L 2 SO 1678/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SO 602/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 1678/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 10. März 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Sie ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein die - vorläufige - Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des tatsächlichen Bedarfs für die private Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 320,64 EUR monatlich.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. z.B. Beschlüsse Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa Beschlüsse Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.)

Nach diesen Grundsätzen hat das SG - jedenfalls im Hinblick auf die Verneinung eines Anordnungsgrundes - das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend verneint.

Es kann vorliegend offen bleiben, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch lediglich bezüglich eines Grundsicherungsbedarfs für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 147,33 EUR (Monatsbeitrag für die Krankenversicherung in Höhe von 129,54 EUR und für die Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 EUR) oder gem. § 32 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) einen Anspruch auf Übernahme seines Monatsbeitrags im Basistarif in der Privaten Krankenversicherung bei der Central Krankenversicherung AG in Höhe von 284,81 EUR und gem. § 32 Abs. 5 Satz 4 SGB XII einen Anspruch auf Übernahme seiner Aufwendungen für die Private Pflegepflichtversicherung von 35,83 EUR als angemessene Aufwendungen hat. Dabei ist § 32 Abs. 5 SGB XII vor dem Hintergrund zu sehen, dass ab 1. Januar 2009 eine Pflicht zum Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages besteht, der mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Kostenbehandlung mit einem Selbstbehalt von max. 5000,- EUR kalenderjährlich umfasst (vgl. § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz - VVG - in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung). Damit korrespondiert die Pflicht der Versicherungsunternehmen, mit den von § 193 Abs. 3 VVG erfassten Personen einen Versicherungsvertrag im Basistarif nach § 12 Abs. 1 a Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG - in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung abzuschließen. Der Basistarif muss in seinem Leistungsumfang mit dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sein (vgl. § 12 Abs. 1 a VAG). Sozialhilfeempfänger betreffende Regelungen sind dabei in § 12 Abs. 1 c Sätze 4 - 6 VAG in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung enthalten. Danach gilt: Entsteht allein durch die Zahlung des Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB XII, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte (§ 12 Abs. 1 c Satz 4 VAG). Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII, gilt dies entsprechend. Der zuständige Träger zahlt den Beitrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist (vgl. § 12 Abs. 1 c Satz 6 VAG). Hieraus hat das SG zutreffend einen Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 147,33 EUR ermittelt. Fraglich ist jedoch das Verhältnis dieser Norm zum Anspruch des Hilfeberechtigten nach § 32 Abs. 5 SGB XII. Fraglich ist insoweit insbesondere, was vorliegend jedoch offenbleiben kann, ob der "halbierte Basistarif" als angemessen im Sinne von § 32 Abs. 5 SGB XII anzusehen ist, oder ob sich aus der Regelung des § 12 Abs. 1 c Satz 6 VAG ergibt, dass nur der Krankenversicherungsbeitrag und Pflegeversicherungsbeitrag als angemessen zu betrachten ist, der für Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu tragen wäre (vgl. hierzu Schmidt in SGB XII/SGBII, Kommentar, § 32 Rdnr. 48 ff.).

Denn jedenfalls vermag der Senat nicht zu erkennen, dass ein Anordnungsgrund, also eine besondere Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens besteht; dies darf der Senat nicht unbeachtet lassen. Denn die Regelungsanordnung dient zur "Abwendung" wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller Notlagen notwendig sind (vgl. z. B. Beschlüsse des 7. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Juni 2005 - L 7 SO 2060/05 ER-B - und vom 1. August 2005 a.a.O.). An der Glaubhaftmachung einer solchen aktuellen Notlage fehlt es vorliegend. Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren vorgetragen, dass er erstmals für April 2009 nicht den vollen Beitrag für die private Kranken- und Pflegeversicherung an die Central Krankenversicherung AG gezahlt hat, sondern lediglich 147,33 EUR. Wenn der Antragsteller weiter ausführt, dass er deswegen seinen Krankenversicherungsschutz als gefährdet ansehe, so ist diesbezüglich jedoch auf die zutreffenden Ausführungen des SG hinzuweisen, wonach seit 1. Januar 2009 für die privaten Krankenversicherungsunternehmen ein Kontrahierungszwang für den Basisvertrag (vgl. § 12 Abs. 1 b VAG und § 193 Abs. 5 VVG) besteht. Das in § 38 Abs. 3 VVG geregelte außerordentliche Kündigungsrecht des Versicherungsunternehmens bei Zahlungsverzug des Versicherungsnehmers mit den geschuldeten Beiträgen steht auch nach Auffassung des Senats zu dem Kontrahierungszwang im Basistarif im Widerspruch. Dass ein Versicherungsunternehmen bei Zahlungsverzug des Versicherungsnehmers mit den von ihm geschuldeten Versicherungsbeiträgen nicht rechtswirksam kündigen kann, folgt aus § 193 Abs. 6 VVG. Der Versicherer kann den Versicherungsnehmer mahnen, wenn dieser mit einem Beitrag in Höhe von Prämienanteilen für 2 Monate im Rückstand ist (§ 193 Abs. 6 Satz 1 VVG). Ist der Rückstand 2 Wochen nach Zugang der Mahnung noch höher als der Prämienanteil für 1 Monat, stellt der Versicherer das Ruhen der Leistungen fest. Nach § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG endet das Ruhen, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des SGB XII wird. Hilfebedürftigkeit ist auf Antrag des Berechtigten vom zuständigen Träger nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bescheinigen. Der Senat folgt der Auffassung des SG, wonach dieses - also ein Ende des Ruhens der Leistung - erst recht dann gilt, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw. Beginn des Versicherungsverhältnisses hilfebedürftig ist. Denn Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, Hilfebedürftige im Sinne des SGB II oder SGB XII nicht alleine aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit vom Versicherungsschutz in der Krankenversicherung auszuschließen. Für die private Pflegeversicherung folgt aus § 110 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) schon ausdrücklich, dass Rücktritts- und Kündigungsrechte des Versicherungsunternehmens ausgeschlossen sind, so lange der Kontrahierungszwang besteht. Die Gefahr des Verlustes der privaten Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung besteht somit nicht. Soweit es für einen kurzen Zwischenzeitraum "Ungewissheit" beim Versicherer darüber ergeben sollte, ob es sich bei seinem Versicherten um einen nach dem SGB II bzw. SGB XII Hilfebedürftigen handelt, weil eine entsprechende Bescheinigung des zuständigen Trägers über die Hilfebedürftigkeit des Versicherungsnehmers noch nicht beim Versicherer vorliegt, ist darauf zu verweisen, dass gem. § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG der Versicherer auch während einer - im Ergebnis zu Unrecht angenommenen - Ruhenszeit für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankung und Schmerzzuständen erforderlich sind, haftet. So wäre jedenfalls auch für einen "Übergangszeitraum" bis der Versicherer Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers erlangt hat, gewährleistet, dass bei akuter Behandlungsbedürftigkeit weiterhin ärztliche Behandlungen auf Kosten seiner privaten Krankenversicherung erbracht würden. Im Übrigen hat der Antragsteller im Hinblick auf das Erfordernis der Glaubhaftmachung der Dringlichkeit seines Rechtsschutzbegehrens nicht behauptet bzw. auch nicht belegt, dass die Central Krankenversicherung AG für den Fall, dass er ab April 2009 und künftig mit einem Teil seiner Krankenversicherungs-und Pflegeversicherungsbeiträge in Rückstand gerät, beabsichtigt, mit von ihm zu Erstattung eingereichten Rechnungen über erbrachte ärztliche Behandlungsleistungen bzw. Pflegeleistungen aufzurechnen, um auf diese Weise für einen Ausgleich der rückständigen Beiträge zu sorgen. Damit ist für den Senat - derzeit - nicht die besondere Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens zur Abwendung oder Beseitigung einer aktuellen Notlage gegeben, weswegen der Antragsteller im Hinblick auf die von ihm beanspruchten Leistungen auf die Durchführung des anhängigen Klageverfahrens (S 10 SO 713/09) vor dem SG zu verweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved