L 8 V 91/67

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 V 91/67
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für Schizophrenie ist die Ätiologie nur in Einzelheiten noch ungeklärt. Sie kann daher nicht allgemein Grundlage einer Härteversorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG sein.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. April 1966 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Kosten für das gemäß § 109 SGG von Priv.-Doz. Dr. G. erstattete Gutachten vom 12. Juni 1970 werden in erstattungsfähigem Umfange auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand:

Der 1925 geborene Kläger erlitt 1 m Kriegsdienst am 9. Februar 1944 eine Granatsplitterverletzung beider Unterschenkel. Nach der Krankheitsgeschichte des Reservelazaretts V R. ( ) vom 25. Oktober 1944 traten bei ihm (vgl. die Zusammenfassung) vom 22. Februar 1944 ab septische Temperaturen auf, auch stellte sich eine "akute Psychose mit zahlreichen Wahnideen” ein. Im März 1944 wurde ein Knochenabszeß der linken Tibia eröffnet. Die Psychose wurde dann wiederholt behandelt, im April, Juli und Oktober 1944 in Reservelazaretten in L., K. und R ... Die Krankheitsgeschichte vom 25. Oktober 1944 und eine spätere vom 19. Januar 1943 vermerkt, daß es sich um eine symptomatische Psychose im Anschluß an eine posttraumatische Knocheneiterung handle, und daß die psychotischen Erscheinungen bis September 1944 wieder abgeklungen seien.

Auf einen Antrag des Klägers vom Mai 1947 erhielt er, unter Ablehnung der Schizophrenie als Schädigungsfolge, für die Zeit vom 1. Mai 1947 bis 31. Dezember 1950 wegen geringer Beugebehinderung des linken Kniegelenkes nach Schienbeinschußbruch sowie Narben am Unterschenkel beiderseits eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. ab 1. Januar 1951 wurde der Grad der MdE mit unter 25 v.H., also ohne Rentenberechtigung, angenommen (vgl. den Bescheid vom 2.1.1950, die beiden Bescheide vom 6.11.1953 und das Urteil des Oberversicherungsamtes – OVA – M. vom 23.6.1953 – Az.: KB Nr. R xx/xx). Den Rekurs bzw. die Berufung gegen das Urteil des OVA nahm der Kläger vor dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 25. April 1961 in einer Vergleichsvereinbarung zurück (Az.: L 1/V-6098/54).

Im Verfahren vor dem HLSG hatte der Kläger zu Protokoll am 9. Oktober 1957 einen Antrag auf Wiedergewährung der Rente gestellt und der Beklagte sich im Vergleich verpflichtet, unter Verzicht auf die Rechtskraft des Urteils des OVA nochmals sachlich zu prüfen, ob das Nervenleiden als Schädigungsfolge anzuerkennen sei. Auf Grund eines Gutachtens des Chirurgen Dr. E. vom 31. Januar 1962 gewährte der Beklagte mit "vorläufigem Neufeststellungsbescheid” vom 13. Februar 1962 auf den Antrag vom 9. Oktober 1957 dem Kläger ab 1. Oktober 1957 wegen Narben an beiden Unterschenkeln und leichter Deformierung des linken Schienbeines sowie venöser Zirkulationsstörungen beider Unterschenkel mit Neigung zu Geschwürsbildung eine Rente nach einer MdE von 30 v.H.; ein besonderes berufliches Betroffensein als Reichsbahnhelfer verneinte er. Die Prüfung des Nervenleidens behielt der Beklagte sich vor. Der Kläger erhob Widerspruch.

Der Neurologe und Psychiater Dr. H. äußerte sich zum Nervenleiden unter dem 16. April 1962 aktenmäßig, daß nach Auffassung des ärztlichen Wissenschaftlers K. Sch. (in "Nervenarzt”, 21. Jgg., S. 481) eine Schizophrenie dann als Versorgungsleiden anerkannt werden könnte, wenn Schizophrenie in der Familie fehle, es sich nicht um eine auffallende prämorbide Persönlichkeit handle und schließlich ein evidenter, durch einwandfreie Zeugen bekundeter zeitlicher Zusammenhang des Ausbruchs einer solchen Krankheit mit einwandfreien körperlichen Schädigungen von erheblichem Ausmaß, etwa Hirnschädigungen, schweren allgemeinen Infektionen, Intoxikationen oder Dystrophie, gegeben sei. Nach dem Akteninhalt liege die Vermutung nahe, daß der Kläger schon vor seiner Verwundung psychisch anfällig gewesen sei; möglicherweise sei durch die Verwundung und ihre Folgen die Psychose manifest geworden, doch sei es bei dem Verlauf, den sie seit 1947 genommen habe, unwahrscheinlich, daß die Symptome im Jahre 1944 der erste Schizophrenie-Schub gewesen seien. Aus dem Wehrdienst sei keine besonders schwere Erkrankung oder Verletzung mit Hirnschädigung bekannt. Offenbar habe der Kläger vor dem Wehrdienst auch einen Autounfall, angeblich mit Schädelbruch, erlitten; man könnte daran denken, daß im Zusammenhang damit psychotische Symptome aufgetreten seien. Der Gutachter führte zur Frage der Härteversorgung aus, daß in der ärztlichen Wissenschaft keine Ungewißheit über die Ursache der Schizophrenie bestehe, da daher ein Härteausgleich nicht zum Zuge kommen könnte.

Im Anschluß an den Bescheid vom 13. Februar 1962 erteilte der Beklagte unter dem 29. Mai 1962 einen weiteren Bescheid. Er führte aus, daß die Nervenkrankheit anlag bedingt sei und als Schädigungsfolge nicht anerkannt werden könnte. Ein Härteausgleich entfalle, da über die Ursache des Nervenleidens in der ärztlichen Wissenschaft keine Ungewißheit bestehe. Es bleibe bei dem Bescheid vom 15. Februar 1962. Nachdem der Hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen mit Erlaß vom 24. Januar 1963 (Ie – 1111/1111) in Übereinstimmung mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung einen Härteausgleich abgelehnt hatte, bestätigte der Beklagte mit einem zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 11. März 1963 den Bescheid vom 29. Mai 1962.

Der Kläger erhob Klage vor dem Sozialgericht Gießen. Für das Sozialgericht erstattete die Fachärztin für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Dr. E., M., unter dem 24. Oktober 1965 ein Fachgutachten über den Kläger. Sie sprach sich dahin aus, daß die Argumente, die für die Annahme sprächen, daß es sich bei der sogenannten symptomatischen Psychose um den ersten Schub der schizophrenen Erkrankung gehandelt habe, zahlreicher und gewichtiger seien, als die Gründe dafür, daß die schizophrene Psychose schon vor dem Fieberdelirium vorhanden gewesen sei. In dieses Delirium hätten die stoffwechsel- und somit die drüsenvergiftenden Stoffe der Sepsis den die Schizophrenie auslösenden Faktor geliefert. Es liege hier weiter auch ein Lebensschicksal vor, das zu einer Katastrophe gedrängt habe; der psychische Einbruch habe sich in einer Krisensituation vollzogen. Die medizinische Sachverständige beantwortete die Zusammenhangsfrage abschließend dahin, daß mit Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der Auslösung des ersten Auftretens einer in der Erbanlage prädisponierten Schizophrenie bestehe; die Krankheit wäre möglicherweise ohne die wehrdienstlichen Einflüsse latent geblieben. Die Klage auf Anerkennung der Schizophrenie als zusätzlicher Schädigungsfolge und Gewährung einer Rente nach einer MdE von 100 v.H. sowie Gewährung einer Pflegezulage nach Stufe I, hilfsweise auf Gewährung einer Härteversorgung wies das Sozialgericht Gießen mit Urteil vom 19. April 1966 ab. Es führte aus, daß das Gericht in der Sache selbst hätte prüfen müssen, nachdem der Beklagte vor dem HLSG am 25. April 1961 auf die Rechte aus dem Urteil des OVA K. vom 23. Juni 1953 verzichtet gehabt hätte. Nach dem Inhalt des Gutachtens der Ärztin Dr. E. sei ein Rechtsanspruch auf Anerkennung der Schizophrenie als Schädigungsfolge nicht zu begründen. Hinsichtlich dieser Krankheit liege auch keine medizinische Ungewißheit über ihre Verursachung vor, so daß auch die Gewährung einer Härteversorgung nicht zu rechtfertigen sei; ein Ermessensfehler bei der Versagung durch den Beklagten sei nicht festzustellen.

Gegen dieses dem Kläger am 6. Januar 1967 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung, die am 28. Januar 1967 bei Gericht eingegangen ist. Der Kläger macht geltend, es sei zweifelhaft, ob es sich hier um eine echte Schizophrenie handle. Im übrigen sei sehr fraglich, ob diese Krankheit erblich sei. Es könne sich auch um eine latente Schizophrenie handeln, die erst aufgetreten sei, nachdem der Kläger starken körperlichen bzw. seelischen Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Auf Antrag des Klägers hat Oberarzt Privatdozent Dr. G. von der Neuropsychiatrischen Universitätsklinik G. unter dem 12. Juni 1970, eingegangen bei Gericht am 4. Dezember 1970, ein Fachgutachten gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) über die Fragen erstattet, ob bei dem Kläger eine Schizophrenie oder eine andere Erkrankung auf dem einschlägigen Fachgebiet vorläge, ob diese Erkrankung durch Einflüsse des Wehrdienstes hervorgerufen oder verschlimmert worden sei und welche einzelnen Einflüsse dafür in Frage kämen und auch über die Fragen, ob über die Verursachungsfrage nur deshalb nichts ausgesagt werden könnte, weil in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit über die Ursache der Krankheit bestehe, und wie hoch die MdE einzuschätzen sei. Dr. G. und Dr. W. führen in ihrem Gutachten insbesondere aus, daß es sich um einen "schweren schizophrenen Defektzustand” handle; die Krankheitszeichen seien typisch für eine "hebephrene Verlaufsform”; diese klängen zunächst mehr oder weniger vollständig ab, häufig blieben aber nach den Schüben deutliche Persönlichkeitsveränderungen, die "Defekte”, zurück. Die Psychose 1944 sei sicher ein schizophrener Schub gewesen, keine symptomatische Psychose. Der Schub sei zeitlich zufällig mit der Osteomyelitis zusammen aufgetreten. Weiterhin ergäben sich Verdachtsmomente, daß die Schizophrenie bereits vor der Beinverletzung begonnen habe. Es lasse sich nicht wahrscheinlich machen, daß die Krankheit durch wehrdienstliche exogene Faktoren somatischer oder psychischer Art hervorgerufen, verschlimmert oder auch in ihrem Verlauf wesentlich beeinflußt worden sei. Obwohl die Ätiologie der Schizophrenie in vielen Punkten noch ungeklärt sei, lasse sich sagen, daß für das Gros der Schizophrenien und insbesondere für die hier vorliegende hebephrene Verlaufsform eine genetisch determinierte oder frühkindlich erworbene Prädisposition der entscheidende ursächliche Faktor sei.

Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und nach den Anträgen im Klageverfahren zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Auf die Ladung zum Termin am 12. Januar 1971 hat die Klägerin mit einem am 11. Januar 1971 eingegangenen Schreiben mitgeteilt, sie könne nicht erscheinen, da sie nicht reisefähig sei. Mit dem Schreiben beantragt sie, ein weiteres Gutachten gemäß § 109 SGG bei Prof. B. von der Universität Würzburg einzuholen, wobei sie noch erklärt daß sie mit der "Ablehnung des Antrags keinesfalls einverstanden” sei.

Auf den weiteren wesentlichen Inhalt der Renten- und Streitakten sowie den der anderen im Tatbestand bezeichneten beigezogenen Akten des OVA und des SG – alle Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung – wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die zulässige Berufung des Klägers, mit der dieser – durch seine Mutter als Vormund – wegen seines Versorgungsleidens eine Versorgungsrente nach einer MdE von 100 v.H. als Rechtsanspruch bzw. als Härteausgleich sowie eine Pflegezulage nach Stufe I begehrt, hat eine Entscheidung durch den Senat ergehen können, nachdem der Kläger, im Sinne von § 110 SGG in der Ladung darauf hingewiesen worden war, daß auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Eine Vertagung hat der Kläger nicht beantragt. Zu weiteren medizinischen Beweiserhebungen von Amts wegen, die eine Vertagung von Amts wegen notwendig gemacht hätten, hat kein Anlaß bestanden. Denn die für den Rechtsstreit rechtserheblichen Beweisfragen haben eine abschließende neurologisch-psychiatrische Beurteilung und Beantwortung durch das Gutachten der Dres. G. und W. gefunden. Auch der Kläger hat dieses Gutachten, das an ihn am 8. Dezember 1970 abgesandt wurde, zu keinem Punkt angegriffen, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anlaß bestand, ergänzende medizinische Beweise zu erheben.

Dem Antrag des Klägers, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, hat der Senat nicht stattgegeben können. Zwar beschränkt sich die gemäß § 109 SGG bestehende Verpflichtung des Gerichts dem Grundsatz nach nicht darauf nur einen einzigen Sachverständigen zu hören (vgl. BSG Beschlüsse vom 29. November 1957, Az.: 2 RU 241/56 und vom 6. Mai 1958, Az.: 10 RU 813/56, s. Sozialrecht SGG § 109 Da 8, Nr. 14). Doch ist das Gericht nur dann im Rahmen dieser Bestimmungen zur gutachtlichen Anhörung eines zweiten Arztes verpflichtet, wenn besondere Umstände das Verlangen des Klägers rechtfertigen. Solche Umstände sind hier jedoch nicht gegeben. Insbesondere sind nach den letzten Begutachtungen durch Dr. G. beim Kläger keine neuen Krankheitszustände hervorgetreten, die noch nicht begutachtet sind, noch sind andere Umstände ersichtlich, die eine Ergänzung des Gutachtens des Dr. G. rechtfertigen würden bzw. die Veranlassung geben könnten, einen neuen Sachverständigen nach § 109 SGG, wie der Kläger es beantragt, zu hören. Der Kläger hat im übrigen diesen Antrag ohne jede Begründung gestellt.

Die Berufung war in allen Punkten als unbegründet anzusehen. Für einen Rechtsanspruch auf Anerkennung der Schizophrenie als Schädigungsfolge fehlt es an der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges dieser Krankheit mit wehrdienstlichen Einflüssen. Daß es sich bei der Erkrankung des Klägers um eine Schizophrenie handelt, steht nach der Überzeugung des Senats fest. Priv.-Dozent Dr. G. und Dr. W. bezeichnen die Krankheitssymptomatik des Klägers als absolut typisch für die hebephrene Verlaufsform der Schizophrenie, bei der die Krankheit sich, wie hier, im jüngeren Lebensalter, meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr, manifestiert und 1 m Vordergrund "relativ blande Persönlichkeitsveränderungen mit Antriebsverarmung, affektiver Verflachung und Denkzerfahrenheit” stehen. Schlüssig bezeichnen es die Sachverständigen daher als selbstverständlich, daß schon rein zufällig nicht selten ein Ausbruch dieser Krankheit während des Wehrdienstes zu erwarten sei, was die Erfahrung auch belege (vgl. Gutachten S. 26/27). Die Sachverständigen stellen in Übereinstimmung mit Neurologin Dr. E. fest, daß es sich bei der Psychose des Klägers im Jahre 1944, im Kriegsdienst, um einen ersten Schub gehandelt hat. Sie schließen aber, in Abweichung von der Auffassung dieser Ärztin, die Möglichkeit aus, daß es sich hier um eine "symptomatische Psychose” gehandelt hat. Sie halten das Auftreten der Psychose beim Kläger zu diesem Zeitpunkt, in der er etwa gleichzeitig eine Osteomyelitis hatte, für rein zufällig. Dazu weisen sie darauf hin, daß bei dem Kläger im Jahre 1944 eine rein schizophrene Symptomatik gegeben war, also keine nur "schizophrenieforme Symptome” vorlagen. Beweis für eine endogene Krankheit ist nach den überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen auch die Tatsache, daß die 1944 aufgetretene Krankheit nach Heilung der gleichzeitigen Allgemeinerkrankung (Osteomyelitis, Sepsis) nicht abklang und später rezidivierte. Die Tatsache, daß in den Lazarett die Diagnose auf symptomatische Psychose gestellt wurde, wird im Gutachten als "weithin übliches Verfahren” zur Vermeidung noch nicht klar zu stellender schwerwiegenderer Diagnosen bezeichnet.

Die Sachverständigen schließen auch klar das Vorliegen von psychotischen Erscheinungen aufgrund einer kriegsdienstlichen cerebral-organischen Schädigung oder sonstigen somatischen Schäden aus, zumal im Pneumencephalogramm in M. im Jahre 1948 nur geringfügige Veränderungen sich zeigten.

Schließlich machen die medizinischen Sachverständigen der Neuropsychiatrischen Klinik, G., unter besonderer Berücksichtigung der Erkenntnisse des Prof. P., DX. niedergelegt in seinem Grundsatzgutachten "Zur ursächlichen Bedeutung exogener Faktoren für die Entstehung und den Verlauf der Schizophrenie” (herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit- und Sozialordnung, Bonn 1963, Schriftenreihe des Bundesversorgungsblattes Heft 5) klar, daß bei der hebephrenen Schizophrenie, wie sie der Kläger hat, äußeren Faktoren, zumal den wehrdienstlichen, kaum Bedeutung für die Verlaufsgestaltung zukommt, auch nicht der psychischen Belastung und die Prädisposition in der Ursachenkette ganz überwiegt. Diese Feststellung wird auch dadurch verdeutlicht, daß, auch an den zahlreichen Massenstatistiken für die beiden Weltkriege, keine nennenswerte Häufung endogener Psychosen erkennbar wird. Wenn danach sich nicht wahrscheinlich machen läßt, daß die Krankheit des Klägers, eine endogene Schizophrenie, im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung mit kriegsdienstlichen Ereignissen ursächlich zusammenhängt, entfällt die Voraussetzung der Anerkennung dieser Krankheit als Schädigungsfolge und damit die Grundlage für die Gewährung einer Rente nach einer MdE von mehr als 30 v.H. als Rechtsanspruch.

Die Gewährung von Härteversorgung setzt, im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG, voraus, daß die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Wie das Gutachten des Dr. G. in Übereinstimmung mit den Rundschreiben des BMA vom 22. April 1968 – Az.: V/2 – 5116 – 987/68 – (veröffentlicht in Schieckel-Gurgel, Kommentar zum BVG, E Nr. 477 IV 4) besagt, ist die Ätiologie der Schizophrenie nur in Einzelheiten noch nicht geklärt. Für das Gros der Schizophrenie und insbesondere die hier vorliegende hebephrene Verlaufsform ist, wie der Gutachter klar ausführt, Ursache eine "genetisch determinierte oder frühkindlich erworbene Prädisposition der entscheidende ursächliche Faktor. Daß die Schizophrenie heute keine Erkrankungen unbekannter Ursache mehr sind, wird auch im Grundsatzgutachten des Prof. P. (s. 34 a.a.O.) zum Ausdruck gebracht. Wenn damit die Hauptvoraussetzung der Härteversorgung hier entfällt, kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Beklagte mit der Ablehnung dieser Leistung sein Ermessen nicht verletzt hat. Auch der Hessische Minister für AVG hat im übrigen die dafür erforderliche Zustimmung nicht erteilt.

Wenn dem Kläger nach alledem lediglich eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. zusteht, ist auch die Hauptvoraussetzung für die begehrte Gewährung einer Pflegezulage, nämlich eine Hilflosigkeit durch die Schädigung der Art, daß der Beschädigte für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedarf (§ 35 Abs. 1 Satz 1 BVG), nicht gegeben.

Die Berufung ist zurückzuweisen, das Urteil ist zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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