L 6 U 5745/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3058/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5745/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.10.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Bandscheibenschadens als Folge eines Arbeitsunfalls und um die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1959 geborene Kläger suchte am 24.01.2005 um 12.00 Uhr den H-Arzt Dr. H., Facharzt für Orthopädie, auf und gab an, beim Verschieben eines Heizkessels einen Schmerz im Rücken verspürt zu haben. In seinem H-Arztbericht vom 24.01.2005 beschrieb Dr. H. eine "Ischiasskoliose" sowie eine stark schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule (LWS) bei Seitneigung und Inklination mit ausstrahlenden Schmerzen ins rechte Bein bis zur Unterschenkelaußenseite. Er stellte die Diagnose einer akuten rechtsseitigen Lumboischialgie; ein Unfall "im Sinne der RVO" liege nicht vor.

Die Beklagte holte von der Bezirksdirektion L.-B. der AOK Baden-Württemberg einen Leistungskartenauszug, von der Arbeitgeberin des Klägers, der Firma B. und Entkernungen, die Auskunft vom 02./06.05.2005 sowie Berichte der Fachärztin für Orthopädie Dr. L. vom 12.07.2005 (der Kläger sei 2001 und auch 2004 wegen Rückenschmerzen behandelt worden; die seit Januar 2005 geklagten Beschwerden seien auf die zuvor bestehenden Beschwerden und Veränderungen zurückzuführen) und des Internisten und Betriebsmediziners Dr. Sch. vom 15.07.2005 ein, wobei letzterem Arztbriefe der Orthopädin Dr. L. vom 27.07.2001, des Allgemeinmediziners Dr. W. vom 15.06.2005 (manualtherapeutische Behandlungen wegen Lumbalgien vom 29.04. bis 15.06.2005 mit unbefriedigendem Erfolg) und des Radiologen Dr. W. vom 06.06.2005 über ein Computertomogramm (CT) der LWS (flache Bandscheibenprotrusion L4/L5; Osteochondrose mit begleitender Spondylose L4/L5) beigefügt waren. Vor dem Versicherungsamt der Stadt L. gab der Kläger am 30.06.2005 an, bei dem Versuch, mit einer Eisenstange einen großen Heizkessel zu bewegen, habe ihn plötzlich ein großer Schmerz im LWS-Bereich durchfahren. Sekunden später sei ihm übel und schwarz vor den Augen geworden. Der Neurochirurg Dr. K. übersandte seinen Arztbrief vom 17.06.1997 (Lumboischialgie rechts) und den Arztbrief des Neurochirurgen G. und der Radiologin M. vom 29.09.2004 über die computertomographische Untersuchung der LWS vom 28.09.2004 (Protrusionen L4/5 und L5/S1). Sodann holte die Beklagte von dem Ärztlichen Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., Prof. Dr. W., das auf Grund einer ambulanten Untersuchung erstattete Gutachten vom 17.02.2006 ein. Im Rahmen der Anamnese gab der Kläger am 26.01.2006 an, beim Anheben des ca. 400 Kilogramm schweren Heizkessels mit einer unter den Heizkessel eingeführten Eisenstange, habe er plötzlich starke Schmerzen im Rücken verspürt. Prof. Dr. W. beschrieb eine flache Bandscheibenprotrusion L4/L5, eine diskrete Bandscheibenprotrusion L5/S1, eine degenerative Spondylose und Spondyl-arthrose im Bereich der gesamten Wirbelsäule mit besonderer Ausprägung im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) und distalen LWS. Bei dem Vorgang vom 24.01.2005 habe es sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt. Ein Bandscheibensyndrom bzw. -vorfall, welcher sich bei arbeitsüblichen Handlungen entwickle, wäre ohnehin im gleichen Zeitraum und in gleicher Stärke bei irgendeiner anderen gewöhnlichen Verrichtung des täglichen Lebens entstanden.

Mit Bescheid vom 06.04.2006 stellte die Beklagte fest, ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 24.01.2005 bestehe nicht. Ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen. Der vom Kläger hiergegen eingelegte, nicht begründete Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 28.07.2006).

Am 18.08.2006 erhob der Kläger hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Heilbronn (SG) mit dem Ziel, festzustellen, dass die bei ihm vorliegenden osteochondrotischen Veränderungen L4/5, Bandscheibenschaden bei Protrusion L4/5 sowie L5/S1 Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.01.2005 seien, und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 vom Hundert (v.H.) der Vollrente zu bezahlen. Zur Begründung trug er vor, bis zum Unfalltag habe er eine schwere körperliche Arbeit ausführen können, ohne die Probleme zu haben, die ihn seit dem 24.01.2005 an einer Weiterarbeit hinderten. Er sei in dem körperlichen Zustand geschützt gewesen, in dem er sich zum Unfallzeitpunkt befunden habe und müsse sich deshalb nicht mit dem Hinweis auf degenerative Vorschäden abspeisen lassen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.10.2007 wies das SG die Klage ab. Die Wirbelsäule des Klägers sei zum behaupteten Unfallzeitpunkt vorgeschädigt gewesen. Die von ihm verrichtete Tätigkeit sei nicht geeignet gewesen, die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule im Sinne der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung hervorzurufen oder zu verschlimmern. Zweifelsfrei habe es sich um eine sogenannte Gelegenheitsursache gehandelt.

Hiergegen hat der Kläger am 26.11.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, bei dem Versuch, einen 400 Kilogramm schweren Kessel anzuheben, habe es sich entgegen der Annahme von Prof. Dr. W. nicht um eine arbeitsübliche Verrichtung gehandelt. Im Gegenteil liege es auf der Hand, dass es sich um eine besonders schwere und/oder ungewöhnliche Arbeit gehandelt habe, als er den Versuch unternommen habe, den schweren Heizkessel zu bewegen. Als ihm dies teilweise gelungen sei und der Heizkessel das Übergewicht bekommen habe, sei die Eisenstange zurückgeschlagen und habe zu seiner Verletzung geführt. Erst recht sei die Annahme unzutreffend, das Ereignis vom 24.01.2005 sei mit einer normalen Verrichtung des täglichen Lebens (Gelegenheitsursache) austauschbar. Er sei vor dem Ereignis beschwerdefrei gewesen; ansonsten hätte er die schwere Arbeit vor Ort nicht leisten können.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.10.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 06.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2006 aufzuheben, festzustellen, dass die Gesundheitsstörung osteochondrotische Veränderung L4/5, Bandscheibenschaden bei Protrusion L4/5 sowie L5/S1 Folge des Arbeitsunfalls vom 24.01.2005 ist und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, unabhängig davon, dass der jetzt im Berufungsverfahren geschilderte Hergang des Ereignisses vom 24.01.2005 nicht mit den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren übereinstimme, könnten die beim Kläger vorhandenen Veränderungen bei L4/5 und L5/S1 nicht als durch das Ereignis vom 24.01.2005 verursacht angesehen werden, weil sie ausweislich der CT-Untersuchungen vom 06.06.1997 und vom 28.09.2004 schon vor dem 24.01.2005 bestanden hätten.

Auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat von dem Chirurgen/Unfallchirurgen und Sozialmediziner Dr. A. das auf Grund der ambulanten Untersuchung vom 18.08.2008 erstattete Gutachten vom 26.08.2008 eingeholt. Dieser führt aus, aus der röntgenmorphologischen Darstellung zum Unfalltag aus der Praxis Dr. H. ergebe sich eine erhebliche Fehlstellung der LWS, die nur durch ein schmerzreflektorisches Verhalten erklärbar sei. Dieses wiederum erkläre sich auf Grund einer erheblich gezerrten Muskulatur im Bereich des Lendensegments. Neurologische Ausfälle hätten nicht vorgelegen. Da im Fall des Klägers keine konsequente Therapie (strukturierte Schmerztherapie mit aufbauender Krankengymnastik) durchgeführt worden sei, sei bei dem Kläger eine chronische Schmerzproblematik aufgetreten, die in ein chronisches Lumbalsyndrom eingemündet sei. Degenerative Veränderungen, die ein L. anhaltendes Wirbelsäulenleiden mit sich brächten, lägen bei dem Kläger ausweislich sämtlicher technischer Untersuchungen nicht vor. Die unfallbedingte MdE schätzte er auf 20 v.H.

Sodann hat der Senat von Amts wegen von dem Orthopäden Dr. H. das auf Grund der ambulanten Untersuchung vom 06.10.2008 erstattete Gutachten vom 06.11.2008 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, die biomechanische Belastung durch das Ereignis vom 24.01.2005 sei deutlich höher gewesen, als Alltagsbelastungen, die auf die Wirbelsäule einwirkten. Es seien hierbei Stauchungskräfte aufgetreten, die geeignet gewesen wären, eine strukturelle Schädigung der LWS, zum Beispiel im Sinne eines Stauchungsbruches eines Wirbelkörpers, auszulösen. Nativradiologisch, computertomographisch und später kernspintomographisch sei jedoch eine solche strukturelle Schädigung ausgeschlossen worden. Im vorliegenden Fall sei unmittelbar nach dem Ereignis eine Seitverbiegung der LWS im Zusammenspiel mit einer deutlichen Bewegungseinschränkung beschrieben worden. Bei der jetzigen Begutachtung sei eine Seitverbiegung anders als im Röntgenbild, das Dr. H. im H-Arztbericht beschrieben habe und das in vergleichbarer Form bereits am 28.09.2004 radiologisch zu sehen gewesen sei, jetzt nicht mehr nachweisbar gewesen. Auf Grund der Unfallschilderung des Klägers und auf Grund des H-Arztberichtes gehe er davon aus, dass der Kläger durch das Ereignis vom 24.01.2005 eine funktionelle Schädigung im Bereich der LWS mit nachfolgender, vorübergehender Seitverbiegung der LWS erlitten habe. Die funktionelle Schädigung habe in Form einer Muskelzerrung und/oder einer schmerzhaften Blockierung bestanden. Auf dem Boden einer solchen funktionellen Schädigung sei eine Arbeitsunfähigkeit von ein bis drei Wochen, bei großzügiger Betrachtungsweise unter Berücksichtigung des körperlich belastenden Berufsbildes von drei bis sechs Wochen, nachvollziehbar. Ein Dauerschaden sei dabei nicht zu erwarten. Die anhaltenden Rückenschmerzen und die daraus folgenden ausgeprägten Funktionsstörungen des Klägers ließen sich aus orthopädischer Sicht nicht voll mit dem somatischen Befund erklären. Im Übrigen sei der aktuelle somatische Befund auf ein unfallunabhängiges degeneratives Rückenleiden, das schon vor dem 24.01.2005 zu therapiebedürftigen Beschwerden und Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt habe, zurückzuführen.

Die Beteiligten haben im gegensätzlichen Sinne zu dem Gutachten Dr. H.s Stellung genommen, der Kläger unter Vorlage der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme von Dr. A. vom 12.01.2009, der darin an seiner ursprünglichen Auffassung festhält.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Mit Bescheid vom 06.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2006 hätte die Beklagte zwar nicht die Feststellung eines Arbeitsunfalls ablehnen dürfen, jedoch ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im Ergebnis die Gewährung von Rentenleistungen versagt hat.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem bei dem Unfall erlittenen Primärschaden einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen diesem und der verbliebenen Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Primärschaden und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20.01.1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19, 52; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 mwN). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28.06.1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29.03.1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31.10.1969 - 2 R U 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20.01.1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solche die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und vom 09.05.2006 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 ). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen.

Zu Unrecht hat zwar die Beklagte die Auffassung vertreten, der Kläger habe am 24.01.2005 keine Arbeitsunfall erlitten. Die für einen Arbeitsunfall erforderliche äußere Einwirkung auf den Körper kann nämlich auch darin bestehen, dass durch betriebliche Einflüsse eine krankhafte Störung im Körperinneren hervorgerufen wird. In Fällen eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung im Körperinneren liegt eine äußere Einwirkung vor. Dies ist für äußerlich sichtbare Einwirkungen unbestritten, zum Beispiel für den Sägewerker, der nicht nur ein Stück Holz absägt, sondern auch unbeabsichtigt seinen Daumen. Gleiches gilt für äußere Einwirkungen, deren Folgen äußerlich nicht sichtbar sind (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04, zitiert nach Juris, "Grabsteinurteil"). Im vorliegenden Fall besteht die äußere Einwirkung in der Kraftanstrengung bei dem Versuch, einen 400 Kilogramm schweren Heizkessel durch die Hebelkraft einer untergeschobenen Eisenstange anzuheben. Ob es außerdem zu einem Rückschlag der Eisenstange gekommen ist, wie der Kläger in mehreren Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten, zuletzt noch am 05.12.2008, behauptet hat, ist insoweit unerheblich.

Durch die versicherte Verrichtung des Anhebens des Heizkessels ist es bei dem Kläger auch zu einem Primärschaden gekommen. Auf Grund der Angaben des Arbeitgebers im Schreiben vom 06.05.2005 hat sich der Senat davon überzeugt, dass der Firmenchef N. den Kläger am 24.01.2005 ausdrücklich angewiesen hat, "keine Kesselbewegung im Alleingang zu tätigen". Während Herr N. und eine weitere Hilfskraft Materialien nach draußen transportierten, befand sich der Kläger allein im Kesselhaus mit dem Auftrag, diverse Anlageteile abzubauen. Als Herr N. in das Kesselhaus zurückkehrte, stand der Kläger gebückt an der Wand und klagte über starke Schmerzen im Rücken. Er stellte daraufhin sofort die Arbeit ein und begab sich in die Behandlung des H-Arztes Dr. H ... Dieser erkannte auf den von ihm angefertigten Röntgenaufnahmen der LWS eine Seitverbiegung, die er als "Ischiasskoliose" bezeichnete. Diese lässt sich - so überzeugend Dr. H. - auf dem Boden einer massiven asymmetrischen Muskelverhärtung in Zusammenhang mit einer funktionellen Schädigung der LWS erklären. Ob es sich hierbei um eine Muskelzerrung und/oder eine schmerzhafte Blockierung gehandelt hat, kann offen bleiben. Dass auf einem Röntgenbild vom 28.09.2004 in vergleichbarer Form eine Seitverbiegung der LWS zu erkennen ist, spricht nach Auffassung des Senats nicht dagegen, dass es am 24.01.2005 zu einer erneuten Seitverbiegung gekommen ist. Denn auch der Befund vom 28.09.2004 stand erkennbar im Zusammenhang mit einem akuten Reizzustand der LWS, der ausweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses der AOK Baden-Württemberg zu der Krankschreibung vom 27.09. bis 11.10.2004 wegen "Ischialgie, Kreuzschmerz, nicht bezeichnete Bandscheibenverlagerung" geführt hatte. Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. W. stand bei dem Kläger auch nicht eine bestehende Krankheitsanlage so sehr im Vordergrund, dass auch jedes andere alltägliche Ereignis die von Dr. H. beschriebene funktionelle Schädigung der LWS in absehbarer Zeit ausgelöst hätte bzw. diese auch ohne das Ereignis vom 24.01.2005 aufgetreten wäre. Das Anheben eines 400 Kilogramm schweren Kessels kann nämlich mit einer normalen Verrichtung des täglichen Lebens nicht gleichgesetzt werden.

Die bei dem Unfall vom 24.01.2005 erlittene Schädigung hat bei dem Kläger jedoch keine bleibenden Unfallfolgen zurückgelassen. Wie auch Dr. A. nicht in Abrede gestellt hat, ist es bei dem Kläger nicht zu einer fassbaren strukturellen Schädigung der LWS (zum Beispiel durch einen Knochenbruch oder einen Bandscheibenvorfall) gekommen. Dies konnte vielmehr nativradiologisch, computertomographisch und auch kernspintomographisch ausgeschlossen werden. Bei dem Kläger liegt ferner heute auch keine funktionelle Störung mehr vor, die auf den Unfall zurückgeführt werden könnte. Muskelzerrungen oder überlastungsbedingte akute Blockierungen lassen sich zwar in der Regel weder durch ein konventionelles Röntgenbild noch durch eine Computertomographie oder durch eine Kernspintomographie nachweisen Die von Dr. H. beschriebenen funktionellen Störungen (Muskelzerrung oder akute Blockierung oder beides) sind nach seinen Ausführungen in aller Regel allerdings selbst begrenzend. Sie führen zu einer vorübergehenden schmerzhaften Funktionsstörung für die Dauer von ein bis drei Wochen, selten bis sechs Wochen. Nach dieser Zeit klingen die Beschwerden üblicherweise vollständig und dauerhaft ab. Dem entspricht es, dass im vorliegenden Fall die im H-Arztbericht beschriebene Seitverbiegung in den nachfolgenden ärztlichen Berichten nicht mehr thematisiert wird und sich auch bei der Begutachtung durch Dr. H. nicht mehr zeigte. Die Rumpfmuskulatur fand Dr. H. "von oben bis unten relativ locker" vor. Die bis heute anhaltenden Beschwerden lassen sich - überzeugend auch insoweit Dr. H. - teilweise auf dem Boden einer unfallunabhängigen degenerativen Bandscheibenerkrankung in den Segmenten L4/L5 und L5/S1 erklären. Diese Erkrankung hatte ausweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses der AOK Baden-Württemberg und der Arztbriefe des Neurochirurgen G. vom 17.06.1997 und vom 29.09.2004, der Orthopädin Dr. L. vom 12.07.2005 und des Internisten Dr. Sch. vom 15.07.2005 schon in den Jahren 1997, 2001 und 2004 (fach-)ärztliche Behandlung notwendig gemacht und zu Krankschreibungen vom 23. bis 24., 26. bis 27.07.2001, 27.09. bis 11.10.2004 und am 12.11.2004 geführt. Dies verkennt Dr. A., der zu Unrecht angenommen hat, es seien keine unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen im Sinne eines abgrenzbaren chronischen Zustandes vorhanden gewesen, die bei der Kausalitätsprüfung zu berücksichtigen seien. Dr. A. kann ferner auch darin nicht gefolgt werden, bei dem Kläger liege ein primär muskulär bedingtes schmerzhaftes Krankheitsbild vor. Bei der Untersuchung durch Dr. H. erwies sich die Rumpfmuskulatur nämlich nicht auffällig verspannt, insbesondere fand sich kein autonomer, dass heißt willkürlich nicht zu kontrollierender, regional begrenzter Muskelhartspann. Stattdessen fanden sich diffuse Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule. Die bei Dr. H. demonstrierte Bewegungseinschränkung der LWS ließ sich ferner in vergleichbarer Form bei Spontanbewegungen nicht beobachten. Zu Recht hat Dr. H. deshalb deutliche Diskrepanzen zwischen den subjektiven Beschwerden und den objektiven Befunden bejaht.

Da bereits in den Arztbriefen des Neurochirurgen G. vom 17.06.1997 und vom 29.09.2004 Protrusionen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 beschrieben werden und Dr. H. den CT-Aufnahmen der Orthopädin Dr. L. vom 28.09.2004 auch spondylochondrotische Veränderungen im Segment L4/L5 entnommen hat, konnte der Antrag des Klägers, bei ihm "osteochondrotische Veränderung L4/5" sowie "Bandscheibenschaden bei Protrusion L4/5 sowie L5/S1" als Folge des Arbeitsunfalls vom 24.01.2005 festzustellen, nicht zum Erfolg führen. Ebenso wenig steht ihm Rente zu. Das Gutachten von Dr. H. überzeugt den Senat nämlich auch insoweit, als nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit bei dem Kläger keine messbare unfallbedingte MdE mehr verblieben ist.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
Saved