Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 14 R 344/08 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei der Abzweigung nach § 48 SGB I von Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich nicht um eine Herabsetzung oder Entziehung einer laufenden Leistung i.S.v. § 86a Abs 2 Nr 3 SGG. Es wird lediglich der Zahlungsempfänger, nicht aber der Anspruchsinhaber oder die Höhe des Anspruchs abweichend durch den Abzweigungsbescheid gesondert geregelt.
2. Auch der Anfechtungsklage des Leistungsempfängers gegen einen Abzweigungsbescheid kommt daher grundsätzlich aufschiebende Wirkung gem. § 86a Abs 1 SGG zu, wenn nicht die zuständige Behörde gem § 86a Abs 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung anordnet.
2. Auch der Anfechtungsklage des Leistungsempfängers gegen einen Abzweigungsbescheid kommt daher grundsätzlich aufschiebende Wirkung gem. § 86a Abs 1 SGG zu, wenn nicht die zuständige Behörde gem § 86a Abs 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung anordnet.
Es wird festgestellt, dass die Klage des Antragstellers vom 28. Mai 2008 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2008 aufschiebende Wirkung hat.
Es wird angeordnet, dass die seit dem 1. August 2008 abgezweigten Leistungen in Höhe von 172,36 EUR an den Antragsteller ausgekehrt werden.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind von der Antragsgegnerin zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Abzweigung von Unterhaltsansprüchen der Kinder des Antragstellers zugunsten des Landratsamtes G. von der Erwerbsminderungsrente des Antragstellers.
Der Antragsteller erhält von Seiten der Antragsgegnerin seit dem 1. April 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid 07.06.2004). Zuletzt wurde die Rente auf Zeit bis zum 31.07.2008 befristet (Bescheid vom 27.06.2005).
Der Antragsteller hat 3 minderjährige Kinder mit den Namen B., A. und B., die bei der Mutter der Kinder leben. Mit Schreiben vom 02.07.2007 beantragte die Unterhaltsvorschusskasse des Landratsamtes G. - Kreis Jugendamt - bei der Antragsgegnerin die Abzweigung eines angemessenen Betrages der Rentenleistung gem. § 48 Abs. 1 SGB I mit der Begründung, dass der Antragsteller seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Kinder nicht nachkomme. In Höhe von 168,00 EUR sei der Unterhaltsanspruch der Kinder auf das Land Baden Württemberg übergegangen.
Die Antragsgegnerin hörte mit Schreiben vom 11.07.2007 den Antragsteller an. Mit Bescheid vom 27.07.2007 stellte sie fest, dass ab 01.09.2007 ein Betrag in Höhe von monatlich 164,67 EUR auf Grund der Verletzung von Unterhaltspflichten von der laufenden Rente des Widerspruchs des Antragstellers abgezweigt und an das Kreisjugendamt G. angewiesen werden.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Antragstellers mit der Begründung, dass ein Anspruch der Kinder auf Zahlung von Kindesunterhalt ausweislich des Sitzungsprotokolls des Amtsgerichts XY. in TS. vom 25. Mai 2007 nicht bestehe. Laut Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts XY. vom 25. Mai 2007 wurde dort im Beschluss vom selben Tag folgendes ausgeführt:
... das Gericht gibt zu erkennen, dass auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Kindesunterhaltes wohl nicht gegeben sei ...
Auf den Widerspruch des Antragstellers hin wurde auf Grund der aufschiebenden Wirkung seine Rente mit Berechnung vom 20.09.2007 ab 11.11.2007 unter dem Vorbehalt der Rückforderung vorläufig wieder angewiesen.
Des Weiteren holte die Antragsgegnerin beim Amtsgericht XY. eine Auskunft der Gestalt ein, dass ein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 794 ZPO im Sinne eines rechtskräftigen Unterhaltsurteils noch nicht vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers als unbegründet zurück. Ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch bestehe nur, wenn bei den Kindern Bedürftigkeit vorliege und beim Sozialleistungsberechtigten Leistungsfähigkeit vorhanden sei. Die Unterhaltsberechtigung des Kreisjugendamtes des Landratsamtes G. ergebe sich aus den §§ 1601 ff. BGB. Die Unterhaltspflicht finde ihre natürliche Grenze generell erst dort, wo die Existenz des Unterhaltspflichtigen in Frage gestellt würde und ihm nicht mehr die Mittel zur Bestreitung des unentbehrlichen Lebensbedarfs verbleiben würden. Hierbei sei der Antragsgegnerin erlaubt, schematisierte Werte zu Grunde zulegen. Unter Anwendung der sogenannten Düsseldorfer Tabelle betrage der Selbstbehalt zugunsten des Antragstellers, der nicht erwerbstätig sei, 770,00 EUR. Abweichungen von den festgestellten Pauschalenwerten seien erst dann vorzunehmen, wenn geltend gemacht werde, dass bei der Durchführung der Abzweigung ein geringerer Selbsthalt belassen bliebe, als unterhaltsrechtlich zustünde. Ferner könnten im vorliegenden Fall monatlich 164,67 EUR zur Sicherung des Unterhalts für die 3 Kinder abgetrennt werden. Zwar habe der Antragsteller seine schwierige wirtschaftliche Situation aufgezeigt und auf eine beigefügt Mietbescheinigung und den in diesem Zusammenhang bestehenden Rückstand des Mietkontos sowie auf den Nachweis über die Zahlungsverpflichtung aus einem Darlehn einer Bank hingewiesen. Jedoch habe der Antragsteller nach Aktenlage bisher keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten und es sei nicht absehbar, dass dies bei der Abzweigung eines Betrages in Höhe von monatlich 164,67 EUR der Fall wäre. Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtet sich die Klage vom 28. Mai 2008.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2007 hat die Antragsgegnerin angekündigt, den abzutrennenden Betrag ab nächstmöglichem Termin einzubehalten.
Am 8. Juli 2008 hat der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Hierzu trägt der Antragsteller vor, dass die Umgangskosten in Höhe von 150,00 EUR, die die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt habe, sich wie folgt zusammensetzten:
Da der Antragsteller zweimal im Monat von seinem Wohnort A-Stadt nach B-Stadt mit der Bahn fahren müsse, um den Umgang mit seiner Kindern auszuüben, entstünden Kosten zwischen 48,00 EUR und 64,00 EUR alleine für die Bahnfahrt. Ergänzend hat der Antragsteller vorgetragen, dass neben den Fahrtkosten, die im Jahre 2007 mindestens 18mal entstanden seien, im Jahr 2008 er mindestens 9-10mal zusammen mit seinem Bruder die Besuchsfahrten durchgeführt habe und zudem noch Kosten für die Verpflegung entstanden seien, die sich auf ca. 20,00 EUR bis 30,00 EUR beliefen. Nicht zutreffend sei, dass der Antragsteller zu seinem Bruder in die Türkei umgezogen sei, vielmehr habe er seinen Lebensmittelpunkt nach wie vor in Deutschland. Ihm sei von Ärzten empfohlen worden, Urlaub zu machen weshalb er in die Türkei gefahren sei. Durch die Abzweigung der Rente werde der Antragsteller in seinen Rechten verletzt und sozialhilfebedürftig was von der Vorschrift des § 48 SGB I nicht gewollt sei.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 28. Mai 2008 gegen den Bescheid vom 27. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2008 anzuordnen, und die bisher einbehaltenen Beträge an den Antragsteller auszukehren,
hilfsweise
festzustellen, dass die Klage vom 28. Mai 2008 gegen den Bescheid vom 27. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2008 aufschiebende Wirkung hat, und die bisher einbehaltenen Beträge an den Antragsteller auszukehren.
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den Antrag zurückzuweisen. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung der angegriffenen Bescheide.
Das Gericht hat einen Erörterungstermin am 5. November 2008 durchgeführt, in welchem der Antragsteller erklärt hat, dass er im Jahr 2008 in den Monaten Januar, März und August jeweils für einen Monat in der Türkei gewesen sei, jedoch keine Absicht seinerseits bestehe, in die Türkei dauerhaft zurückzukehren. Ansonsten übe er das Besuchsrecht bei seinen Kindern im 14-tätigen Abstand aus. II.
Der zulässige Antrag hat Erfolg.
Gem. § 86 b Abs. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen bzw. die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage feststellen. Dabei ist vom Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen den Interessen des Antragstellers, einstweilen von der belastenden Wirkung eines Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, und dem besonderen Interesse der die Verfügung erlassenden Verwaltung, das zur Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 geführt hat bzw. dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden besonderen Vollzugsinteresse, wie es im § 86 a Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGG seinen Ausdruck gefunden hat. Bevor es zu dieser Interessenabwägung kommt, bei der im Wesentlichen auf den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache abzustellen ist, ist zu klären, ob es sich um einen Fall handelt, bei dem die regelmäßig angeordnete aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage eingreift (siehe § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG) oder ob die aufschiebende Wirkung nach den verschiedenen Tatständen des § 86 a Abs. 2 Nr. 1 5 SGG entfallen ist.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist im vorliegenden Fall die grundsätzliche gegebene aufschiebende Wirkung nicht gem. § 86 a Abs. 2 SGG entfallen. Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der den Übergang eines Anspruchs bewirkt, keine aufschiebende Wirkung. Vielmehr handelt es sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und anscheinend auch des Antragstellers im vorliegenden Fall bei der Abzweigung nach § 48 SGB I nicht um eine Herabsetzung oder Entziehung einer laufenden Leistung. Durch die Abzweigung wird lediglich der Zahlungsempfänger, nicht aber der Anspruchsinhaber oder die Höhe des Anspruchs abweichend durch den Abzweigungsbescheid gesondert geregelt. Daher ist durch die höchstrichterliche sozialgerichtliche Rechtsprechung anerkannt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfalten, wenn der Leistungsempfänger sich gegen die Abzweigung von Sozialleistungen wendet (siehe LSG NRW vom 10.03.2005 Az: L 1 B 46/04 AL ER-juris; siehe auch HLSG Beschluss vom 28.12.2004 Az: L 6 AL 195/04 ER-juris). Bei der dem Antragsteller bewilligten Leistungen (Erwerbsminderungsrente) handelt es sich um eine laufende Leistung, die zum Zeitpunkt des Widerspruchs bzw. der Klage noch lief, also noch aktuell und noch nicht abgeschlossen war.
Die streitbefangene Abzweigung stellt keine Herabsetzung oder teilweise Entziehung dieser laufenden Leistungen im Sinne des § 86 Abs. 2 Nr. 3 SGG dar (siehe auch Beschlüsse LSG Niedersachsen/Bremen 04.09.2002 Az: L 7 AL 283/02 ER und LSG Rheinland-Pfalz 08.06.2004 – L 3 ER 29/04 AL – juris). Denn die Erwerbsminderungsrente wird dem Antragsteller weiterhin in vollem Unfang gewährt; die Antragsgegnerin hat den Anspruch ungemindert zu erfüllen. Die abgezweigten Beträge dienen zu Erfüllung der den Antragsteller gegenüber seinen minderjährigen Kindern betreffende Unterhaltspflicht nach §§ 1601, 1602, 1603 Abs. 2 BGB. Die Privilegierung der leistenden Stelle bei Herabsetzung oder Entziehung dieser laufenden Leistungen gem. § 86 a Abs. 2 SGG im Sinne des automatischen Wegfalls der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage kann auch nicht von Sinn und Zweck der Regelung übertragen werden auf die rechtliche Situation einer Abzweigung nach § 48 Abs. 1 SGB I. Denn dort wird eine dritte Stelle oder eine Person, die außerhalb der Rechtsbeziehungen zwischen dem Leistungsempfänger und der Bundesagentur für Arbeit steht durch die Abzweigung begünstigt. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung durch Widerspruch und Klage nach § 86 Abs. 1 SGG in diesen Fällen wirkt sich auf die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger mithin nicht aus (siehe zum vorstehenden HLSG, Beschluss vom 28.12.2004 Az: L 6 AL 195/04 ER – juris - RdNr. 24).
Liegt somit kein Fall des gesetzlich angeordneten Ausfalls der aufschiebenden Wirkung vor und wurde nicht Einzelfall die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet, so muss es bei der grundsätzlichen aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage verbleiben, die hier im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen war. Eine Anordnung derselben war daher nicht nötig und der Antrag insoweit abzulehnen.
Zwar darf in Verfahren, die einstweiligen Rechtsschutz betreffen, die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden, jedoch ist es im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes insbesondere bei Leistungen, die existenzsichernde Funktion haben, u.U. geboten, die Auszahlung streitbefangener Beträge anzuordnen (vgl Meyer-Ladewig, SGG, § 86a Rdnr 28). Dies erscheint hier geboten.
Über die materielle Rechtmäßigkeit der Abzweigung ist im Hauptsacheverfahren zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG. Da der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz voll umfänglich obsiegt, hielt es das Gericht für angemessen, ihm die außergerichtlichen Kosten hierfür zuzusprechen.
Es wird angeordnet, dass die seit dem 1. August 2008 abgezweigten Leistungen in Höhe von 172,36 EUR an den Antragsteller ausgekehrt werden.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind von der Antragsgegnerin zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Abzweigung von Unterhaltsansprüchen der Kinder des Antragstellers zugunsten des Landratsamtes G. von der Erwerbsminderungsrente des Antragstellers.
Der Antragsteller erhält von Seiten der Antragsgegnerin seit dem 1. April 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid 07.06.2004). Zuletzt wurde die Rente auf Zeit bis zum 31.07.2008 befristet (Bescheid vom 27.06.2005).
Der Antragsteller hat 3 minderjährige Kinder mit den Namen B., A. und B., die bei der Mutter der Kinder leben. Mit Schreiben vom 02.07.2007 beantragte die Unterhaltsvorschusskasse des Landratsamtes G. - Kreis Jugendamt - bei der Antragsgegnerin die Abzweigung eines angemessenen Betrages der Rentenleistung gem. § 48 Abs. 1 SGB I mit der Begründung, dass der Antragsteller seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Kinder nicht nachkomme. In Höhe von 168,00 EUR sei der Unterhaltsanspruch der Kinder auf das Land Baden Württemberg übergegangen.
Die Antragsgegnerin hörte mit Schreiben vom 11.07.2007 den Antragsteller an. Mit Bescheid vom 27.07.2007 stellte sie fest, dass ab 01.09.2007 ein Betrag in Höhe von monatlich 164,67 EUR auf Grund der Verletzung von Unterhaltspflichten von der laufenden Rente des Widerspruchs des Antragstellers abgezweigt und an das Kreisjugendamt G. angewiesen werden.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Antragstellers mit der Begründung, dass ein Anspruch der Kinder auf Zahlung von Kindesunterhalt ausweislich des Sitzungsprotokolls des Amtsgerichts XY. in TS. vom 25. Mai 2007 nicht bestehe. Laut Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts XY. vom 25. Mai 2007 wurde dort im Beschluss vom selben Tag folgendes ausgeführt:
... das Gericht gibt zu erkennen, dass auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Kindesunterhaltes wohl nicht gegeben sei ...
Auf den Widerspruch des Antragstellers hin wurde auf Grund der aufschiebenden Wirkung seine Rente mit Berechnung vom 20.09.2007 ab 11.11.2007 unter dem Vorbehalt der Rückforderung vorläufig wieder angewiesen.
Des Weiteren holte die Antragsgegnerin beim Amtsgericht XY. eine Auskunft der Gestalt ein, dass ein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 794 ZPO im Sinne eines rechtskräftigen Unterhaltsurteils noch nicht vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers als unbegründet zurück. Ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch bestehe nur, wenn bei den Kindern Bedürftigkeit vorliege und beim Sozialleistungsberechtigten Leistungsfähigkeit vorhanden sei. Die Unterhaltsberechtigung des Kreisjugendamtes des Landratsamtes G. ergebe sich aus den §§ 1601 ff. BGB. Die Unterhaltspflicht finde ihre natürliche Grenze generell erst dort, wo die Existenz des Unterhaltspflichtigen in Frage gestellt würde und ihm nicht mehr die Mittel zur Bestreitung des unentbehrlichen Lebensbedarfs verbleiben würden. Hierbei sei der Antragsgegnerin erlaubt, schematisierte Werte zu Grunde zulegen. Unter Anwendung der sogenannten Düsseldorfer Tabelle betrage der Selbstbehalt zugunsten des Antragstellers, der nicht erwerbstätig sei, 770,00 EUR. Abweichungen von den festgestellten Pauschalenwerten seien erst dann vorzunehmen, wenn geltend gemacht werde, dass bei der Durchführung der Abzweigung ein geringerer Selbsthalt belassen bliebe, als unterhaltsrechtlich zustünde. Ferner könnten im vorliegenden Fall monatlich 164,67 EUR zur Sicherung des Unterhalts für die 3 Kinder abgetrennt werden. Zwar habe der Antragsteller seine schwierige wirtschaftliche Situation aufgezeigt und auf eine beigefügt Mietbescheinigung und den in diesem Zusammenhang bestehenden Rückstand des Mietkontos sowie auf den Nachweis über die Zahlungsverpflichtung aus einem Darlehn einer Bank hingewiesen. Jedoch habe der Antragsteller nach Aktenlage bisher keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten und es sei nicht absehbar, dass dies bei der Abzweigung eines Betrages in Höhe von monatlich 164,67 EUR der Fall wäre. Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtet sich die Klage vom 28. Mai 2008.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2007 hat die Antragsgegnerin angekündigt, den abzutrennenden Betrag ab nächstmöglichem Termin einzubehalten.
Am 8. Juli 2008 hat der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Hierzu trägt der Antragsteller vor, dass die Umgangskosten in Höhe von 150,00 EUR, die die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt habe, sich wie folgt zusammensetzten:
Da der Antragsteller zweimal im Monat von seinem Wohnort A-Stadt nach B-Stadt mit der Bahn fahren müsse, um den Umgang mit seiner Kindern auszuüben, entstünden Kosten zwischen 48,00 EUR und 64,00 EUR alleine für die Bahnfahrt. Ergänzend hat der Antragsteller vorgetragen, dass neben den Fahrtkosten, die im Jahre 2007 mindestens 18mal entstanden seien, im Jahr 2008 er mindestens 9-10mal zusammen mit seinem Bruder die Besuchsfahrten durchgeführt habe und zudem noch Kosten für die Verpflegung entstanden seien, die sich auf ca. 20,00 EUR bis 30,00 EUR beliefen. Nicht zutreffend sei, dass der Antragsteller zu seinem Bruder in die Türkei umgezogen sei, vielmehr habe er seinen Lebensmittelpunkt nach wie vor in Deutschland. Ihm sei von Ärzten empfohlen worden, Urlaub zu machen weshalb er in die Türkei gefahren sei. Durch die Abzweigung der Rente werde der Antragsteller in seinen Rechten verletzt und sozialhilfebedürftig was von der Vorschrift des § 48 SGB I nicht gewollt sei.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 28. Mai 2008 gegen den Bescheid vom 27. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2008 anzuordnen, und die bisher einbehaltenen Beträge an den Antragsteller auszukehren,
hilfsweise
festzustellen, dass die Klage vom 28. Mai 2008 gegen den Bescheid vom 27. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2008 aufschiebende Wirkung hat, und die bisher einbehaltenen Beträge an den Antragsteller auszukehren.
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den Antrag zurückzuweisen. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung der angegriffenen Bescheide.
Das Gericht hat einen Erörterungstermin am 5. November 2008 durchgeführt, in welchem der Antragsteller erklärt hat, dass er im Jahr 2008 in den Monaten Januar, März und August jeweils für einen Monat in der Türkei gewesen sei, jedoch keine Absicht seinerseits bestehe, in die Türkei dauerhaft zurückzukehren. Ansonsten übe er das Besuchsrecht bei seinen Kindern im 14-tätigen Abstand aus. II.
Der zulässige Antrag hat Erfolg.
Gem. § 86 b Abs. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen bzw. die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage feststellen. Dabei ist vom Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen den Interessen des Antragstellers, einstweilen von der belastenden Wirkung eines Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, und dem besonderen Interesse der die Verfügung erlassenden Verwaltung, das zur Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 geführt hat bzw. dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden besonderen Vollzugsinteresse, wie es im § 86 a Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGG seinen Ausdruck gefunden hat. Bevor es zu dieser Interessenabwägung kommt, bei der im Wesentlichen auf den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache abzustellen ist, ist zu klären, ob es sich um einen Fall handelt, bei dem die regelmäßig angeordnete aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage eingreift (siehe § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG) oder ob die aufschiebende Wirkung nach den verschiedenen Tatständen des § 86 a Abs. 2 Nr. 1 5 SGG entfallen ist.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist im vorliegenden Fall die grundsätzliche gegebene aufschiebende Wirkung nicht gem. § 86 a Abs. 2 SGG entfallen. Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der den Übergang eines Anspruchs bewirkt, keine aufschiebende Wirkung. Vielmehr handelt es sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und anscheinend auch des Antragstellers im vorliegenden Fall bei der Abzweigung nach § 48 SGB I nicht um eine Herabsetzung oder Entziehung einer laufenden Leistung. Durch die Abzweigung wird lediglich der Zahlungsempfänger, nicht aber der Anspruchsinhaber oder die Höhe des Anspruchs abweichend durch den Abzweigungsbescheid gesondert geregelt. Daher ist durch die höchstrichterliche sozialgerichtliche Rechtsprechung anerkannt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfalten, wenn der Leistungsempfänger sich gegen die Abzweigung von Sozialleistungen wendet (siehe LSG NRW vom 10.03.2005 Az: L 1 B 46/04 AL ER-juris; siehe auch HLSG Beschluss vom 28.12.2004 Az: L 6 AL 195/04 ER-juris). Bei der dem Antragsteller bewilligten Leistungen (Erwerbsminderungsrente) handelt es sich um eine laufende Leistung, die zum Zeitpunkt des Widerspruchs bzw. der Klage noch lief, also noch aktuell und noch nicht abgeschlossen war.
Die streitbefangene Abzweigung stellt keine Herabsetzung oder teilweise Entziehung dieser laufenden Leistungen im Sinne des § 86 Abs. 2 Nr. 3 SGG dar (siehe auch Beschlüsse LSG Niedersachsen/Bremen 04.09.2002 Az: L 7 AL 283/02 ER und LSG Rheinland-Pfalz 08.06.2004 – L 3 ER 29/04 AL – juris). Denn die Erwerbsminderungsrente wird dem Antragsteller weiterhin in vollem Unfang gewährt; die Antragsgegnerin hat den Anspruch ungemindert zu erfüllen. Die abgezweigten Beträge dienen zu Erfüllung der den Antragsteller gegenüber seinen minderjährigen Kindern betreffende Unterhaltspflicht nach §§ 1601, 1602, 1603 Abs. 2 BGB. Die Privilegierung der leistenden Stelle bei Herabsetzung oder Entziehung dieser laufenden Leistungen gem. § 86 a Abs. 2 SGG im Sinne des automatischen Wegfalls der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage kann auch nicht von Sinn und Zweck der Regelung übertragen werden auf die rechtliche Situation einer Abzweigung nach § 48 Abs. 1 SGB I. Denn dort wird eine dritte Stelle oder eine Person, die außerhalb der Rechtsbeziehungen zwischen dem Leistungsempfänger und der Bundesagentur für Arbeit steht durch die Abzweigung begünstigt. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung durch Widerspruch und Klage nach § 86 Abs. 1 SGG in diesen Fällen wirkt sich auf die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger mithin nicht aus (siehe zum vorstehenden HLSG, Beschluss vom 28.12.2004 Az: L 6 AL 195/04 ER – juris - RdNr. 24).
Liegt somit kein Fall des gesetzlich angeordneten Ausfalls der aufschiebenden Wirkung vor und wurde nicht Einzelfall die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet, so muss es bei der grundsätzlichen aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage verbleiben, die hier im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen war. Eine Anordnung derselben war daher nicht nötig und der Antrag insoweit abzulehnen.
Zwar darf in Verfahren, die einstweiligen Rechtsschutz betreffen, die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden, jedoch ist es im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes insbesondere bei Leistungen, die existenzsichernde Funktion haben, u.U. geboten, die Auszahlung streitbefangener Beträge anzuordnen (vgl Meyer-Ladewig, SGG, § 86a Rdnr 28). Dies erscheint hier geboten.
Über die materielle Rechtmäßigkeit der Abzweigung ist im Hauptsacheverfahren zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG. Da der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz voll umfänglich obsiegt, hielt es das Gericht für angemessen, ihm die außergerichtlichen Kosten hierfür zuzusprechen.
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