L 11 KR 2966/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1605/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2966/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. April 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 seit 1. Januar 2000 sozialversicherungspflichtig ist.

Gegenstand des Unternehmens der Beigeladenen zu 1, die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) betrieben wird, ist der Groß- und Einzelhandel mit Damen- und Herrenoberbekleidung und Haustextilien. Alleiniger Geschäftsführer war bis 3. Juli 2008 F. K., der zugleich alleiniger Inhaber der GmbH ist. Die am 3. September 1964 geborene Klägerin ist die Ehefrau des F. K ... Sie war bei der Beigeladenen zu 1 seit dem 1. Oktober 1992 als Prokuristin tätig. Mit dem "Anstellungsvertrag" vom 28. September 1992 wurde ihr Einzelprokura erteilt (§ 2 Abs. 1), ebenso Bankvollmacht (§ 1 Abs. 1). Von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) konnte sie nur in Einzelfällen und nur mit schriftlicher Genehmigung durch die Geschäftführung befreit werden (§ 2 Abs. 2). Der Vertrag sieht vor, dass sie gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern, ausgenommen die Geschäftsführung, umfassend weisungsbefugt ist (§ 1 Abs. 2). Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin ein Monatsgehalt von 5.000 DM, zudem Weihnachts- und Urlaubsgeld und eine gewinnabhängige Tantieme (§ 3 Abs. 1). Die Beigeladene zu 1 gewährte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 5) und 36 Arbeitstage Jahresurlaub (§ 9). Weiterhin wurde vereinbart, dass die Klägerin nicht an bestimmte Arbeitszeiten- und -orte gebunden sei, aber ihre Arbeitskraft der Gesellschaft in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen habe (§ 10). Wegen der Einzelheiten wird auf den Anstellungsvertrag (AS 47 ff der Senatsakten) Bezug genommen.

Die Klägerin wurde zur Sozialversicherung gemeldet. In der gesetzlichen Krankenversicherung war die Klägerin wegen Überschreitens der Pflichtversicherungsgrenze versicherungsfrei.

Am 30. Dezember 2003 beantragte die Klägerin über ihren Steuerberater die Rückerstattung der zur Renten- und Arbeitslosenversicherung geleisteten Beiträge, da die von ihr ausgeübte Tätigkeit als selbständige Tätigkeit einzustufen sei. Sie gab an, als Prokuristin obliege ihr die Geschäftsführung der Gesellschaft im operativen Bereich. Insbesondere bewerkstellige sie den gesamten Wareneinkauf für alle Abteilungen, organisiere den Warenverkauf mit Warenpräsentation und Steuerung der Werbemaßnahmen sowie deren Auswahl und die Lagerdisposition. Zudem verfüge sie über alle Branchenkenntnisse und Kontakte auf dem Beschaffungs- und Absatzmarkt. Sämtliche Tätigkeiten würden von ihr selbständig und eigenverantwortlich durchgeführt werden. Sie sei den Weisungen der Geschäftsführung innerhalb ihres Tätigkeitsbereiches nicht unterworfen. Gegenüber dem Personal habe sie uneingeschränkte Weisungsbefugnis und entscheide selbständig über Einstellungen. Sie unterliege keinen Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Art ihrer Beschäftigung und dürfe in allen Bereichen selbstständig entscheiden. Sie trage auch ein Unternehmensrisiko, da sie am Gewinn in Form einer Tantieme mit 20 % beteiligt sei. Sie arbeite wöchentlich ca. 50 bis 60 Stunden, was weit über den Arbeitszeiten eines leitenden Angestellten liege; Urlaubsansprüche würden von ihr nur insoweit geltend gemacht, als sich dies mit den Belangen der Gesellschaft während ihrer Abwesenheit vereinbaren ließe. Sie sei auch die einzige Mitarbeiterin der Beigeladenen zu 1, der Bankvollmacht erteilt worden sei.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2006 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin der Sozialversicherungspflicht unterliege. Bei einer Familien-GmbH sei unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit, dass die Position eines Geschäftsführers und nicht nur die eines Prokuristen eingenommen werde. Bei Diensten höherer Art sei eine weitgehende Weisungsfreiheit durchaus üblich. Das unternehmerische Risiko sei nicht mit dem Einkommensrisiko gleichzustellen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2006 zurück.

Die Klägerin hat am 28. April 2006 bei dem Sozialgericht Ulm (SG) mit dem Begehren Klage erhoben, ihre Sozialversicherungsfreiheit seit 1. Januar 2000 festzustellen und die Beklagte zur Rückerstattung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zu verurteilen. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, es liege keine Beschäftigung in einem Fremdbetrieb vor, da es sich um eine reine Familiengesellschaft handele. Sie führe ihre Tätigkeit in ihrem Bereich, den Einkauf für alle Abteilungen der Beigeladenen zu 1, selbstständig und ohne Weisungseinschränkung aus. Zudem könne sie faktisch die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen.

Mit Urteil vom 17. April 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin unterliege der Sozialversicherungspflicht, weswegen die geleisteten Versicherungsbeiträge nicht zurückzuerstatten seien. Dass die Klägerin über die eigene Arbeitskraft frei verfügen und ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei gestaltet könne, würde die Tätigkeit einer leitenden Angestellten kennzeichnen. Ihr fehle jedoch die einem (an der GmbH) Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Die Tätigkeit der Klägerin sei auch von keinem Unternehmerrisiko gekennzeichnet.

Die Klägerin hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 23. Mai 2008 zugestellte Urteil am 23. Juni 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie den bisherigen Vortrag. Durch ihre überlegene Fachkenntnis beim Einkauf und dessen entscheidende Bedeutung für den Unternehmenserfolg habe sie faktisch einen beherrschenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Beigeladenen zu 1. Die Gefahr des Wegfalls der erfolgsabhängigen Tantieme, die 30 bis 50 % der Zahlungen der Beigeladenen zu 1 an sie ausmache, begründe ein Unternehmensrisiko. Dass bei den Betriebsprüfungen 2002 und 2006 Beiträge nicht beanstandet worden seien, stehe der begehrten Feststellung der fehlenden Sozialversicherungspflicht nicht entgegen, denn diese sei nicht Gegenstand der Prüfung gewesen. Bei der Betriebsprüfung 2006 habe der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 den Betriebsprüfer darauf aufmerksam gemacht, dass zur Frage der Versicherungspflicht der Klägerin noch ein Rechtsstreit anhängig sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. April 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2006 aufzuheben, festzustellen, dass ihre Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 in der Zeit seit 1. Januar 2000 nicht sozialversicherungspflichtig ist, sowie die Beklagte zu verurteilen, die seit dem 1. Januar 2000 geleisteten Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 2004 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Eine Verzinsung sei schon deswegen ausgeschlossen, da der Erstattungsantrag nicht beziffert und damit nicht vollständig sei.

Die Beigeladene zu 1 schließt sich dem Antrag der Klägerin an. Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.

Der Beigeladene zu 1 hat sich dem Vorbringen der Klägerin angeschlossen und mitgeteilt, die von ihr getroffenen Aussagen entsprächen der Realität. Die Beigeladene zu 2 hält das Urteil des SG hingegen für zutreffend. Die übrigen Beteiligten haben sich zur Sache nicht geäußert.

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 16. Juni 2008 ist die Klägerin als Prokuristin abberufen und zur Geschäftsführerin bestellt worden. Nach dem Geschäftsführerbestellungsvertrag vom 16. Juni 2008 verantwortet die Klägerin insbesondere den Einkauf, einschließlich der Festlegung der Strategie des Marktauftritts, die Marktbeobachtung und Analyse sowie die strategische Ausrichtung des Geschäfts, die Auswahl der Lieferanten und die Betreuung von Kooperation mit den Lieferanten (§ 2). Im Übrigen verbleibt es bei den bisherigen Vereinbarungen (§ 3).

Die Klägerin hat hierzu angegeben, der Aufgabenbereich sei identisch; sie habe die formale Funktion der Geschäftsführerin auch deswegen übernommen, um zu dokumentieren, dass sie im Verhältnis zu ihrer vorherigen Tätigkeit als Prokuristin keine anderen Aufgaben wahrgenommen und auch keine andere Verantwortung getragen habe, als sie es nunmehr tue. Dies solle deutlich machen, dass sie auch in ihrer formalen Position als Prokuristin faktisch wie eine Geschäftsführerin gearbeitet habe.

Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg hat Kopien der Bescheide vom 6. November 2002 und vom 10. Juli 2006 über die Betriebsprüfungen der Beigeladenen zu 1 übersandt (AS 97 - 99 der Senatsakten), in denen Sozialversicherungsbeiträge der Klägerin nicht beanstandet worden sind.

Die Klägerin und ihr Ehemann sind in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gehört worden. Wegen ihrer Angaben wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Zunächst kann offen gelassen werden, ob das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage - möglicherweise auch nur teilweise - fehlt, weil Rentenversicherungsbeiträge der Klägerin in der Betriebsprüfungen nicht beanstandet worden sind, daher nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) als zu Recht entrichtet gelten und deswegen die Erstattung der Beiträge, was den wirtschaftlichen Hintergrund dieses Verfahrens darstellt, ausscheidet (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 2008, B 12 KR 24/07 R, SozR 4-2400 § 28 h Nr. 4, Juris-Rn. 18). Denn die Berufung hat aus anderen Gründen keinen Erfolg.

Die Beklagte stellt als Einzugstelle die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest (§ 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7, und Urteil vom 4. Juli 2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Hieran gemessen war und ist die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 im streitigen Zeitraum eine Beschäftigung und damit - soweit nicht wegen Überschreitens der Pflichtversicherungsgrenze Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) bestand - sozialversicherungspflichtig. Schon deswegen scheidet ein Anspruch auf Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge, der hier wegen der Verjährung etwaiger Ansprüche auf die Zeit ab 1. Januar 2000 beschränkt worden ist, aus.

Der Anstellungsvertrag vom 28. September 1992 weist nicht nur in den gewählten Formulierungen ("Anstellungsvertrag", " schließen folgenden Dienstvertrag"), sondern auch von seinem Inhalt her klar auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hin. Die Klägerin hat nach dem Anstellungsvertrag ihre Arbeitskraft der Gesellschaft in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen (§ 10). Sie war damit in den Betrieb eingegliedert und unterlag dem Weisungsrecht des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. Ihre eigene Weisungsbefugnis bezog sich ausweislich des Anstellungsvertrags (§ 2 Abs. 2) ausdrücklich nicht auf die Geschäftsführung. Die feste Monatsvergütung, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die Gewährung einer Weihnachtsgratifikation und von einem festen Jahresurlaub sind Indizien, die für eine Arbeitnehmertätigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Urteil vom 4. Juli 2007 a. a. O.).

Die vertraglichen Regelungen sind für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht der Klägerin maßgebend. Es fehlt an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die entsprechenden Willenserklärungen rechtlich nicht ernst gemeint (§ 118 BGB) oder unter den rechtlichen Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) abgegeben worden wären. Eine Erweiterung der beschränkten Rechtsmacht der Klägerin durch mündliche Nebenabreden ist schon deswegen nicht möglich, da Änderungen und Ergänzungen des Anstellungsvertrags der Schriftform bedürfen (§ 14 Abs. 1). Dies gilt auch für den Geschäftsführeranstellungsvertrag, der in § 3 ausdrücklich auf den Anstellungsvertrag Bezug nimmt. Er hat im Übrigen an der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Klägerin nichts geändert, da diese selbst vorgetragen hat, ihre Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 und deren Umstände seien gleich geblieben, sie habe nur "formal" eine neue Position eingenommen.

Dass die Klägerin als Prokuristin und später als Geschäftsführerin alleinvertretungsberechtigt und unter bestimmten Voraussetzungen vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, ist bei einer kleineren GmbH nicht untypisch und spricht deshalb nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007, a. a. O.). Dass keine festen Vorgaben hinsichtlich der einzuhaltenden Arbeitszeiten geregelt waren, entspricht der familiären Prägung, mit der das Unternehmen betrieben wurde. Der Umstand verliert angesichts des sich aus den Anforderungen der Tätigkeit folgenden Zwanges zur täglichen Anwesenheit während der Arbeitszeiten und bei einer Wochenarbeitszeit von 50 bis 60 Stunden an Gewicht (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007, a. a. O.). Dass Urlaubsansprüche nur insoweit geltend gemacht werden, als sich dies mit den Belangen der Gesellschaft während der Abwesenheit der Klägerin vereinbaren lässt, hält sich noch im Bereich dessen, was bei leitenden Angestellten üblich ist. Von Bedeutung ist dabei auch, dass die Klägerin mit dem Inhaber der Beigeladenen zu 1 verheiratet ist und Urlaube im Regelfall in Abstimmung mit dem Ehegatten angetreten werden.

Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter engen Verwandten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 1993, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11). Ebenfalls unschädlich ist, dass von dem Weisungsrecht vor allem im fachlichen Bereich nicht vollumfänglich Gebrauch gemacht wurde. Je höher die Qualifikation des Beschäftigten ist, desto geringer sind in der Regel die Weisungen, die ihm zur Erfüllung der ihm gestellten Aufgaben erteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 1981, 12 RK 11/80; Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Selbst wer Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, kann - als leitender Angestellter - bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (BSG, Urteil vom 24. Juni 1982, 12 RK 45/80).

Der Vertrag entsprach auch den tatsächlichen Verhältnissen, wurde also auch so "gelebt". In ihm zeigte sich der abgegrenzte Aufgaben- und damit Entscheidungsbereich der Klägerin, wenn ihr - in alleiniger Verantwortung - der Wareneinkauf, die Warenpräsentation, die Steuerung von Werbemaßnahmen, die Lagerdisposition und der Warenverkauf übertragen wurden (§ 1 Abs. 1 des Anstellungsvertrages). Auch im Antrag vom 30. Dezember 2003 ist ausdrücklich ausgeführt, die Klägerin sei - nur - "innerhalb ihres Tätigkeitsbereiches" Weisungen nicht unterworfen. Der Einkauf und die weiteren Aufgabenfelder der Klägerin mögen ein wichtiger Teil des Unternehmens der Beigeladenen zu 1 sein. Darauf beschränkt sich aber deren Geschäftspolitik nicht. Strategische Unternehmensentscheidungen, wie die Schwerpunktsetzung innerhalb der Tätigkeitsfelder des Unternehmens, die Eröffnung von Filialen, Investitionen in Sach- und Personalmittel u.s.w., sind hiervon nicht erfasst. Nur so ist die ausdrücklich geregelte Weisungsunterworfenheit der Klägerin im Vertrag erklärbar. Daher ist es nicht nachvollziehbar und deswegen auch nicht glaubhaft, wenn die Klägerin mit der Berufung u. a. vorgetragen hat, sie bestimme auch die "strategische Ausrichtung des Geschäfts". In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin sehr ausführlich ihre Funktion als für den Einkauf Verantwortliche dargestellt. Dieser Bereich ist sehr bedeutsam für das Unternehmen der Beigeladenen zu 1, ist aber mit einer Bestimmung der Unternehmensstrategie nicht gleichzustellen. Die entsprechende Regelung im Geschäftsführerbestellungsvertrag vom 16. Juni 2008 (§ 2) ist daher ohne tatsächliche Relevanz.

Dass die Klägerin, nachdem sie jahrelang den Einkauf für die Beigeladene zu 1 gemacht hat, insoweit über die wohl besten Kenntnisse innerhalb des Unternehmens verfügt, glaubt der Senat durchaus. Möglicherweise wäre sie mit ihrem Engagement und ihren Kenntnissen nicht leicht durch eine oder mehrere andere Beschäftigte ersetzbar - aber ausgeschlossen erscheint dies nach der gegebenen Tätigkeitsbeschreibung nicht. Dass überragende Sachkenntnis und maßgebliche Entscheidungskompetenz sich nicht zwingend innerhalb einer Person vereinigen, ist aber, wie aus vielen Bereichen bekannt ist, nicht selten. All diese Umstände ändern nichts daran, dass das Weisungsrecht bestand und besteht.

Ein eigenes Unternehmerrisiko, ebenfalls typisches Merkmal einer selbstständigen Tätigkeit, bestand und besteht für die Klägerin nicht. Die Beigeladene zu 1 ist eine GmbH und im Alleineigentum von F. K ... Gläubiger hätten allein auf das Vermögen der GmbH zugreifen können. Dass die Tantieme erfolgsabhängig ausgestaltet war, ist bei abhängig Beschäftigten nicht untypisch. Auch wenn die Zahlungen aus den Tantiemen hoch waren bzw. sind und einen nicht geringen Anteil der Gesamtsumme ausmacht, die die Klägerin jedes Jahr von der Beigeladenen zu 1 erhält, so wird die Klägerin hierdurch lediglich an den erwirtschafteten Gewinnen der GmbH beteiligt. Das vereinbarte Festgehalt erhält sie jedenfalls. Eine Verlustbeteiligung erfolgt hingegen nicht. Dass die Klägerin Bürgschaften für oder Darlehen an die Beigeladene zu 1 gegeben hat, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Im Ergebnis ist daher die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beklagten nicht zu beanstanden und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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