Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 720/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 333/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Bei dem am 1972 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt Stuttgart in einem Nachprüfungsverfahren mit Bescheid vom 08.04.2002 wegen einer seelischen Störung (Teil-GdB 50), einer Gebrauchseinschränkung beider Beine (Teil-GdB 20), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) und wegen Bronchialasthma, Allergie sowie Atembehinderung bei Verengung des Nasenganges (Teil-GdB 10) den GdB mit 60 seit dem 10.12.2001 neu fest. Die erforderlichen Voraussetzungen der gesundheitlichen Merkmale (Merkzeichen) "G" wurden nicht festgestellt. Ein im März 2005 vom Versorgungsamt Stuttgart eingeleitetes Nachprüfungsverfahren führte mit Bescheid vom 28.06.2005 zu keiner Änderung des Bescheides vom 08.04.2002.
Am 21.09.2006 beantragte der Kläger beim zwischenzeitlich zuständig gewordenen Landratsamt B. - Versorgungsamt Stuttgart - (VA) die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G". Das VA holte den ärztlichen Befundschein des Dr. M. vom 05.10.2006 ein, der die Gehstrecke des Klägers mit maximal 400 m angab. Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes (Dr. K. vom 16.11.2006) lehnte das VA mit Bescheid vom 23.11.2006 den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "G" ab.
Hiergegen legte der Kläger am 04.12.2006 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, durch eine Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule sei er erheblich beeinträchtigt. Bei starken Rückenschmerzen sei er nicht in der Lage, selbstständig zum Arzt zu fahren. Er könne ohne fremde Hilfe keinen Bus betreten. Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 18.01.2007 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, keine der an den Beinen und an der Lendenwirbelsäule festgestellte Funktionsbeeinträchtigungen erreichten so hohe GdB-Werte, die sich in besonderem Maße negativ auf die Gehfähigkeit auswirken können. Eine Zuerkennung des Merkzeichens "G" sei daher nicht zu begründen.
Hiergegen erhob der Kläger am 29.01.2007 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte zur Begründung geltend, er leide unter einem Lendenwirbelsäulensyndrom, das erhebliche Ischiasbeschwerden und Rückenschmerzen bewirke, weshalb er im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei. Er brauche fremde Hilfe beim Treppengehen und auch beim Ein- und Aussteigen öffentlicher Nahverkehrsmittel. Infolge seiner Behinderung sei er bereits mehrfach gestürzt. Seine Bewegungsfähigkeit sei äußerst stark eingeschränkt. Ein Wirbelgleiten verursache nicht nur erhebliche Schmerzen sondern auch erhebliche Gehunsicherheiten. Seine Knie "knacken" und er knicke sehr leicht um. Die Voraussetzungen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr seien erfüllt. Der Kläger legte Atteste des Dr. K. vom 20.03.2007 sowie des Dr. H. vom 24.07.2007 vor.
Das SG hörte Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen an, der sich mit Schreiben vom 15.05.2007 äußerte. Außerdem holte das SG von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Dr. A. vom 02.07.2007 ein. Der Sachverständige diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer klinischen und radiologischen Untersuchung des Klägers und Auswertung der Aktenunterlagen ein chronisches Hals- und Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom mit Wirbelgleiten L5/S1 Grad I nach Meyerding und Osteochondrose L4/5 und L5/S1, ohne neurologische Ausfälle, mit rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen, ausstrahlend in beide Beine (Teil-GdB 20); ein chronisches Impingementsyndrom beider Schultergelenke bei AC-Gelenksarthrose, ohne Einschränkung der Beweglichkeit (Teil-GdB 0); eine retropatellare Chondromalazie beider Kniegelenke mit rezidivierenden retropatellare Reizerscheinungen bei radiologisch unauffälligem Befund (Teil-GdB 20); eine beginnende Arthrose beider Hüftgelenke mit Einschränkung der Innenrotation beidseits (geringe Bewegungseinschränkung beidseits, - Teil-GdB 20 -). Der Sachverständige gelangte zu der Bewertung, der Kläger sei aufgrund der orthopädischen Leiden und Erkrankungen in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht beeinträchtigt. Den Gesamt-GdB schätzte er auf 70.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 31.10.2007 entgegen. Der Kläger sah sich durch das Gutachten des Dr. A. bestätigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.12.2007 wies das SG die Klage des Klägers ab. Es führte zur Begründung aus, unter Berücksichtigung der rechtlichen Gegebenheiten und der zu berücksichtigenden Maßgaben der AHP lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" beim Kläger nicht vor. Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen führten zwar zu einer Beeinträchtigung des Gehens, nicht jedoch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten festgestellt, dass der Kläger aufgrund seiner Leiden in der Lage sei, eine Wegstrecke von zwei Kilometer in einer halben Stunde zu Fuß zurückzulegen und er in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht beeinträchtigt sei. Ein Teil-GdB von 50 für die unteren Gliedmaßen und die Lendenwirbelsäule lägen nicht vor. Im Hinblick auf die festgestellten Funktionsbehinderungen seien auch keine Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von 40 feststellbar, die sich besonders auf das Gehvermögen auswirkten. Aus den orthopädischen Leiden des Klägers ließen sich die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht ableiten. Auch die seelische Störung des Klägers führe nicht zu einer derartigen Störung der Orientierungsfähigkeit, dass er mit geistig behinderten Menschen gleichzusetzen wäre, die sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzten, nur schwer zurechtfinden können.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18.12.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 18.01.2008 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, er leide an zahlreichen Gesundheitsstörungen und Funktionsbehinderungen. Das SG habe sich zu Unrecht auf das Gutachten des Dr. A. gestützt. Er sei nicht in der Lage, ohne Gefahren eine Wegstrecke von zwei Kilometern konstant in einer halben Stunde zu Fuß zurückzulegen. Es sei nicht ausreichend gewürdigt worden, dass zwischenzeitlich kernspintomographisch festgestellte Verschleißerscheinungen im rechten Knie diagnostiziert worden seien. Die Begutachtung des Dr. A. sei insoweit unrichtig. Für das Merkzeichen "G" sei regelmäßig ein GdB von wenigstens 50 erforderlich. Bei ihm liege bereits ein GdB von 60 vor. Durch die nunmehr noch nicht erfasste beidseitige Erkrankung der Kniegelenke sei der Gesamt-GdB noch höher einzustufen. Auch seine psychische Problematik (Schwindelanfälle etc.) wirke sich wegen häufiger Stürze in der Vergangenheit massiv auf die Gehfähigkeit aus, die sehr eingeschränkt sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" seit 21. September 2006 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 03.04.2008 unter Vorlage des radiologischen Befundberichtes des Dr. M. vom 17.07.2007 den Behandlungsverlauf seit März 2007 sowie die erhobenen Befunde mit. Zu den Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Gehfähigkeit des Klägers hat er angegeben, aufgrund eines retropatellaren Knorpelschadens seien derzeit längere Gehstrecken und Belastungen der Kniescheibe schmerzhaft.
Der Rechtsstreit ist in nichtöffentlicher Sitzung am 12.12.2008 mit den Beteiligten durch den Berichterstatter erörtert worden. Die Beteiligten haben sich im Termin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 12.12.2008 wird verwiesen.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die Feststellung des Merkzeichens "G" mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2007 zu Recht abgelehnt. Dem Kläger steht das Merkzeichen "G" nicht zu.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Seit 01.01.2009 ist allerdings an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Ob die Regelungen der VG zum Merkzeichen "G" auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhen, weil die Verordnungsermächtigung in § 30 Abs. 17 BVG nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist, lässt der Senat dahinstehen. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - soweit vorliegend relevant - übernommen (vgl. Teil D Nr. 1 S. 114f) und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).
Das SG hat auch zutreffend mit eingehender Begründung ausgeführt, weshalb beim Kläger vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht ausgegangen werden kann. Auch der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu der Überzeugung, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vorliegen. Der Senat schließt sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung der ausführlichen Begründung des SG in vollem Umfang an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:
Dass das Gehvermögen des Klägers durch den am 17.07.2007 kernspintomographisch festgestellten retropatellaren Knorpelschaden am rechten Kniegelenk (Chondromalazia patellae Grad I, Degeneration am Hinterhorn des Innenmeniskus mit geringgradigem Begleitgelenkerguss) nunmehr so weit herabgesetzt wird, dass bei ihm vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" ausgegangen werden kann, ist nicht der Fall. Nach der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. K. vom 03.04.2008 klagte der Kläger über Schmerzen. Die Beweglichkeit des Kniegelenkes war jedoch nur leicht eingeschränkt (120-5-0). Diese geringfügige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes des Klägers rechtfertigt nach den VG noch keinen Teil-GdB von wenigstens 10, der erst bei einer Bewegungseinschränkung von 0-0-90 einseitig vorgesehen ist (vgl. VG Teil B Nr. 18.14 S. 100). Dr. K. hat in seiner Stellungnahme weiter von einer Einschränkung des Gehvermögens des Klägers nicht berichtet, sondern lediglich ausgeführt, aufgrund des retropatellaren Knorpelschadens seien derzeit längere Gehstrecken und Belastungen der Kniescheibe schmerzhaft. Eine rechtlich relevante Verschlimmerung der Gehfähigkeit des Klägers seit der Begutachtung durch Dr. A. ist danach nicht eingetreten.
Das vom Kläger vorgelegten Attest des Dr. K. vom 20.03.2007 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Soweit er in diesem Attest eine maximale Gehstrecke von "zur Zeit" 250 Meter nennt, gibt er lediglich die vom Kläger gemachten Angaben wieder, ohne hierzu aus eigener Sicht an Hand der genannten Befunde Stellung zu nehmen. Eine Dauereinschränkung ergibt sich hieraus nicht. Dass es beim Kläger wegen des Auftretens einer Claudicatio (spinalis) zu einer relevanten Limitierung des Gehvermögens kommt, hat Dr. A. in seinem Gutachten nicht festgestellt. Er hat vielmehr aufgrund der Untersuchung des Klägers am 26.06.2007 die beim Kläger bestehenden orthopädischen Gesundheitsstörungen, auch unter Berücksichtigung des mit neurologisch unauffälligem Befund einhergehenden Wirbelgleitens, als die Gehfähigkeit nicht beeinträchtigend gewertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Bei dem am 1972 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt Stuttgart in einem Nachprüfungsverfahren mit Bescheid vom 08.04.2002 wegen einer seelischen Störung (Teil-GdB 50), einer Gebrauchseinschränkung beider Beine (Teil-GdB 20), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) und wegen Bronchialasthma, Allergie sowie Atembehinderung bei Verengung des Nasenganges (Teil-GdB 10) den GdB mit 60 seit dem 10.12.2001 neu fest. Die erforderlichen Voraussetzungen der gesundheitlichen Merkmale (Merkzeichen) "G" wurden nicht festgestellt. Ein im März 2005 vom Versorgungsamt Stuttgart eingeleitetes Nachprüfungsverfahren führte mit Bescheid vom 28.06.2005 zu keiner Änderung des Bescheides vom 08.04.2002.
Am 21.09.2006 beantragte der Kläger beim zwischenzeitlich zuständig gewordenen Landratsamt B. - Versorgungsamt Stuttgart - (VA) die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G". Das VA holte den ärztlichen Befundschein des Dr. M. vom 05.10.2006 ein, der die Gehstrecke des Klägers mit maximal 400 m angab. Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes (Dr. K. vom 16.11.2006) lehnte das VA mit Bescheid vom 23.11.2006 den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "G" ab.
Hiergegen legte der Kläger am 04.12.2006 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, durch eine Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule sei er erheblich beeinträchtigt. Bei starken Rückenschmerzen sei er nicht in der Lage, selbstständig zum Arzt zu fahren. Er könne ohne fremde Hilfe keinen Bus betreten. Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 18.01.2007 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, keine der an den Beinen und an der Lendenwirbelsäule festgestellte Funktionsbeeinträchtigungen erreichten so hohe GdB-Werte, die sich in besonderem Maße negativ auf die Gehfähigkeit auswirken können. Eine Zuerkennung des Merkzeichens "G" sei daher nicht zu begründen.
Hiergegen erhob der Kläger am 29.01.2007 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte zur Begründung geltend, er leide unter einem Lendenwirbelsäulensyndrom, das erhebliche Ischiasbeschwerden und Rückenschmerzen bewirke, weshalb er im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei. Er brauche fremde Hilfe beim Treppengehen und auch beim Ein- und Aussteigen öffentlicher Nahverkehrsmittel. Infolge seiner Behinderung sei er bereits mehrfach gestürzt. Seine Bewegungsfähigkeit sei äußerst stark eingeschränkt. Ein Wirbelgleiten verursache nicht nur erhebliche Schmerzen sondern auch erhebliche Gehunsicherheiten. Seine Knie "knacken" und er knicke sehr leicht um. Die Voraussetzungen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr seien erfüllt. Der Kläger legte Atteste des Dr. K. vom 20.03.2007 sowie des Dr. H. vom 24.07.2007 vor.
Das SG hörte Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen an, der sich mit Schreiben vom 15.05.2007 äußerte. Außerdem holte das SG von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Dr. A. vom 02.07.2007 ein. Der Sachverständige diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer klinischen und radiologischen Untersuchung des Klägers und Auswertung der Aktenunterlagen ein chronisches Hals- und Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom mit Wirbelgleiten L5/S1 Grad I nach Meyerding und Osteochondrose L4/5 und L5/S1, ohne neurologische Ausfälle, mit rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen, ausstrahlend in beide Beine (Teil-GdB 20); ein chronisches Impingementsyndrom beider Schultergelenke bei AC-Gelenksarthrose, ohne Einschränkung der Beweglichkeit (Teil-GdB 0); eine retropatellare Chondromalazie beider Kniegelenke mit rezidivierenden retropatellare Reizerscheinungen bei radiologisch unauffälligem Befund (Teil-GdB 20); eine beginnende Arthrose beider Hüftgelenke mit Einschränkung der Innenrotation beidseits (geringe Bewegungseinschränkung beidseits, - Teil-GdB 20 -). Der Sachverständige gelangte zu der Bewertung, der Kläger sei aufgrund der orthopädischen Leiden und Erkrankungen in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht beeinträchtigt. Den Gesamt-GdB schätzte er auf 70.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 31.10.2007 entgegen. Der Kläger sah sich durch das Gutachten des Dr. A. bestätigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.12.2007 wies das SG die Klage des Klägers ab. Es führte zur Begründung aus, unter Berücksichtigung der rechtlichen Gegebenheiten und der zu berücksichtigenden Maßgaben der AHP lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" beim Kläger nicht vor. Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen führten zwar zu einer Beeinträchtigung des Gehens, nicht jedoch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten festgestellt, dass der Kläger aufgrund seiner Leiden in der Lage sei, eine Wegstrecke von zwei Kilometer in einer halben Stunde zu Fuß zurückzulegen und er in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht beeinträchtigt sei. Ein Teil-GdB von 50 für die unteren Gliedmaßen und die Lendenwirbelsäule lägen nicht vor. Im Hinblick auf die festgestellten Funktionsbehinderungen seien auch keine Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von 40 feststellbar, die sich besonders auf das Gehvermögen auswirkten. Aus den orthopädischen Leiden des Klägers ließen sich die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht ableiten. Auch die seelische Störung des Klägers führe nicht zu einer derartigen Störung der Orientierungsfähigkeit, dass er mit geistig behinderten Menschen gleichzusetzen wäre, die sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzten, nur schwer zurechtfinden können.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18.12.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 18.01.2008 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, er leide an zahlreichen Gesundheitsstörungen und Funktionsbehinderungen. Das SG habe sich zu Unrecht auf das Gutachten des Dr. A. gestützt. Er sei nicht in der Lage, ohne Gefahren eine Wegstrecke von zwei Kilometern konstant in einer halben Stunde zu Fuß zurückzulegen. Es sei nicht ausreichend gewürdigt worden, dass zwischenzeitlich kernspintomographisch festgestellte Verschleißerscheinungen im rechten Knie diagnostiziert worden seien. Die Begutachtung des Dr. A. sei insoweit unrichtig. Für das Merkzeichen "G" sei regelmäßig ein GdB von wenigstens 50 erforderlich. Bei ihm liege bereits ein GdB von 60 vor. Durch die nunmehr noch nicht erfasste beidseitige Erkrankung der Kniegelenke sei der Gesamt-GdB noch höher einzustufen. Auch seine psychische Problematik (Schwindelanfälle etc.) wirke sich wegen häufiger Stürze in der Vergangenheit massiv auf die Gehfähigkeit aus, die sehr eingeschränkt sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" seit 21. September 2006 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 03.04.2008 unter Vorlage des radiologischen Befundberichtes des Dr. M. vom 17.07.2007 den Behandlungsverlauf seit März 2007 sowie die erhobenen Befunde mit. Zu den Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Gehfähigkeit des Klägers hat er angegeben, aufgrund eines retropatellaren Knorpelschadens seien derzeit längere Gehstrecken und Belastungen der Kniescheibe schmerzhaft.
Der Rechtsstreit ist in nichtöffentlicher Sitzung am 12.12.2008 mit den Beteiligten durch den Berichterstatter erörtert worden. Die Beteiligten haben sich im Termin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 12.12.2008 wird verwiesen.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die Feststellung des Merkzeichens "G" mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2007 zu Recht abgelehnt. Dem Kläger steht das Merkzeichen "G" nicht zu.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Seit 01.01.2009 ist allerdings an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Ob die Regelungen der VG zum Merkzeichen "G" auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhen, weil die Verordnungsermächtigung in § 30 Abs. 17 BVG nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist, lässt der Senat dahinstehen. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - soweit vorliegend relevant - übernommen (vgl. Teil D Nr. 1 S. 114f) und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).
Das SG hat auch zutreffend mit eingehender Begründung ausgeführt, weshalb beim Kläger vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht ausgegangen werden kann. Auch der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu der Überzeugung, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vorliegen. Der Senat schließt sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung der ausführlichen Begründung des SG in vollem Umfang an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:
Dass das Gehvermögen des Klägers durch den am 17.07.2007 kernspintomographisch festgestellten retropatellaren Knorpelschaden am rechten Kniegelenk (Chondromalazia patellae Grad I, Degeneration am Hinterhorn des Innenmeniskus mit geringgradigem Begleitgelenkerguss) nunmehr so weit herabgesetzt wird, dass bei ihm vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" ausgegangen werden kann, ist nicht der Fall. Nach der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. K. vom 03.04.2008 klagte der Kläger über Schmerzen. Die Beweglichkeit des Kniegelenkes war jedoch nur leicht eingeschränkt (120-5-0). Diese geringfügige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes des Klägers rechtfertigt nach den VG noch keinen Teil-GdB von wenigstens 10, der erst bei einer Bewegungseinschränkung von 0-0-90 einseitig vorgesehen ist (vgl. VG Teil B Nr. 18.14 S. 100). Dr. K. hat in seiner Stellungnahme weiter von einer Einschränkung des Gehvermögens des Klägers nicht berichtet, sondern lediglich ausgeführt, aufgrund des retropatellaren Knorpelschadens seien derzeit längere Gehstrecken und Belastungen der Kniescheibe schmerzhaft. Eine rechtlich relevante Verschlimmerung der Gehfähigkeit des Klägers seit der Begutachtung durch Dr. A. ist danach nicht eingetreten.
Das vom Kläger vorgelegten Attest des Dr. K. vom 20.03.2007 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Soweit er in diesem Attest eine maximale Gehstrecke von "zur Zeit" 250 Meter nennt, gibt er lediglich die vom Kläger gemachten Angaben wieder, ohne hierzu aus eigener Sicht an Hand der genannten Befunde Stellung zu nehmen. Eine Dauereinschränkung ergibt sich hieraus nicht. Dass es beim Kläger wegen des Auftretens einer Claudicatio (spinalis) zu einer relevanten Limitierung des Gehvermögens kommt, hat Dr. A. in seinem Gutachten nicht festgestellt. Er hat vielmehr aufgrund der Untersuchung des Klägers am 26.06.2007 die beim Kläger bestehenden orthopädischen Gesundheitsstörungen, auch unter Berücksichtigung des mit neurologisch unauffälligem Befund einhergehenden Wirbelgleitens, als die Gehfähigkeit nicht beeinträchtigend gewertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved