L 9 B 192/08 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 111 KR 139/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 192/08 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozessuale Konsequenz einer behördlichen Funktionsnachfolge (hier: Zuständigkeit der Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen anstelle der Bundesverbände der Krankenkassen bezüglich der Festbetrags-festsetzung für Arznei- und Verbandmittel) ist auch bei reinen Anfech-tungsklagen ein Parteiwechsel kraft Gesetzes. Anfechtungsbegehren sind daher seit dem 1. Juli 2008 gegen den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu richten.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) und die nach dem 15. Oktober 2008 entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 8) tragen diese selbst.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 2.500.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegenüber einer Festbetragsfestsetzung durch die Beigeladenen zu 2) bis 8).

Die Antragsstellerin ist ein Pharmaunternehmen mit Sitz in. Ihr umsatzstärkstes Arzneimittel ist nach eigenen Angaben Nebilet, ein Arzneimittel mit Beta-1-Selektivität, das für die Behandlung der essentiellen Hypertonie und der chronischen Herzinsuffizienz zugelassen ist. Nebilet ist nach Auffassung der Antragstellerin patentgeschützt und enthält als Wirkstoff das Enantiomer-Gemisch Nebivolol als Nebivololhydrochlorid, bestehend zu 2,5 mg SRRR-Nebivolol (oder D-Nebivolol) und zu 2,5 mg RSSS-Nebivolol (oder L-Nebivolol). Die Antragstellerin ist Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Zulassung für Nebilet in Deutschland und vermarktet das Präparat auf der Grundlage einer Lizenz der Patentinhaberin J aus B (europäisches Patent 0 , vom Deutschen Patent- und Markenamt geführt unter DE ). Auf der Grundlage dieses Patents wurde der Patentinhaberin vom Deutschen Patent- und Markenamt mit Beschluss vom 18. März 2003 das ergänzende Schutzzertifikat DE für den Wirkstoff des ebenfalls Nebivolol enthaltenden Arzneimittels Hypoloc mit einer Laufzeit vom 17. März 2009 bis 18. Oktober 2010 erteilt. Mit Urteil vom 18. März 2008, Az.: 3 Ni 25/06 (EU), hat das Bundespatentgericht das Europäische Patent 0 (DE ) überwiegend und das ergänzende Schutzzertifikat DE für vollständig nichtig erklärt; über die hiergegen gerichtete Berufung hat der Bundesgerichtshof - BGH - (Az.: X ZR 88/08) noch nicht entschieden.

Auf der Grundlage eines Beschlusses des Beigeladenen zu 1) vom 19. April 2007 (BAnz. S. 6396 vom 26. Juni 2007) haben die Beigeladenen zu 2) bis 8) unter dem 26. Oktober 2007 für Beta-Rezeptorenblocker Festbeträge neu festgelegt. Im vorliegenden Fall geht es um die Festbetragsgruppe 3. In dieser Festbetragsgruppe 3 ist durch den o.g. Beschluss des Beigeladenen zu 1) neben den Beta-Rezeptorenblockern mit den Wirkstoffen Acebutolol, Betaxolol, Bisoprolol, Celiprolol, Metoprolol und Talinolol auch das in Nebilet enthaltene Enantiomer-Gemisch Nebivolol (Nebivololhydrochlorid) eingeordnet worden. Es handelt sich um eine Festbetragsgruppenbildung der Stufe 2 (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V -). Der Festbetragsbeschluss ist im Bundesanzeiger 205 vom 3. November 2007 am 5. November 2007 bekannt gemacht worden. Mit ihrer am 30. November 2007 vor dem Sozialgericht Berlin (Az.: S 111 KR 3213/07) erhobenen Klage, über die das Sozialgericht noch nicht entschieden hat, begehrt die Antragstellerin die Aufhebung der o.g. Festbetragsfestsetzung für Nebilet.

Darüber hinaus hat die Antragstellerin am 15. Januar 2008 vor dem Sozialgericht Berlin Eilrechtsschutz begehrt mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung der o.g. Klage anordnen zu lassen.

Die Antragstellerin hält sich für antragsbefugt, weil sie durch die angegriffene Festbetragsfestsetzung in dreifacher Weise benachteiligt werde: Zum einen sei Nebivolol fälschlicherweise in die Festbetragsgruppe 3 eingeordnet worden; zum zweiten sei der hierfür festgesetzte Festbetrag zu gering; zum dritten erhielten andere Wettbewerber, die herkömmliche Beta-Rezep¬to¬ren¬blocker vermarkteten, höhere Festbeträge, obwohl diese Betablocker therapeutisch schlechter und die Nebenwirkungen größer seien.

Die Antragstellerin ist ferner der Auffassung, die Voraussetzungen von § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V für die Einordnung von Nebivolol in die Festbetragsgruppe 3 lägen nicht vor. Sie beruft sich hierfür u. a. auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Prof. Dr. H S. Die Antragstellerin begründet ihre Rechtsauffassung im Wesentlichen wie folgt:

1. Nebivolol sei nicht mit den anderen in die Festbetragsgruppe 3 der Beta-Rezepto¬ren¬blo¬cker eingegliederten Wirkstoffen pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V.

a) Denn der Wirkmechanismus von Nebivolol unterscheide sich wesentlich von den Wirkmechanismen der übrigen in die Festbetragsgruppe eingeordneten Beta-Rezeptorenblockern. Deren Wirkung beschränke sich darauf, dem Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz entgegen zu wirken, indem sie an die Beta-1-Rezeptoren anbinde. Die "Stresshormone" Adrenalin und Noradrelin könnten dann nicht mehr an diese Rezeptoren anbinden und ihre physiologische, d.h. blutdruck- und herzfrequenzerhöhende Wirkung ausüben. Die pharmakologische Wirkung von Nebivolol gehe aufgrund seiner Eigenschaft als Racemat darüber hinaus.

Während D-Nebivolol zu einer (selektiven) Beta-1-Rezeptorenblockade führe, wirke das L-Nebivolol vasodilatierend (gefäßerweiternd) und somit ebenfalls blutdrucksenkend. Diesen dualen Wirkmechanismus von Nebilet hätten auch die Zulassungsbehörden im Rahmen der Zulassung dadurch anerkannt, dass sie entsprechend § 11 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) in der Fachinformation als Wirkstoff nicht lediglich Nebivolol, sondern "Nebivolol als Nebivololhydrocholorid; 2,5 mg SRRR-Nebivolol (oder D-Nebivolol) und 2,5 mg RSSS Nebivolol (oder L-Nebivolol)" angegeben hätten. Auch nach der Stellungnahme der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft vom 28. August 2005 gegenüber dem Beigeladenen zu 1) seien die "chemischen und pharmakologischen Unterschiede zu herkömmlichen selektiven Beta-Blockern [ ] unbestritten." Nur wegen der von ihr nicht anerkannten therapeutischen Vorteile von Nebivolol habe die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft es abgelehnt, Nebivolol aus der Festbetragsgruppe 3 heraus zu nehmen. Obwohl die Antragstellerin in klinischen Studien die Bedeutung der vasodilatierenden Wirkung durch L-Nebivolol nachgewiesen habe, habe der Beigeladene zu 1) in den tragenden Gründen seines Beschlusses vom 19. April 2007 den unstreitig bestehenden dualen Wirkmechanismus von Nebivolol kurzerhand negiert und lediglich lapidar festgestellt, dass die durch das L-Nebivolol bewirkte Gefäßerweiterung nicht von ausschlaggebender Bedeutung sei. In rechtlich unzulässiger Weise habe er infolge dessen Nebivolol als Wirkstoff mit zwei Wirkmechanismen einer Wirkstoffgruppe zugeordnet, die mit Nebivolol lediglich in einer Wirkungsweise identisch sei. Stattdessen hätte er – wie beim Beta-Blocker Carvedilol bereits geschehen – für Nebivolol aufgrund des dualen Wirkmechanismus eine separate Festbetragsgruppe schaffen müssen.

b) Nebivolol sei mit den anderen in der Festbetragsgruppe zusammengefassten Wirkstoffen auch nicht chemisch verwandt, wie der Patentanwalt und Diplomchemiker Dr. H in seinem Gutachten vom 9. Juni 2006 nachgewiesen habe. Nebivolol unterscheide sich in seiner Struktur grundlegend von den übrigen, herkömmlichen Beta-Blockern, u. a. weil es eine absolut symmetrische Molekülstruktur, 2 Fluratome, jedoch keine Phenylether-Gruppe aufweise.

2. Entgegen § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB V würden durch die angegriffen Festbetragsfestsetzung die Therapiemöglichkeiten der Ärzte zur Behandlung des Bluthochdrucks eingeschränkt. Denn der Festbetrag für die Standardpackung in der Festbetragsgruppe Beta-Rezepto¬ren¬blo¬cker 3 sei mit 4,33 EUR derart niedrig angesetzt worden, dass die Antragstellerin wirtschaftlich erdrosselt werde. Nebivolol stünde dann als Therapiealternative nicht mehr zu Verfügung.

3. Jedenfalls aber hätte Nebivolol als unstreitig patentgeschützter Wirkstoff gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3, 2. Hs. SGB V von der Festbetragsgruppenbildung ausgenommen werden müs¬sen. Entgegen der Rechtsauffassung des Beigeladenen zu 1) sei die Wirkungsweise von Nebivolol auch neuartig, wie das o. g. Gutachten von Dr. H belege. Darüber hinaus weise Nebivolol eine therapeutische Verbesserung im Vergleich zu den herkömmlichen Beta-Blockern auf. Die von der Antragstellerin im Rahmen des Anhörungsverfahrens als Beleg hierfür eingereichten zahlreichen Studien würden vom Beigeladenen zu 1) aus zum Teil willkürlichen Gründen nicht akzeptiert. Indem Nebivolol zielgerichtet in die Festbetragsgruppe mit dem niedrigsten Festbetrag eingeordnet worden sei, habe der Beigeladene zu 1) gegen den durch § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB V intendierten Innovationsschutz verstoßen.

Die aufschiebende Wirkung ist nach Auffassung der Antragstellerin anzuordnen, weil sich bereits bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zeige, dass der beschlossene Festbetrag rechtwidrig sei. Im Übrigen habe ihr Aussetzungsinteresse Vorrang vor dem Vollzugsinteresse der Beigeladenen zu 2) bis 8). Sie habe im Jahre 2006 in Deutschland einen Gesamtumsatz vom ca. Millionen Euro erwirtschaftet, hiervon allein mit Nebilet Millionen Euro. Bei Beibehaltung des Festbetrages sei mit einem Rückgang um weit über % zu rechnen. Denn der bisherige Apothekenverkaufspreis von Nebivolol habe sich auf 69,67 EUR belaufen, während sich bei einem Festbetrag von 4,33 EUR unter Hinzurechnung der gesetzlichen Großhandels- und Apothekenmarge von 10,62 EUR ein Apothekenverkaufspreis i.H.v. insgesamt 14,95 EUR ergebe. Auf¬grund der Erfahrungen im Fall des Arzneimittels Sortis, das nach Einführung eines Festbetrages quasi vom deutschen Markt verschwunden sei, sei voraussehbar, dass Patienten den Zuzahlungsbetrag von ca. 55,00 EUR nicht akzeptieren würden. Ohne Anordnung der aufschiebenden Wirkung müsste die Antragstellerin pro Jahr ca. Millionen Euro Umsatzverluste hinnehmen und würde dadurch faktisch gezwungen, den Vertrieb von Nebivolol einzustellen.

Der Antragstellerin sei auch nicht damit gedient, dass der Beigeladene zu 1) nach rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens Nebivolol aus der Festbetragsgruppe 3 herausnehme und ihr die Differenz zwischen dem festbetragsbedingten Nettoerlös von 3,87 EUR und dem gegenwärtigen Apothekenverkaufspreis nachgezahlt werde. Denn zum einen sei voraussehbar, dass Nebivolol nach Ablauf von ein bis zwei Jahren unter Beibehaltung der Festbetragseinordnung vom Markt verschwunden sei, zum anderen stehe zu befürchten, dass das Unternehmen "dieses halsbrecherische Manöver" des Beigeladenen zu 1) nicht überlebe.

Dem gegenüber sei das Vollzugsinteresse an der vorübergehenden Beibehaltung des Festbetrages erheblich niedriger anzusetzen, denn der befürchtete Umsatzrückgang der Antragstellerin in Höhe von Millionen Euro bewege sich im Vergleich zum Gesamtausgabenvolumen der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel in Höhe von 25,87 Milliarden Euro im untergeordneten Promillebereich.

Die Antragstellerin könne sich jedoch vorstellen, bei Aussetzung der Festbetragsfestsetzung für Nebivolol eine gerichtliche Auflage zu akzeptieren, indem sie sich gegenüber den Beigeladenen zu 2) bis 8) verpflichte, 50 % des Betrages, den sie oberhalb des Festbetrages pro Packung Nebilet mehr erhält, treuhänderisch zu verwahren und für den Fall, dass sie am Ende des Klageverfahren unterliege, diesen Betrag an die Beigeladenen zu 2) bis 8) zurückzuerstatten.

Zum Beleg der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der angegriffenen Festbetragsfestsetzungen hat sich die Antragstellerin auf eidesstattliche Versicherungen ihrer Mitarbeiter B, B und L berufen.

Die Beigeladenen zu 2) bis 8) – im erstinstanzlichen Verfahren noch als Antragsgegnerinnen - haben die angegriffene Festbetragsgruppenbildung verteidigt. Nebivolol sei nicht beliebig einer Festbetragsgruppe zugeordnet worden; entscheidend sei vielmehr die maßgebliche Wirkungsweise. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung würde zu einer für die Krankenkassen irreparablen Belastung führen, wie bereits im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2000 (AZ: L 9 B 97/00 KR ER) anerkannt worden sei. Denn würde die aufschiebende Wirkung angeordnet, die Klage im Ergebnis jedoch abgewiesen, wäre der mit der Feststellung und Betreibung der notwendigen Zuzahlung verbundene Verwaltungsaufwand völlig untragbar. Zu hohe, bereits erfolgte Leistungen der Krankenkassen könnten im Einzelfall nur aufwendig festgestellt und geltend gemacht werden, indem aus den jährlich anfallenden rund 570 Millionen Arzneimittelverordnungen (bezogen auf den GKV-Arzneimittelmarkt) diejenigen heraussortiert würden, die Arzneimittel der hier streitigen Gruppe beträfen. Selbst wenn es gelänge, aus den rund 570 Millionen Arzneimittelverordnungen z. B. jene 12 Millionen zu ermitteln, in denen Arzneimittel der Gruppe 3 der Beta-Rezeptorenblocker verordnet würden, müssten die Krankenkassen von den betroffenen Versicherten die ersparten Zuzahlungsbeträge seit 2008 einfordern. Dieser Verwaltungsaufwand wäre nicht zu bewältigen.

Mit Beschluss vom 26. Februar 2008 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung "zurückgewiesen". Der Bescheid vom 26. Oktober 2007 erweise sich nach summarischer Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig. Für eine eingehende Auseinandersetzung mit den medizinischen und pharmazeutischen Argumenten des Sachverständigen im Verfahren des Gemeinsamen Bun¬dessausschusses einschließlich der von der Antragsstellerin eingebrachten Gutachten und Stellungnahmen sei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Raum. Nicht erkennbar sei, dass der Antragstellerin unzumutbare Nach¬teile entstünden. Die von ihr mitgeteilten Umsatzverluste besagten noch nichts über die Größenordnung möglicher Gewinneinbußen. Ob sich Nebilet trotz Festbetragsfestsetzung tatsächlich nicht verkaufen lasse, sei derzeit zweifelhaft. Die von der Antragstellerin eingereichten eidesstattlichen Versicherungen ihrer Mitarbeiter seien wenig aussagekräftig. Demgegenüber wö¬gen die Interessen der Beigeladenen zu 2) bis 8) aus den von ihnen genannten Gründen schwerer.

Gegen diesen der Antragstellerin am 4. März 2008 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 2. April 2008 erhobene Beschwerde. Die Entscheidung des Sozialgerichts - so die Antragstellerin - sei aus mehreren Gründen rechtsfehlerhaft. Da der entscheidungserhebliche Sachverhalt zwischen den Beteiligten unstreitig sei, hätte das Sozialgericht auch ohne Aufklärung von medizinisch-pharmakologischen Zusammenhängen über den Antrag entscheiden können, denn es werde im Wesentlichen um Rechtsfragen gestritten. Es verstoße gegen logische Denkgesetze, wenn einerseits der von der Antragstellerin befürchtete Umsatz- bzw. Gewinnrückgang wegen noch nicht eingetretener Realisierung vom Sozialgericht nicht berücksichtigt werde, auf der anderen Seite die von den Beigeladenen zu 2) bis 8) vorgetragenen fiktiven Einsparungen in Höhe von 83 Millionen Euro quasi als Faktum unterstellt würden. Im Gegensatz zur Antragstellerin werde der Bestand der Beigeladenen zu 2) bis 8) oder die Funktionsfähigkeit des Sozialversicherungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht gefährdet, wie sich aus der eidesstattlichen Versicherung ihres Mitarbeiters K vom 8. Mai 2008 ergebe.

Die Antragstellerin behauptet, der im Jahre 2008 (Januar bis August) ohne Nebilet erzielte Gewinn werde vollständig von dem auf Nebilet entfallenden Verlust aufgezehrt. Bei einem Vergleich der Umsatzzahlen im Zeitraum Januar bis August 2008 und im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres ergebe sich ein Umsatzrückgang zwischen % (im Januar) und % (im August), im Durchschnitt % sowie ein Gewinnentgang von ca. Mio. EUR.

Seit dem 1. Januar 2008 werde Nebilet nicht mehr zum Festbetrag verkauft, sondern eine Zuzahlung von 20,00 EUR pro N3-Packung Nebilet von den Patienten verlangt, was pro verkaufter Packung Nebilet für das erste Quartal 2008 einen durchschnittlichen Verlust von 5,70 EUR und für das zweite Quartal 2008 von 5,54 EUR bedeute. Würde die Antragstellerin Nebilet zum Festbetrag verkaufen, wären die Absatzmengen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zusammengeschrumpft, sodass der absolute Verlust bei Millionen Euro und der Gewinnentgang bei Mil¬lionen Euro im ersten Quartal 2008 lägen. Die Antragstellerin könne Verluste in dieser Größenordnung nicht bis zu einer Hauptsachenentscheidung in 2 oder 3 Jahren tragen und Nebilet nicht über das Ende dieses Verfahrens hinaus am Markt halten. Schon aus diesem Grund dürfe sie nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Außerdem laufe im Jahre 2010 der Patentschutz aus, sodass bei Zurückweisung der Beschwerde die Hauptsache faktisch "auf kaltem Wege" vorweggenommen werde. Bei einer Klagestattgabe in 2 bis 3 Jahren habe sich der materielle Streit bereits erledigt. Daher dürfe der Senat die Antragstellerin für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Rechtsschutzbegehrens unter Heranziehung von Sachverständigen nicht auf das Hauptsacheverfahren verweisen.

Soweit die Beigeladenen zu 2) bis 8) darauf verwiesen, dass ausweislich der Lauer-Taxe (Große Deutsche Spezialitätentaxe) zum Stichtag 1. Februar 2008 Generika-Hersteller ebenfalls Arz¬neimittel mit dem Wirkstoff Nebivolol gelistet hätten, sei zu ergänzen, dass große Generika-Unternehmen und Importeure ihre Nebivolol-Präparate ausweislich der Lauer-Taxe "AV" (außer Vertrieb) gesetzt hätten. Im Übrigen beteilige sich ein Großteil der Arzneimittelgroßhändler aufgrund der ungeklärten Patentsituation nicht am Vertrieb der nebivololhaltigen Generika. Auch wenn Generikaunternehmen Nebivolol-Präparate zum festbetragsbedingten Herstellerabgabepreis von 3,87 EUR anböten, sei zu berücksichtigen, dass hiermit wegen der hohen Weltmarktpreise für den Wirkstoff Nebivolol kein deutscher Anbieter die Herstellungskosten decken könne. Im Übrigen seien im ersten Quartal 2008 noch keine generischen Nebivololpräparate vermarktet worden, sodass der Umsatzrückgang nicht auf Konkurrenzprodukte zurückgeführt werden könne.

Auf der Grundlage der bisherigen Verordnungsdaten aus dem Jahr 2008 ergebe sich bei den Beigeladenen zu 2) bis 8) bezüglich Nebilet für das Gesamtjahr eine (geschätzte) reduzierte rechnerische Ersparnis von Mio. EUR und aufgrund einer realistischen Prognose für das Jahr 2009 von Mio. EUR. Da im Rahmen der hier zu treffenden Interessenabwägung auf das Interesse abzustellen sei, das sich realistischerweise im Zeitraum zwischen der Anordnung der einstweiligen Anordnung und einer Entscheidung in der Hauptsache ergebe, müssten die vom Antragsgegner zu seinen Gunsten rückblickend auf das Jahr 2006 ermittelten Einsparungen von Mio. EUR für Nebilet außer Betracht bleiben. In diesem Zusammenhang sei ferner zu beachten, dass nach Aussetzung des Festbetrages die Antragstellerin im Hinblick auf das neue (rechtswidrige) Marktumfeld ihren ursprünglichen Herstellerabgabepreis im Markt nicht werde durchsetzen können. Weil den Krankenkassen im Jahr 2009 allein für Arzneimittel ein zusätzlicher Betrag von ca. 1,5 Mrd. EUR zufließe, werde der Antragsgegner ohne weiteres die Aussetzung des Festbetrages ohne Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit kompensieren können.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage vom 30. November 2007 gegen die in der Allgemeinverfügung vom 26. Oktober 2007 festgesetzten Festbeträge für das Arzneimittel Nebilet, Wirkstoff Nebivolol, Nebivolol Hydrochlorid, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 205 vom 3. November 2007, Seite 7909 bis 7910, am 5. November 2007, betreffend Beta-Rezeptorenblocker, Gruppe 3, anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Auf der Grundlage der der Festbetragsfestsetzung zugrunde liegenden Daten und der damaligen Marktsituation ergäben sich Einsparungen in Höhe von 88 Mio. DM jährlich bezogen auf die gesamte Festbetragsgruppe und Mio. DM jährlich bezogen auf Nebilet. Die Angaben der Antragstellerin zur Umsatz- und Gewinnentwicklung vor und nach der Festbetragsfestsetzung für Nebilet seien widersprüchlich. Letztere sei nur eine von mehreren Ursachen für den von ihm – dem Antragsgegner - errechneten Umsatzrückgang von % bei der Antragstellerin. Weitere Ursachen lägen in den Auswirkungen von Rabattverträgen für Nebivolol zwischen 11 pharmazeutischen Herstellern und insgesamt über 180 Krankenkassen, den Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 SGB V, die für die Arzneimittelgruppe der selektiven Betablocker Bisoprolol und Metoprolol als Leitsubstand benennen, sowie der betriebswirtschaftlich einseitigen Ausrichtung auf das Produkt Nebilet. Insbesondere habe aber der Markteintritt von generischen Nebivololpräparaten ab April 2008 zum Einbruch der Nebilet-Verordnungen geführt: Während die Anzahl der verordneten Packungen Nebilet von etwa 112.000 im Dezember 2007 auf etwa 72.000 im Januar 2008 bzw. etwa 63.000 in den beiden Folgemonaten gefallen sei, entfielen von den insgesamt 93.000 verordneten Packungen mit dem Wirkstoff Nebivolol im Juli 2008 nur noch 20.000 auf Nebilet. Diese weiteren Ursachen dürften im Rahmen der Folgenabwägung nicht berücksichtigt werden, da sie nicht kausal durch die Festbetragsfestsetzung entstanden seien.

Der Vorschlag der Antragstellerin, 50 % des Betrages, den sie oberhalb des Festbetrages pro Packung Nebilet mehr erhalte, treuhänderisch zu verwalten und im Falle eines Obsiegens an die Beigeladenen zu 2) bis 8) auszukehren, sei wegen des Verwaltungsaufwandes völlig untragbar. Eine Rückerstattung von 50 % könne weder die Kosten des Verwaltungsaufwandes noch die fehlenden Einsparungen für die gesetzlichen Krankenversicherung auch nur annähernd decken. Aus der übermittelten Übersicht lasse sich entnehmen, dass die überwiegende Anzahl der großen Generika-Hersteller ihre Nebivolol-Produkte weiterhin am Markt anböten, also sehr wohl in der Lage seien, zum Herstellerabgabepreis von 3,87 EUR herzustellen und zu vermarkten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei eine Aussetzung des Festbetrages nur für Nebivolol nicht möglich. Dies würde eine Teilbarkeit des Verwaltungsaktes voraussetzen. Hiergegen spreche, dass die Wirkstärken-/Packungsgrößenkombination der Festbetragsgruppe der Beta-Rezep¬to¬ren¬bloc¬ker zum einen in die Vergleichsgrößenberechnung, zum anderen in die Regressionsberech¬nung für die gesamte Festbetragsgruppe einfließe. Die Berechnung der Festbetragshöhe könne danach ohne den ausgenommenen Wirkstoff bzw. die ausgenommenen Präparate anders ausfallen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beigeladenen zu 2) bis 8), die dem Senat vorgelegen hat, Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 30. November 2007 gegen die Festbetragsfestsetzung der Beigeladenen zu 2) bis 8) vom 26. Oktober 2007 abgelehnt.

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist infolge eines Parteiwechsels kraft Gesetzes gegen den (jetzigen) Antragsgegner zu richten.

Zuständig für die Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel ist gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 SGB V in der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung i.V.m. § 217 f Abs. 1 SGB V ausschließlich der Antragsgegner; den Beigeladenen zu 2) bis 8) fehlt hierzu seit diesem Zeitpunkt jegliche Kompetenz. Dies bleibt prozessual nicht ohne Folgen: Denn wird nach Erhebung einer Klage bzw. – wie hier – nach Rechtshängigkeit eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz statt der ursprünglich beklagten eine andere Behörde für den Erlass des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes zuständig, so bleibt die prozessuale Stellung der beklagten Behörde hiervon zwar grundsätzlich unberührt. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn entweder die neu zuständig gewordene Behörde einen Änderungsbescheid erlässt und dieser zum Gegenstand des anhängigen Verfahrens wird oder wenn der Zuständigkeitswechsel auf einem Organisationsakt der Verwaltung beruht. Organisationsakte in diesem Sinne sind – wie im vorliegenden Fall - gesetzliche oder durch die Verwaltung getroffene Maßnahmen, durch die der bisherige Zuständigkeitsbereich der ursprünglich beklagten Behörde geändert wird (vgl. Bundesfinanzhof BFHE 200, 521 m.w.N.). Prozessuale Folge dieses Wechsels in der Behördenzuständigkeit ist zumindest bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ein Parteiwechsel kraft Gesetzes, da mit diesen Klagen in der Regel ein auch in die Zukunft gerichtetes Begehren verfolgt wird und maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in diesen Fällen die letzte mündliche Verhandlung ist (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 5. Juli 2007, - B 9/9a SB 2/07 R - veröffentlicht unter www.bundessozialgericht.de; SozR 4-1500 § 57 Nr. 2 m.w.N.). Anderes gilt für (reine) Anfechtungsklagen, da diese allein in die Vergangenheit, nämlich auf den Zeitpunkt des angefochtene Bescheides, weisen und sich daher grundsätzlich gegen die den Bescheid erlassende Behörde richten (BSG a.a.O. und Urteil vom 5. Juli 2007, - B 9/9a SB 2/06 R -, veröffentlicht unter www.bundessozialgericht.de). Hiervon ist jedoch im Falle der Funktionsnachfolge eine Ausnahme zu machen (im Ergebnis ebenso: BSG SozR 4-3300 § 55 Nr. 1), da sie zu einer ersetzenden Zuständigkeitsverlagerung führt, wie der vorliegende Rechtsstreit anschaulich belegt. Soweit der Gesetzgeber neue Zuständigkeitszuordnungen vornimmt bzw. die Besetzung von kollegial verfassten Behörden ändert, sind die nunmehr als zuständig bestimmten Behörden in ihrer dem aktuellen Recht entsprechenden Zusammensetzung für alle Entscheidungen in allen Verfahren aus ihrem sachlichen Aufgabenbereich zuständig, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sich die zu prüfenden Umstände abgespielt haben. Soweit keine Übergangsbestimmungen erlassen werden, treten die neu als zuständig bestimmten Behörden bzw. diese in ihrer neuen Besetzung in vollem Umfang an die Stelle der alten Behörden. Für sämtliche anstehenden Entscheidungen - unter Einschluss von Nebenentscheidungen zu bereits getroffenen Entscheidungen (z.B. zu den Kosten) - sind ausschließlich die nunmehr zuständigen Behörden verantwortlich (BSG, Urteil vom 9. April 2008, - B 6 KA 34/07 R -, zitiert nach juris). Weil den Beigeladenen zu 2) bis 8) ab dem 1. Juli 2008 jegliche Kompetenz im Bereicht der Festbetragsfestsetzung genommen wurde, fehlt ihnen seither jede rechtliche Befugnis, die angegriffene Festbetragsfestsetzung zu ändern oder aufzuheben; die Abgabe eines prozessualen (Teil-)Aner¬kennt¬nisses wäre rechtlich unzulässig. Hierzu ist nur noch die seit dem 1. Juli 2008 zur Festbetragsfestsetzung gesetzlich ermächtigte Behörde – der Antragsgegner – berechtigt.

2. Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 86 Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Ein solcher Fall liegt hier vor, da nach § 35 Abs. 7 Satz 2 SGB V Klagen gegen die Festsetzung der Festbeträge keine aufschiebende Wirkung haben.

a. Der danach zulässige Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage ist jedoch unbegründet. Wie der Senat in Fällen der hier vorliegenden Art wiederholt entschieden hat, ist im Rahmen der Begründetheitsprüfung - bezogen auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der unter Beachtung der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung abweichend von dem in § 86 a Abs. 1 SGG geregelten Grundsatz nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 35 Abs. 7 Satz 2 SGB V gerade auszuschließen, die jeweiligen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind.

Ergibt diese Abwägung, dass das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Dies wiederum ist in aller Regel dann der Fall, wenn sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des Belasteten einhergeht, weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse besteht. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs grundsätzlich dann, wenn gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung in der Regel nicht anzuordnen. Lässt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides indes nicht hinreichend sicher beantworten, kommt es unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Begründetheit des Antrages entscheidend auf die sonstigen Interessen der Beteiligten an. Grundsätzlich hat hierbei zu gelten, dass die an das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellenden Anforderungen im Sinne einer dynamischen Betrachtung um so höher sein müssen, je geringer die Erfolgsaussichten des von ihr in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs zu bewerten sind. Nicht außer Betracht gelassen werden dürfen in diesem Zusammenhang die wechselseitig eintretenden Folgen, die jeweils entstünden, wenn sich die durch das Gericht getroffene Eilentscheidung im Hauptsacheverfahren als unzutreffend erweisen sollte.

Eine auch nur summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Allgemeinverfügung ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich. Soweit die Antragstellerin meint, es seien zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit nur Rechtsfragen zu entscheiden, da der Sachverhalt unter den Beteiligten im Wesentlichen unstrittig ist, steht dem bereits ihr umfangreiches tatsächliches Vorbringen in erster Instanz unter Bezugnahme auf pharmakologische und chemische Gutachten bzw. Stellungnahmen entgegen. Auch die Diskussion mit den Beteiligten im Rahmen des Erörterungstermins vom 15. Oktober 2008 hat sichtbar werden lassen, dass wesentliche Fragen – z.B. nach der chemischen Verwandtschaft von Nebivolol mit den anderen in der streitgegenständlichen Festbetragsgruppe zusammengefassten Wirkstoffen oder nach dem Wirkmechanismus bzw. den Wirkmechanismen von Nebivolol – zwischen den Beteiligten höchst umstritten und einer Klärung im Rahmen eines Eilverfahrens nicht zugänglich sind.

Hängt die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes demnach von der Entscheidung schwieriger Rechtsfragen ab und bedarf es einer weiteren Klärung des Sachverhaltes, lassen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht (sicher) prognostizieren. Die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin erweisen sich deshalb im für sie günstigsten Fall in dem Sinne als offen, dass der Erfolg der Klage genauso wahrscheinlich erscheint wie ihr Misserfolg. Dies bedeutet, dass es unter Berücksichtigung der in § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 35 Abs. 7 Satz 2 SGB V zum Ausdruck kommenden Grundentscheidung des Gesetzgebers im Rahmen der nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG anzustellenden Interessenabwägung entscheidend auf die - erkennbaren - außerhalb der Rechtmäßigkeitsprüfung liegenden - konkreten - Interessen der Beteiligten ankommt, die bezogen auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gegeneinander abzuwägen sind (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 7. Senat Beschluss vom 7. Mai 2007, - L 7 B 97/06 KA ER -, zitiert nach juris).

Wenn der Senat über das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin im Rahmen des Eilverfahrens ausschließlich aufgrund einer Folgenabwägung entscheidet, gewährt er der Antragstellerin entgegen ihrer Auffassung dennoch effektiven Rechtsschutz. Die Antragstellerin meint, wegen der zu erwartenden Dauer des Hauptsacheverfahrens von 2 bis 3 Jahren und des schon zuvor auslaufenden Patentschutzes für Nebivolol dürfe die Rechtmäßigkeit der Festbetragsfestsetzung vom 26. Oktober 2007 nicht erst im Hauptsacheverfahren geklärt werden, da sich die Angelegenheit dann – bei Fortbestehen des angegriffenen Festbetrages – materiell erledigt habe. Bei dieser Argumentation verkennt die Antragstellerin, dass es Rechtsstreite – wie den vorliegenden – gibt, in denen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungshandelns de facto nicht im Rahmen eines Eilverfahrens abschließend beurteilt werden kann, weil dies zu Verfahrensverzögerungen (des Eilverfahrens) führen und die Effektivität dieses Verfahrens zugleich geschwächt würde (vgl. BVerfG NVwZ-RR 99, 217). Vielmehr wird in diesen Fällen die Effektivität einstweiligen Rechtsschutzes gerade erst durch den Verzicht auf eine summarische Prüfung der Hauptsache und eine Entscheidung allein aufgrund einer Folgenabwägung gewahrt.

b. Bei der danach vorzunehmenden Folgenabwägung sind damit im vorliegenden Fall auf der einen Seite das Interesse des Antragsgegners zu berücksichtigen, die Kosten für Arzneimittel gering zu halten, dem zur Aufrechterhaltung des Finanzierungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung besondere Bedeutung zukommt, sowie auf der anderen Seite das Interesse der Antragstellerin, aus dem Verkauf ihres Produkts einen Gewinn zu erzielen und damit zugleich ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern (LSG Berlin-Brandenburg, 7. Senat Beschluss vom 7. September 2005, Az.: L 7 B 1003/05 KA ER).

Der Senat unterstellt im vorliegenden Fall die Richtigkeit der Angaben der Antragstellerin, dass durch die angegriffene Festbetragsfestsetzung Produktion und Vertrieb von Nebilet für sie in hohem Maße unwirtschaftlich wurden. Hierdurch wird die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin jedoch nicht bedroht.

Der Senat kann offen lassen, ob das Vorbringen der Antragstellerin zu den Auswirkungen der Festbetragsfestsetzung für Nebilet auf die Umsatz- und Gewinnsituation des gesamten Unternehmens in sich stimmig ist. Zweifel bestehen insofern, als nach den Angaben der Antragstellerin der im Zeitraum Januar bis August 2008 in Deutschland auf Nebilet entfallende Verlust von Mio. EUR durch den im übrigen, d.h. ohne Nebilet, realisierten Gewinn i.H.v. Mio. EUR ausgeglichen werde. Hieraus müsste – wie im Schriftsatz vom 3. November 2008 auch dargestellt – im o.g. Zeitraum ein Verlust von Mio. EUR, bezogen auf die Geschäftstätigkeit in Deutschland, entstanden sein, nicht hingegen – wie nach dem früheres Vorbringen korrigierenden Schriftsatz vom 2. Dezember 2008 - ein Verlust von Mio. EUR. Dieser Widerspruch kann jedoch auf sich beruhen, da sich die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin, bezogen auf die Geschäftstätigkeit in Deutschland, unter Zugrundelegung der korrigierten Daten noch ungünstiger darstellte.

Nicht überzeugend ist hingegen die Behauptung der Antragstellerin, Dies mag nach den dem Senat zur Verfügung gestellten Daten und bezogen nur auf die Geschäftstätigkeit in Deutschland zutreffen. Allerdings ergibt ein Vergleich der auf Deutschland bezogenen Zahlen mit dem Jahresabschluss 2007 der Antragstellerin (veröffentlicht unter https://www.unter¬nehmens¬register.de), dass diese den größten Teil ihres Gewinns im Jahre 2007 im Ausland erwirtschaftete. Dem Gewinn aus der Geschäftstätigkeit in Deutschland i.H.v. Mio. EUR steht ein Bilanzgewinn i.H.v. Mio. EUR aus der weltweiten Tätigkeit gegenüber, lediglich des Gewinns wurde somit in Deutschland erwirtschaftet. Dass sich an diesem Verhältnis im Jahre 2008 etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich. Zwar geht die Antragstellerin nach dem als Teil des o.g. Jahresabschlusses veröffentlichten Lagebericht von einem Wachstum auf dem deutschen Pharmamarkt von unter % aus und berücksichtigt insofern bereits "erhebliche Umsatzeinbußen" infolge der Festbetragsfestsetzung für Nebilet, "wachsende generische Konkurrenz" sowie Risiken durch den Rechtsstreit über Werthaltigkeit und Laufzeit des Patents für Nebilet. Zugleich weist sie jedoch darauf hin, dass ihr Wachstum "zunehmend aus osteuropäischen Ländern wie der Ukraine, Rumänien und insbesondere Russland generiert" werde, und erwartet für diese Länder "eine Umsatzsteigerung im unteren zweistelligen Prozentbereich".

Ist aber die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin durch die angegriffene Festbetragsfestsetzung nicht bedroht, muss es bei der gesetzgeberischen Wertung, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, bleiben. Die Tatsache, dass die Antragstellerin mit Nebilet nach ihrem Vortrag derzeit keinen Gewinn erzielen kann, reicht zur Begründung eines für die Folgenabwägung maßgeblichen Interesses nicht aus. Denn der Gesetzgeber hat das Gewinninteresse durch § 35 Abs. 7 Satz 2 SGB V hinter das Interesse der Krankenkassen an der Finanzierbarkeit der GKV für den Zeitraum von der Festsetzung des Festbetrags bis zur Entscheidung in der Hauptsache zurücktreten lassen. Mit dieser Entscheidung nimmt er für diese Übergangszeit sogar das Risiko in Kauf, dass ein Arzneimittel (vorübergehend) vom Markt genommen wird, weil die Gewinnerwartungen seines Herstellers nicht erfüllt werden oder Produktion und Vertrieb des Arzneimittels sogar zu Verlusten führen. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass die Kosten für Arzneimittel seit geraumer Zeit zu den Aufwendungen der GKV gehören, die die Beitragssatzstabilität in besonderer Weise gefährden, weil sie erhebliche Steigerungsraten aufweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG analog i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 53 Abs. 3 Satz 3, § 52 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. 2 GKG. Auf der Grundlage der Angaben der Antragstellerin entging ihr für die ersten 8 Monate des Jahres 2008 ein Gewinn i.H.v. Mio. EUR. Unabhängig von der Frage, ob für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der voraussichtliche Gewinn eines Jahres, die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren maßgeblichen Streitwerts oder wegen Vorwegnahme der Hauptsache deren Streitwert anzusetzen ist, übersteigt der Wert stets den in § 52 Abs. 4, 2. Alternative GKG genannten und daher im vorliegenden Fall maßgeblichen Höchstwert von 2,5 Mio. EUR.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved