Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 718/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach wissenschaftlicher Lehrmeinung disponieren für Erkrankung an Leukämie weder Traumen noch Strapazen, Infektionen und Hunger. Auch eine Osteomyelitis begründet keine qualifizierte Möglichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. November 1968 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1911 geborene Ehemann der Klägerin ist am 2. Dezember 1959 verstorben. Die von Prof. Dr. L. vom Pathologischen Institut der Universität M. vorgenommene Obduktion ergab Zeichen einer chronischen Myelose, die neben Bronchopneumonie und Herzversagen den Tod verursacht hatte.
Bei ihm waren auf Grund des Bescheides vom 5. Juni 1948 als Leistungsgrund "Versteifung des rechten Fußgelenkes nach Schußbruch” mit einer teilweisen Erwerbsunfähigkeit von 30 v.H. anerkannt gewesen, die der Umanerkennungsbescheid vom 13. März 1952 als Schädigungsfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. übernommen hatte. Auf den im September 1957 gestellten Verschlimmerungsantrag ist nach einer Untersuchung durch den Vertragsarzt Dr. W., der wiederkehrende osteomyelitische Entzündungen diagnostiziert hatte, mit Bescheid vom 10. Juni 1958 die MdE mit 40 v.H. für die Schädigungsfolgen
"Versteifung des rechten Fußgelenkes nach Schußbruch mit wiederkehrenden osteomyelitischen Entzündungen”
festgesetzt worden. Dagegen hatte der Bescheid vom 22. September 1958 eine berufliche Betroffenheit verneint, da die Invalidität auf der Leukämie beruhe, die keine Schädigungsfolge sei. Der Widerspruch war erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 9. April 1959).
Nachdem im Juli 1952 die Diagnose einer chronischen leukämischen Myelose gestellt worden war, hatte der Ehemann der Klägerin im November 1958 die Feststellung dieser Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge beantragt. In dem Gutachten vom 9. Februar 1960 sahen Prof. Dr. L. und Dr. H. einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den osteomyelitischen Entzündungen und der Leukämie als möglich an. Der hiernach ergangene Bescheid vom 25. Mai 1960 lehnte die Anerkennung der chronischen leukämischen Myelose als Schädigungsfolge ab, da die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht gegeben sei.
Die Klägerin stellte am 3. Dezember 1959 beim "Versorgungsamt F. Antrag auf Hinterbliebenenversorgung, die mit Bescheid vom 28. Mai 1960 abgelehnt worden ist, da der Tod mit der anerkannten Schädigungsfolge in keinem ursächlichen Zusammenhang stehe. Dagegen legte sie am 21. Juni 1960 Widerspruch ein, den sie mit einem Schreiben des Prof. Dr. G. vom 3. November 1960 von der Medizinischen Klinik der Universität M. begründete, der unter Hinweis auf Prof. Dr. B. meinte, der Zusammenhang zwischen der chronischen Knocheneiterung nach Schußbruch und der Leukämie sei nicht bewiesen und sei im übrigen auch unwahrscheinlich. Er habe auf das Gutachten des Pathologischen Instituts in M. einen gewissen Einfluß genommen. Die Folge sei, daß die Gutachter statt der bisher üblichen Ablehnung eines Zusammenhangs diesen für möglich erklärt hätten. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1960). Die dagegen eingelegte Klage nahm die Klägerin am 1. Dezember 1961 zurück (Az.: S-4/V-218/60).
Auf den am 21. Juni 1960 erhobenen Widerspruch prüfte die Versorgungsbehörde zusätzlich, ob die Voraussetzungen zur Gewährung des Härteausgleichs gegeben seien und zog die Krankengeschichten des Krankenhauses B. über die Behandlungen im Jahre 1946 und 1948 sowie die Arztberichte der Dres. A. und G. bei. In den innerfachärztlichen Äußerungen vom 4. Juni 1965 und 8. Juli 1965 vertrat der Facharzt für Innere Krankheiten Dr. Z. die Ansicht, in der als Schädigungsfolge anerkannten Osteomyelitis könne keine qualifizierte Möglichkeit für die Manifestation und Ätiologie der Leukämie erblickt werden, so daß die Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ärztlicherseits nicht vorgeschlagen werden könne. Nachdem daraufhin der Hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen am 8. September 1965 seine Zustimmung für eine Hinterbliebenenversorgung im Wege des Härteausgleichs nach § 89 Abs. 2 BVG a.F. oder als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG n.F., versagt hatte, ist der Antrag mit Bescheid vom 5. Oktober 1965 abgelehnt worden, da keine zeitliche Verbindung zwischen krankhaften Veränderungen und militärähnlichem Dienst oder entsprechenden Tatbeständen des § 1 BVG gegeben sei. Auch seien keine exogenen Faktoren vorhanden, die wegen der Ungewißheit in der medizinischen Wissenschaft nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Ursache der Gesundheitsstörung bewertet werden könnten. Auf dem Widerspruch der Klägerin gab Reg. Med. Rat Dr. M. die aktenmäßige versorgungsärztliche Äußerung vom 25. März 1966 ab. Der alsdann ergangene ablehnende Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 1966 führte aus, der zeitliche Zusammenhang zwischen der myeloischen Leukämie und dem Wehrdienst sei zu verneinen. Der Ehemann der Klägerin sei bereits am 31. Juli 1945 aus dem Wehrdienst entlassen, die Leukämie dagegen erst im Jahre 1952 in der Universitätsklinik M. festgestellt worden. Der lange zeitliche Intervall von sieben Jahren mache einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Wehrdienst nicht wahrscheinlich. Der Nachweis, daß eine chronische myeloische Leukämie bei Menschen, die mehrere Jahre lang chronische Eiterungen durchgemacht hätten, häufiger vorkomme, sei bisher nicht erbracht worden. Auch hätten sich die bis zum Jahre 1952 durchgeführten Röntgenuntersuchungen zur Überwachung der Osteomyelitis in normalen Grenzen gehalten. Ein leukosefördernder Einfluß durch übermäßige Röntgenbestrahlungen sei nicht wahrscheinlich.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda hat die Klägerin vorgetragen, die osteomyelitischen Entzündungen hätten zu der Leukämie geführt, was auch Prof. Dr. L. in seinem Gutachten angenommen habe.
Mit Urteil vom 21. November 1968 ist die Klage abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei nicht mit einem Rechts- oder Ermessensfehler behaftet. Wenn auch über die Entstehung einer Leukämie in der medizinischen Wissenschaft weitgehend Unklarheit herrsche, so könne nach den bisherigen Forschungen und Beobachtungen nicht angenommen werden, daß die Leukämie durch chronische Eiterungen entstehe. Vorliegend käme noch hinzu, daß diese Erkrankung erst sieben Jahre nach Ende des Wehrdienstes festgestellt worden sei, wobei auch vorher über eine längere Zeit keine Schübe der Osteomyelitis aufgetreten seien.
Gegen das der Klägerin am 25. Juli 1969 zugestellte Urteil ist die Berufung am 7. Juli 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. November 1968 und den Bescheid vom 5. Oktober 1965 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 1966 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Akten des Versorgungsamtes F. mit der Grundlisten-Nr. sowie und die Akten des Sozialgerichts Fulda S-V/217/60 und S-4/V-218/60 haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 5. Oktober 1965, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 1966 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen, denn der Klägerin steht keine Hinterbliebenenversorgung (§ 1 Abs. 5 BVG) im Wege des Härteausgleichs nach § 89 Abs. 2 BVG a.F. oder als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG n.F. zu.
Nach diesen Gesetzesvorschriften kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung – ersatzweise mit Zustimmung des Hessischen Ministers für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen – Versorgung im Wege des Härteausgleichs oder als Kennleistung gewährt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderlich Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Zu diesen Erkrankungen gehört die Leukämie, die zu dem Tod des Ehemanns der Klägerin am 2. Dezember 1959 geführt hatte, nachdem sie im Jahre 1952 erstmalig erkannt worden war. Der Senat hat jedoch ebenso wie das Vordergericht in der Ablehnung einer Hinterbliebenenversorgung kein ermessensfehlerhaftes Verhalten der Versorgungsbehörde finden können, da bei der Entscheidung das eingeräumte Ermessen nicht willkürlich, sondern pflichtgemäß ausgeübt worden ist. Da es sich hier um eine Ermessensentscheidung der Versorgungsbehörde handelt, obliegt den Gerichten nicht die Nachprüfung des Verwaltungsermessens selbst, sondern nur die Prüfung der Frage, ob die Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Ermessensmißbrauch oder eine Ermessensüberschreitung waren nicht festzustellen, da die Ablehnung des Antrags auf der medizinischen Äußerung des Facharztes für Innere Krankheiten Dr. Z. beruht, wobei auch die von der medizinischen Wissenschaft aufgestellten Grundsätze für die Gewährung eines Härteausgleichs oder einer Kannversorgung Berücksichtigung fanden. Ein Härteausgleich oder eine Kannleistung kommt danach nur dann in Betracht, wenn eine zeitliche Verbindung zwischen den krankhaften Veränderungen und dem militärischen oder militärähnlichen Dienst oder entsprechenden Tatbeständen des § 1 BVG vorliegt, wobei in diesen Tatbeständen liegende exogene Faktoren vorhanden sein müssen, die wegen der Ungewißheit in der medizinischen Wissenschaft nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Ursache der Gesundheitsstörung bewertet werden können. Vorliegend sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Verstorbene ist nämlich bereits am 31. Juli 1945 aus dem Kriegsdienst zurückgekehrt, während die myeloische Leukämie im Jahre 1952 erstmals diagnostiziert werden konnte. Der Intervall von sieben Jahren macht den zeitlichen Zusammenhang aber unwahrscheinlich. Auch die anerkannten Schädigungsfolgen "Versteifung des rechten Fußgelenkes nach Schußbruch mit wiederkehrenden osteomyelitischen Entzündungen” haben dazu nicht beigetragen. Denn in der medizinischen Wissenschaft ist bisher kein Beweis dafür erbracht worden, daß osteomyelitische Entzündungen oder auch Röntgenbestrahlungen zu einer Leukämie führen. Bei dem Verstorbenen sind im übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die Entzündungen am rechten Fuß vor 1952 und auch nachher besonders schwer gewesen und Röntgenbestrahlungen durchgeführt worden sind. Weiterhin hat der Facharzt für Innere Krankheiten Dr. Z. unter Auswertung der ab 1946 zugänglich gewesenen Arztbefunde und des Obduktionsgutachtens vom 9. Februar 1960 unter Berücksichtigung der Lehrmeinung von Hennemann schlüssig und widerspruchsfrei dargestellt, daß weder Traumen noch Strapazen, Hunger, Infektionen, verfolgungsbedingte Entbehrungen oder körperliche Schäden für die Erkrankung an Leukämie disponieren. Richtigerweise wird von ihm daher gefolgert, daß die als Schädigungsfolge anerkannte Osteomyelitis auch keine qualifizierte Möglichkeit für die Manifestation und Ätiologie der Leukämie erbringe. Diese Ansicht wird vom Senat geteilt. Die Klägerin kann zur Stützung ihres Anspruchs auch nicht auf das Obduktionsgutachten vom 9. Februar 1960 des Prof. Dr. L. und Dr. H. zurückgreifen, die einen möglichen Ursachenzusammenhang zwischen der Osteomyelitis und der Leukämie angenommen haben. Das ist nur deshalb erfolgt, weil Prof. Dr. G. im Interesse der Klägerin auf diese Formulierung Einfluß genommen hatte. Auch er ist aber mit den Professoren Dr. F. und B. der Ansicht, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer chronischen Knocheneiterung und der Leukämie unwahrscheinlich ist.
Damit wird ärztlicherseits eindeutig ausgeschlossen, daß die Leukämie durch die Schädigungsfolgen verursacht worden ist, wofür auch die Befunde nicht sprechen.
Die Versorgungsbehörde hat daher den Bescheid vom 5. Oktober 1965 und den Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 1966 auf sachgerechte Erwägungen gestützt, die außerdem von der Stellungnahme des Hessischen Ministers für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen, der nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Zustimmung zur Gewährung einer Versorgung im Wege des Härteausgleichs (§ 89 Abs. 2 BVG a.F.) oder als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG n.F. versagt hat, getragen werden. Ein Ermessensfehler der Versorgungsbehörde liegt daher nicht vor.
Der Berufung war damit der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1911 geborene Ehemann der Klägerin ist am 2. Dezember 1959 verstorben. Die von Prof. Dr. L. vom Pathologischen Institut der Universität M. vorgenommene Obduktion ergab Zeichen einer chronischen Myelose, die neben Bronchopneumonie und Herzversagen den Tod verursacht hatte.
Bei ihm waren auf Grund des Bescheides vom 5. Juni 1948 als Leistungsgrund "Versteifung des rechten Fußgelenkes nach Schußbruch” mit einer teilweisen Erwerbsunfähigkeit von 30 v.H. anerkannt gewesen, die der Umanerkennungsbescheid vom 13. März 1952 als Schädigungsfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. übernommen hatte. Auf den im September 1957 gestellten Verschlimmerungsantrag ist nach einer Untersuchung durch den Vertragsarzt Dr. W., der wiederkehrende osteomyelitische Entzündungen diagnostiziert hatte, mit Bescheid vom 10. Juni 1958 die MdE mit 40 v.H. für die Schädigungsfolgen
"Versteifung des rechten Fußgelenkes nach Schußbruch mit wiederkehrenden osteomyelitischen Entzündungen”
festgesetzt worden. Dagegen hatte der Bescheid vom 22. September 1958 eine berufliche Betroffenheit verneint, da die Invalidität auf der Leukämie beruhe, die keine Schädigungsfolge sei. Der Widerspruch war erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 9. April 1959).
Nachdem im Juli 1952 die Diagnose einer chronischen leukämischen Myelose gestellt worden war, hatte der Ehemann der Klägerin im November 1958 die Feststellung dieser Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge beantragt. In dem Gutachten vom 9. Februar 1960 sahen Prof. Dr. L. und Dr. H. einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den osteomyelitischen Entzündungen und der Leukämie als möglich an. Der hiernach ergangene Bescheid vom 25. Mai 1960 lehnte die Anerkennung der chronischen leukämischen Myelose als Schädigungsfolge ab, da die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht gegeben sei.
Die Klägerin stellte am 3. Dezember 1959 beim "Versorgungsamt F. Antrag auf Hinterbliebenenversorgung, die mit Bescheid vom 28. Mai 1960 abgelehnt worden ist, da der Tod mit der anerkannten Schädigungsfolge in keinem ursächlichen Zusammenhang stehe. Dagegen legte sie am 21. Juni 1960 Widerspruch ein, den sie mit einem Schreiben des Prof. Dr. G. vom 3. November 1960 von der Medizinischen Klinik der Universität M. begründete, der unter Hinweis auf Prof. Dr. B. meinte, der Zusammenhang zwischen der chronischen Knocheneiterung nach Schußbruch und der Leukämie sei nicht bewiesen und sei im übrigen auch unwahrscheinlich. Er habe auf das Gutachten des Pathologischen Instituts in M. einen gewissen Einfluß genommen. Die Folge sei, daß die Gutachter statt der bisher üblichen Ablehnung eines Zusammenhangs diesen für möglich erklärt hätten. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1960). Die dagegen eingelegte Klage nahm die Klägerin am 1. Dezember 1961 zurück (Az.: S-4/V-218/60).
Auf den am 21. Juni 1960 erhobenen Widerspruch prüfte die Versorgungsbehörde zusätzlich, ob die Voraussetzungen zur Gewährung des Härteausgleichs gegeben seien und zog die Krankengeschichten des Krankenhauses B. über die Behandlungen im Jahre 1946 und 1948 sowie die Arztberichte der Dres. A. und G. bei. In den innerfachärztlichen Äußerungen vom 4. Juni 1965 und 8. Juli 1965 vertrat der Facharzt für Innere Krankheiten Dr. Z. die Ansicht, in der als Schädigungsfolge anerkannten Osteomyelitis könne keine qualifizierte Möglichkeit für die Manifestation und Ätiologie der Leukämie erblickt werden, so daß die Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ärztlicherseits nicht vorgeschlagen werden könne. Nachdem daraufhin der Hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen am 8. September 1965 seine Zustimmung für eine Hinterbliebenenversorgung im Wege des Härteausgleichs nach § 89 Abs. 2 BVG a.F. oder als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG n.F., versagt hatte, ist der Antrag mit Bescheid vom 5. Oktober 1965 abgelehnt worden, da keine zeitliche Verbindung zwischen krankhaften Veränderungen und militärähnlichem Dienst oder entsprechenden Tatbeständen des § 1 BVG gegeben sei. Auch seien keine exogenen Faktoren vorhanden, die wegen der Ungewißheit in der medizinischen Wissenschaft nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Ursache der Gesundheitsstörung bewertet werden könnten. Auf dem Widerspruch der Klägerin gab Reg. Med. Rat Dr. M. die aktenmäßige versorgungsärztliche Äußerung vom 25. März 1966 ab. Der alsdann ergangene ablehnende Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 1966 führte aus, der zeitliche Zusammenhang zwischen der myeloischen Leukämie und dem Wehrdienst sei zu verneinen. Der Ehemann der Klägerin sei bereits am 31. Juli 1945 aus dem Wehrdienst entlassen, die Leukämie dagegen erst im Jahre 1952 in der Universitätsklinik M. festgestellt worden. Der lange zeitliche Intervall von sieben Jahren mache einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Wehrdienst nicht wahrscheinlich. Der Nachweis, daß eine chronische myeloische Leukämie bei Menschen, die mehrere Jahre lang chronische Eiterungen durchgemacht hätten, häufiger vorkomme, sei bisher nicht erbracht worden. Auch hätten sich die bis zum Jahre 1952 durchgeführten Röntgenuntersuchungen zur Überwachung der Osteomyelitis in normalen Grenzen gehalten. Ein leukosefördernder Einfluß durch übermäßige Röntgenbestrahlungen sei nicht wahrscheinlich.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda hat die Klägerin vorgetragen, die osteomyelitischen Entzündungen hätten zu der Leukämie geführt, was auch Prof. Dr. L. in seinem Gutachten angenommen habe.
Mit Urteil vom 21. November 1968 ist die Klage abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei nicht mit einem Rechts- oder Ermessensfehler behaftet. Wenn auch über die Entstehung einer Leukämie in der medizinischen Wissenschaft weitgehend Unklarheit herrsche, so könne nach den bisherigen Forschungen und Beobachtungen nicht angenommen werden, daß die Leukämie durch chronische Eiterungen entstehe. Vorliegend käme noch hinzu, daß diese Erkrankung erst sieben Jahre nach Ende des Wehrdienstes festgestellt worden sei, wobei auch vorher über eine längere Zeit keine Schübe der Osteomyelitis aufgetreten seien.
Gegen das der Klägerin am 25. Juli 1969 zugestellte Urteil ist die Berufung am 7. Juli 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. November 1968 und den Bescheid vom 5. Oktober 1965 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 1966 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Akten des Versorgungsamtes F. mit der Grundlisten-Nr. sowie und die Akten des Sozialgerichts Fulda S-V/217/60 und S-4/V-218/60 haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 5. Oktober 1965, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 1966 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen, denn der Klägerin steht keine Hinterbliebenenversorgung (§ 1 Abs. 5 BVG) im Wege des Härteausgleichs nach § 89 Abs. 2 BVG a.F. oder als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG n.F. zu.
Nach diesen Gesetzesvorschriften kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung – ersatzweise mit Zustimmung des Hessischen Ministers für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen – Versorgung im Wege des Härteausgleichs oder als Kennleistung gewährt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderlich Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Zu diesen Erkrankungen gehört die Leukämie, die zu dem Tod des Ehemanns der Klägerin am 2. Dezember 1959 geführt hatte, nachdem sie im Jahre 1952 erstmalig erkannt worden war. Der Senat hat jedoch ebenso wie das Vordergericht in der Ablehnung einer Hinterbliebenenversorgung kein ermessensfehlerhaftes Verhalten der Versorgungsbehörde finden können, da bei der Entscheidung das eingeräumte Ermessen nicht willkürlich, sondern pflichtgemäß ausgeübt worden ist. Da es sich hier um eine Ermessensentscheidung der Versorgungsbehörde handelt, obliegt den Gerichten nicht die Nachprüfung des Verwaltungsermessens selbst, sondern nur die Prüfung der Frage, ob die Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Ermessensmißbrauch oder eine Ermessensüberschreitung waren nicht festzustellen, da die Ablehnung des Antrags auf der medizinischen Äußerung des Facharztes für Innere Krankheiten Dr. Z. beruht, wobei auch die von der medizinischen Wissenschaft aufgestellten Grundsätze für die Gewährung eines Härteausgleichs oder einer Kannversorgung Berücksichtigung fanden. Ein Härteausgleich oder eine Kannleistung kommt danach nur dann in Betracht, wenn eine zeitliche Verbindung zwischen den krankhaften Veränderungen und dem militärischen oder militärähnlichen Dienst oder entsprechenden Tatbeständen des § 1 BVG vorliegt, wobei in diesen Tatbeständen liegende exogene Faktoren vorhanden sein müssen, die wegen der Ungewißheit in der medizinischen Wissenschaft nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Ursache der Gesundheitsstörung bewertet werden können. Vorliegend sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Verstorbene ist nämlich bereits am 31. Juli 1945 aus dem Kriegsdienst zurückgekehrt, während die myeloische Leukämie im Jahre 1952 erstmals diagnostiziert werden konnte. Der Intervall von sieben Jahren macht den zeitlichen Zusammenhang aber unwahrscheinlich. Auch die anerkannten Schädigungsfolgen "Versteifung des rechten Fußgelenkes nach Schußbruch mit wiederkehrenden osteomyelitischen Entzündungen” haben dazu nicht beigetragen. Denn in der medizinischen Wissenschaft ist bisher kein Beweis dafür erbracht worden, daß osteomyelitische Entzündungen oder auch Röntgenbestrahlungen zu einer Leukämie führen. Bei dem Verstorbenen sind im übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die Entzündungen am rechten Fuß vor 1952 und auch nachher besonders schwer gewesen und Röntgenbestrahlungen durchgeführt worden sind. Weiterhin hat der Facharzt für Innere Krankheiten Dr. Z. unter Auswertung der ab 1946 zugänglich gewesenen Arztbefunde und des Obduktionsgutachtens vom 9. Februar 1960 unter Berücksichtigung der Lehrmeinung von Hennemann schlüssig und widerspruchsfrei dargestellt, daß weder Traumen noch Strapazen, Hunger, Infektionen, verfolgungsbedingte Entbehrungen oder körperliche Schäden für die Erkrankung an Leukämie disponieren. Richtigerweise wird von ihm daher gefolgert, daß die als Schädigungsfolge anerkannte Osteomyelitis auch keine qualifizierte Möglichkeit für die Manifestation und Ätiologie der Leukämie erbringe. Diese Ansicht wird vom Senat geteilt. Die Klägerin kann zur Stützung ihres Anspruchs auch nicht auf das Obduktionsgutachten vom 9. Februar 1960 des Prof. Dr. L. und Dr. H. zurückgreifen, die einen möglichen Ursachenzusammenhang zwischen der Osteomyelitis und der Leukämie angenommen haben. Das ist nur deshalb erfolgt, weil Prof. Dr. G. im Interesse der Klägerin auf diese Formulierung Einfluß genommen hatte. Auch er ist aber mit den Professoren Dr. F. und B. der Ansicht, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer chronischen Knocheneiterung und der Leukämie unwahrscheinlich ist.
Damit wird ärztlicherseits eindeutig ausgeschlossen, daß die Leukämie durch die Schädigungsfolgen verursacht worden ist, wofür auch die Befunde nicht sprechen.
Die Versorgungsbehörde hat daher den Bescheid vom 5. Oktober 1965 und den Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 1966 auf sachgerechte Erwägungen gestützt, die außerdem von der Stellungnahme des Hessischen Ministers für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen, der nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Zustimmung zur Gewährung einer Versorgung im Wege des Härteausgleichs (§ 89 Abs. 2 BVG a.F.) oder als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG n.F. versagt hat, getragen werden. Ein Ermessensfehler der Versorgungsbehörde liegt daher nicht vor.
Der Berufung war damit der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
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