Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 15 SO 953/08 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SO 619/08 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zielsetzung der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe ist die Eingliederung des behinderten Menschen in die Gesellschaft. Diese Zielsetzung kann nicht durch die Finanzierung von Hausbesuchen einer Prostituierten erreicht werden. Hierdurch wird weder die Alltagskompetenz des behinderten Menschen noch seine Einbindung in das Gemeinwesen verbessert.
Unter Geltung des Grundgesetzes ist die Aufgabe der Sozialhilfe darauf beschränkt, dem Leistungsempfänger ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Ein Leben in Würde ist auch ohne die begehrten Sexualkontakte möglich.
2. Im Rahmen der Eingliederungshilfe gibt es keine unbegrenzte Sozialisierung der Kosten zur Teilnahme am kulturellen Leben. Hilfe wird nur in dem Maße gewährt, in dem auch nichtbehinderte Menschen entsprechende Bedüftnisse üblicherweise befriedigen.
3. Eintrittspreise für den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen sind nicht gundsätzlich im Rahmen der Eingliederungshilfe zu erstatten. Vorrangig sind die Kosten für behinderungsbedingte Aufwendungen zu übernehmen.
Unter Geltung des Grundgesetzes ist die Aufgabe der Sozialhilfe darauf beschränkt, dem Leistungsempfänger ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Ein Leben in Würde ist auch ohne die begehrten Sexualkontakte möglich.
2. Im Rahmen der Eingliederungshilfe gibt es keine unbegrenzte Sozialisierung der Kosten zur Teilnahme am kulturellen Leben. Hilfe wird nur in dem Maße gewährt, in dem auch nichtbehinderte Menschen entsprechende Bedüftnisse üblicherweise befriedigen.
3. Eintrittspreise für den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen sind nicht gundsätzlich im Rahmen der Eingliederungshilfe zu erstatten. Vorrangig sind die Kosten für behinderungsbedingte Aufwendungen zu übernehmen.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 8. Mai 2008 abgeändert.
Der Beschwerdegegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung entsprechend seinem Anerkenntnis vom 2. Oktober 2008 verpflichtet, dem Beschwerdeführer vorläufig und darlehensweise bis zu dem Zeitpunkt der Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren sechs abendliche Taxifahrten jährlich zu Theater-, Kino- oder Konzertbesuchen im Umkreis von 50 Kilometern von R. zu finanzieren.
Die Beschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdegegner hat dem Beschwerdeführer ein Sechstel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer begehrt verschiedene Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets.
Der am 8. Februar 1962 geborene Beschwerdeführer bezieht Erwerbsunfähigkeits- und Unfallrente und erhält monatlich Wohngeld. Er ist schwerbehindert im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. In seinem Schwerbehindertenausweis sind die Merkzeichen "G", "aG" und "H" eingetragen; die Notwendigkeit ständiger Begleitung ("B") ist nachgewiesen. Bis 2005 war er verheiratet; er hat zwei Kinder. Seit 2002 lebt er getrennt von der Familie und kommt alleine für das von ihm bewohnte und 1999 erbaute Einfamilienhaus auf. Seinen Kindern ist er zum Unterhalt verpflichtet. Nach den Berechnungen des Beschwerdegegners hätte er grundsätzlich Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe ohne Leistung eines Eigenanteils.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2007 lehnte der Beschwerdegegner seinen Antrag auf Eingliederungshilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges ab, weil er nicht ständig auf die Benutzung des Kraftfahrzeuges angewiesen sei. Es gebe auch keine anderen gewichtigen Gründe, die eine ständige Benutzung des Kraftfahrzeuges (wie bei Erwerbstätigen) erforderlich machten. - Sein Widerspruch dagegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. September 2007).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 27. September 2007 Klage (S 15 SO 2043/07). Das Angebot des Beschwerdegegners, ihm die Kosten einer Begleit-/Hilfsperson für Freizeitunternehmungen in noch zu verhandelndem Umfang zu bewilligen, lehnte er ab. Er müsse bei jeder Witterung mindestens zweimal pro Woche zur Physiotherapie; mit dem Elektrorollstuhl dauere dies zwölf Minuten für den Hinweg und 15 Minuten für den Rückweg. Eine solche Situation sei nicht zumutbar. Mit Niederflurbussen und der Bahn könne er nicht alle Ziele in Deutschland erreichen.
Während des laufenden Klageverfahrens beantragte er im Januar 2008 weitere Leistungen der Eingliederungshilfe als trägerübergreifendes Persönliches Budget bei dem Beschwerdegegner. Im Einzelnen beantragte er - die Übernahme der Kosten für den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen und -einrichtungen - die Kosten für Hausbesuche von Prostituierten (pro Besuch in Höhe von 160 EUR) - Fahrtkosten für ein Behindertentaxi - die Kosten zur Beschaffung eines behindertengerechten Autos - Leistungen für Pflegearbeiten im Garten und Hausmeistertätigkeiten. Außerdem sei er Unterhaltszahlungen für seine Kinder und GEZ-Gebühren schuldig geblieben, weil er nicht genügend Geld habe. Mit Bescheid vom 18. März 2008 lehnte der Beschwerdegegner den Antrag ab und führte aus, dass es Aufgabe der Eingliederungshilfe sei, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Die beantragten Maßnahmen seien hierzu nicht geeignet, sondern in gewissem Umfang dem notwendigen Lebensunterhalt zuzuordnen. Der sozialhilferechtliche Regelbedarf umfasse neben Aufwendungen für Hobby, Freizeit-, Sport- und Kulturveranstaltungen ebenso das Sexualleben. Hilfe zum Lebensunterhalt komme aber nur dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer diesen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen beschaffen könne. Über die von ihm beantragte Übernahme von Kosten für Fahrten und eine Begleitperson im Rahmen der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben könne noch nicht entschieden werden, weil insoweit die Entscheidung des Sozialgerichtes Nordhausen in dem Verfahren mit dem Az.: S 15 SO 2043/07 noch ausstehe. - Dagegen legte der Beschwerdeführer am 6. April 2008 Widerspruch ein. Das Widerspruchsverfahren ist noch anhängig.
Seinen am 15. April 2008 eingegangen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht Nordhausen mit Beschluss vom 8. Mai 2008 abgelehnt und ausgeführt, die Pflege eines Gartens gehöre nicht zu den durch den Sozialhilfeträger zu finanzierenden Ansprüchen Hilfebedürftiger, auch nicht behinderter Hilfebedürftiger. Die Kostenübernahme für Eintrittsgelder für kulturelle Veranstaltungen und Sportveranstaltungen gehöre ebenso wie die Finanzierung des Sexuallebens zu den Bedürfnissen des täglichen Lebens, die von dem Einkommen des Beschwerdeführers selbst, welches den Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erheblich übersteige, abzudecken seien. Nach den sozialhilferechtlichen Vorschriften gebe es keinen Anspruch auf Befreiung von Schulden; hinsichtlich des Antrages auf Übernahme der Fahrtkosten für ein Behindertentaxi sei ein Anspruch im Einstweiligen Rechtsschutzverfahren deshalb nicht gegeben, weil er ein entsprechendes Vergleichsangebot des Beschwerdegegners in dem Hauptsacheverfahren mit dem Az.: S 15 SO 2043/07 abgelehnt habe.
Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer sein Begehren weiter. Wegen seiner Körperbehinderung sei keine Frau bereit, mit ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen. Daher müsse er die Dienstleistungen von Prostituierten nutzen. Es sei auch nicht zulässig, zwei Verfahren zu verbinden; das Verfahren bezüglich einer Kraftfahrzeughilfe laufe schon seit zwei Jahren, und es sei nicht abzusehen, wann eine endgültige Entscheidung getroffen werde. Die Kostenübernahme von Fahrten zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben müsse daher jetzt erfolgen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichtes Nordhausen vom 8. Mai 2008 aufzuheben und den Beschwerdegegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budget für folgende Bereiche zu gewähren:
- die Übernahme der Kosten für den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen und -einrichtungen - die Kosten für Hausbesuche von Prostituierten (pro Besuch in Höhe von 160 EUR) - Fahrtkosten für ein Behindertentaxi - Leistungen für Pflegearbeiten im Garten und Hausmeistertätigkeiten. - Unterhaltszahlungen für seine Kinder und GEZ-Gebühren
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, hinsichtlich der beantragten Mobilitätskosten sei die Entscheidung im Verfahren S 15 SO 2043/07 vorgreiflich. In Bezug auf die weiterhin beantragten sonstigen Hilfen sei eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2008 hat er dem Beschwerdeführer angeboten, sechs abendliche Taxifahrten im Umkreis von 50 Kilometern seines Wohnortes zu finanzieren, alternativ die anfallenden Kosten in Höhe von 600 EUR im Rahmen eines Mobilitätszuschusses zu zahlen. Das Angebot hat der Beschwerdeführer als unseriös abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beschwerdegegners und die Gerichtsakte mit dem Az.: S 15 SO 2043/07 lagen vor und waren Gegenstand der geheimen Beratung.
II.
Vorab ist klar zu stellen, dass Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht die Hilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges ist. Der Beschwerdeführer hatte zwar in seinem Formularantrag vom 20. Januar 2008 auch eine solche Leistung beantragt, später aber sowohl im erstinstanzlichen Antragsverfahren wie auch im Beschwerdeverfahren klargestellt, dass er gerade keine Verknüpfung dieses unter dem Aktenzeichen S 15 SO 2043/07 vor dem Sozialgericht Nordhausen verfolgten Begehrens mit dem Antrag auf Fahrtkostenerstattung möchte. Das Sozialgericht hat hierzu auch keine Entscheidung getroffen.
Die Beschwerde ist begründet, soweit der Beschwerdeführer die Übernahme von Fahrtkosten zu kulturellen Veranstaltungen begehrt. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).
Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht aufgrund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und / oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Dabei bedeutet die Möglichkeit der Glaubhaftmachung von Tatsachen zunächst nur, dass sich das Gericht nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen der beweiserheblichen Tatsachen machen muss, sondern ein geringerer Grad der Überzeugung genügt (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 103 Rdnr. 6 a).
Der Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit der Rechtsschutzgewährung) liegt vor, wenn es für den Beschwerdeführer unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden, wobei auf die Beachtung der Folgen für den Fall des Nichterlasses der begehrten einstweiligen Anordnung abzustellen ist. Im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes kann es dabei ausnahmsweise auch erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn sonst Rechtsschutz nicht erreichbar ist und ein Abwarten für den Beschwerdeführer unzumutbar wäre (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86 b Rdnr. 31).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Bejahung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes vor, soweit es die darlehensweise Übernahme von Taxikosten in dem tenorierten Umfang betrifft. Für das darüber hinausgehende Begehren fehlt ein Anordnungsanspruch.
Nach §§ 19 Abs. 3 i.V.m. 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Nach § 53 Abs. 3 SGB XII ist es besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, " ... eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufes oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen."
Der Beschwerdeführer gehört unstreitig zu dem berechtigten Personenkreis nach § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft schließt die Teilhabe am Leben in der Familie, der Nachbarschaft, aber auch am öffentlichen und kulturellen Leben mit ein. § 54 Abs. 1 SGB XII verweist für die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auf die Regelung des § 55 des SGB IX. Diese Vorschrift regelt in Absatz 2 Nr. 7 die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. § 58 SGB IX bestimmt diese Hilfen näher. Es gehören dazu die Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen, die Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen.
Der Beschwerdeführer hat daher nach summarischer Überprüfung einen Anspruch auf die angebotene Kostenübernahme für jährlich sechs Taxifahrten zu Kulturveranstaltungen. Der Beschwerdegegner hat mit diesem Angebot der eingeschränkten Mobilität des Beschwerdeführers im Rahmen seines Ermessens ausreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gibt es keine unbegrenzte Sozialisierung der Kosten zur Teilnahme am kulturellen Leben. Hilfe nach § 58 SGB IX wird nur in dem Maß gewährt, in dem auch Nichtbehinderte entsprechende Bedürfnisse befriedigen können. In ländlichen Gebieten mit schlechter Verkehrsanbindung kann daher die Teilnahme aller Bevölkerungsgruppen an kulturellen Veranstaltungen geringer ausfallen als im Großstadtbereich. Einen Anspruch auf Finanzierung von Fahrten nach beispielsweise Hamburg oder München oder zu Großereignissen in der gesamten Bundesrepublik hat der Beschwerdeführer nicht, weil auch Nichtbehinderte nur ausnahmsweise zu solchen weit entfernt stattfindenden Veranstaltungen fahren und hierdurch in der Regel keine effektivere Integration in die Gesellschaft erreicht werden kann. Im Gegenteil bieten eher Veranstaltungen im Nahbereich über das Kulturerlebnis hinaus die Möglichkeit, Kontakte zu Mitmenschen zu knüpfen. Dem Beschwerdeführer bleibt es unbenommen, im Einzelfall für ein besonderes Ereignis, beispielsweise eine Veranstaltung, die in besonderem Maße geeignet ist, den Zielen der Eingliederungshilfe zu dienen, rechtzeitig einen Antrag nach § 53 SGB XII zu stellen. Einen Anspruch darauf, dass der Beschwerdegegner ihm bereits vorab im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Übernahme der Kosten zur Teilnahme an so genannten Events im gesamten Bundesgebiet zusagt und ihm als Geldleistung (Persönliches Budget) zur Verfügung stellt, hat er jedenfalls nicht. Es ist ohnehin fraglich, ob ein solches Persönliches Budget überhaupt in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zugesprochen werden kann, weil es über die Behebung einer gegenwärtigen Notlage bei weitem hinausgeht und zudem konkrete Zielvereinbarungen zwischen den Beteiligten voraussetzt.
Der Beschwerdeführer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung der Eintrittspreise für die Veranstaltungen, weil solche Kosten vom Regelbedarf nach § 28 SGB XII gedeckt werden. Im Rahmen der Eigliederungshilfe sind vorrangig die Kosten zu übernehmen, die zusätzlich durch die Behinderung des Antragstellers entstehen. Dazu gehören Eintrittsgelder in der Regel nicht. Da der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 Abs. 1 SGB XII hat, muss er diese Eintrittsgelder aus eigenen Mitteln bezahlen. Auch hier bleibt es ihm im begründeten Einzelfall unbenommen, für eine Veranstaltung, die in besonderem Maße den Zielen der Eingliederungshilfe gerecht wird, einen Antrag auf Kostenübernahme zu stellen.
Der Beschwerdeführer hat auch keinen Anspruch auf die Finanzierung von Prostituiertenhausbesuchen. Das Ziel der Eingliederungshilfe, ihn als behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, kann hierdurch nicht erreicht werden. Sinn und Zweck der Vorschriften ist es gerade nicht, die Begegnung und den Umgang der behinderten Menschen mit von der Gesellschaft zwar geduldeten, aber nicht am allgemeinen Gemeinschaftsleben teilnehmenden Personen zu ermöglichen. Die Förderung von Prostituiertenbesuchen würde weder die Alltagskompetenz des Beschwerdeführers noch seine Einbindung in das Gemeinwesen verbessern.
Der Einzelne hat zwar das Recht zur Selbstbestimmung, in welcher Form er - im Rahmen seiner Möglichkeiten und der grundrechtlichen Werteordnung - sein Sexualleben ausrichtet. Deshalb ist es vom Staat und damit auch vom Sozialhilfeträger nicht zu bewerten, wenn der Beschwerdeführer die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen möchte. Die Prostitution wird nicht (mehr) als unsittlich eingestuft (siehe auch das Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001).
In der Rechtsprechung sind bisher gleichgelagerte Anliegen von Sozialhilfeempfängern damit abgelehnt worden, dass die Befriedigung sexueller Bedürfnisse zum Regelbedarf im Sinne der §§ 27, 28 SGB XII gehöre; anfallende Kosten seien daher durch den jeweiligen Regelsatz abgedeckt. Der Sozialhilfeempfänger müsse seine sexuellen Bedürfnisse an den Möglichkeiten und Grenzen der Regelsatzhilfe ausrichten und seine Mittel entsprechend einteilen; gegebenenfalls müsse er auf andere Sexualpraktiken ausweichen und die Häufigkeit seines Verkehrs einschränken (vgl. Hamburgisches OVG vom 21. Dezember 1990, Az.: Bf IV 110/89; in diesem Sinne auch VG Ansbach, Urteil vom 5. März 2004, Az.: AN 4 K 04.00052). Ferner ist bereits entschieden worden, dass durch "Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente" bei einem Schwerstbehinderten die Aufgabe der Eingliederungshilfe, unter anderem seine Eingliederung in die Gesellschaft zu fördern, nicht erfüllt werden kann; die Kosten einer solchen Massage gehörten zu den allgemeinen Aufwendungen für das Sexualleben, das zu den Grundbedürfnissen des menschlichen Daseins gehöre; die Aufwendungen für derartige Maßnahmen seien aus der Regelsatzhilfe zu decken (vgl. Bayerischer VerwGH vom 10. Mai 2006, Az.: 12 BV 06.320). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass aus dem (sexuellen) Selbstbestimmungsrecht eines Patienten jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen (hier: Verordnung des Arzneimittels "Viagra") folge; der Gesetzgeber verletze seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnehme, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen. In ähnlicher Weise kann für den vorliegenden Fall argumentiert werden, dass sich unter der Geltung des Grundgesetzes die Aufgabe der Sozialhilfe darauf beschränkt, dem Leistungsempfänger ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Dies umfasst zwar über die notwendigen Mittel für ein Existenzminimum hinaus die Mittel, die der Art und dem Umfang nach ein an den "herrschenden Lebensgewohnheiten" orientiertes Leben ermöglichen (vgl. Münder und andere, SGB XII, 7. Aufl., Rdnr. 8 zu § 27); eine Steigerung der Lebensqualität jenseits der Grenze, die für ein menschenwürdiges Leben gilt, gehört jedoch nicht zu den Aufgaben der Sozialhilfe. Ein Leben in Würde ist aber auch noch ohne die vom Beschwerdeführer begehrten Sexualkontakte denkbar.
Auch auf die weiteren von ihm begehrten Leistungen hat er keinen Anspruch. Die Pflege seines Gartens und die Hausmeistertätigkeiten, die Unterhaltszahlungen für seine Kinder sowie die GEZ-Gebühren sind keine Leistungen, die im Wege der Eingliederungshilfe für Behinderte zu erbringen sind, weil durch sie nicht die oben definierten Zwecke erreicht werden können. Weder können hierdurch die Folgen seiner Behinderung gemildert noch seine Teilnahme am Leben in der Gesellschaft erleichtert werden.
Soweit der Beschwerdeführer Leistungen auch für die Vergangenheit begehrt (für Unterhaltszahlungen und GEZ), mangelt es bereits an einem Anordnungsgrund. Derartige Ansprüche sind grundsätzlich nur in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes der vorliegenden Art ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Nur ausnahmsweise kann eine Fallgestaltung gegeben sein, in der die sofortige Verfügbarkeit von Geldleistungen für die Vergangenheit zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist. Ein solcher Nachholbedarf ist jedoch vom Beschwerdeführer weder geltend noch glaubhaft gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Der Beschwerdegegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung entsprechend seinem Anerkenntnis vom 2. Oktober 2008 verpflichtet, dem Beschwerdeführer vorläufig und darlehensweise bis zu dem Zeitpunkt der Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren sechs abendliche Taxifahrten jährlich zu Theater-, Kino- oder Konzertbesuchen im Umkreis von 50 Kilometern von R. zu finanzieren.
Die Beschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdegegner hat dem Beschwerdeführer ein Sechstel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer begehrt verschiedene Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets.
Der am 8. Februar 1962 geborene Beschwerdeführer bezieht Erwerbsunfähigkeits- und Unfallrente und erhält monatlich Wohngeld. Er ist schwerbehindert im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. In seinem Schwerbehindertenausweis sind die Merkzeichen "G", "aG" und "H" eingetragen; die Notwendigkeit ständiger Begleitung ("B") ist nachgewiesen. Bis 2005 war er verheiratet; er hat zwei Kinder. Seit 2002 lebt er getrennt von der Familie und kommt alleine für das von ihm bewohnte und 1999 erbaute Einfamilienhaus auf. Seinen Kindern ist er zum Unterhalt verpflichtet. Nach den Berechnungen des Beschwerdegegners hätte er grundsätzlich Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe ohne Leistung eines Eigenanteils.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2007 lehnte der Beschwerdegegner seinen Antrag auf Eingliederungshilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges ab, weil er nicht ständig auf die Benutzung des Kraftfahrzeuges angewiesen sei. Es gebe auch keine anderen gewichtigen Gründe, die eine ständige Benutzung des Kraftfahrzeuges (wie bei Erwerbstätigen) erforderlich machten. - Sein Widerspruch dagegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. September 2007).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 27. September 2007 Klage (S 15 SO 2043/07). Das Angebot des Beschwerdegegners, ihm die Kosten einer Begleit-/Hilfsperson für Freizeitunternehmungen in noch zu verhandelndem Umfang zu bewilligen, lehnte er ab. Er müsse bei jeder Witterung mindestens zweimal pro Woche zur Physiotherapie; mit dem Elektrorollstuhl dauere dies zwölf Minuten für den Hinweg und 15 Minuten für den Rückweg. Eine solche Situation sei nicht zumutbar. Mit Niederflurbussen und der Bahn könne er nicht alle Ziele in Deutschland erreichen.
Während des laufenden Klageverfahrens beantragte er im Januar 2008 weitere Leistungen der Eingliederungshilfe als trägerübergreifendes Persönliches Budget bei dem Beschwerdegegner. Im Einzelnen beantragte er - die Übernahme der Kosten für den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen und -einrichtungen - die Kosten für Hausbesuche von Prostituierten (pro Besuch in Höhe von 160 EUR) - Fahrtkosten für ein Behindertentaxi - die Kosten zur Beschaffung eines behindertengerechten Autos - Leistungen für Pflegearbeiten im Garten und Hausmeistertätigkeiten. Außerdem sei er Unterhaltszahlungen für seine Kinder und GEZ-Gebühren schuldig geblieben, weil er nicht genügend Geld habe. Mit Bescheid vom 18. März 2008 lehnte der Beschwerdegegner den Antrag ab und führte aus, dass es Aufgabe der Eingliederungshilfe sei, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Die beantragten Maßnahmen seien hierzu nicht geeignet, sondern in gewissem Umfang dem notwendigen Lebensunterhalt zuzuordnen. Der sozialhilferechtliche Regelbedarf umfasse neben Aufwendungen für Hobby, Freizeit-, Sport- und Kulturveranstaltungen ebenso das Sexualleben. Hilfe zum Lebensunterhalt komme aber nur dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer diesen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen beschaffen könne. Über die von ihm beantragte Übernahme von Kosten für Fahrten und eine Begleitperson im Rahmen der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben könne noch nicht entschieden werden, weil insoweit die Entscheidung des Sozialgerichtes Nordhausen in dem Verfahren mit dem Az.: S 15 SO 2043/07 noch ausstehe. - Dagegen legte der Beschwerdeführer am 6. April 2008 Widerspruch ein. Das Widerspruchsverfahren ist noch anhängig.
Seinen am 15. April 2008 eingegangen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht Nordhausen mit Beschluss vom 8. Mai 2008 abgelehnt und ausgeführt, die Pflege eines Gartens gehöre nicht zu den durch den Sozialhilfeträger zu finanzierenden Ansprüchen Hilfebedürftiger, auch nicht behinderter Hilfebedürftiger. Die Kostenübernahme für Eintrittsgelder für kulturelle Veranstaltungen und Sportveranstaltungen gehöre ebenso wie die Finanzierung des Sexuallebens zu den Bedürfnissen des täglichen Lebens, die von dem Einkommen des Beschwerdeführers selbst, welches den Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erheblich übersteige, abzudecken seien. Nach den sozialhilferechtlichen Vorschriften gebe es keinen Anspruch auf Befreiung von Schulden; hinsichtlich des Antrages auf Übernahme der Fahrtkosten für ein Behindertentaxi sei ein Anspruch im Einstweiligen Rechtsschutzverfahren deshalb nicht gegeben, weil er ein entsprechendes Vergleichsangebot des Beschwerdegegners in dem Hauptsacheverfahren mit dem Az.: S 15 SO 2043/07 abgelehnt habe.
Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer sein Begehren weiter. Wegen seiner Körperbehinderung sei keine Frau bereit, mit ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen. Daher müsse er die Dienstleistungen von Prostituierten nutzen. Es sei auch nicht zulässig, zwei Verfahren zu verbinden; das Verfahren bezüglich einer Kraftfahrzeughilfe laufe schon seit zwei Jahren, und es sei nicht abzusehen, wann eine endgültige Entscheidung getroffen werde. Die Kostenübernahme von Fahrten zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben müsse daher jetzt erfolgen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichtes Nordhausen vom 8. Mai 2008 aufzuheben und den Beschwerdegegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budget für folgende Bereiche zu gewähren:
- die Übernahme der Kosten für den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen und -einrichtungen - die Kosten für Hausbesuche von Prostituierten (pro Besuch in Höhe von 160 EUR) - Fahrtkosten für ein Behindertentaxi - Leistungen für Pflegearbeiten im Garten und Hausmeistertätigkeiten. - Unterhaltszahlungen für seine Kinder und GEZ-Gebühren
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, hinsichtlich der beantragten Mobilitätskosten sei die Entscheidung im Verfahren S 15 SO 2043/07 vorgreiflich. In Bezug auf die weiterhin beantragten sonstigen Hilfen sei eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2008 hat er dem Beschwerdeführer angeboten, sechs abendliche Taxifahrten im Umkreis von 50 Kilometern seines Wohnortes zu finanzieren, alternativ die anfallenden Kosten in Höhe von 600 EUR im Rahmen eines Mobilitätszuschusses zu zahlen. Das Angebot hat der Beschwerdeführer als unseriös abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beschwerdegegners und die Gerichtsakte mit dem Az.: S 15 SO 2043/07 lagen vor und waren Gegenstand der geheimen Beratung.
II.
Vorab ist klar zu stellen, dass Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht die Hilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges ist. Der Beschwerdeführer hatte zwar in seinem Formularantrag vom 20. Januar 2008 auch eine solche Leistung beantragt, später aber sowohl im erstinstanzlichen Antragsverfahren wie auch im Beschwerdeverfahren klargestellt, dass er gerade keine Verknüpfung dieses unter dem Aktenzeichen S 15 SO 2043/07 vor dem Sozialgericht Nordhausen verfolgten Begehrens mit dem Antrag auf Fahrtkostenerstattung möchte. Das Sozialgericht hat hierzu auch keine Entscheidung getroffen.
Die Beschwerde ist begründet, soweit der Beschwerdeführer die Übernahme von Fahrtkosten zu kulturellen Veranstaltungen begehrt. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).
Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht aufgrund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und / oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Dabei bedeutet die Möglichkeit der Glaubhaftmachung von Tatsachen zunächst nur, dass sich das Gericht nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen der beweiserheblichen Tatsachen machen muss, sondern ein geringerer Grad der Überzeugung genügt (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 103 Rdnr. 6 a).
Der Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit der Rechtsschutzgewährung) liegt vor, wenn es für den Beschwerdeführer unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden, wobei auf die Beachtung der Folgen für den Fall des Nichterlasses der begehrten einstweiligen Anordnung abzustellen ist. Im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes kann es dabei ausnahmsweise auch erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn sonst Rechtsschutz nicht erreichbar ist und ein Abwarten für den Beschwerdeführer unzumutbar wäre (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86 b Rdnr. 31).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Bejahung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes vor, soweit es die darlehensweise Übernahme von Taxikosten in dem tenorierten Umfang betrifft. Für das darüber hinausgehende Begehren fehlt ein Anordnungsanspruch.
Nach §§ 19 Abs. 3 i.V.m. 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Nach § 53 Abs. 3 SGB XII ist es besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, " ... eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufes oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen."
Der Beschwerdeführer gehört unstreitig zu dem berechtigten Personenkreis nach § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft schließt die Teilhabe am Leben in der Familie, der Nachbarschaft, aber auch am öffentlichen und kulturellen Leben mit ein. § 54 Abs. 1 SGB XII verweist für die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auf die Regelung des § 55 des SGB IX. Diese Vorschrift regelt in Absatz 2 Nr. 7 die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. § 58 SGB IX bestimmt diese Hilfen näher. Es gehören dazu die Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen, die Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen.
Der Beschwerdeführer hat daher nach summarischer Überprüfung einen Anspruch auf die angebotene Kostenübernahme für jährlich sechs Taxifahrten zu Kulturveranstaltungen. Der Beschwerdegegner hat mit diesem Angebot der eingeschränkten Mobilität des Beschwerdeführers im Rahmen seines Ermessens ausreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gibt es keine unbegrenzte Sozialisierung der Kosten zur Teilnahme am kulturellen Leben. Hilfe nach § 58 SGB IX wird nur in dem Maß gewährt, in dem auch Nichtbehinderte entsprechende Bedürfnisse befriedigen können. In ländlichen Gebieten mit schlechter Verkehrsanbindung kann daher die Teilnahme aller Bevölkerungsgruppen an kulturellen Veranstaltungen geringer ausfallen als im Großstadtbereich. Einen Anspruch auf Finanzierung von Fahrten nach beispielsweise Hamburg oder München oder zu Großereignissen in der gesamten Bundesrepublik hat der Beschwerdeführer nicht, weil auch Nichtbehinderte nur ausnahmsweise zu solchen weit entfernt stattfindenden Veranstaltungen fahren und hierdurch in der Regel keine effektivere Integration in die Gesellschaft erreicht werden kann. Im Gegenteil bieten eher Veranstaltungen im Nahbereich über das Kulturerlebnis hinaus die Möglichkeit, Kontakte zu Mitmenschen zu knüpfen. Dem Beschwerdeführer bleibt es unbenommen, im Einzelfall für ein besonderes Ereignis, beispielsweise eine Veranstaltung, die in besonderem Maße geeignet ist, den Zielen der Eingliederungshilfe zu dienen, rechtzeitig einen Antrag nach § 53 SGB XII zu stellen. Einen Anspruch darauf, dass der Beschwerdegegner ihm bereits vorab im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Übernahme der Kosten zur Teilnahme an so genannten Events im gesamten Bundesgebiet zusagt und ihm als Geldleistung (Persönliches Budget) zur Verfügung stellt, hat er jedenfalls nicht. Es ist ohnehin fraglich, ob ein solches Persönliches Budget überhaupt in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zugesprochen werden kann, weil es über die Behebung einer gegenwärtigen Notlage bei weitem hinausgeht und zudem konkrete Zielvereinbarungen zwischen den Beteiligten voraussetzt.
Der Beschwerdeführer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung der Eintrittspreise für die Veranstaltungen, weil solche Kosten vom Regelbedarf nach § 28 SGB XII gedeckt werden. Im Rahmen der Eigliederungshilfe sind vorrangig die Kosten zu übernehmen, die zusätzlich durch die Behinderung des Antragstellers entstehen. Dazu gehören Eintrittsgelder in der Regel nicht. Da der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 Abs. 1 SGB XII hat, muss er diese Eintrittsgelder aus eigenen Mitteln bezahlen. Auch hier bleibt es ihm im begründeten Einzelfall unbenommen, für eine Veranstaltung, die in besonderem Maße den Zielen der Eingliederungshilfe gerecht wird, einen Antrag auf Kostenübernahme zu stellen.
Der Beschwerdeführer hat auch keinen Anspruch auf die Finanzierung von Prostituiertenhausbesuchen. Das Ziel der Eingliederungshilfe, ihn als behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, kann hierdurch nicht erreicht werden. Sinn und Zweck der Vorschriften ist es gerade nicht, die Begegnung und den Umgang der behinderten Menschen mit von der Gesellschaft zwar geduldeten, aber nicht am allgemeinen Gemeinschaftsleben teilnehmenden Personen zu ermöglichen. Die Förderung von Prostituiertenbesuchen würde weder die Alltagskompetenz des Beschwerdeführers noch seine Einbindung in das Gemeinwesen verbessern.
Der Einzelne hat zwar das Recht zur Selbstbestimmung, in welcher Form er - im Rahmen seiner Möglichkeiten und der grundrechtlichen Werteordnung - sein Sexualleben ausrichtet. Deshalb ist es vom Staat und damit auch vom Sozialhilfeträger nicht zu bewerten, wenn der Beschwerdeführer die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen möchte. Die Prostitution wird nicht (mehr) als unsittlich eingestuft (siehe auch das Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001).
In der Rechtsprechung sind bisher gleichgelagerte Anliegen von Sozialhilfeempfängern damit abgelehnt worden, dass die Befriedigung sexueller Bedürfnisse zum Regelbedarf im Sinne der §§ 27, 28 SGB XII gehöre; anfallende Kosten seien daher durch den jeweiligen Regelsatz abgedeckt. Der Sozialhilfeempfänger müsse seine sexuellen Bedürfnisse an den Möglichkeiten und Grenzen der Regelsatzhilfe ausrichten und seine Mittel entsprechend einteilen; gegebenenfalls müsse er auf andere Sexualpraktiken ausweichen und die Häufigkeit seines Verkehrs einschränken (vgl. Hamburgisches OVG vom 21. Dezember 1990, Az.: Bf IV 110/89; in diesem Sinne auch VG Ansbach, Urteil vom 5. März 2004, Az.: AN 4 K 04.00052). Ferner ist bereits entschieden worden, dass durch "Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente" bei einem Schwerstbehinderten die Aufgabe der Eingliederungshilfe, unter anderem seine Eingliederung in die Gesellschaft zu fördern, nicht erfüllt werden kann; die Kosten einer solchen Massage gehörten zu den allgemeinen Aufwendungen für das Sexualleben, das zu den Grundbedürfnissen des menschlichen Daseins gehöre; die Aufwendungen für derartige Maßnahmen seien aus der Regelsatzhilfe zu decken (vgl. Bayerischer VerwGH vom 10. Mai 2006, Az.: 12 BV 06.320). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass aus dem (sexuellen) Selbstbestimmungsrecht eines Patienten jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen (hier: Verordnung des Arzneimittels "Viagra") folge; der Gesetzgeber verletze seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnehme, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen. In ähnlicher Weise kann für den vorliegenden Fall argumentiert werden, dass sich unter der Geltung des Grundgesetzes die Aufgabe der Sozialhilfe darauf beschränkt, dem Leistungsempfänger ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Dies umfasst zwar über die notwendigen Mittel für ein Existenzminimum hinaus die Mittel, die der Art und dem Umfang nach ein an den "herrschenden Lebensgewohnheiten" orientiertes Leben ermöglichen (vgl. Münder und andere, SGB XII, 7. Aufl., Rdnr. 8 zu § 27); eine Steigerung der Lebensqualität jenseits der Grenze, die für ein menschenwürdiges Leben gilt, gehört jedoch nicht zu den Aufgaben der Sozialhilfe. Ein Leben in Würde ist aber auch noch ohne die vom Beschwerdeführer begehrten Sexualkontakte denkbar.
Auch auf die weiteren von ihm begehrten Leistungen hat er keinen Anspruch. Die Pflege seines Gartens und die Hausmeistertätigkeiten, die Unterhaltszahlungen für seine Kinder sowie die GEZ-Gebühren sind keine Leistungen, die im Wege der Eingliederungshilfe für Behinderte zu erbringen sind, weil durch sie nicht die oben definierten Zwecke erreicht werden können. Weder können hierdurch die Folgen seiner Behinderung gemildert noch seine Teilnahme am Leben in der Gesellschaft erleichtert werden.
Soweit der Beschwerdeführer Leistungen auch für die Vergangenheit begehrt (für Unterhaltszahlungen und GEZ), mangelt es bereits an einem Anordnungsgrund. Derartige Ansprüche sind grundsätzlich nur in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes der vorliegenden Art ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Nur ausnahmsweise kann eine Fallgestaltung gegeben sein, in der die sofortige Verfügbarkeit von Geldleistungen für die Vergangenheit zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist. Ein solcher Nachholbedarf ist jedoch vom Beschwerdeführer weder geltend noch glaubhaft gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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