erlitt am 30.12.2005 auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte einen Arbeitsunfall: Als sie mit ihrem Fahrzeug verkehrsbedingt an einer Ampelanlage anhalten musste, fuhr ein anderes Fahrzeug von hinten auf. Die Klägerin stieg anschließend sogleich aus ihrem Fahrzeug aus, um sich den Schaden anzusehen. Danach fuhr sie ihr Fahrzeug zur Seite und tauschte mit dem Unfallgegner die Daten aus. Da der Unfallgegner seine Schuld am Zustandekommen des Verkehrsunfalls sofort anerkannte, verzichtete die Klägerin auf die Hinzuziehung der Polizei. Nach Austausch der Daten fuhr die Klägerin zu ihrer Arbeitsstelle weiter. Dort verrichtete sie ihr übliches tägliches Arbeitspensum von 4 Stunden. Nach Arbeitsende fuhr sie mit dem eigenen PKW wieder nach Hause. Wegen zunehmender Nackenbeschwerden suchte die Klägerin am 02.01.2006 den Orthopäden Dr. XXXX auf. Dieser konnte neurologisch keine Ausfälle objektivieren und erhob Kopfschmerzen, ein Schwindelgefühl, einen vermehrten Muskelhartspann, eine streckseitige Funktionseinbuße sowie eine Instabilität im Segment C 5. Dr. XXXX diagnostizierte als Gesundheitsstörung eine Distorsion der Halswirbelsäule. Er verordnete eine Ruhigstellung der Halswirbelsäule mit einer Halskrawatte, Krankengymnastik sowie ein Schmerzmittel. Vom 02.01. bis zum 14.01.2006 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Danach hatte sie 4 Wochen Erholungsurlaub.

Am 16.01.2006 zeigte die Arbeitgeberin der Beklagten das Unfallereignis als Arbeitsunfall an. Dr. XXXX erstattete einen H-Arzt-Bericht vom 01.02.2006. In diesem gab er u.a. an, die Klägerin sei arbeitsfähig. Wegen zunehmender Angstzustände begab sich die Klägerin nachfolgend in ärztliche Behandlung des Neurologen und Psychiaters Dr. XXXX. Dieser diagnostizierte als Gesundheitsstörungen "traumatische neuralgiforme Beschwerden von Seiten des nervus occipitalis minor beidseits" sowie eine "posttraumatische Belastungsreaktion" als Unfallfolgen ("gutachtliche Äußerungen" vom 03.02., 24.03. und vom 12.04.2006). Am 02.05.2006 nahm die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit wieder in vollem Umfang auf.

Zur Feststellung von Art und Ausmaß der Unfallfolgen zog die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis der XXXX Krankenkasse bei und holte Befundberichte des HNO-Arztes Dr. XXXX und des Allgemeinmediziners XXXX, ferner ein Attest von Dr. XXXX ein. Dr. XXXX berichtete von einem seit Oktober 1985 bestehenden Tinnitus. Dieser habe sich seit dem Unfallereignis im Dezember 2005 erheblich verschlechtert; diesbezüglich habe er die Klägerin erstmals am 09.05.2006 behandelt. Sie klage über ein zunehmendes linksseitiges Ohrgeräusch mit hierdurch bedingten Einschlaf-, Durchschlaf- und Konzentrationsstörungen. Der Allgemeinmediziner XXXX teilte mit, die Klägerin leide seit Jahren an einer psychovegetativen Labilität mit Neigung zu Ängsten. Seit Januar 2006 klage sie über vermehrt auftretende Ängste, Schlafstörungen und allgemeinen Nervosität. Außerdem ließ die Beklagte die Klägerin durch den Neurologen und Psychiater Dr. XXXX untersuchen und begutachten. Dieser führte zusammenfassend aus, aus mechanischer Sicht habe es sich bei dem Unfallereignis um ein solches von geringem Schweregrad gehandelt. Auf Grund des nur geringen Schadens an ihrem Fahrzeug habe die Klägerin dieses auch nach dem Unfall ohne Reparatur weiter benutzen können. Die Klägerin sei sofort in der Lage gewesen, nach dem Unfall auszusteigen, den Schaden anzuschauen, auf die Seite zu fahren und mit dem Unfallgegner Daten auszutauschen. Danach habe sie an ihren Arbeitsplatz fahren und dort 4 Stunden arbeiten können. Unfallbedingte neurologische Defizite seien zu keinem Zeitpunkt vorhanden gewesen. Eine neuropsychologisch erhobene krankhaft veränderte Aufmerksamkeitsfähigkeit sei wahrscheinlich bedingt durch den Tinnitus in Verbindung mit einer Angststörung. Diese Gesundheitsstörung sei indes nicht Unfallfolge; auch sei eine posttraumatische Belastungsstörung nicht zu objektivieren, da das Unfallereignis und die Folgereaktionen auf Seiten der Klägerin die hierfür maßgebenden Diagnosekriterien nicht erfüllten. Die Angststörung sei mit Wahrscheinlichkeit überwiegend bedingt durch die psychosoziale Situation der Klägerin und die Stress und Angst vermittelnden Situationen am Arbeitsplatz. Die Gesundheitsstörungen auf psychischem Gebiet wie auch der Tinnitus hätten durch das Unfallereignis keine wesentliche Verschlimmerung erfahren. Die Behandlung der unmittelbaren Unfallfolgen sei 2 Wochen nach dem Unfallereignis abgeschlossen gewesen. Eine unfallbedingte MdE liege nicht vor. Gestützt auf das Ermittlungsergebnis anerkannte die Beklagte das Unfallereignis als Arbeitsunfall und als dessen Folge: "folgenlos verheilte Prellung der Halswirbelsäule"; keine Folge des Arbeitsunfalls seien ein Tinnitus, ein Zustand nach Schulteroperation rechts sowie ein depressives Syndrom mit Neigung zu Ängsten. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht, weil die Unfallfolge keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus rechtfertige (Bescheid vom 14.03.2007, Widerspruchsbescheid vom 19.12.2007).

Deswegen erhob die Klägerin am 18.01.2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe. Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, bei dem Arbeitsunfall habe es sich um ein schwerwiegendes Unfallereignis gehandelt. Sie leide seither an einem heftigen HWS-Syndrom, Angst- und Panikzuständen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Durch die psychischen Einwirkungen des Verkehrsunfalls und das heftige HWS-Syndrom habe sich das Ohrgeräusch zu einer dauernden, sehr intensiven psychischen und körperlichen Belastung entwickelt, die weiterhin andauere.

Das Gericht hat die Dres. XXXX, XXXX, XXXX und den Neurologen und Psychiater Dr. XXXX sowie den Allgemeinmediziner XXXX als sachverständige Zeugen gehört.

Im Auftrag der Kammer hat sodann der Neurologe und Psychiater Dr. XXXX ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Dr. XXXX hat als Gesundheitsstörungen eine Angststörung mit phobischen Elementen auf dem Boden einer selbst unsicheren Persönlichkeitsstruktur, einen chronifizierten Tinnitus sowie einen Kopfschmerz vom Spannungstyp diagnostiziert und zusammenfassend ausgeführt, eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor, weil die hierfür erforderlichen Diagnosekriterien nicht erfüllt seien. Aus den Schilderungen der Klägerin lasse sich bereits keine erhebliche Schwere des Unfalls ableiten (A1-Kriterium). Auch die psychische Initialreaktion (A2-Kriterium) sei nach den anamnestischen Angaben der Klägerin unauffällig. Diese erfülle auch nicht das B1-Kriterium; so habe die Klägerin zwar öfter Bilder des Unfalls vor sich gesehen. Diese seien jedoch nach etwa 3 Monaten verblasst. Auch Albträume seien nur noch etwa einmal monatlich aufgetreten. Außerdem werde die Klägerin mittlerweile nur noch bei dem Wiederaufsuchen der Unfallstelle auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz an den Unfall erinnert; schwerere vegetative Reaktionen resultierten hieraus jedoch nicht. Insoweit handele es sich eher um eine normale Reaktion des sich Erinnerns. Auch das so genannte C-Kriterium (Vermeidungsverhalten, Einengung der emotionalen Reagibilität, Dissoziation) sei nicht erfüllt. Denn die Klägerin habe ohne auffällige vegetative Symptomatik über das Unfallgeschehen berichten können. Zudem fahre sie regelmäßig an dem Unfallort vorbei, ohne verstärkt Angst zu erleben. Eine eingeschränkte Bandbreite des affektiven Ausdrucksverhaltens habe er ebenfalls nicht objektivieren können. Die Klagen über rasch wechselnde Affekte und Angstzustände sprächen eher gegen eine Einschränkung der emotionalen Reagibilität. Auch die von der Klägerin vorgebrachten Ängste seien nicht wesentliches Kriterium einer posttraumatischen Belastungsstörung, da die Kriterien einer Angst- und Panikstörung die Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht einschlössen. Nachdem sich die Schlafstörungen nach den Angaben der Klägerin zwischenzeitlich weitgehend zurück gebildet hätten und Konzentrationsstörungen nicht zu objektivieren seien, sei auch das so genannte D-Kriterium einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. -reaktion nicht erfüllt. Eine solche Gesundheitsstörung habe allenfalls vorübergehend in den ersten Wochen nach dem Unfallereignis vorgelegen. Die Klägerin leide bereits seit Jahren an einer vermehrten psychovegetativen Labilität mit Ängsten und Vermeidungsverhalten; insoweit sei von einer spezifischen Persönlichkeitsstrukturierung auszugehen. Die aktuellen psychopathologischen Befunde im Sinne einer Angststörung mit phobischen Elementen insbesondere in Stresssituationen seien nicht Ausdruck einer posttraumatischen Belastungsstörung, sondern Symptome einer eigenen Krankheitskategorie im Sinne einer Angststörung. Insgesamt habe bei der Klägerin bereits vor dem Unfall eine anlagebedingte Gesundheitsstörung im Sinne einer latenten Angststörung bestanden. Diese Angststörung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich allein oder annähernd gleichwertig neben anderen Ursachen auf den Arbeitsunfall zurück zu führen. Auch sprächen Unfallhergang, die Art des Unfalls, die Initialreaktion sowie der weitere Krankheitsverlauf gegen eine unfallabhängige Verursachung der Folgeschäden. Ob sich die Angststörung unter Berücksichtigung der anlagebedingten Veränderungen auch ohne den Arbeitsunfall zur selben Zeit und etwa im gleichen Ausmaß entwickelt hätte, könne er nicht eindeutig beantworten; dies sei jedoch eher zu verneinen. Allerdings lasse sich eine Wirkung des Unfalls bei vorhandener Vulnerabilität der Klägerin als Auslöser bzw. anstoßender Faktor für die jetzt resultierende Angststörung nicht ausschließen. Die unfallbedingte MdE bewerte er mit 20 v.H.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 14. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 30. Dezember 2005 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. XXXX erachtet sie die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 30.12.2005.

Dass die Klägerin am 30.12.2005 auf dem Weg zu einer versicherten Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) einen Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) erlitten hat, hat die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide anerkannt und ist deshalb zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

Nach § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls, d.h. u.a. eines Arbeitsunfalls (§ 7 Abs. 1 SGB VII), Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld - § 45 SGB VII - oder Verletztenrente - § 56 SGB VII -). Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII setzt die Gewährung von Verletztenrente voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist.

Als Folge eines Arbeitsunfalls sind Gesundheitsstörungen jedoch nur dann zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurück zu führen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden (vgl. hierzu u.a. BSGE 45, 1, 9; 58, 80, 83 und 60, 58 ff), während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. u.a. BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N. und SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 2; BSG, Breithaupt 2005, 923 ff sowie vom 07.09.2004 - B 2 U 34/03 R - und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -).

Ist ein Arbeitsunfall nicht nachgewiesen oder lässt sich der ursächliche Zusammenhang zwischen diesem und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht wahrscheinlich machen, geht dies nach dem in sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. u.a. BSGE 6, 70, 72; 83, 279, 281 und SozR 3-2200 § 548 Nrn. 11 und 14). Dies ist vorliegend die Klägerin.

1.) Gemessen hieran hat die Beklagte zu Recht als Folge des Arbeitsunfalls vom 30.12.2005 lediglich eine folgenlos verheilte Prellung der Halswirbelsäule anerkannt. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest auf Grund des H-Arzt-Berichtes von Dr. XXXX vom 01.02.2006, demzufolge die Klägerin bereits seinerzeit wieder arbeitsfähig war, den Ausführungen von Dr. XXXX, dessen Gutachten das Gericht im Wege des Urkundenbeweises verwertet, denen zufolge die Halswirbelsäule in allen Ebenen frei beweglich war ohne Klopfschmerzhaftigkeit oder Druckschmerzen an den Nervenaustrittspunkten am Schädel und ohne motorische, sensible oder reflexbedingte Einschränkungen der Extremitäten, ferner auf Grund der Darlegungen des Sachverständigen Dr. XXXX, der die Halswirbelsäule ebenfalls als ausreichend frei beweglich bezeichnet hat mit Klopfschmerzangaben über den Dornfortsätzen der unteren Halswirbelkörper bei lediglich endgradiger Einschränkung der Rotation der Halswirbelsäule nach rechts bei 50 Grad. Auch der sachverständige Zeuge Dr. XXXX hat die Behandlung der von ihm als Unfallfolge diagnostizierten Distorsion der Halswirbelsäule als seit Oktober 2006 abgeschlossen bezeichnet. Eine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Ausmaß wegen dieser Gesundheitsstörung hat keiner der von der Beklagten oder dem Gericht gehörten Ärzte angenommen. Auch der sachverständige Zeuge Dr. XXXX bewertet die unfallbedingte MdE auf seinem Fachgebiet lediglich mit 10 v.H. Der sachverständige Zeuge Dr. XXXX hat die Distorsion der Halswirbelsäule ebenfalls als weitgehend abgeklungen bezeichnet und die von ihm diagnostizierten leichteren neuralgiformen Beschwerden von Seiten des nervus occipitalis minor beidseits mit einer MdE um 10 v.H. bewertet.

2.) Darüber hinaus leidet die Klägerin im Anschluss an die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen des Sachverständigen Dr. XXXX an einer Angststörung mit phobischen Elementen auf dem Boden einer selbst unsicheren Persönlichkeitsstruktur, an einem chronifizierten Tinnitus sowie an einem Kopfschmerz vom Spannungstyp. Diese Gesundheitsstörungen sind indes nach den auch insoweit überzeugenden und - im Ergebnis - übereinstimmenden Ausführungen von Dr. XXXX und Dr. XXXXX nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 30.12.2005 zurück zu führen. Insbesondere liegt - entgegen dem Vorbringen der Klägerin sowie den Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. XXXX - eine posttraumatische Belastungsstörung oder eine posttraumatische Belastungsreaktion nicht vor. Eine posttraumatische Belastungsstörung setzt nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision (ICD 10), Kapitel V F 43.1 ein belastendes, außergewöhnliches Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, und damit ein entsprechend schweres Ereignis voraus (vgl. insoweit auch BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 und LSG Berlin-Brandenburg vom 23.10.2007 - L 13 VS 1016/05 -, veröffentlicht in Juris). Ähnliche diagnostische Kriterien stellt das Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen (DSM-IV, Ausgabe 1996 (309.81)) auf. Zu Recht weist der Sachverständige Dr. XXXX darauf hin, dass die Klägerin diese diagnostischen Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht erfüllt. So lässt sich bereits nach deren eigenen Angaben zum Unfallablauf keine besondere Schwere, insbesondere keine außergewöhnliche Bedrohung oder eine Situation oder ein Ereignis katastrophenartigen Ausmaßes, ableiten: Die Klägerin war durch das Unfallereignis nicht bewusstlos. Sie ist unmittelbar nach dem Aufprall aus ihrem Fahrzeug ausgestiegen und hat sich den Fahrzeugschaden angesehen. Sie ist danach auf die Seite gefahren und hat mit dem Unfallgegner die erforderlichen Daten ausgetauscht. Auch konnte sie unmittelbar im Anschluss an das Unfallgeschehen weiterfahren und hat ihre Tätigkeit bei der Stadtsparkasse XXXX im üblichen Umfang von 4 Stunden aufgenommen und durchgearbeitet. Danach konnte sie mit dem eigenen PKW wieder nach Hause fahren. Auch sonstige vegetative Symptome oder psychische Auffälligkeiten unmittelbar nach dem Unfallgeschehen sind weder vorgetragen noch auf Grund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich. Überdies ergibt sich kein Anhalt dafür, dass bei der Klägerin unmittelbar im Anschluss an das Unfallgeschehen eine intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen aufgetreten ist. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass die Klägerin in der Lage war, am Unfalltag sogleich ihre Arbeitsstelle aufzusuchen und dort ihrer halbtägigen Beschäftigung nachzugehen. Auch ein im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung häufig andauerndes und intensives Wiedererleben des Traumahergangs bei zusätzlichem Auftreten so genannter Flashbacks ist auf Grund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht belegt. Zwar hat die Klägerin gegenüber Dr. XXXX angegeben, dass sie öfters die Bilder des Unfalls vor sich gesehen habe. Dieses Wiedererleben ist jedoch nach etwa 3 Monaten verblasst, auch litt die Klägerin seither nur noch etwa einmal monatlich unter Albträumen. Mittlerweile wird sie - ebenfalls eigenen Angaben zufolge - nur noch bei dem Wiederaufsuchen der Unfallstelle auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz an den Unfall erinnert, ohne dass hierbei schwere, vegetative Reaktionen auftreten. Mit Dr. XXXX handelt es sich insoweit jedoch um eine normale Reaktion des Sichererinnerns und nicht um das krankheitsspezifische unwillkürliche Wiedererinnern. Auch sind Albträume mit spezifischem Trauminhalten nach den Angaben der Klägerin gegenüber Dr. Niessner zwischenzeitlich abgeklungen. Darüber hinaus konnte die Klägerin bei der Untersuchung und Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen ohne auffällige vegetative Symptomatik über das Unfallgeschehen berichten, was gegen ein bewusstes Vermeidungsverhalten und eine Einengung der emotionalen Reagibilität als Diagnosekriterium für eine posttraumatische Belastungsstörung spricht. Gleiches gilt in Bezug auf den Umstand, dass die Klägerin weiterhin regelmäßig auf ihrer Fahrt zur Arbeitsstelle am Unfallort vorbeifährt, ohne verstärkt Angst zu erleben. Mit Dr. XXXX haben sich die Schlafstörungen der Klägerin zwischenzeitlich auch weitgehend zurück gebildet. Konzentrationsstörungen konnte der Sachverständige während seiner Exploration nicht objektivieren. Damit ergeben sich keine aktuellen Hinweise für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung oder Belastungsreaktion. Selbst wenn entsprechende Hinweise in den ersten Wochen nach dem Arbeitsunfall vorgelegen haben sollten, wären diese im weiteren Verlauf wieder abgeklungen, wie sich bereits aus dem Gutachten von Dr. XXXX ergibt.

Mit dem gerichtlichen Sachverständigen sind die von ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen Ausfluss einer bereits vor dem Arbeitsunfall bestehenden vermehrten psychovegetativen Labilität auf dem Boden einer spezifischen Persönlichkeitsstrukturierung der Klägerin. Hierfür spricht der Umstand, dass nach dem Befundbericht des sachverständigen Zeugen XXXX bei der Klägerin bereits seit Jahren eine psychovegetative Labilität mit Neigung zu Ängsten bestand, wegen derer die Klägerin auch fachärztliche Behandlung bei dem sachverständigen Zeugen Dr. XXXX in Anspruch genommen hat. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer auf Grund der glaubhaften Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. XXXX. Bestätigt wird dies durch die anamnestischen Angaben der Klägerin gegenüber Dr. XXXX, denenzufolge sie "schon von Natur aus ängstlicher" ist und "sich immer zurückgehalten (hat)", ferner Angstgefühle, Unwohlsein und Schwindelgefühle beim Aufenthalt unter Menschen und ebenso bereits seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der Stadtsparkasse Baden-Baden in Stresssituationen verspürt Auch das Tinnitusleiden besteht bereits seit rund 20 Jahren vor dem hier entscheidungserheblichen Arbeitsunfall, wie sich auf Grund des Befundberichtes von Dr. XXXX ergibt. Die von der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. XXXX geäußerten Ängste mit phobischen Elementen, insbesondere in Stresssituationen und in sozialen Situationen, sind Symptome einer eigenen Krankheitskategorie im Sinne einer anlagebedingten latenten Angststörung. Diese Angststörung ist nach den auch insoweit überzeugenden Darlegungen von Dr. XXXX nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich allein oder zumindest annähernd gleichwertig neben anderen Ursachen auf den Arbeitsunfall vom 30.12.2005 zurück zu führen. Dies steht in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. XXXX. Soweit Dr. XXXX im Widerspruch hierzu ausgeführt hat, er könne die Frage, ob sich die Angststörung unter Berücksichtigung anlagebedingter Veränderungen auch ohne den Arbeitsunfall entwickelt hätte, nicht eindeutig beantworten und sei der Arbeitsunfall bei vorhandener Vulnerabilität als Auslöser bzw. anstoßender Faktor für die jetzt resultierende Angststörung nicht auszuschließen, erachtet er einem ursächlichen Zusammenhang - im Ergebnis - lediglich für möglich, nicht jedoch - wie erforderlich - für wahrscheinlich.

3.) Für nicht erwiesen erachtet die Kammer darüber hinaus eine wesentliche Zunahme der Ohrgeräusche aufgrund des Arbeitsunfalls vom 30.12.2005. Auf die Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. XXXX vermag sich die Klägerin insoweit nicht mit Erfolg zu stützen, denn dieser hat die Klägerin nach dem 30.12.2005 erstmals am 09.05.2006 behandelt. Im Übrigen sind die von Dr. XXXX erhobenen psychogenen Folgen, insbesondere Ein- und Durchschlafstörungen, Angstzustände und Depressionen, wie vorstehend bereits ausgeführt, nicht Folge des Tinnitus, sondern der anlagebedingten Angststörung auf dem Boden einer selbst unsicheren Persönlichkeitsstruktur der Klägerin. Zu Recht weist schließlich Dr. XXXX in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine Verschlimmerung der Tinnitusfolgen seit dem Arbeitsunfall auf Grund des Gesamtergebnisses des Verfahrens auch deshalb nicht erwiesen ist, weil eine entsprechende Beschwerdeverstärkung in den "gutachtlichen Äußerungen" des Dr. XXXX vom 03.02.2006, vom 24.03.2006 und vom 12.04.2006 - mithin zeitnah nach dem Unfallereignis - nicht objektiviert ist.

Die von dem Sachverständigen Dr. XXXX diagnostizierten Gesundheitsstörungen sind deshalb in die Bewertung der unfallbedingten MdE nicht mit einzubeziehen.

Eine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Ausmaß liegt damit nicht vor.

4.) Anders ist auch nicht auf Grund der Bekundungen der sachverständigen Zeugen Dr. XXXX und Dr. XXXX zu entscheiden. Soweit Dr. XXXX die MdE wegen der erheblichen psychogenen Folgen des Ohrgeräusches und der Innenohrschwerhörigkeit auf 30 bis 40 v.H. einschätzt, berücksichtigt er dabei zum einen eine Innenohrschwerhörigkeit, die schon die Klägerin selbst nicht auf den Arbeitsunfall vom 30.12.2005 zurückführt, außerdem eine unfallbedingte Verschlimmerung der Ohrgeräusche, die die Kammer indes auf Grund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht für erwiesen erachtet. Auch der sachverständige Zeuge Dr. XXXXX stützt seine Einschätzung der unfallbedingten MdE im Wesentlichen auf eine posttraumatische Belastungsreaktion. Eine solche Gesundheitsstörung liegt indes nach den wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien sowie - im Ergebnis - übereinstimmenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. XXXX und des Dr. XXXX gerade nicht vor. Auch der sachverständige Zeuge Dr. XXXX erachtet eine posttraumatische Belastungskomponente der psychischen Symptomatik als lediglich nicht ausgeschlossen, d.h. - im Ergebnis - bloß möglich, nicht jedoch als wahrscheinlich.

Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig. Das Begehren der Klägerin musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 und 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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