L 7 AS 218/06

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 18 AS 300/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 218/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 21/07
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Beklagte zu Recht den Existenzgründungszuschuss nach § 421 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angerechnet hat.

Die zwischen der Klägerin und dem (W.) im Jahre 1990 geschlossene Ehe wurde am 28. Februar 2001 geschieden. Aus der Ehe hervorgegangen ist das am 29. Juni 1991 geborene Kind V. W. hat zudem im Scheidungsverfahren die weitere Tochter der Klägerin, M., geboren 1989, als Tochter angenommen.

Im September 2004 bezogen die Klägerin, ihr geschiedener Ehemann und die Kinder die jetzige gemeinsame Wohnung.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bewilligte der Klägerin für die Zeit vom 19. Juni 2004 bis zum 18. Juni 2005 einen Existenzgründungszuschuss auf der Grundlage des § 421 l Abs. 1 SGB III.

Am 23. August 2004 beantragte die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Diesem Antrag wurde durch Bescheid vom 27. Dezember 2004 entsprochen; der Klägerin wurden für sich, dem geschiedenen Ehemann und den Kindern als Bedarfsgemeinschaft Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 bewilligt, wobei der Existenzgründungszuschuss als Einnahme der Klägerin berücksichtigt wurde. Mit weiterem Bescheid vom 31. Mai 2005 bewilligte die Beklagte Grundsicherungsleistungen auch für den Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis zum 30. November 2005 unter Berücksichtigung eines Einkommens durch den Existenzgründungszuschuss von 360,00 Euro. Gegen beide Bescheide wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch, mit dem sie vor allem die von der Beklagten angenommene Bedarfsgemeinschaft mit W., aber auch die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses beanstandete.

Durch Bescheid vom 17. Juni 2005 änderte die Beklagte ihren Bewilligungsbescheid vom 31. Mai 2005 ab und setzte nunmehr die Rentenversicherungsbeiträge der Klägerin vom Einkommen ab. Mit weiterem Bescheid vom 4. August 2005 erfolgte eine erneute Änderung der Leistungsbewilligung vom 31. Mai 2005; im Hinblick auf den lediglich bis zum 18. Juni 2005 gezahlten Existenzgründungszuschuss wurde (nur) noch für den Monat Juni 2005 ein Betrag von 216,00 Euro angerechnet. Nachdem der Außendienst der Beklagten im September 2005 die Wohnung der Klägerin aufgesucht hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2005 die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 27. Dezember 2004, 31. Mai 2005 und 17. Juni 2006 als unbegründet zurück. Gegen einen weiteren Leistungsbescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2005, der die Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 regelte, erhob die Klägerin ebenfalls Widerspruch.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2005 hat die Klägerin am 24. Oktober 2005 Klage erhoben.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2005 den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 17. Oktober 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Mit weiteren Bescheiden vom 16. Januar 2006 und 26. Mai 2006 hat die Beklagte auch für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis zum 30. November 2006 Grundsicherungsleistungen bewilligt.

Durch Urteil vom 28. Juni 2006 hat das Sozialgericht Darmstadt (SG) die Bescheide der Beklagten vom 20. Dezember 2004 (gemeint: 27. Dezember 2004), 31. Mai 2005, 17. Juni 2005 und 4. August 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 18. Juni 2005 Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung von Einkommen zu zahlen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Klageantrag sei ausschließlich so zu verstehen, dass die Klägerin allein für sich, nicht aber andere Personen der Bedarfsgemeinschaft Klage erheben würde. Im Hinblick auf die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses sei das auch sachdienlich, weil die Nichtanrechnung sich entgegen der Berechnungsregelung in § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ausschließlich auf den Anspruch der Klägerin auswirke, so dass deswegen die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht klagebefugt seien. Im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung sei die Klage nicht auch für den geschiedenen Ehemann erhoben, weil die Klägerin ausdrücklich darauf abstelle, ihn nicht als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft anzusehen. Der geschiedene Ehemann (W.) habe hingegen den Willen zur Klageerhebung nicht zum Ausdruck gebracht. Die Klage sei hinsichtlich der Anrechnung des Existenzgründungszuschusses – nur insoweit solle der Urteilstenor eine Anrechnung von Einkommen der Klägerin ausschließen – begründet, weil die Bescheide der Beklagten für den Leistungszeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 18. Juni 2005 insoweit rechtswidrig seien und die Klägerin in eigenen Rechten verletzten. Das gewährte Arbeitslosengeld II habe die Beklagte ohne Anrechnung des Existenzgründungszuschusses als Einkommen zu leisten. Hierbei handele es sich um Einnahmen, die unter die Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II fielen. Danach seien Einnahmen nicht als Einkommen anzurechnen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienten und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussten, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Die hiernach geforderte Zweckabweichung zwischen dem Arbeitslosengeld II einerseits und dem Existenzgründungszuschuss andererseits liege vor. Derweil das Arbeitslosengeld II eine Leistung sei, die der Sicherung des Lebensunterhalts diene, stelle der Existenzgründungszuschuss eine Leistung eigener Art dar, die die mit der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oftmals verbundenen Verluste in den ersten Jahren – teilweise – auffangen solle, um die Folgen der in der Gründungsphase – noch – verringerten Umsatzerlöse zu mildern und damit die Bereitschaft zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zu erleichtern. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil es rechtlich nicht zu beanstanden sei, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden für die Regelleistung der Klägerin nur einen Bedarf von 311,00 Euro berücksichtigt habe. Nach § 20 Abs. 2 SGB II betrage die Regelleistung für die Klägerin nur 311,00 Euro, weil sie mit ihrem geschiedenen Ehemann nach § 9 Abs. 3 b SGB II in einer Bedarfsgemeinschaft lebe. Die Klägerin und W. bildeten jedenfalls ab dem 1. Januar 2005 eine eheähnliche Gemeinschaft.

Gegen dieses ihr am 5. September 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 29. September 2006 eingegangenen Berufung. Sie führt aus, dass das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts (HLSG) abweiche, nämlich dem Beschluss vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 22/05 ER –, in dem es den Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III als nach § 11 SGB II nicht zu berücksichtigendes Einkommen beurteile. Im Übrigen sei dem angefochtenen Urteil auch rechtlich nicht zu folgen. Der Existenzgründungszuschuss habe nicht nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II anrechnungsfrei bleiben können. Zweckbestimmte Einnahmen im Sinne dieser Vorschrift seien solche, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienten. Mit dem Existenzgründungszuschuss solle der Übergang von der Arbeitslosigkeit zu einer kleinunternehmerischen Tätigkeit gefördert werden, folglich die Eingliederung in Arbeit. Keinem anderen Zweck diene die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nach § 1 Abs. 2 SGB II würden die Leistungen nach dem SGB II zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit, insbesondere durch Eingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährt. Die Anrechnungspflichtigkeit des Existenzgründungszuschusses wegen Zweckidentität finde zudem eine Bestätigung in den Gesetzesmaterialen zu den §§ 16, 29 SGB II.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Juni 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Existenzgründungszuschuss diene nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und sei nicht mit Überbrückungsgeld gleichzustellen. Die Beklagte verkenne, dass es sich beim Existenzgründungszuschuss um ein privilegiertes zweckbestimmtes, nicht anrechnungsfähiges Einkommen handele.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses (EGZ) als Einkommen der Klägerin durch die Bescheide vom 27. Dezember 2004, 31. Mai 2005, 17. Juni 2005 und 4. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2005 war rechtswidrig. Ebenso wie das SG bewertet auch der erkennende Senat den Existenzgründungszuschuss als zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II.

Mit der Frage, ob der Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende anzurechnen ist, hat sich der erkennende Senat bereits in seinem – auch der Beklagten bekannten – Beschluss vom 4. Dezember 2006 – L 7 AS 168/06 ER – befasst. Er hat darin - nach abschließender und nicht nur summarischer Prüfung der Rechtslage - ausgeführt: "In § 421 l SGB III ist der EGZ im Einzelnen geregelt. Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen (hauptberuflichen) Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen EGZ. Der Zuschuss wird geleistet, wenn der Existenzgründer (Nr. 1) in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden ist, (Nr. 2) nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 des Vierten Buches erzielen wird, das voraussichtlich 25.000,00 Euro im Jahr nicht überschreiten wird, (Nr. 3) eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat. Der Zuschuss wird gemäß § 421 l SGB III bis zu drei Jahre erbracht und wird jeweils längstens für ein Jahr bewilligt. Er beträgt im ersten Jahr nach Beendigung der Arbeitslosigkeit monatlich 600,00 Euro, im zweiten Jahr monatlich 360,00 Euro und im dritten Jahr monatlich 240,00 Euro. Vom 1. Juli 2006 an finden diese Regelungen nur noch Anwendung, wenn der Anspruch auf Förderung vor diesem Tag bestanden hat.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Bei grundsätzlich bestehender Hilfebedürftigkeit mindert das zu berücksichtigende Einkommen die Geldleistungen (§ 19 Satz 2 SGB II).

Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfe, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der EGZ nach § 421 l SGB III zählt nicht zu den Ausnahmeleistungen im genannten Sinne, insbesondere nicht zu den Leistungen nach dem SGB II. Er ist in § 16 Abs. 1 SGB II nicht als Leistung zur Eingliederung in Arbeit aufgeführt.

Bei dem EGZ handelt es sich aber um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dient und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.

Die Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II soll verhindern, dass die Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird. Andererseits soll die Doppelleistung aus öffentlichen Mitteln durch die Anrechnung zweckidentischer Leistungen verhindert werden (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 5. Dezember 2002 - B 2 U 12/02 R - zu § 77 Bundessozialhilfegesetz - BSHG -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2005 – L 25 B 1265/05 AS PKH; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 11 Rdnr. 77; Hengelhaupt in Hauck/Noffz SGB II, 2005, § 11 Rdnr. 213). Dieser Gesetzeszweck ist bei der Beantwortung der Frage, in welcher Art und Weise die Zweckbindungen der Einnahme und der Leistungen nach dem SGB II voneinander abweichen müssen, zu berücksichtigen. Das Bundessozialgericht hat zu der § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II ähnlichen Bestimmung des § 138 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in Bezug auf die Arbeitslosenhilfe Zweckidentität verneint, wenn "bei einer Anrechnung ein weiterer mit der Leistungsgewährung verbundener Zweck, wie z.B. die Aufrechterhaltung eines bestimmten wirtschaftlichen Zustandes verfehlt würde" (BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 – 7 RAr 13/79, SozR 4100 § 138 Nr. 5). Im Zusammenhang mit § 77 BSHG hat es entschieden, dass bei nicht identischen Zwecken die betreffende öffentlichrechtliche Leistung bei der Gewährung der Sozialhilfe nicht als Einkommen anzurechnen sei. Eine zweckneutrale Leistung sei anrechenbar, wobei es sich um eine solche bereits handele, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang eine vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung nicht eindeutig ableiten lasse (BSG, Urteil vom 5. Dezember 2002, a.a.O.) § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II erfordert vor diesem Hintergrund einen Vergleich der Zweckbestimmung der Leistungen nach diesem Buch mit der Zweckbestimmung der in Frage stehenden Einnahme, hier dem EGZ. Ob Einkommen nach der genannten Regelung anzurechnen ist, ist anhand des konkreten Leistungsfalles zu beurteilen. Um Doppelleistungen zu verhindern, aber gleichzeitig die Zweckbestimmung einer Leistung nicht zu verfehlen, sind dabei die tatsächlich bewilligten Leistungen der Einnahme gegenüberzustellen. Nur so lässt sich dem Gesetzeszweck Rechnung tragen.

Die allgemeine Zweckbestimmung der Leistungen nach dem SGB II findet in § 1 Abs. 2 SGB II ihren Niederschlag. Danach umfasst die Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Mit dem dargelegten Erfordernis einer konkreten Betrachtungsweise wäre allerdings der Schluss nicht vereinbar, Einnahmen, die auch der Eingliederung in Arbeit im weitesten Sinne dienten, deshalb von vorneherein als anrechenbar einzustufen.

Vielmehr sind vorliegend zunächst Art und Umfang der der Antragstellerin bewilligten Leistungen nach dem SGB II ins Auge zu fassen. Sie erhält von der Antragsgegnerin zum einen die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II und zum anderen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Beide Leistungen dienen der Sicherung des Lebensunterhalts, aber nicht der Eingliederung in Arbeit.

Dem ist die Zweckbestimmung des EGZ gegenüberzustellen. Der Senat kommt auf Grund einer Gesamtschau des Wortlauts des § 421 l SGB III, des systematischen Zusammenhangs und der Entstehungsgeschichte sowie von Sinn und Zweck der Regelung zu dem Schluss, dass der EGZ einen von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach den §§ 19, 20, 22 SGB II wesentlich zu unterscheidenden Zweck verfolgt, dessen Erreichung bei Anrechnung des EGZ als Einkommen gefährdet wäre (so etwa auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2006 - L 8 AS 2198/06 ER-B LSG; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. April 2006 – L 8 AS 29/06; Beschluss vom 23. Juni 2005 – L 8 AS 97/05; LSG Sachsen, Beschluss vom 10. Januar 2006 – L 3 B 233/05 AS ER; a.A. etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2005 – a.a.O.; Beschluss vom 6. Dezember 2005 – L 10 B 1144/05 AS ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 2005 – L 2 B 44/05 AS ER). Er hält seine in dem Beschluss vom 29. Juni 2005 - L 7 AS 22/05 ER - geäußerte abweichende Rechtsauffassung nicht aufrecht.

Der Existenzgründer kann mit dem EGZ etwa auch mit dessen Bezug und der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit verbundene Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. So ergibt sich seine Rentenversicherungspflicht aus § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI. Er wird weiterhin in die Lage versetzt, gegebenenfalls für seine (private) Krankenversicherung zu sorgen und eine zusätzliche private Altersvorsorge aufzubauen. Aus den Gesetzesmaterialien ist darüber hinaus zu entnehmen, dass die Einführung dieses Förderinstruments der Bekämpfung der Schwarzarbeit als auch der Förderung der Selbstständigkeit zu dienen bestimmt ist (BT-Drucks. 15/26, S. 19, 22; BT-Drucks. 15/2997 S. 24 zu Art. 1 Nr. 9a). Es soll als Arbeitsmarktinstrument der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dienen (vgl. auch Bericht der Hartz IV-Kommision, Soziale Sicherheit 2002, S. 254). Die Ausgestaltung als degressive Leistung unterstreicht diese Intention, den Übergang in die Selbstständigkeit zu erleichtern und erhöhte Ausgaben im Zuge der Existenzgründung bei gleichzeitig erst zu erschließenden Einnahmen jedenfalls teilweise zu kompensieren. Auch das Erfordernis der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung macht die arbeitsmarktbezogene Zielrichtung des EGZ deutlich. Die pauschalierte Höhe des EGZ lässt diesen Regelungszweck nicht in den Hintergrund treten, sondern dient der Verwaltungsvereinfachung. Außerdem ist die Gewährung des EGZ auf ein maximales Arbeitseinkommen von 25.000,00 Euro begrenzt.

Zusammengefasst hat der EGZ die Funktion eines Förderinstruments auf dem Arbeitsmarkt, die weit über die Lebensunterhaltssicherung im engeren Sinne hinausgeht.
...

Der Wortlaut des § 421 l SGB III lässt jedenfalls keine andersgerichteten Rückschlüsse auf den Regelungsgehalt der Vorschrift zu (weitergehend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2006, a.a.O.: der EGZ diene, was bereits dem Wortlaut der Bestimmung zu entnehmen sei, dem Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit). Auch der Vergleich mit dem Wortlaut der Regelung zum Überbrückungsgeld in § 57 SGB III führt zu keinen gegenteiligen Schlussfolgerungen. So ist in dieser Vorschrift ausdrücklich die Sicherung des Lebensunterhalts, allerdings auch die soziale Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung benannt, während in § 421 l keine ausdrückliche Zweckbestimmung erfolgt. Bezeichnenderweise wird der Vergleich zu § 57 SGB III herangezogen sowohl um die Anrechnung als auch die Nichtanrechnung des EGZ auf die Leistungen der Grundsicherung zu begründen (vgl. einerseits SG Dresden, Urteil vom 31. März 2006 - S 35 AS 70/05 und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2005, a.a.O. und andererseits LSG Bayern, Urteil vom 20. Januar 2006 - L 7 AS 37/05 und LSG Sachsen, Beschluss vom 10. Januar 2006, a.a.O.).

Auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den §§ 16 Abs. 1 und 29 SGB II lässt sich nicht herleiten, der EGZ sei als Einkommen anzurechnen, wie das SG zutreffend festgestellt hat. Richtig ist, dass § 421 l SGB III, ebenso wie § 57 SGB III, nicht über § 16 Abs. 1 SGB III in das Förderinstrumentarium des SGB II aufgenommen worden ist, in dem das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II vorgesehen ist. Die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (BT-Drucks. 15/1728, S. 177, 178) sah im Entwurf des SGB II noch vor, auch § 421 l SGB III mit in den in § 16 Abs. 1 SGB II geregelten Katalog der Eingliederungsleistungen aufzunehmen. Dieser Empfehlung ist der Vermittlungsausschuss allerdings nicht gefolgt (BT-Drucks. 15/2259). Hieraus lässt sich allerdings nur ableiten, dass der Gesetzgeber den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende dieses Förderinstrument nicht zur Verfügung stellen wollte. Der EGZ gehört damit nicht zu den "Leistungen nach diesem Buch" im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II, die nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Der weitergehende Schluss, der von der Bundesagentur für Arbeit gewährte EGZ solle von einer Privilegierung ausgenommen werden (so wohl SG Dresden, Urteil vom 31. März 2006 – S 35 AS 70/05) kann hieraus nicht gezogen werden. Er lässt den eigenständigen Privilegierungstatbestand des § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II unberücksichtigt, der gerade nicht die Eingliederung in das Förderinstrumentarium des SGB II zur Voraussetzung hat.

Zudem verlöre der EGZ seinen Sinn, würde er als Einkommen angerechnet. Dann bliebe keine Aufstockungsleistung zur Gründung und Erhaltung des Betriebes mehr übrig. Seiner Funktion kann der EGZ daher nur entsprechen, wenn er zusätzlich zu den Leistungen nach dem SGB II ausgezahlt wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2006, a.a.O.).

Da der EGZ eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II darstellt und im Zusammenhang mit der Existenzgründung die Lage des Leistungsempfängers nicht derart günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, darf die Antragsgegnerin ihn nicht auf die Leistungen der Antragstellerin nach den §§ 20, 22 SGB II anrechnen. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob zumindest im Rahmen der Einkommensanrechnung von den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einnahmen und dem EGZ die Betriebsausgaben als "die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben" im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II abzuziehen sind (so LSG Bayern, Beschluss vom 20. Januar 2006, a.a.O.; SG Leipzig, Beschluss vom 22. August 2005 – S 16 AS 350/05 ER)."

An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat auch nach erneuter Prüfung fest.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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