Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 771/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3444/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.
Der 1959 geborene Kläger erlitt am 27.10.2003 als Radfahrer einen Wegeunfall. Wegen der Folgen dieses Unfalls bezieht er von der Berufsgenossenschaft Metall Süd eine Unfallrente auf der Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H ...
Am 03.09.2004 beantragte der Kläger die Feststellung als Schwerbehinderter ab Antragstellung. Der Beklagte zog daraufhin die Entlassungsberichte des Klinikums K.-L. vom 25.02.2004 (stationärer Aufenthalt vom 25.11.2003 bis 05.02.2004) und der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik U. vom 27.05.2004 (stationärer Aufenthalt vom 13.05.2004 bis 26.05.2004) bei, auf die Bezug genommen wird. In Auswertung dieser Befunde führte Prüfärztin Dr. S. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 18.01.2005 aus, aufgrund des letzten neurologischen Befunds, der dreieinhalb Monate nach dem Unfallereignisangefertigt worden sei, könne von einem GdB von ca. 30 für das hirnorganische Psychosyndrom und ca. 20 für die Facialislähmung ausgegangen werden, wobei zwischenzeitlich eine Besserung eingetreten sein könne. Mit Bescheid vom 03.02.2005 stellte der Beklagte den Grad der Behinderung (GdB) des Klägers für die Zeit ab 03.09.2004 mit 40 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden eine Gesichtsnervenlähmung rechts (Facialisparese), ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks sowie eine Kreuzbandersatzplastik zugrunde gelegt.
Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, die Trümmerfraktur des rechten Handgelenks sei nicht berücksichtigt, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2005 für die Zeit vom 27.10.2003 bis 31.08.2004 den GdB mit 50 und vom 01.09.2004 bis 02.09.2004 mit 40 fest. Über die Zeit ab 03.09.2004 entscheide der Bescheid vom 03.02.2005.
Nachdem der Kläger ein von Prof. Dr. P. im berufsgenossenschaftlichen Verfahren erstelltes unfallchirurgisches Gutachten vom 04.03.2005 vorgelegt hatte empfahlen Prüfarzt Dr. I. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.10.2005 und Prüfarzt Dr. C. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.12.2005 die Feststellung eines Gesamt-GdB von 30. Dr. C. führte aus, bei der Bewertung der Unfallfolgen habe es sich ursprünglich um eine grobe Schätzung gehandelt, da keine entsprechenden abschließenden Gutachten vorgelegen hätten und das Unfallereignis noch relativ zeitnah gewesen sei. Aufgrund der nunmehr durchgeführten Begutachtung über die gesamten Unfallfolgen sei der GdB mit 30 festzusetzen. Über die Höhe des GdB wegen Hörminderung mit Tinnitus nach Hörsturz rechts könne ohne entsprechende HNO-Befunde nicht entschieden werden. Der Zustand nach Außenknöchelbruch rechts könne mit einem GdB von unter 10 bewertet werden.
Der Beklagte zog weiter die im berufsgenossenschaftlichen Verfahren erstellten Gutachten bei. Prof. Dr. D. stellte im nervenärztlichen Gutachten mit elektroenzephalographischem und augenärztlichem Zusatzgutachten vom 16.06.2006 die Diagnosen einer sehr diskreten peripheren Facialisparese rechts und diskreter Hinweise für eine Störung des Riechsinnes. Eine trigeminale Leitungsstörung habe ebenso wenig wie eine Schädigung im Bereich der Sehnerven durch visuell evozierte Potentiale festgestellt werden können, elektroenzephalographisch sei ein normales EEG vom Alpha-Typ zur Darstellung gekommen. Im unfallchirurgischen Gutachten vom 04.04.2006 beschrieb PD Dr. M. eine antero-mediale Instabilität des rechten Kniegelenkes und Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Handgelenkes. Im augenärztlichen Gutachten vom 15.07.2006 stellte Dr. J. eine erhöhte Empfindlichkeit aufgrund mangelnder Benetzung der Hornhaut am rechten Auge bei Zustand nach Facialisverletzung fest. Prof. Dr. H. nannte im HNO-ärztlichen Gutachten vom 17.07.2006 die Diagnosen einer mittelgradigen Hörminderung rechts bei 4 kHz und 6 kHz, einer geringgradigen Hörminderung links bei 4 kHz, einer Hyposmie beidseits, einer Hypogeusie (Geschmacksqualität bitter), einer geringgradigen Gefühlsminderung der linken Stirnregion sowie pathologischer Mitbewegungen in der rechten Gesichtshälfte als Defektheilung nach Facialisparese; der bei der Erstbegutachtung angegebene Schwindel bestehe nicht mehr. Im kieferchirurgischen Gutachten vom 11.08.2006 stellte PD Dr. N. die Diagnosen einer Mittelgesichtstrümmerfraktur mit Schädelbasisbeteiligung und Stirnhöhlenvorderwandbeteiligung sowie einer Alveolarfortsatzfraktur mit mittelbarer Verletzung der Zähne 43 und 44. In Auswertung dieser Gutachten gelangte Prüfarzt Dr. C. in der Stellungnahme vom 10.11.2006 zur Beurteilung, die Folgen des Unfalls vom 27.10.2003 bedingten einen Teil-GdB von 30, die Veränderungen der Nasennebenhöhlen und die Sehminderung jeweils einen Teil-GdB von 10. Keinen Teil-GdB von mindestens 10 rechtfertigten die Frakturen im Kopf- und Gesichtsbereich, die Radiusfraktur rechts sowie die Ohrgeräusche (Tinnitus). Der Gesamt-GdB sei mit 30 festzusetzen.
Nach Anhörung des Klägers hob der Beklagte mit Bescheid vom 29.12.2006 den Bescheid vom 03.02.2005 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte den GdB ab 05.01.2007 nur noch mit 30 fest. Zur Begründung führte er aus, im Nachprüfungsverfahren sei auf der Grundlage der zwischenzeitlich erhobenen Befunde insoweit eine wesentliche Änderung eingetreten, als sich die bisher entsprechend dem Klinikbericht vom Mai 2004 berücksichtigten Unfallfolgen zwischenzeitlich gebessert hätten, wie den von April bis August 2006 erhobenen Untersuchungsergebnissen entnommen werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Auf den Widerspruchsbescheid wird insoweit Bezug genommen.
Hiergegen hat der Kläger am 13.02.2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, nicht mehr in ärztlicher Behandlung zu stehen, weil nicht erkennbar sei, dass hierdurch eine Besserung der unfallbedingten Beschwerden erzielt werden könne. Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Dr. R., Chefarzt der Chirurgischen Klinik Abteilung II der St. V.-Klinik, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 31.01.2008 hat Dr. R. folgende Funktionsstörungen festgestellt:
- Geringfügige Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit rechts mit leichter, muskulär kompensierter, vorderer Instabilität des rechten Kniegelenkes nach Kreuzbandersatzplastik (Teil-GdB 10) - geringe Einschränkung der rechten Sprunggelenksbeweglichkeit sowie geringfügiger Spreizfuß (kein messbarer GdB) - leichte Bewegungseinschränkung und Kraftminderung an der rechten Hand nach körperfernem Speichenbruch sowie leichte Gefühlsstörungen an Daumen, Zeige- und Mittelfinger rechts (Teil-GdB unter 10) - mittelschwere Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks mit Kraftminderung und Teilversteifung der Handwurzel (Teil-GdB 10).
Die kernspintomographisch festgestellten degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule bedingten keine Funktionsbeeinträchtigungen und damit keinen GdB. Basierend auf den für die BG Metall Süd im Jahr 2006 erstellten Gutachten auf kieferchirurgischem, neurologischem, HNO-ärztlichem und augenärztlichem Fachgebiet sei für die Unfallfolgen ein GdB von 30 zutreffend, wobei die Funktionsbeeinträchtigungen auf unfallchirurgischem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten seien. Der unfallunabhängige Defektzustand an der linken Handwurzel nach Teilversteifung bedinge gleichfalls einen Teil-GdB von 10.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2008, auf den Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den am 20.06.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, den 21.07.2008, Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei der Feststellung des GdB sei sein Hörschaden auf dem rechten Ohr, mit dem er wesentlich schlechter als mit dem linken Ohr höre, nicht berücksichtigt worden. Er selbst schätze, dass auf diesem Ohr nur noch etwa die Hälfte der ursprünglichen Hörfähigkeit vorliege. Eine Behandlungsmöglichkeit bestehe nicht. Er befinde sich deshalb auch nicht in ärztlicher Behandlung.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2008 aufzuheben sowie die Bescheide des Beklagten vom 03. Februar 2005 und 29. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2007 abzuändern und den Grad der Behinderung ab Antragstellung mit mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Der Bescheid vom 21.02.2005 ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, da er den Zeitraum vor der Antragstellung betrifft, mit der Berufung jedoch die Feststellung eines höheren GdB ab Antragstellung geltend gemacht wird.
Die Berufung ist nicht begründet.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehinderter Mensch ist anzuerkennen, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Der Senat wendet zur Beurteilung des Grades der Behinderung im Einzelfall die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), derzeit in der Ausgabe 2008, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SozR 4-3250 § 69 Nr. 2), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.). Wie untergesetzliche Normen sind sie auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetz und Verfassung, auf Berücksichtigung des gegenwärtig herrschenden Kenntnisstandes der medizinischen Wissenschaft sowie auf Lücken in Sonderfällen zu prüfen, die wegen ihrer individuellen Verhältnisse abweichend zu beurteilen sind (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R). Soweit für die Beurteilung des Beklagten noch die Anhaltspunkte 2004 maßgeblich waren, ist durch die Neufassung der Anhaltspunkte mit Ausgabe 2008 in den hier zu beurteilenden Einschränkungen keine Änderung eingetreten. Ergänzend ist festzustellen, dass zwischenzeitlich die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2008 seit 01.01.2009 durch den im Wesentlichen unveränderten Teil A und B der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.Dezember 2008 ersetzt werden. Eine andere Beurteilung der hier in Frage stehenden Funktionsbeeinträchtigungen im Vergleich zu den vom SG berücksichtigten AHP 2008 ergibt sich daraus nicht.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 für die Zeit vom 03.09.2004 bis zum 04.01.2007.
Beim Kläger hat ursprünglich nach dem Unfall vom 27.10.2003 eine Gesichtsnervenlähmung rechts (Facialisparese) sowie ein hirnorganisches Psychosyndrom vorgelegen. Diesbezüglich ist jedoch eine kontinuierliche Besserung eingetreten. Der Prüfärztin Dr. S. lag der Entlassbericht von Prof. Dr. Fetter, Klinikum K. L., über die stationäre Behandlung des Klägers vom 25.11.2003 bis 05.02.2004, in welchem die Diagnose eines Schädel-Hirn-Traumas mit Kontusionsblutungen beidseits temporal angegeben worden war, zugrunde. Darin war mitgeteilt worden, bei der Entlassung am 03.02.2004 habe nach wie vor eine deutliche Facialisparese rechts bestanden. Bereits im Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik U. vom 27.05.2004 über die stationäre Behandlung vom 13.05 bis 26.05.2004 war jedoch ausgeführt worden, die Gesichtsverletzungen sowie die Radiusfraktur seien regelrecht ausgeheilt. Dementsprechend hat Dr. S. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 18.01.2005, in welcher sie einen Teil-GdB von 40 für die Facialisparese und das hirnorganische Psychosyndrom vorgeschlagen hat, ausgeführt, aktuelle Berichte lägen noch nicht vor, eine weitere Besserung vor allem der Facialisparese könnte inzwischen eingetreten sein. Diese Annahme hat sich bestätigt, wie dem Gutachten von Prof. Dr. D., der den Kläger am 06.06.2006 gutachterlich untersucht hat, entnommen werden kann, wonach zwischenzeitlich nur noch eine sehr diskrete periphere Facialisparese vorgelegen hat. Eine weitere Besserung entnimmt der Senat dem Umstand, dass bei nachfolgenden Untersuchungen keine entsprechenden Befunde mehr festgestellt werden konnten. Unter Einbeziehung der Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Gebiet, nämlich einer Instabilität des rechten Kniegelenks, einer Kraftminderung der rechten Hand sowie einer eingeschränkten Handgelenksbeweglichkeit rechts nach osteosynthetisch versorgtem Speichentrümmerbruch, ist ein GdB von 40 bis zum 04.01.2007 angemessen und ausreichend.
Der Kläger hat schließlich für die Zeit ab dem 05.01.2007 auch keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten von Dr. R. vom 31.01.2008 sowie den vom Beklagten beigezogenen medizinischen Unterlagen des Verfahrens gegen den Unfallversicherungsträger. Danach liegen noch eine geringfügige Kniegelenksbeweglichkeit rechts, Bewegungseinschränkungen und Kraftminderungen der Hände sowie leichte Gefühlsstörungen am rechten Daumen, Zeige- und Mittelfinger vor. Die Facialisparese rechts sowie eine Störung des Geruchs- und Geschmacksinns sind nur noch sehr diskret vorhanden, so dass jedenfalls ab dem 05.01.2007 der GdB nur noch 30 beträgt.
Der Bescheid vom 29.12.2006 ist während des noch laufenden Widerspruchsverfahrens aufgrund des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid vom 03.02.2005 ergangen. Im Widerspruchsverfahren hat die Behörde den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen (vgl. § 78 Abs. 1 SGG). Diese Überprüfung hat in vollem Umfang zu erfolgen, insbesondere ist auch eine Schlechterstellung des Widerspruchsführers (reformatio in peius) möglich (vgl. BSG Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RVs 2/92 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 5). Die reformatio in peius ist jedenfalls dann zulässig, wenn die Widerspruchsbehörde Fachaufsicht über die Entscheidungsbehörde ausübt oder - wie hier - die Behörden identisch sind; die Grundsätze des Vertrauensschutzes und von Treu und Glauben sind zu berücksichtigen (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl, § 85 Rz 5). Dem ist vorliegend durch die Anhörung des Klägers vor der Herabbemessung gem. § 24 SGB X Rechnung getragen worden. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass bei der Neufestsetzung bzw. Herabbemessung des GdB für die Zeit ab 05.01.2007 der Maßstab des § 48 SGB X zugrunde zu legen war. Die Voraussetzungen der Herabbemessung sind erfüllt, da gegenüber dem früheren Zustand eine wesentliche Besserung eingetreten ist.
Es liegen auch keine Einschränkungen auf HNO-ärztlichem Gebiet vor, die eine Erhöhung des GdB rechtfertigen könnten. Der Kläger hat zwar vorgetragen, sein subjektives Hörempfinden auf dem rechten Ohr sei wesentlich schlechter geworden. Er befindet sich deshalb jedoch nicht in ärztlicher Behandlung. Auch hat Prof. Dr. H. im HNO-fachärztlichen Gutachten vom 17.07.2006 ausgeführt, eine im Februar 2004 aufgetretene Hörminderung links (!) mit Tinnitus links sei konservativ behandelt worden, eine empfohlene hyperbare Sauerstofftherapie sei nicht in Anspruch genommen worden. Bei der Hörprüfung war der Stimmgabelversuch beidseits positiv, Umgangs- und Flüstersprache konnte aus einer Entfernung von über sechs Metern gehört und verstanden werden. Insgesamt hat sich entsprechend der Tabelle nach Boenninghaus und Röser (vgl. Tabelle A in Ziff. 26.5 AHP 2008) ein prozentualer Hörverlust von 0%, entsprechend der Tabelle der deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, ergeben. Eine Verschlechterung des Hörvermögens nach der Untersuchung durch Prof. Dr. H. ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.
Der 1959 geborene Kläger erlitt am 27.10.2003 als Radfahrer einen Wegeunfall. Wegen der Folgen dieses Unfalls bezieht er von der Berufsgenossenschaft Metall Süd eine Unfallrente auf der Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H ...
Am 03.09.2004 beantragte der Kläger die Feststellung als Schwerbehinderter ab Antragstellung. Der Beklagte zog daraufhin die Entlassungsberichte des Klinikums K.-L. vom 25.02.2004 (stationärer Aufenthalt vom 25.11.2003 bis 05.02.2004) und der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik U. vom 27.05.2004 (stationärer Aufenthalt vom 13.05.2004 bis 26.05.2004) bei, auf die Bezug genommen wird. In Auswertung dieser Befunde führte Prüfärztin Dr. S. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 18.01.2005 aus, aufgrund des letzten neurologischen Befunds, der dreieinhalb Monate nach dem Unfallereignisangefertigt worden sei, könne von einem GdB von ca. 30 für das hirnorganische Psychosyndrom und ca. 20 für die Facialislähmung ausgegangen werden, wobei zwischenzeitlich eine Besserung eingetreten sein könne. Mit Bescheid vom 03.02.2005 stellte der Beklagte den Grad der Behinderung (GdB) des Klägers für die Zeit ab 03.09.2004 mit 40 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden eine Gesichtsnervenlähmung rechts (Facialisparese), ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks sowie eine Kreuzbandersatzplastik zugrunde gelegt.
Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, die Trümmerfraktur des rechten Handgelenks sei nicht berücksichtigt, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2005 für die Zeit vom 27.10.2003 bis 31.08.2004 den GdB mit 50 und vom 01.09.2004 bis 02.09.2004 mit 40 fest. Über die Zeit ab 03.09.2004 entscheide der Bescheid vom 03.02.2005.
Nachdem der Kläger ein von Prof. Dr. P. im berufsgenossenschaftlichen Verfahren erstelltes unfallchirurgisches Gutachten vom 04.03.2005 vorgelegt hatte empfahlen Prüfarzt Dr. I. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.10.2005 und Prüfarzt Dr. C. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.12.2005 die Feststellung eines Gesamt-GdB von 30. Dr. C. führte aus, bei der Bewertung der Unfallfolgen habe es sich ursprünglich um eine grobe Schätzung gehandelt, da keine entsprechenden abschließenden Gutachten vorgelegen hätten und das Unfallereignis noch relativ zeitnah gewesen sei. Aufgrund der nunmehr durchgeführten Begutachtung über die gesamten Unfallfolgen sei der GdB mit 30 festzusetzen. Über die Höhe des GdB wegen Hörminderung mit Tinnitus nach Hörsturz rechts könne ohne entsprechende HNO-Befunde nicht entschieden werden. Der Zustand nach Außenknöchelbruch rechts könne mit einem GdB von unter 10 bewertet werden.
Der Beklagte zog weiter die im berufsgenossenschaftlichen Verfahren erstellten Gutachten bei. Prof. Dr. D. stellte im nervenärztlichen Gutachten mit elektroenzephalographischem und augenärztlichem Zusatzgutachten vom 16.06.2006 die Diagnosen einer sehr diskreten peripheren Facialisparese rechts und diskreter Hinweise für eine Störung des Riechsinnes. Eine trigeminale Leitungsstörung habe ebenso wenig wie eine Schädigung im Bereich der Sehnerven durch visuell evozierte Potentiale festgestellt werden können, elektroenzephalographisch sei ein normales EEG vom Alpha-Typ zur Darstellung gekommen. Im unfallchirurgischen Gutachten vom 04.04.2006 beschrieb PD Dr. M. eine antero-mediale Instabilität des rechten Kniegelenkes und Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Handgelenkes. Im augenärztlichen Gutachten vom 15.07.2006 stellte Dr. J. eine erhöhte Empfindlichkeit aufgrund mangelnder Benetzung der Hornhaut am rechten Auge bei Zustand nach Facialisverletzung fest. Prof. Dr. H. nannte im HNO-ärztlichen Gutachten vom 17.07.2006 die Diagnosen einer mittelgradigen Hörminderung rechts bei 4 kHz und 6 kHz, einer geringgradigen Hörminderung links bei 4 kHz, einer Hyposmie beidseits, einer Hypogeusie (Geschmacksqualität bitter), einer geringgradigen Gefühlsminderung der linken Stirnregion sowie pathologischer Mitbewegungen in der rechten Gesichtshälfte als Defektheilung nach Facialisparese; der bei der Erstbegutachtung angegebene Schwindel bestehe nicht mehr. Im kieferchirurgischen Gutachten vom 11.08.2006 stellte PD Dr. N. die Diagnosen einer Mittelgesichtstrümmerfraktur mit Schädelbasisbeteiligung und Stirnhöhlenvorderwandbeteiligung sowie einer Alveolarfortsatzfraktur mit mittelbarer Verletzung der Zähne 43 und 44. In Auswertung dieser Gutachten gelangte Prüfarzt Dr. C. in der Stellungnahme vom 10.11.2006 zur Beurteilung, die Folgen des Unfalls vom 27.10.2003 bedingten einen Teil-GdB von 30, die Veränderungen der Nasennebenhöhlen und die Sehminderung jeweils einen Teil-GdB von 10. Keinen Teil-GdB von mindestens 10 rechtfertigten die Frakturen im Kopf- und Gesichtsbereich, die Radiusfraktur rechts sowie die Ohrgeräusche (Tinnitus). Der Gesamt-GdB sei mit 30 festzusetzen.
Nach Anhörung des Klägers hob der Beklagte mit Bescheid vom 29.12.2006 den Bescheid vom 03.02.2005 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte den GdB ab 05.01.2007 nur noch mit 30 fest. Zur Begründung führte er aus, im Nachprüfungsverfahren sei auf der Grundlage der zwischenzeitlich erhobenen Befunde insoweit eine wesentliche Änderung eingetreten, als sich die bisher entsprechend dem Klinikbericht vom Mai 2004 berücksichtigten Unfallfolgen zwischenzeitlich gebessert hätten, wie den von April bis August 2006 erhobenen Untersuchungsergebnissen entnommen werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Auf den Widerspruchsbescheid wird insoweit Bezug genommen.
Hiergegen hat der Kläger am 13.02.2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, nicht mehr in ärztlicher Behandlung zu stehen, weil nicht erkennbar sei, dass hierdurch eine Besserung der unfallbedingten Beschwerden erzielt werden könne. Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Dr. R., Chefarzt der Chirurgischen Klinik Abteilung II der St. V.-Klinik, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 31.01.2008 hat Dr. R. folgende Funktionsstörungen festgestellt:
- Geringfügige Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit rechts mit leichter, muskulär kompensierter, vorderer Instabilität des rechten Kniegelenkes nach Kreuzbandersatzplastik (Teil-GdB 10) - geringe Einschränkung der rechten Sprunggelenksbeweglichkeit sowie geringfügiger Spreizfuß (kein messbarer GdB) - leichte Bewegungseinschränkung und Kraftminderung an der rechten Hand nach körperfernem Speichenbruch sowie leichte Gefühlsstörungen an Daumen, Zeige- und Mittelfinger rechts (Teil-GdB unter 10) - mittelschwere Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks mit Kraftminderung und Teilversteifung der Handwurzel (Teil-GdB 10).
Die kernspintomographisch festgestellten degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule bedingten keine Funktionsbeeinträchtigungen und damit keinen GdB. Basierend auf den für die BG Metall Süd im Jahr 2006 erstellten Gutachten auf kieferchirurgischem, neurologischem, HNO-ärztlichem und augenärztlichem Fachgebiet sei für die Unfallfolgen ein GdB von 30 zutreffend, wobei die Funktionsbeeinträchtigungen auf unfallchirurgischem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten seien. Der unfallunabhängige Defektzustand an der linken Handwurzel nach Teilversteifung bedinge gleichfalls einen Teil-GdB von 10.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2008, auf den Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den am 20.06.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, den 21.07.2008, Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei der Feststellung des GdB sei sein Hörschaden auf dem rechten Ohr, mit dem er wesentlich schlechter als mit dem linken Ohr höre, nicht berücksichtigt worden. Er selbst schätze, dass auf diesem Ohr nur noch etwa die Hälfte der ursprünglichen Hörfähigkeit vorliege. Eine Behandlungsmöglichkeit bestehe nicht. Er befinde sich deshalb auch nicht in ärztlicher Behandlung.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2008 aufzuheben sowie die Bescheide des Beklagten vom 03. Februar 2005 und 29. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2007 abzuändern und den Grad der Behinderung ab Antragstellung mit mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Der Bescheid vom 21.02.2005 ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, da er den Zeitraum vor der Antragstellung betrifft, mit der Berufung jedoch die Feststellung eines höheren GdB ab Antragstellung geltend gemacht wird.
Die Berufung ist nicht begründet.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehinderter Mensch ist anzuerkennen, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Der Senat wendet zur Beurteilung des Grades der Behinderung im Einzelfall die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), derzeit in der Ausgabe 2008, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SozR 4-3250 § 69 Nr. 2), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.). Wie untergesetzliche Normen sind sie auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetz und Verfassung, auf Berücksichtigung des gegenwärtig herrschenden Kenntnisstandes der medizinischen Wissenschaft sowie auf Lücken in Sonderfällen zu prüfen, die wegen ihrer individuellen Verhältnisse abweichend zu beurteilen sind (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R). Soweit für die Beurteilung des Beklagten noch die Anhaltspunkte 2004 maßgeblich waren, ist durch die Neufassung der Anhaltspunkte mit Ausgabe 2008 in den hier zu beurteilenden Einschränkungen keine Änderung eingetreten. Ergänzend ist festzustellen, dass zwischenzeitlich die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2008 seit 01.01.2009 durch den im Wesentlichen unveränderten Teil A und B der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.Dezember 2008 ersetzt werden. Eine andere Beurteilung der hier in Frage stehenden Funktionsbeeinträchtigungen im Vergleich zu den vom SG berücksichtigten AHP 2008 ergibt sich daraus nicht.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 für die Zeit vom 03.09.2004 bis zum 04.01.2007.
Beim Kläger hat ursprünglich nach dem Unfall vom 27.10.2003 eine Gesichtsnervenlähmung rechts (Facialisparese) sowie ein hirnorganisches Psychosyndrom vorgelegen. Diesbezüglich ist jedoch eine kontinuierliche Besserung eingetreten. Der Prüfärztin Dr. S. lag der Entlassbericht von Prof. Dr. Fetter, Klinikum K. L., über die stationäre Behandlung des Klägers vom 25.11.2003 bis 05.02.2004, in welchem die Diagnose eines Schädel-Hirn-Traumas mit Kontusionsblutungen beidseits temporal angegeben worden war, zugrunde. Darin war mitgeteilt worden, bei der Entlassung am 03.02.2004 habe nach wie vor eine deutliche Facialisparese rechts bestanden. Bereits im Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik U. vom 27.05.2004 über die stationäre Behandlung vom 13.05 bis 26.05.2004 war jedoch ausgeführt worden, die Gesichtsverletzungen sowie die Radiusfraktur seien regelrecht ausgeheilt. Dementsprechend hat Dr. S. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 18.01.2005, in welcher sie einen Teil-GdB von 40 für die Facialisparese und das hirnorganische Psychosyndrom vorgeschlagen hat, ausgeführt, aktuelle Berichte lägen noch nicht vor, eine weitere Besserung vor allem der Facialisparese könnte inzwischen eingetreten sein. Diese Annahme hat sich bestätigt, wie dem Gutachten von Prof. Dr. D., der den Kläger am 06.06.2006 gutachterlich untersucht hat, entnommen werden kann, wonach zwischenzeitlich nur noch eine sehr diskrete periphere Facialisparese vorgelegen hat. Eine weitere Besserung entnimmt der Senat dem Umstand, dass bei nachfolgenden Untersuchungen keine entsprechenden Befunde mehr festgestellt werden konnten. Unter Einbeziehung der Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Gebiet, nämlich einer Instabilität des rechten Kniegelenks, einer Kraftminderung der rechten Hand sowie einer eingeschränkten Handgelenksbeweglichkeit rechts nach osteosynthetisch versorgtem Speichentrümmerbruch, ist ein GdB von 40 bis zum 04.01.2007 angemessen und ausreichend.
Der Kläger hat schließlich für die Zeit ab dem 05.01.2007 auch keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten von Dr. R. vom 31.01.2008 sowie den vom Beklagten beigezogenen medizinischen Unterlagen des Verfahrens gegen den Unfallversicherungsträger. Danach liegen noch eine geringfügige Kniegelenksbeweglichkeit rechts, Bewegungseinschränkungen und Kraftminderungen der Hände sowie leichte Gefühlsstörungen am rechten Daumen, Zeige- und Mittelfinger vor. Die Facialisparese rechts sowie eine Störung des Geruchs- und Geschmacksinns sind nur noch sehr diskret vorhanden, so dass jedenfalls ab dem 05.01.2007 der GdB nur noch 30 beträgt.
Der Bescheid vom 29.12.2006 ist während des noch laufenden Widerspruchsverfahrens aufgrund des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid vom 03.02.2005 ergangen. Im Widerspruchsverfahren hat die Behörde den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen (vgl. § 78 Abs. 1 SGG). Diese Überprüfung hat in vollem Umfang zu erfolgen, insbesondere ist auch eine Schlechterstellung des Widerspruchsführers (reformatio in peius) möglich (vgl. BSG Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RVs 2/92 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 5). Die reformatio in peius ist jedenfalls dann zulässig, wenn die Widerspruchsbehörde Fachaufsicht über die Entscheidungsbehörde ausübt oder - wie hier - die Behörden identisch sind; die Grundsätze des Vertrauensschutzes und von Treu und Glauben sind zu berücksichtigen (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl, § 85 Rz 5). Dem ist vorliegend durch die Anhörung des Klägers vor der Herabbemessung gem. § 24 SGB X Rechnung getragen worden. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass bei der Neufestsetzung bzw. Herabbemessung des GdB für die Zeit ab 05.01.2007 der Maßstab des § 48 SGB X zugrunde zu legen war. Die Voraussetzungen der Herabbemessung sind erfüllt, da gegenüber dem früheren Zustand eine wesentliche Besserung eingetreten ist.
Es liegen auch keine Einschränkungen auf HNO-ärztlichem Gebiet vor, die eine Erhöhung des GdB rechtfertigen könnten. Der Kläger hat zwar vorgetragen, sein subjektives Hörempfinden auf dem rechten Ohr sei wesentlich schlechter geworden. Er befindet sich deshalb jedoch nicht in ärztlicher Behandlung. Auch hat Prof. Dr. H. im HNO-fachärztlichen Gutachten vom 17.07.2006 ausgeführt, eine im Februar 2004 aufgetretene Hörminderung links (!) mit Tinnitus links sei konservativ behandelt worden, eine empfohlene hyperbare Sauerstofftherapie sei nicht in Anspruch genommen worden. Bei der Hörprüfung war der Stimmgabelversuch beidseits positiv, Umgangs- und Flüstersprache konnte aus einer Entfernung von über sechs Metern gehört und verstanden werden. Insgesamt hat sich entsprechend der Tabelle nach Boenninghaus und Röser (vgl. Tabelle A in Ziff. 26.5 AHP 2008) ein prozentualer Hörverlust von 0%, entsprechend der Tabelle der deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, ergeben. Eine Verschlechterung des Hörvermögens nach der Untersuchung durch Prof. Dr. H. ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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