Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 1280/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4847/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG".
Bei dem 1932 geborenen Kläger wurde zuletzt mit Bescheid vom 19.07.1999 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Merkzeichen "G" wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sowie mit Bescheid vom 05.12.2001 das Merkzeichen "B" ab 11.07.2001 festgestellt.
Den gegen ersteren Bescheid erhobenen Widerspruch mit dem Antrag, ihm das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2000 zurück. Klage (Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe - SG - vom 15.02.2001 - S 9 SB 1038/00 -) und Berufung (Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 11.11.2001 - L 11 SB 1194/01 -) blieben erfolglos.
Am 26.12.2002 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag, mit dem er die Neubezeichnung seiner Behinderungen sowie die Feststellung des Merkzeichens "aG" geltend machte. Der Beklagte zog Befundberichte des Nervenarztes Dr. H. vom 10.10.2003, des HNO-Arztes Dr. R. vom 14.10.2003, des Augenarztes Dr. S. vom 14.10.2003, des Internisten Dr. E. vom 23.10.2003 und des Orthopäden Dr. H. vom 27.11.2003 bei. Nach Auswertung dieser Unterlagen durch den Prüfarzt der Beklagten Dr. Z.-C. in der gutachterlichen Stellungnahme vom 16.12.2003 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2003 die Feststellung des Merkzeichens "aG" ab, da der Kläger dem anspruchsberechtigten Personenkreis nicht angehöre bzw. nicht gleichzustellen sei. Die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: Funktionelle Organbeschwerden, seelische Störung, Gleichgewichtsstörungen, essenzieller Tremor, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Wachstumsstörung (Scheuermann’sche Krankheit), Sehminderung beidseitig, eingepflanzte Kunstlinse beidseits, chronische Bronchitis, Schlafapnoe-Syndrom, Schwerhörigkeit beidseitig, Verlust der Prostata, Polyneuropathie, Hüft-, Ellenbogen- und Schulterbeschwerden, Großzehenarthrose sowie Hüft- und Kniearthrosen.
Hiergegen erhob der Kläger am Widerspruch mit der Begründung, aufgrund der Folgen seiner Stammhirnverletzung komme es zu Hirnkrämpfen, Konzentrationsstörungen, Störungen der Feinmotorik, Koordinationsstörungen und einer Beeinträchtigung des physischen und geistigen Leistungsvermögens, die seine Steuerungsfähigkeit nachhaltig verminderten. Hinzu komme die Auswirkung der Schlafapnoe. Durch die Sauerstoffunterversorgung während der Nacht sei seine Bewegungsfähigkeit am Morgen derart eingeschränkt, dass er über mehrere Stunden das Bett nicht verlassen könne. Auch wirke sich der essenzielle Tremor und der Tinnitus nachteilig auf die Steuerungsfähigkeit aus. Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des Prüfarztes Dr. B. vom 04.02.2004 wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2004 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 29.03.2004 Klage zum SG erhoben. Mit Schriftsatz vom 04.08.2004 hat er vorgetragen, die Neubezeichnung der Behinderungen werde nicht mehr geltend gemacht, sondern lediglich die Feststellung des Merkzeichens "aG" beantragt. Hierzu hat er einen Befundbericht der HNO-Ärztin Dr. C. vom 06.09.1994, ein Attest von Dr. E. vom 12.05.2004, ein von Dr. S.-W. für das Landratsamt E. - Gesundheitsamt - erstattetes Gutachten vom 23.08.2004 nebst ergänzender Stellungnahme vom 27.09.2004 sowie den Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 31.08.2004 vorgelegt. Das SG hat weiter den Befundbericht einer am 02.09.2004 durchgeführten Kernspintomographie des Schädels und des Gehirns beigezogen. Im Bericht hierzu vom 06.09.2004 hat Dr. F. folgende Beurteilung getroffen: "In Altersrelation normaler morphologischer Befund an Cerebrum, Cerebellum und Hirnstamm. Kein Hinweis auf eine stattgehabte Hirnstammverletzung. Kein Nachweis eines Territorialinfarktes linkshirnig. Lediglich Nachweis einzelner kleinerer gliöser Läsionen, wohl vaskulärer Genese. Kein Hinweis auf entzündliche Marklagerveränderungen."
Dr. E. hat angegeben, seit einem Schädelhirntrauma leide der Kläger unter rezidivierenden, unvorhersehbaren, akut auftretenden Schwindelzuständen mit Gleichgewichtsverlust und Stürzen, z.T. mehrmals täglich. Durch eine Begleitperson, die den Kläger fest am Arm führe, könnten die Stürze vermieden oder deutlich abgemildert werden.
Das SG hat weiter den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 24.05.2005 hat dieser ausgeführt, bezüglich seiner Stürze habe der Kläger angegeben, er stürze immer wieder ohne besondere Vorboten wie vorausgehenden Schwindel oder Übelkeit. Dies komme einfach so vor, auch völlig unabhängig von der Gehstrecke. Er falle dann nach vorne oder mehr zur linken Seite. Dies könne ein- bis zweimal pro Woche passieren. Er verliere dabei nicht das Bewusstsein, könne dann auch sofort wieder aufstehen. Ein eigentliches Stolpern gehe dem Sturz nicht voraus. Er könne auch keine besonderen Auslöser angeben. Er habe sich bei den Stürzen auch schon Prellungen, vor allem an den Knien, zugezogen. Er gehe deshalb außerhalb des Hauses nur mit Unterstützung seiner Frau; dann fühle er sich sicher und stürze auch nicht. Im Sitzen und Liegen habe er überhaupt keine Probleme, es komme auch nicht zu plötzlichen Drehschwindelattacken oder Ähnlichem. Die Probleme würden nur beim Gehen auftreten. Der Sachverständige ist zu der Beurteilung gelangt, auf nervenärztlichem Gebiet bestünden beim Kläger eine Polyneuropathie unklarer Ursache mit Sensibilitätsstörungen und einer sensiblen Ataxie (Beeinträchtigung beim Gehen), ein essenzieller Tremor mit Halte- und Aktionstremor, der zu Störungen der Feinmotorik der Hände führe, ein chronischer Spannungskopfschmerz, Sturzattacken unklarer Ursache (drop-attacks nicht auszuschließen) mit vermutlich phobischer Entwicklung und eine leichte somatoforme Störung (undifferenzierte Somatisierungsstörung). Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege beim Kläger nicht vor. Er sei am Untersuchungstag auch ohne die Begleitung seiner Ehefrau in der Lage gewesen, die Wege zwischen den Untersuchungsräumen (teilweise mehr als 100 m) alleine und ohne Gehhilfe zurückzulegen. In Begleitung seiner Ehefrau könne er sicher auch längere Gehstrecken von 500 bis 1000 m zurücklegen. Ein Zustand, der dem eines beidseitig Oberschenkelamputierten oder eines Querschnittsgelähmten vergleichbar sei, liege beim Kläger nicht vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 28.10.2005 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lägen nicht vor. Dies ergebe sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B.
Gegen den am 07.11.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.11.2005 Berufung eingelegt.
Auf dessen Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist PD Dr. S., Leiter des Schwerpunkts Neurootologie an der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohren-Krankheiten, Plastische und Rekonstruktive Operationen, W., am 13.10.2006 mit der Erstellung eines neurootologischen Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 22.05.2008, das am 01.12.2008 beim Gericht eingegangen ist, hat PD Dr. S. folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
- kalorische Nystagmushemmung rechts, - dysrhythmische und dysmetrische Nystagmusreaktionen, - teilweise auf- und abwärtsschlägige Vertikalkomponenten des Nystagmus, - vestibuläres Enthemmungsrecruitment links, - gehemmter Perrotatorius bei Rechtsdrehung, - pathologischer optokinetischer Nachnystagsmus bei Linksdrehung, - hyperdysmetrisch gestörte Blickfolgebewegungen beider Augen in der langsamen Blickfolge, - deutlich ataktisch gestörtes Tretversuchs-CCG.
Beim Kläger bestehe eine kombinierte Schallempfindungs- und Schallleitungs-Schwerhörigkeit beidseits sowie eine messbare, kombinierte periphere (rechts) und zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung. Durch die beim Kläger ständig bestehende Gefahr von plötzlich und ohne Vorankündigung auftretenden massiven Schwindelanfällen und die damit verbundene Sturz- und Verletzungsgefahr sei es ihm unmöglich, auch nur kurze Gehstrecken ohne Begleitperson zurückzulegen. Dies rechtfertige die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Oktober 2005 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm das gesundheitliche Merkzeichen außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG") ab 26. Dezember 2002 festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat unter Bezugnahme auf die von Dr. W. am 23.02.2009 erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme vorgetragen, dem Umstand, dass der Kläger wegen unvermittelt auftretender Schwindelanfälle auf die Hilfe einer Begleitperson angewiesen sei, habe man bereits mit der Zuerkennung des Merkzeichens "B" Rechnung getragen. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei hierdurch eine außergewöhnliche Gehbehinderung, die die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertige, nicht bedingt. Allein die Möglichkeit des Auftretens eines Sturzes, welche eine Begleitperson erforderlich mache, sei nicht gleichzusetzen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung von den ersten Schritten an. Dies wäre erst dann der Fall, wenn Schwindelerscheinungen in einem so ausgeprägten Ausmaß bestünden, dass hierdurch eine praktische Steh- und Gehunfähigkeit von Anfang an gegeben sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angegriffene Urteil des SG sowie der Bescheid des Beklagten vom 17.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2004 sind nicht zu beanstanden. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des gesundheitlichen Merkmals außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG").
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz.
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO. Die VwV-StVO ist als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz wirksam erlassen worden. Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Hierbei kann es auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten Behindertengruppen grundsätzlich nicht ankommen. Der Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung muss sich strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Satz 1 in Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden soll, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten. Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen, wobei sich ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren lässt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - in juris). Diese Voraussetzungen müssen praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeugs an erfüllt sein (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01R - SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Nach dem übereinstimmenden Wortlaut von Ziff. 31 Abs. 4 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 und 2008 sowie nach Teil D Nr. 3 c) der als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 erlassenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze, die zum 01.01.2009 in Kraft getreten sind, darf die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzunehmen.
Zu den in der Verwaltungsvorschrift beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört der Kläger unbestrittenermaßen nicht.
Er ist diesem Personenkreis aber auch nicht gleichzustellen. Beim Kläger liegt nämlich keine Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße vor. Insbesondere ist eine solche nicht durch die Hüftbeschwerden oder die Hüft- und Kniearthrose bedingt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass beim Kläger unvorhersehbare, teilweise mit Stürzen verbundene Schwindelattacken auftreten können. Dem ist nämlich schon dadurch Rechnung getragen, dass dem Kläger die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt sind. Durch die Zuerkennung dieser Merkzeichen ist den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers zutreffend und ausreichend Rechnung getragen. Danach ist gemäß Ziff. 32 Abs. 2 und 3 AHP bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" vorliegen), die infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind, eine ständige Begleitung notwendig. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist danach anzunehmen bei Querschnittsgelähmten, Ohnhändern, Blinden und den in Nr. 30 Abs. 4 und 5 genannten Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist.
Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger den vorliegend aufgeführten Anfallskranken gleichzustellen. Wie diese ist er noch in der Lage, sich selbstständig fortzubewegen, entsprechend den bei jenen auftretenden Anfällen muss er mit Schwindelanfällen und daraus resultierenden Stürzen rechnen und ist deshalb auf eine Begleitperson angewiesen. Diesem Nachteil wird mit der Zuerkennung des Merkzeichens "B" Rechnung getragen. Eine darüber hinausgehende Einschränkung der Gehfähigkeit, welche die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertigen könnte, liegt beim Kläger nicht vor.
Der Senat folgt nicht der Beurteilung des Sachverständigen PD Dr. S. im Gutachten vom 22.05.2008. Entgegen dessen Beurteilung sind insbesondere die beim Kläger auftretenden Schwindelanfälle nicht den in den AHP bzw. den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen beispielhaft aufgeführten Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz oder Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades gleichzustellen. Die Gleichstellung von behinderten Menschen mit diesen Erkrankungen mit behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist nämlich dadurch gerechtfertigt, dass auch hierdurch das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt ist. Demgegenüber ist durch die Erkrankungen des Klägers nicht dessen Gehvermögen als solches eingeschränkt. Beim Kläger kann es lediglich beim Gehen zu Schwindelanfällen kommen.
Dahingestellt bleiben kann, ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre, wenn Schwindelerscheinungen in einem solchen Ausmaß bestünden, dass hierdurch eine praktische Steh- und Gehunfähigkeit von Anfang an bedingt wäre. Denn eine Erkrankung in diesem Ausmaß liegt beim Kläger nicht vor. Der Sachverständige PD Dr. S. hat selbst keinen Schwindelanfall beobachtet und sich lediglich auf die anamnestischen Angaben des Klägers bezogen. Der Kläger hat hierbei angegeben, seit dem Verkehrsunfall im Jahr 1991 leide er an Gleichgewichtsstörungen mit häufigen Stürzen, die zum Teil mit und zum Teil ohne Bewusstseinsstörungen erfolgt seien. Genauere Angaben, in welcher Häufigkeit die Stürze erfolgt sind, hat der Sachverständige nicht gemacht. Demgegenüber hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dr. B. angegeben, es könne ein- bis zweimal pro Woche passieren, dass er ohne besondere Vorboten wie vorausgehenden Schwindel oder Übelkeit hinfalle. Hierbei verliere er nicht das Bewusstsein und könne auch sofort wieder aufstehen. Bei diesen Stürzen habe er sich schon Prellungen, vor allem an den Knien zugezogen. Er gehe deshalb außerhalb des Hauses auch nur mit Unterstützung seiner Frau, fühle sich dann sicher und stürze auch nicht. Damit liegen keine Schwindelanfälle in einem Ausmaß vor, durch die das Gehen praktisch schon von den ersten Schritten an unmöglich wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die vom Kläger beantragte Zulassung der Revision liegen nicht vor, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe vorliegt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG".
Bei dem 1932 geborenen Kläger wurde zuletzt mit Bescheid vom 19.07.1999 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Merkzeichen "G" wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sowie mit Bescheid vom 05.12.2001 das Merkzeichen "B" ab 11.07.2001 festgestellt.
Den gegen ersteren Bescheid erhobenen Widerspruch mit dem Antrag, ihm das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2000 zurück. Klage (Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe - SG - vom 15.02.2001 - S 9 SB 1038/00 -) und Berufung (Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 11.11.2001 - L 11 SB 1194/01 -) blieben erfolglos.
Am 26.12.2002 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag, mit dem er die Neubezeichnung seiner Behinderungen sowie die Feststellung des Merkzeichens "aG" geltend machte. Der Beklagte zog Befundberichte des Nervenarztes Dr. H. vom 10.10.2003, des HNO-Arztes Dr. R. vom 14.10.2003, des Augenarztes Dr. S. vom 14.10.2003, des Internisten Dr. E. vom 23.10.2003 und des Orthopäden Dr. H. vom 27.11.2003 bei. Nach Auswertung dieser Unterlagen durch den Prüfarzt der Beklagten Dr. Z.-C. in der gutachterlichen Stellungnahme vom 16.12.2003 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2003 die Feststellung des Merkzeichens "aG" ab, da der Kläger dem anspruchsberechtigten Personenkreis nicht angehöre bzw. nicht gleichzustellen sei. Die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: Funktionelle Organbeschwerden, seelische Störung, Gleichgewichtsstörungen, essenzieller Tremor, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Wachstumsstörung (Scheuermann’sche Krankheit), Sehminderung beidseitig, eingepflanzte Kunstlinse beidseits, chronische Bronchitis, Schlafapnoe-Syndrom, Schwerhörigkeit beidseitig, Verlust der Prostata, Polyneuropathie, Hüft-, Ellenbogen- und Schulterbeschwerden, Großzehenarthrose sowie Hüft- und Kniearthrosen.
Hiergegen erhob der Kläger am Widerspruch mit der Begründung, aufgrund der Folgen seiner Stammhirnverletzung komme es zu Hirnkrämpfen, Konzentrationsstörungen, Störungen der Feinmotorik, Koordinationsstörungen und einer Beeinträchtigung des physischen und geistigen Leistungsvermögens, die seine Steuerungsfähigkeit nachhaltig verminderten. Hinzu komme die Auswirkung der Schlafapnoe. Durch die Sauerstoffunterversorgung während der Nacht sei seine Bewegungsfähigkeit am Morgen derart eingeschränkt, dass er über mehrere Stunden das Bett nicht verlassen könne. Auch wirke sich der essenzielle Tremor und der Tinnitus nachteilig auf die Steuerungsfähigkeit aus. Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des Prüfarztes Dr. B. vom 04.02.2004 wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2004 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 29.03.2004 Klage zum SG erhoben. Mit Schriftsatz vom 04.08.2004 hat er vorgetragen, die Neubezeichnung der Behinderungen werde nicht mehr geltend gemacht, sondern lediglich die Feststellung des Merkzeichens "aG" beantragt. Hierzu hat er einen Befundbericht der HNO-Ärztin Dr. C. vom 06.09.1994, ein Attest von Dr. E. vom 12.05.2004, ein von Dr. S.-W. für das Landratsamt E. - Gesundheitsamt - erstattetes Gutachten vom 23.08.2004 nebst ergänzender Stellungnahme vom 27.09.2004 sowie den Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 31.08.2004 vorgelegt. Das SG hat weiter den Befundbericht einer am 02.09.2004 durchgeführten Kernspintomographie des Schädels und des Gehirns beigezogen. Im Bericht hierzu vom 06.09.2004 hat Dr. F. folgende Beurteilung getroffen: "In Altersrelation normaler morphologischer Befund an Cerebrum, Cerebellum und Hirnstamm. Kein Hinweis auf eine stattgehabte Hirnstammverletzung. Kein Nachweis eines Territorialinfarktes linkshirnig. Lediglich Nachweis einzelner kleinerer gliöser Läsionen, wohl vaskulärer Genese. Kein Hinweis auf entzündliche Marklagerveränderungen."
Dr. E. hat angegeben, seit einem Schädelhirntrauma leide der Kläger unter rezidivierenden, unvorhersehbaren, akut auftretenden Schwindelzuständen mit Gleichgewichtsverlust und Stürzen, z.T. mehrmals täglich. Durch eine Begleitperson, die den Kläger fest am Arm führe, könnten die Stürze vermieden oder deutlich abgemildert werden.
Das SG hat weiter den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 24.05.2005 hat dieser ausgeführt, bezüglich seiner Stürze habe der Kläger angegeben, er stürze immer wieder ohne besondere Vorboten wie vorausgehenden Schwindel oder Übelkeit. Dies komme einfach so vor, auch völlig unabhängig von der Gehstrecke. Er falle dann nach vorne oder mehr zur linken Seite. Dies könne ein- bis zweimal pro Woche passieren. Er verliere dabei nicht das Bewusstsein, könne dann auch sofort wieder aufstehen. Ein eigentliches Stolpern gehe dem Sturz nicht voraus. Er könne auch keine besonderen Auslöser angeben. Er habe sich bei den Stürzen auch schon Prellungen, vor allem an den Knien, zugezogen. Er gehe deshalb außerhalb des Hauses nur mit Unterstützung seiner Frau; dann fühle er sich sicher und stürze auch nicht. Im Sitzen und Liegen habe er überhaupt keine Probleme, es komme auch nicht zu plötzlichen Drehschwindelattacken oder Ähnlichem. Die Probleme würden nur beim Gehen auftreten. Der Sachverständige ist zu der Beurteilung gelangt, auf nervenärztlichem Gebiet bestünden beim Kläger eine Polyneuropathie unklarer Ursache mit Sensibilitätsstörungen und einer sensiblen Ataxie (Beeinträchtigung beim Gehen), ein essenzieller Tremor mit Halte- und Aktionstremor, der zu Störungen der Feinmotorik der Hände führe, ein chronischer Spannungskopfschmerz, Sturzattacken unklarer Ursache (drop-attacks nicht auszuschließen) mit vermutlich phobischer Entwicklung und eine leichte somatoforme Störung (undifferenzierte Somatisierungsstörung). Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege beim Kläger nicht vor. Er sei am Untersuchungstag auch ohne die Begleitung seiner Ehefrau in der Lage gewesen, die Wege zwischen den Untersuchungsräumen (teilweise mehr als 100 m) alleine und ohne Gehhilfe zurückzulegen. In Begleitung seiner Ehefrau könne er sicher auch längere Gehstrecken von 500 bis 1000 m zurücklegen. Ein Zustand, der dem eines beidseitig Oberschenkelamputierten oder eines Querschnittsgelähmten vergleichbar sei, liege beim Kläger nicht vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 28.10.2005 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lägen nicht vor. Dies ergebe sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B.
Gegen den am 07.11.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.11.2005 Berufung eingelegt.
Auf dessen Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist PD Dr. S., Leiter des Schwerpunkts Neurootologie an der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohren-Krankheiten, Plastische und Rekonstruktive Operationen, W., am 13.10.2006 mit der Erstellung eines neurootologischen Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 22.05.2008, das am 01.12.2008 beim Gericht eingegangen ist, hat PD Dr. S. folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
- kalorische Nystagmushemmung rechts, - dysrhythmische und dysmetrische Nystagmusreaktionen, - teilweise auf- und abwärtsschlägige Vertikalkomponenten des Nystagmus, - vestibuläres Enthemmungsrecruitment links, - gehemmter Perrotatorius bei Rechtsdrehung, - pathologischer optokinetischer Nachnystagsmus bei Linksdrehung, - hyperdysmetrisch gestörte Blickfolgebewegungen beider Augen in der langsamen Blickfolge, - deutlich ataktisch gestörtes Tretversuchs-CCG.
Beim Kläger bestehe eine kombinierte Schallempfindungs- und Schallleitungs-Schwerhörigkeit beidseits sowie eine messbare, kombinierte periphere (rechts) und zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung. Durch die beim Kläger ständig bestehende Gefahr von plötzlich und ohne Vorankündigung auftretenden massiven Schwindelanfällen und die damit verbundene Sturz- und Verletzungsgefahr sei es ihm unmöglich, auch nur kurze Gehstrecken ohne Begleitperson zurückzulegen. Dies rechtfertige die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Oktober 2005 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm das gesundheitliche Merkzeichen außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG") ab 26. Dezember 2002 festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat unter Bezugnahme auf die von Dr. W. am 23.02.2009 erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme vorgetragen, dem Umstand, dass der Kläger wegen unvermittelt auftretender Schwindelanfälle auf die Hilfe einer Begleitperson angewiesen sei, habe man bereits mit der Zuerkennung des Merkzeichens "B" Rechnung getragen. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei hierdurch eine außergewöhnliche Gehbehinderung, die die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertige, nicht bedingt. Allein die Möglichkeit des Auftretens eines Sturzes, welche eine Begleitperson erforderlich mache, sei nicht gleichzusetzen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung von den ersten Schritten an. Dies wäre erst dann der Fall, wenn Schwindelerscheinungen in einem so ausgeprägten Ausmaß bestünden, dass hierdurch eine praktische Steh- und Gehunfähigkeit von Anfang an gegeben sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angegriffene Urteil des SG sowie der Bescheid des Beklagten vom 17.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2004 sind nicht zu beanstanden. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des gesundheitlichen Merkmals außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG").
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz.
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO. Die VwV-StVO ist als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz wirksam erlassen worden. Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Hierbei kann es auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten Behindertengruppen grundsätzlich nicht ankommen. Der Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung muss sich strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Satz 1 in Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden soll, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten. Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen, wobei sich ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren lässt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - in juris). Diese Voraussetzungen müssen praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeugs an erfüllt sein (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01R - SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Nach dem übereinstimmenden Wortlaut von Ziff. 31 Abs. 4 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 und 2008 sowie nach Teil D Nr. 3 c) der als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 erlassenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze, die zum 01.01.2009 in Kraft getreten sind, darf die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzunehmen.
Zu den in der Verwaltungsvorschrift beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört der Kläger unbestrittenermaßen nicht.
Er ist diesem Personenkreis aber auch nicht gleichzustellen. Beim Kläger liegt nämlich keine Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße vor. Insbesondere ist eine solche nicht durch die Hüftbeschwerden oder die Hüft- und Kniearthrose bedingt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass beim Kläger unvorhersehbare, teilweise mit Stürzen verbundene Schwindelattacken auftreten können. Dem ist nämlich schon dadurch Rechnung getragen, dass dem Kläger die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt sind. Durch die Zuerkennung dieser Merkzeichen ist den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers zutreffend und ausreichend Rechnung getragen. Danach ist gemäß Ziff. 32 Abs. 2 und 3 AHP bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" vorliegen), die infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind, eine ständige Begleitung notwendig. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist danach anzunehmen bei Querschnittsgelähmten, Ohnhändern, Blinden und den in Nr. 30 Abs. 4 und 5 genannten Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist.
Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger den vorliegend aufgeführten Anfallskranken gleichzustellen. Wie diese ist er noch in der Lage, sich selbstständig fortzubewegen, entsprechend den bei jenen auftretenden Anfällen muss er mit Schwindelanfällen und daraus resultierenden Stürzen rechnen und ist deshalb auf eine Begleitperson angewiesen. Diesem Nachteil wird mit der Zuerkennung des Merkzeichens "B" Rechnung getragen. Eine darüber hinausgehende Einschränkung der Gehfähigkeit, welche die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertigen könnte, liegt beim Kläger nicht vor.
Der Senat folgt nicht der Beurteilung des Sachverständigen PD Dr. S. im Gutachten vom 22.05.2008. Entgegen dessen Beurteilung sind insbesondere die beim Kläger auftretenden Schwindelanfälle nicht den in den AHP bzw. den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen beispielhaft aufgeführten Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz oder Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades gleichzustellen. Die Gleichstellung von behinderten Menschen mit diesen Erkrankungen mit behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist nämlich dadurch gerechtfertigt, dass auch hierdurch das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt ist. Demgegenüber ist durch die Erkrankungen des Klägers nicht dessen Gehvermögen als solches eingeschränkt. Beim Kläger kann es lediglich beim Gehen zu Schwindelanfällen kommen.
Dahingestellt bleiben kann, ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre, wenn Schwindelerscheinungen in einem solchen Ausmaß bestünden, dass hierdurch eine praktische Steh- und Gehunfähigkeit von Anfang an bedingt wäre. Denn eine Erkrankung in diesem Ausmaß liegt beim Kläger nicht vor. Der Sachverständige PD Dr. S. hat selbst keinen Schwindelanfall beobachtet und sich lediglich auf die anamnestischen Angaben des Klägers bezogen. Der Kläger hat hierbei angegeben, seit dem Verkehrsunfall im Jahr 1991 leide er an Gleichgewichtsstörungen mit häufigen Stürzen, die zum Teil mit und zum Teil ohne Bewusstseinsstörungen erfolgt seien. Genauere Angaben, in welcher Häufigkeit die Stürze erfolgt sind, hat der Sachverständige nicht gemacht. Demgegenüber hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dr. B. angegeben, es könne ein- bis zweimal pro Woche passieren, dass er ohne besondere Vorboten wie vorausgehenden Schwindel oder Übelkeit hinfalle. Hierbei verliere er nicht das Bewusstsein und könne auch sofort wieder aufstehen. Bei diesen Stürzen habe er sich schon Prellungen, vor allem an den Knien zugezogen. Er gehe deshalb außerhalb des Hauses auch nur mit Unterstützung seiner Frau, fühle sich dann sicher und stürze auch nicht. Damit liegen keine Schwindelanfälle in einem Ausmaß vor, durch die das Gehen praktisch schon von den ersten Schritten an unmöglich wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die vom Kläger beantragte Zulassung der Revision liegen nicht vor, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe vorliegt.
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