L 4 VS 1/05

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 7 VS 1430/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 VS 1/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VS 5/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
mit Berichtigungsbeschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 22. September 2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der akuten Leukämieerkrankung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin um eine Wehrdienstbeschädigung (WDB) handelt, sowie über einen Ausgleich nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG).

Der 1966 geborene Ehemann der Klägerin gehörte vom 5. Dezember 1988 bis 30. Juni 1992 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr der Natoeinrichtung und Dienststelle SHAPE in C-Stadt an. Er war dort vom 2. Januar 1989 bis zum 2. April 1992 als Instandsetzungsmechaniker (Generatormechaniker und Hochfrequenzfunktechniker) tätig. Nach seinem Einsatz bei Dienststelle SHAPE war er in B-Stadt stationiert, am 31. März 1994 wurde er nach Ablauf seiner Dienstzeit aus dem Dienst entlassen. Er verstarb 1994 an den Folgen seiner Leukämieerkrankung.

Am 8. April 1992 zeigte der Truppenarzt eine mögliche WDB an und diagnostizierte eine akute myeloplastische Leukämie bei unbekannter Ursache. Nach dem vom Major und Kompaniechef bei der Dienststelle SHAPE am 22. Juni 1992 unterschriebenen Fragebogen gehörten zu den Aufgaben des Ehemannes des Klägerin als Generatormechaniker und Hochfrequenzfunktechniker die Pflege, Wartung und Instandsetzung aller auf der Station vorhandenen Stromerzeuger sowie die Wartung und Überprüfung des ortsfesten Stromnetzes. Als Funktechniker war er verantwortlich für die Überprüfung und Wartung aller auf der Station vorhandenen Kurzwellensende- und Empfangsgeräte und der Richtfunkgeräte. Der Frequenzbereich wurde mit 2 bis 29 MHz, die Leistung mit 1 kW angegeben. In dem von der Beklagten beigezogenen Entlassungsbericht der Medizinischen Klinik II der D-E Technischen Hochschule F-Stadt vom 11. Juni 1992, in der der Ehemann der Klägerin vom 3. April bis 1. Juni 1992 stationär behandelt worden war, war eine akute myelomonozytäre Leukämie in Vollremission festgestellt worden.

Die Beklagte holte eine schriftliche Äußerung des Standortarztes Dr. H. vom 26. August 1992 ein, der ausführte, dass sich der Ehemann der Klägerin einer Anamneseerhebung bezüglich etwaiger Ursachen für eine bestehende Hämoblastose unterzogen habe. Es hätten sich weder ionisierende Strahlen, chemische Noxen, chronische Erkrankungen insbesondere im Bereich des lympathischen Systems noch andere Ursachen gefunden.

Nach Mitteilung des mit einem fachärztlichen Zusatzgutachten beauftragten Oberfeldarztes Dr. I. vom 3. September 1993 leitete die Dienststelle SHAPE aus Gründen der Geheimhaltung keine Informationen über die Randbedingungen der zuletzt ausgeführten Tätigkeiten des Ehemannes der Klägerin weiter. Dr. I. wies darauf hin, dass an den Arbeitsplätzen, an denen der Ehemann der Klägerin tätig war, die Möglichkeit der Exposition gegenüber (Röntgen-)Störstrahlung (Magnetrone, Klystrone) bestand. Wenn dieser Zusammenhang zu konstruieren wäre, handele es sich um eine WDB im Sinne des SVG, da im Gegensatz zu nichtionisierenden Strahlen aus Mikrowellenanlagen ionisierende Strahlung nachgewiesenermaßen Ursache auch myelozytärer Leukämien sei.

Der Stabsarzt Dr. J. verwies im truppenärztlichen Gutachten vom 19. Oktober 1993 auf das fachärztliche Zusatzgutachten des Dr. I. vom 4. Oktober 1993, welcher den Zusammenhang zwischen der Wehrdiensttätigkeit bei der Dienststelle SHAPE und dem Entstehen der Leukämie bejahte, weil der Ehemann der Klägerin gegenüber ionisierenden Strahlen exponiert gewesen sei. Er bewertete die seit April 1992 bestehende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 90 v. H. Dr. I. stützte seine Ausführungen auf eine genaue Kenntnis der bisherigen Arbeitsplätze des Ehemannes der Klägerin sowie ein intensives Gespräch mit diesem am 30. März 1993. Er ging davon aus, dass der Ehemann der Klägerin als Fernmeldemechaniker, Richtfunker und Fernmeldemechanikerunteroffizier in der Funkaußenstelle "receiver site" bei SHAPE folgende Tätigkeiten verrichtete: "HF, VHF, Mikrowellenrichtfunk Instandsetzung und Arbeiten am laufenden Gerät (insgesamt waren 2 Operators und 2 Techniker tätig); Umgang: 75 kW-Anlage im Gigahertzbereich; Arbeiten im HF-Sperrbereich ohne Schutzkleidung, regelmäßige Generatorenbetankung (Diesel), Umgang mit Farben und Lacken, regelmäßiges Löten mit Elektroniklot, Wartung und Reparatur". Er führte weiter aus, zu den Tätigkeiten des Ehemannes der Klägerin hätten Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an laufenden Mikrowellenübertragungssystemen gehört. Die Abschirmung von Röhren werde nicht immer im vorgeschriebenen Rahmen durchgeführt, das betreffende Personal müsse unter Umständen bei laufender Anlage Wartungsarbeiten durchführen. Aufgrund eigener Erfahrungen an ähnlichen Anlagen sei davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin gegenüber Röntgenstrahlen exponiert gewesen sei, die die vorgegebenen Grenzwerte bei weitem überschritten hätten und als Ursache für die bestehende Erkrankung anzusehen seien. Die Verursachung der Erkrankung des Ehemannes der Klägerin durch elektromagnetische Wellen während dienstlicher Tätigkeit sei nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung als nicht wahrscheinlich anzusehen.

Dr. K., Sanitätsamt der Bundeswehr, schloss sich in seiner Stellungnahme vom 21. Dezember 1993 dem arbeitsmedizinischen Gutachten des Dr. I. nicht an.

Mit Bescheid vom 25. Januar 1994 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleich nach § 85 Abs. 1 SVG ab und verneinte darüber hinaus das Vorliegen der Voraussetzungen der sog. Kannversorgung. Hiergegen erhob der Ehemann der Klägerin am 14. Februar 1994 Beschwerde. Darüber hinaus beantragte er am 14. März 1994 Versorgung bei dem Versorgungsamt G-Stadt. Das Versorgungsamt holte eine Stellungnahme des Dr. von L. vom 24. August 1994 zu den übersandten WDB-Akten ein, der aufgrund des angegebenen Frequenzbereiches von 2 bis 29 MHz von nicht ionisierender Strahlung ausging und einen Zusammenhang zwischen Wehrdiensttätigkeit und Leukämie verneinte. Das Versorgungsamt G-Stadt lehnte gegenüber der Klägerin nach Versterben ihres Ehemannes 1994 mit Bescheid vom 22. März 1995 eine Versorgung mangels Nachweises ionisierender Strahlung ab.

Dr. M., Bundesverteidigungsministerium, berichtete auf Anfrage der Beklagten am 22. April 1997, dass eine Nachfrage bei der Dienststelle SHAPE aufgrund der Stilllegung der betroffenen Anlagen nur Hinweise auf ehemalige Kollegen und den damals zuständigen Vorgesetzten OTL N. ergeben habe. Angaben über den Sendeteil des Richtfunksystems, welches OTL N. aus seiner Erinnerung genannt habe (von der Fa. SELENIA Typbezeichnung 52 A, Frequenzbereich 4,8 bis 5 GHz, Ausgangsleistung 1 Watt), lägen nicht vor. Daher legte Dr. M. der Klärung der Frage, ob der Verstorbene bei seiner Dienstausübung bei SHAPE einer Exposition ionisierender Strahlen infolge des Betriebs von Strahlung im Sinne der Röntgenverordnung ausgesetzt gewesen sei, ein in den 70iger Jahren bei der Bundeswehr eingeführtes Richtfunksystem Typ Selenia FM 120/5000 mit einer Ausgangsleistung von 2 Watt als vergleichbare Anlage zu Grunde. Dort sei eine so genannte Wanderfeldröhre eingesetzt gewesen, die mit einer Wendelhochspannung von 1100 V betrieben worden sei. Um die Wanderfeldröhre als Röntgenstörstrahler im Sinne der Röntgenverordnung einstufen zu können, müsste eine Hochspannung größer als 5000 V vorliegen. Danach könne man ausschließen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin einer Exposition durch Röntgenstörstrahlung ausgesetzt gewesen sei. Im Übrigen gelte, dass Elektronenröhren in Funksendeeinrichtungen mit Spannungen von einigen 100 V bis etwa 15 kV, bei Großsendern bis etwa 25 kV betrieben würden. Die dabei erzeugte weiche Röntgenstrahlung werde in erheblichem Maße durch das verwandte Material der Röhre selbst sowie des Gerätehauses absorbiert. Ausnahmen hiervon bildeten impulsgetastete Senderöhren wie Thyratrons oder Magnetrons in Radarsendern. An einem Thyratron, das in einem Radarsender mit einer Sendeleistung von 450 kW und mit einer Hochspannung von circa 24 kV betrieben worden sei, seien bei geöffnetem Gerätegehäuse Werte der Ortsdosisleistung von durchschnittlich ca. 0,06 mSV/h, bei geschlossenem Gerätegehäuse etwa die Hälfte dieses Wertes gemessen worden. Denkbar sei allenfalls ein kurzzeitiger Betrieb bei geöffnetem Gehäuse. Wegen der Kurzzeitigkeit dieser besonderen Betriebsart sei nicht zu erwarten, dass Grenzwerte der Körperdosis überschritten würden. So sei der Grenzwert für beruflich strahlenexponierte Personen nach der Röntgenverordnung (50 mSv/Jahr) unter Zugrundelegung des o. g. an Radareinrichtungen gemessenen Dosisleistungswerts bei einer Aufenthaltsdauer von rund 800 Stunden unmittelbar vor dem geöffneten Gerät erreicht. Eine Überschreitung des Grenzwerts für beruflich strahlenexponierte Personen nach der Röntgenverordnung sei daher auszuschließen.

OTL N. hatte unter dem 7. April 1997 mitgeteilt, dass der Ehemann der Klägerin ihm unterstellt und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf der ROPX (Sars La Bruyere) eingesetzt gewesen sei. Sowohl die ROPX als auch die Transmitter Site - TX - (Rouveroi) seien 1993 geschlossen worden. Auf der ROPX seien folgende Geräte im Einsatz gewesen:
- Ein analoges, veraltetes Richtfunksystem Selenia. An Ausgangsleistung oder Hersteller könne er sich nicht mehr erinnern. Ersatzteile für dieses System seien durch Kannibalisierung gewonnen worden.
- Ein HF-Sprechfunksystem, Hersteller: Rockwell & Collins Italiana. Ausgangsleistung 1 kW.
- Eine Empfangs- und Fernbedienungsanlage für ein HF-Schreibfunksystem, Hersteller Rockwell & Collins, gleicher Entwicklungsstand wie das HF-Sprechfunksystem. Die dazugehörigen Sender, 1 kW, seien im täglichen Einsatz auf der TX stationiert gewesen und über das Selenia Richtfunksystem fernbedient worden. Nur bei Übungen, circa zweimal im Jahr, seien sie in unmittelbarer Nähe circa 200 m zu den Systemen der ROPX aufgebaut gewesen. Auf der TX-Seite seien neben den HF-Geräten der Fa. Rockwell & Collins auch HF-Geräte der Firma Marconi, Technik der 50iger Jahre, zum Teil bis 10 KW Ausgangsleistung im Einsatz gewesen. Die Geräte dieses Systems seien auch bei Übungen nie verlegt worden, sondern seien Teil einer festen Infrastruktur gewesen. Messungen der Strahlung seien seiner Kenntnis nach nie durchgeführt worden.

Die Beklagte holte ein Gutachten bei Prof. Dr. van O., Sanitätsakademie der Bundeswehr und Institut für Radiobiologie am 8. Oktober 1997 ein. Dieser stützte sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Dr. M. und ging davon aus, dass, falls eine Strahlenbelastung stattgefunden habe, diese sehr klein gewesen sei. Ein ursächlicher Zusammenhang von ionisierenden Strahlen und der Erkrankung sei aus strahlenbiologischer Sicht ausgeschlossen. Die Dosis für beruflich exponierte Personen 50 mSv/Jahr sei nicht überschritten gewesen, damit auch nicht die Verdopplungsdosis von 200 mSv, die nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit 1996, Seite 293, eine ursächliche Bedeutung bei akuten Leukämien habe. Um den Dosisgrenzwert von 50 mSv/Jahr zu erreichen, hätte der Ehemann der Klägerin circa 800 Stunden pro Jahr (circa 1/3 seiner gesamten Dienstzeit im Jahr) Radarsender unter extremen Bedingungen warten müssen. Üblicherweise existierten Wartungspläne, die Aufschluss über Art und Dauer der Wartung aufzeigten. Nach Erkundigungen bei vergleichbaren Einheiten würden die Wartungszeiten für Radargeräte etwa 100 Stunden pro Jahr betragen, unter Berücksichtigung des Schichtdienstes würden sich mehrere Techniker diese Zeiten teilen.

Dr. I. führte hierzu in seiner ergänzenden arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 5. Februar 1998 aus, dass auf eine Extrapolation der Exposition zurückgegriffen werden müsse, da es über die Höhe der Exposition keine klaren, messtechnisch begründeten Aussagen gebe. Nur unter der Maßgabe, dass diese mit Hilfe von Messwerten anderer, möglicherweise vergleichbarer Expositionen an deutschen Geräten in ihrer Höhe zutreffe, stimme er der Beurteilung von Prof. van O. zu.

Dr. P., Sanitätsamt der Bundeswehr, sah in seiner Stellungnahme vom 5. Oktober 1998 grundsätzlich das Begehren des Ehemannes der Klägerin als berechtigt an, da es um eine Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen in Form von Röntgenstörstrahlung gehe. Bei den Sachverhaltsermittlungen habe sich ergeben, dass der Ehemann der Klägerin nicht nur hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung (Radarstrahlung), sondern auch ionisierender Strahlung in Form von Röntgenstörstrahlung bei Wartungsarbeiten an Sendeanlagen ausgesetzt gewesen sei. Die bei dem Ehemann der Klägerin vorliegende Strahlenbelastung sei aufgrund fehlender Unterlagen nicht einfach abzuschätzen. Unter Bezugnahme auf Strahlenmessungen an Radargeräten der Bundeswehr in den 80iger Jahren (Dosen bei jeweils offenen Abschirmungen an Klystronen – Spitzenwert 4 mR/Stunde, Durchschnittswert 0,9 mR/Stunde – Thyratronen: Spitzenwert 40 mR/Stunde, Durchschnittswert 6,6 mR/Stunde) wies Dr. P. darauf hin, dass der Ehemann der Klägerin bei Einbeziehung der Maximaldosis 125 Stunden, bei Berücksichtigung des Durchschnittswertes 758 Stunden pro Jahr neben bzw. über den offenen Sendebaugruppen der laufenden Radargeräte hätte arbeiten müssen, um die Grenzdosis (50 mSv/Jahr) zu erreichen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1998 wies die Beklagte die Beschwerde des Ehemannes der Klägerin vom 14. Februar 1994 bzw. den Widerspruch der Klägerin vom 21. November 1996 als unbegründet zurück, wobei sie davon ausging, dass auch die Voraussetzungen einer Kannversorgung nicht vorliegen.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. Dezember 1998 Klage beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass sie bestreite, dass ihr Ehemann nur der angenommenen Strahlungsexposition unter Heranziehung der Messdaten aus den 80iger Jahren ausgesetzt gewesen sei. Im Übrigen habe Dr. I. dem Gutachten von Prof. Dr. van O. nur unter der Maßgabe zugestimmt, dass die Extrapolation der Exposition mit Hilfe von Messwerten anderer möglicherweise vergleichbarer Expositionen an deutschen Geräten ihrer Höhe nach zuträfen. Die veralteten italienischen Geräte hätten das Wartungspersonal einem weit höheren Strahlenrisiko ausgesetzt.

Das SG hat ein Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. Q., Bundesamt für Strahlenschutz, vom 21. Juni 2000 eingeholt. Dieser hat festgestellt, die Exposition gegenüber Mikrowellen durch Richtfunksysteme könne infolge der Geräteleistung vernachlässigt werden. In den Richtlinien der Internationalen Kommission zum Schutz vor nicht ionisierender Strahlung (ICNIRP) aus dem Jahr 1998 heiße es u. a., dass durchgeführte epidemiologische Studien keinen überzeugenden Beweis für ein erhöhtes Krebsrisiko bei exponierten Personen geführt hätten. Zur Erzeugung hochfrequenter elektromagnetischer Felder in Funksendeanlagen (Kurzwellensendern), Richtfunkanlagen und Radargeräten würden Senderöhren wie Magnetrons, Wanderfeldröhren, Klystrons und Tyratons eingesetzt. Sendeanlagen, deren Ausgangsleistungen in der Größenordnung von 1 kW oder größer seien, erforderten Hochspannungen bei den Senderöhren, die in der Regel höher als 5000 V liegen, so dass solche Senderöhren als Röntgenstörstrahler im Sinne der Röntgenverordnung gelten würden. Der Sachverständige hat die Heranziehung der in Bezug genommenen Strahlenmessungen an Geräten der Bundeswehr aus den 80iger Jahren zur Vornahme von Dosisabschätzungen als gerechtfertigt angesehen, nachdem keine Messungen der Ortsdosisleistungen an den Sendeanlagen, mit denen der Ehemann der Klägerin zu tun hatte, vorliegen, und ist zum Ergebnis gelangt, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Exposition der Röntgenstörstrahlung und der gesundheitlichen Schädigung aufgrund der geringen Dosis durch die Tätigkeit an Funksendeanlagen nicht bestehe. Auch die Voraussetzungen für eine Kannversorgung lägen nicht vor. Die überzeugende Abschätzung des Dr. M. zeige, dass die Dosis unter 50 mSv gelegen haben müsse.

Dr. S., Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat in seiner Stellungnahme vom 26. April 2001 darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit bei stochastischen Strahlenwirkungen nach den in Nr. 122 Abs. 6 AHP genannten Kriterien vorzunehmen sei. Nur eine Strahlendosis in der Größenordnung der natürlichen radioaktiven Belastung gelte als so gering, dass ihr eine wesentliche Bedeutung für die Tumorentstehung nicht zukomme.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 14. Mai 2003 ergänzend mitgeteilt, dass nicht das bisher angenommene Richtfunkgerät Selenia 52A, sondern "aus der Erinnerung heraus" das Gerät Selenia Microwave LOS-System Typ TC-12-5002, Power 30 DBM, Frequenz 4,6 bis 4,8 GHz im Einsatz gewesen sei. Weitere Daten zu den Geräten von Rockwell Collins hätten nicht ermittelt werden können. Ein Mitarbeiter der deutschen Niederlassung der Fa. Marconi, der die beiden Anlagen dem Namen nach kannte, hätte angegeben, bei den oben genannten Anlagen handele es sich um im Frequenzbereich ergänzende Anlagen (4,6-4,8 GHz und 4,8 bis 5 GHz). Dies möge ein Hinweis darauf sein, dass seinerzeit beide Anlagen betrieben wurden. Die militärischen Schmalbandsysteme seien, soweit sie noch nicht transistorisiert gewesen seien, mit Klystrons betrieben worden (Spannungen 1-2 kV), die Geräte seien noch zusätzlich abgeschirmt worden. Weiter habe der o. g. Mitarbeiter einen Hinweis gegeben, mit welchen maximalen Röhrenspannungen bei Richtfunkanlagen gerechnet werden könne. Demnach seien bei Breitbandsystemen Wanderfeldröhren zum Einsatz gekommen, die 30 kV erreichen könnten. Solche Breitbandsysteme seien nach Aussage dieses Mitarbeiters aber im militärischen Bereich nicht verwendet worden. Unter dem 11. März 2004 hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Klägerin auch nicht im Hinblick auf den Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung der Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA (Radarkommission) vom 2. Juli 2003 klaglos gestellt werden könne. Ihr Ehemann sei während seiner Dienstzeit nicht als Radartechniker oder entsprechendes Hilfspersonal eingesetzt gewesen.

Die Klägerin hat eine Stellungnahme des Bundes zur Unterstützung Radargeschädigter e. V. vom 4. August 2001 zu den Akten gereicht, in der u. a. darauf hingewiesen wurde, dass der Grenzwert von 50 mSv/Jahr für beruflich strahlenexponiertes Personal, welches unter dauernder ärztlicher und personendosimetrischer Überwachung stehe, zwischenzeitlich auf 20 mSv/ Jahr herabgesetzt worden sei.

Mit Urteil vom 22. September 2004 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Ausgleich nach § 85 SVG für die Zeit vom April 1992 bis zum 31. März 1994 nach einer MdE in Höhe von 90% zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass es zu seiner Überzeugung feststehe, dass der Ehemann der Klägerin eine WDB im Sinne des § 81 SVG erlitten habe. Dessen Anspruch auf Ausgleich stehe der Klägerin im Wege der Sonderrechtsnachfolge zu. Die bei dem Ehemann der Klägerin diagnostizierte myelomonozytäre Leukämie sei durch seine Tätigkeit als Funktechniker bei der Dienststelle SHAPE in C-Stadt und damit durch eine Wehrdienstverrichtung verursacht worden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der bewiesenen schädigenden Einwirkung (Röntgenstörstrahlung) und der Gesundheitsschädigung der Leukämie sei wahrscheinlich. Der Ehemann der Klägerin habe an Hochfrequenzsendeanlagen gearbeitet und sei damit ionisierenden Strahlen ausgesetzt gewesen. Dies werde durch das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Q. in Übereinstimmung mit den Aussagen des Gutachters Dr. I. bestätigt. Es spreche mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang. Dafür spreche zunächst der örtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen der Wehrdienstverrichtung und der Erkrankung des Ehemannes der Klägerin. Für die Leukämie betrage die Latenzzeit, d.h. die Zeit zwischen Beginn der Strahlenexposition und Manifestation, mindestens zwei Jahre. Unter Berücksichtigung des Beginns der Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin bei der Dienststelle SHAPE Ende 1988 und der Diagnose der akuten myeloplastischen Leukämie im April 1992 habe die Latenzzeit über drei Jahre betragen. Der Ehemann der Klägerin sei einer hohen Dosis ionisierender Strahlung ausgesetzt gewesen. Dies ergebe sich aus dem Zusatzgutachten des Dr. I., der plausibel unter Stützung auf seine Kenntnis der bisherigen Arbeitsplätze des Ehemannes der Klägerin sowie ein intensives Gespräch mit diesem am 30. März 1993 ausgeführt habe, dass die Belastung mit Röntgenstrahlung die vorgegebenen Grenzwerte bei weitem überschritten habe. Zwar sei es nicht gelungen, Unterlagen über den Typ und die Leistung der bei SHAPE eingesetzten Sendeanlagen exakt zu ermitteln. Die Angaben aus dem Jahr 1992 seitens der Dienststelle SHAPE, die Ausführungen des Dr. I. und die technischen Erläuterungen von Prof. Dr. Q. ließen jedoch den Schluss auf eine hohe Strahlenbelastung zu. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Zusatzgutachten des Dr. I., in dem die Sendeanlage bei SHAPE als 75 Kilowatt-Anlage im Gigahertzbereich beschrieben werde. Der Grenzwert von ionisierenden Strahlen in einer Knochenmarksdosis von 0,2 Sv sei sehr wahrscheinlich überschritten gewesen. Eine solche hohe Dosis spreche für eine Verursachung der Leukämie durch die Strahlenexposition (vgl. Nr. 122 der AHP S. 149). Die von der Beklagten angestellten Vergleichsbetrachtungen überzeugten nicht. Daher könnten auch die sich auf entsprechende Vergleichsberechnungen stützenden Gutachten wie das Gutachten des Prof. Dr. Q. nicht überzeugen. Der von den Beklagten vorgelegte Bericht der Radarkommission spreche ebenfalls einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wehrdienstverrichtung und Leukämieerkrankung. Zwar habe der Ehemann der Klägerin nicht an Radargeräten der Bundeswehr oder der NVA arbeitet. Jedoch handele es sich bei den von dem Ehemann der Klägerin bei der Dienststelle SHAPE bedienten Geräten ebenfalls um hochleistungsfähige Sendeanlagen, die wie Radarsender Röntgenstörstrahlung emittierten. Nach den Empfehlungen der Kommission (vgl. 9.3, Seite 135 ff des Berichts vom 2. Juli 2003) sollte die bei dem Ehemann der Klägerin ärztlich bestätigte myeloplastische Leukämie als WDB anerkannt werden. Die prinzipiellen Bedingungen seien erfüllt, insbesondere liege die geforderte Latenzzeit von mindestens zwei Jahren vor. Die Radarkommission habe den Umgang mit Störstrahlern in drei Phasen gegliedert. Phase 1 sei dadurch gekennzeichnet, dass Messwerte, welche die nachträgliche Ermittlung der Exposition gestatten würden, nicht vorliegen und, gemessen an heutigen Maßstäben, kein adäquater Strahlenschutz bestand (9.1, S. 130). Genau diese Merkmale erfülle die Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin bei SHAPE. Der vorliegende Fall genüge auch dem besonderen Kriterienkatalog der Kommission zu Phase 1. Der Ehemann der Klägerin sei als Techniker/Mechaniker an entsprechenden Sendeanlagen beschäftigt gewesen. Die bei ihm aufgetretene Leukämie komme im Hinblick auf die Lokalisation als durch die Röntgenstörstrahlung verursacht in Frage; dies gelte selbst dann, wenn man von einer maximalen Betriebsspannung der Sendeanlage unter 10 kV ausgehe (vgl. Tabelle S. 136).

Gegen das ihr am 11. Februar 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Februar 2005 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die für seine Entscheidung maßgebende Überzeugung des SG zum großen Teil auf Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten und technischen Zusammenhänge beruhe. Durch SHAPE sei eine Hochfrequenzfunkstelle (HF-Funkstelle) betrieben worden, die aus zwei räumlich getrennten Teilen, dem ROPX (Radio operations site or reciever site - RX-site) und dem TX (Transmitter site) bestehe. HF-Funk, außerhalb der Bundeswehr als Kurzwellenfunk (KW) bezeichnet, arbeite im Frequenzbereich von 1,5 bis 30 MHz und werde für weitreichende Funkbindungen genutzt. In der ROPX seien auch Empfänger der Funkstelle mit den dazugehörigen Antennen untergebracht sowie eine Fernbedienungsanlage für die Sender (transmitter), die in der TX installiert gewesen seien. In der ROPX habe es zusätzlich ein Sprechfunksystem mit einem 1-KW-Sender in einer Kabine gegeben. In der TX würden sich leistungsfähige HF-Sender mit den dazugehörigen Antennenanlagen befinden. Die räumliche Trennung zwischen TX und ROPX betrage bis zu einigen Kilometern. Der Ehemann der Klägerin sei als Techniker für Stromerzeugung und Fernmeldemechaniker in der ROPX eingesetzt worden. Sofern sich das SG auf die Aussage des Dr. I. berufe, wonach der Ehemann der Klägerin Umgang mit einer 75 kW-Anlage im Gigahertzbereich gehabt habe, handele es sich um Angaben, die sich auf zwei völlig verschiedene Geräte beziehen würden. Die Leistungsangabe 75 kW beziehe sich auf die Leistung der eingesetzten Dieselaggregate, die Angabe Gigahertzbereich beziehe sich auf die Frequenz der Richtfunkstrecke. Nach hiesiger Kenntnis gebe es keine Richtfunkgeräte, die mit Sendeleistungen von einigen zig kW arbeiten. Im ROPX sei ein Richtfunksystem betrieben worden, um die Sender im TX zu steuern. Das von Herrn R., Wehrbereichsverwaltung West im Schreiben vom 14. Mai 2003 beschriebene Richtfunkgerät mit einer Sendeleistung (Power) von 30 dBm (entsprechend 1 Watt) sei völlig ausreichend, um die von OTL N. genannte Entfernung von 10 km zu überbrücken. Die vergleichende Betrachtung zum Richtfunkgerät des Dr. M. vom Bundesministerium der Verteidigung vom 22. April 1997 erweise sich somit als zutreffend. Bei einer Betriebsspannung von maximal 2 kV sei ein Auftreten von Röntgenstörstrahlung und somit eine Gefährdung durch Röntgenstörstrahlung auszuschließen. Es sei somit auch unerheblich, ob das System aus einem oder zwei sich im Frequenzbereich ergänzenden Sendern bestanden habe. Die in Radargeräten als Senderöhren verwendeten Magnetrone kämen aufgrund ihrer Funktionsweise weder in HF-Funkgeräten noch in Richtfunkgeräten zum Einsatz. Die Betriebsspannung des Senders eines wie im ROPX befindlichen HF-Sprechfunksystems liege bei 2 bis 3 kV, so dass auch bei Arbeiten an diesem Sender keine Gefährdung durch Röntgenstörstrahlung habe auftreten können. Soweit Dr. M. Sender mit einer Betriebsspannung von 15 oder 25 kV beschreibe, würden sich diese auf stationäre Sender in der TX beziehen (10 KW-Sender würden durchaus mit 15 kV Betriebsspannung betrieben). Hier habe der Ehemann der Klägerin aber nicht gearbeitet.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden von 22. September 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hat über ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29. März 2006 ein Rundschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung vom 20. Oktober 2003 zu den Akten gereicht. Sie vertritt die Auffassung, dass danach Schwellendosiswerte für eine Kausalität zwischen Leukämie und ionisierenden Strahlen nicht mehr relevant seien, während hierfür noch im Rundschreiben vom 13. Mai 2002 eine Dosis von 20 mSv vorausgesetzt werde. Weiter hat sie Kopien aus der Datenbank der Bundeswehr, Umdruck 76, zu den Akten gereicht, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch auf Funkgeräten Leuchtfarben vorhanden gewesen seien, die mit Radius 226 aktiviert gewesen seien.

Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, dass der Bericht der Radarkommission zum Zeitpunkt des ersten Rundschreibens vom 13. Mai 2002 noch nicht vorgelegen habe, sondern erst am 24. September 2003 vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages verabschiedet worden sei. Es sei aber keineswegs so, dass dadurch die in dem Rundschreiben vom 13. Mai 2002 genannten Schwellenwerte obsolet geworden seien, siehe Ausführungen im Bericht der Radarkommission vom 2. Juli 2003 Seite 128/129 sowie AHP 2004 Nr. 122. Außerdem hat die Beklagte eine schriftliche Äußerung des OTL T. vom 4. Mai 2006 zur Verwendung radioaktiver Leuchtfarben an Funkgeräten zu den Akten gereicht. Dieser hat ausgeführt, die Dienstzeit des Ehemannes der Klägerin habe im Zeitraum von 1988 bis 1992 gelegen, zu einer Zeit, als die Verwendung Ra-226-haltiger Leuchtfarben untersagt gewesen sei, an alten Geräten Bedien- und Anzeigeelemente, die mit Leuchtfarben versehen gewesen seien, weitestgehend ausgetauscht gewesen seien bzw. nur noch in der Form vorhanden gewesen seien, die den Anforderungen des Strahlenschutzes entsprochen hätten. Hinsichtlich der in den Unterlagen benannten Geräten HF-Sprechfunktrupp moderner Bauart und Funkgerät SEM 25 sei eine Verwendung Ra-226-haltiger Leuchtfarben auszuschließen. Hinsichtlich des älteren Richtfunkgerätes ließen sich nur vergleichende Betrachtungen anstellen. Bei einem Vergleich mit ausgesonderten amerikanischen Funkgeräten aus den fünfziger Jahren (VRC-8, GRC-3) sei eine Überschreitung des heute gültigen Grenzwertes für die zulässige jährliche Körperdosis 1 mSv ausgeschlossen.

Der Senat hat den Oberstarzt Dr. I. am 9. Juli 2006 zu der Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin als Zeuge vernommen. Dieser hat ausgeführt, er erinnere sich, dass der Ehemann der Klägerin von einem Gerät, angeblich zum Senden und Empfangen, mit einer Leistung von 75 kW im Gigahertzbereich gesprochen habe. An dessen Angaben über die Arbeitsbedingungen, insbesondere, ob er offene und laufende Geräte gewartet habe, entsinne er sich nicht mehr. Die Strahlenexposition könne sowohl bei Hochfrequenzgeräten, die der Ehemann der Klägerin verwendet habe, als auch bei Radargeräten durch Klystrone bedingt worden sein. Vergleichbare Arbeitsplätze wie den des Ehemannes der Klägerin habe er damals noch nicht gekannt, weil es Hochfrequenzanlagen bei der Bundeswehr nicht gegeben habe. Er habe aber Erfahrung mit Arbeitsplätzen an Radargeräten gehabt, bei denen eine vergleichbare Problematik auftrete. Man könne zwar nicht allgemein sagen, dass häufig Wartungen an Radargeräten notwendig gewesen seien, er sei aber davon ausgegangen, dass eine erhebliche Strahlenexposition hätte eintreten können. Dabei habe er aber die Angaben des Ehemannes der Klägerin über ein Gerät über 75 kW im Gigahertzbereich zugrunde gelegt. Nach heutigem Kenntnisstand sei sicher, dass in der fraglichen Zeit keine Richtfunkgeräte verwendet worden seien, die mit 75 kW betrieben worden seien.

Mit Schreiben vom 10. Januar 2007 hat der Deutsche Militärische Vertreter bei SHAPE Oberst i. G. Dipl.Ing. U. auf die an das Bundesministerium der Verteidigung gerichtete Anfrage des Senats mitgeteilt, dass keine eindeutige Aussage zu den damals verwendeten Geräte und Arbeitsbedingungen des Ehemannes der Klägerin aufgrund des Personalwechsels im Internationalen Bereich und der nicht mehr vorhandenen Dokumente über die zur damaligen Zeit bestandenen Materialausstattungen getroffen werden könne. Auch sei der genaue Einsatzort des verstorbenen Soldaten nicht feststellbar. Wahrscheinlich seien folgende Geräte zum damaligen Zeitpunkt in Einsatz gewesen: Sender- und Empfängerseite je:
4 EA 1 kW und 2 EA 7,5 kW Sender der Firma Marconi
4 EA 1 kW Sender Typ Bright Dawn der Fa. Rockwell Collins
Zusätzlich:
1 EA HF 205 der Fa. Secenia

Der Senat hat außerdem am 20. Juni 2007 Herrn V., der vom Herbst 1990 bis August 1991 als Stabsunteroffizier bei der NATO-Einrichtung SHAPE eingesetzt gewesen war, als Zeugen vernommen. Dieser hat ausgeführt, dass seine Aufgaben in der Materialbeschaffung für die Instandsetzung und Wartung der Fernmeldegeräte bestanden hätten. Mit der Reparatur und Instandsetzung selbst habe er nichts zu tun gehabt. Nach seiner Erinnerung habe es sich um Fernmeldegeräte der Firma Marconi und der Fa. Rockwells gehandelt. Die Typenbezeichnung der Geräte wisse er nicht mehr. Sein Einsatzort sei bei den Empfangsgeräten gewesen, aber er habe mindestens zweimal die Woche Ersatzteile zu den Sendeanlagen geliefert, bei denen der Ehemann der Klägerin tätig gewesen sei. Offiziell sei er nicht mit der Funktion der Geräte vertraut gewesen, habe aber die wichtigsten Einzelteile gekannt und sei auch über die Gefahren informiert gewesen. Es sei ihm angeraten worden, sich aus den Hallen zu entfernen, während die Geräte liefen. Die Sender- und Empfängerstationen seien circa 10 bis 12 km voneinander entfernt gewesen. Er erinnere sich, dass der "Clystron", der bei den Geräten des Ehemannes der Klägerin verwendet worden sei, die Aufschrift gehabt habe: 75 kW. Diese Teile seien anfällig gewesen und hätten häufiger ausgewechselt werden müssen. Er schätze, dass alle 6 bis 8 Wochen eine Auswechslung stattgefunden habe. Er erinnere sich noch, dass unterhalb der Antennenmasten der Sendeanlagen das Gras verbrannt gewesen sei. Wenn Kaninchen unter den abgeschalteten Antennen gesessen hätten, hätten sich die Soldaten manchmal den Spaß gemacht und vorgeführt, dass bei Einschalten der Geräte die Kaninchen versuchten wegzulaufen, umfielen und vermutlich getötet wurden. In der Nähe der Geräte, in den Containern und in den Hallen seien überall Warnschilder angebracht gewesen, die auf die Gefahr hochfrequenter Strahlung hingewiesen hätten. Er habe den Ehemann der Klägerin nie bei der Arbeit beobachtet, könne deshalb auch nicht sagen, unter welchen Bedingungen er gearbeitet habe, auch nicht, ob die Geräte bei laufendem Betrieb gewartet worden seien. Er wisse aber, dass auf seiner Seite die Geräte nie abgeschaltet worden seien und auch im laufenden Betrieb hätten repariert und gewartet werden müssen. Nach seiner Dienstzeit habe er nur noch mit zwei griechischen Kameraden, die sehr jung gestorben seien, Kontakt gehabt. Bei den Sende- und Empfangseinrichtungen habe es lediglich einen Raum mit zwei Notbetten gegeben. Der Dienstbetrieb habe in 2 Schichten stattgefunden, wobei Wartung und Reparatur ausschließlich nachts durchgeführt worden seien. Außer den ca. 5 Leuten pro Schicht, die die Geräte bedienten, habe sich in der Regel niemand in den Einrichtungen befunden. Es seien Berichte gefertigt worden, in denen Daten über Einsatz und Ausfall genau aufgeführt worden seien und dem zuständigen General vorgelegt worden seien. Die Dienststelle, an die die Daten über den Einsatz der Fernmeldegeräte gesandt worden seien, heiße RSGS, die oberste Dienststelle für alle Fernmeldeeinrichtungen der NATO heiße NICSCOA.

Der Senat hat Anfragen über die Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin an die Dienststellen F. und NICSOA gerichtet. Im Antwortschreiben der NATO Communication & Information Systems Services Agency (CSA) 31. März 2008 wurde ausgeführt, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin für die Dienststelle F. 1991/1992 tätig gewesen sei. Weitere Angaben könnten jedoch nicht gemacht werden, da die Unterlagen nur für fünf Jahre aufbewahrt würden. Es könne daher weder bestätigt noch abgestritten werden, dass der Ehemann der Klägerin bei spezifischen Reparaturtätigkeiten engagiert gewesen sei, oder dass er irgendwelchen "Hochfrequenzen-Möglichkeiten" oder ionisierenden Bestrahlungen ausgesetzt gewesen sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2009 hat der Senat Beweis durch Vernehmung des Zeugen OTL T. erhoben, auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Urteil des SG vom 22. September 2004 ist im Ergebnis rechtmäßig. Die Klägerin hat als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes Anspruch auf Ausgleich nach § 85 Abs. 1 SVG. Bei der bei ihrem verstorbenen Ehemann festgestellten akuten myelomonozytären Leukämie handelt es sich um eine WDB.

Gemäß § 85 Abs. 1 SVG erhalten Soldaten wegen der Folgen einer WDB während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und § 31 BVG. Eine WDB ist gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bestimmt sich bei unfallunabhängigen Krankheiten der vom SVG geschützte Bereich nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008, B 9/9a VS 5/06 R, Juris Rdnr. 20 m. w. N.). Im vorliegenden Fall ist die Berufskrankheit BK-Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen" einschlägig. Die Aufnahme in die BKV bedeutet aber nur, dass diese Krankheit generell geeignet ist, Berufskrankheit - oder übertragen auf das SVG "Wehrdienstkrankheit" - zu sein. Es ist daher in jedem konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Erkrankung nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ihre Ursache in einer dem Wehrdienst zuzuordnenden schädigenden Einwirkung hat. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008, a. a. O., Juris Rdnr. 21 m. w. N.). Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu BK-Nr. 2402 (Bekanntmachung des BMA vom 13. Mai 1991, BArBl. 7-8/72) muss bei ionisierenden Strahlen zwischen stochastischen und die deterministischen Schäden unterschieden werden (so auch Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung der Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA (Radarkommission) vom 2. Juli 2003 - im Folgenden: BdR 2003 - S. 107,108). Stochastische Schäden entstehen durch Mutation oder Transformation von Zellen. Die Schäden sind zufällig (stochastisch) in dem Sinne, dass sie nicht zwangsläufig ab einer bestimmten Strahlendosis auftreten. Lediglich die Wahrscheinlichkeit für ihr Auftreten nimmt mit wachsender Dosis zu. Da für diese Schäden wird keine Schwellendosis angenommen wird, ist die Kausalität schwierig zu beurteilen. Eine Strahlenbelastung als Ursache für Leukämie wird angenommen, wenn die Exposition zumindest der sog. Leukämie-Verdoppelungsdosis entspricht, jedoch kann auch eine beliebig kleine Dosis eine maligne Erkrankung auslösen (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung (BKV), Kommentar, Anmerkung 3.1 zu M 2402 m. w. N.).

Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG in Verbindung mit § 85 Abs. 3 SVG mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung und dem Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer WDB anerkannt werden (so genannte Kannversorgung); diese Zustimmung kann allgemein erteilt werden. In diesen Fällen reicht es aus, wenn der Zusammenhang einer Krankheit mit einem entschädigungsrechtlich erheblichen Vorgang nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008, a.a.O., Rdnr. 17 m. w. N.). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine Reihe von Krankheiten, über deren Entstehung in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, für die also nach den gesetzlichen Bestimmungen eine Kannversorgung infrage kommt, eine allgemeine Zustimmung erklärt, der sich das Bundesministerium für Verteidigung bereits im Voraus angeschlossen hat (vgl. Nr. 6 Abs. 2 der Richtlinien zu § 85 SVG zum 23. Mai 1975 , BAnz Nr. 98, mit Änderungen vom 31. Oktober 1977, BAnz. Nr. 214). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat diese Zustimmung in den von ihm herausgegebenen AHP veröffentlicht. Die Zustimmung ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt, die in den Kapiteln zur Beurteilung der einzelnen Krankheitszustände jeweils beschrieben ist. Die Zustimmung wurde auch für Neoplasien der Hämatopoese - u. a. Leukämien - erteilt (vgl. Nr. 39 Abs. 7 Nr. 11 AHP 2008). Die Ätiologie der meisten myelodysplastischen Syndrome und der Neoplasien der Hämatopoese (z. B. Leukämien) war in der Vergangenheit und ist auch aktuell nach Nr. 122 Abs. 6 AHP 2008 wissenschaftlich noch weitgehend ungeklärt (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Juni 2008, a.a.O., Rdnr. 16). Zwar sind seit 1. Januar 2009 nicht mehr die AHP 2008 anwendbar, sondern die als Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV -) vom 10. Dezember 2008, BGBl. I S. 2412, geltenden "Versorgungsmedizinischen Grundsätze", in denen nur noch die allgemeinen Grundsätze der Kannversorgung, nicht mehr jedoch die Voraussetzungen zur Beurteilung der einzelnen Krankheitszustände beschrieben sind. Dennoch ist davon auszugehen, dass der in den bis 31. Dezember 2008 anzuwendenden AHP 2008 dokumentierte medizinisch-wissenschaftliche Kenntnisstand auch derzeit noch dem aktuellen Kenntnisstand entspricht. Hinreichend geklärt ist danach u. a. bei akuten Leukämien die ursächliche Bedeutung von ionisierenden Strahlen in einer Knochenmarkdosis von mindestens 0,2 Sv (dieser Wert entspricht in etwa der Verdoppelungsdosis). Dabei beträgt die Latenzzeit bis zur Erkrankung mindestens zwei Jahre nach Strahlenexposition. Ungewissheit besteht im Übrigen u. a. darüber, ob zu den genannten speziellen Neoplasien der Hämatopoese auch Strahlen geringerer Intensität führen können. Wegen dieser Ungewissheit sind die Voraussetzungen für eine Kannversorgung erfüllt, wenn sich nach folgenden Schädigungstatbeständen eine Neoplasie der Hämatopoese innerhalb nachstehender Zeiträume manifestiert hat: Frühestens 2 Jahre und spätestens 3 Jahrzehnte nach Einwirken ionisierender Strahlen, die nicht mit Wahrscheinlichkeit als Ursache angesehen werden können (siehe oben), deren Menge aber auch nicht so gering war, dass eine wesentliche Bedeutung nicht diskutiert werden kann.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass bei dem Ehemann der Klägerin ionisierende Strahlen eingewirkt haben. Der Ehemann der Klägerin war im Rahmen der Wartung aller auf der Station vorhandenen Kurzwellensende- und Empfangsgeräte sowie der Richtfunkgeräte an Geräten mit einer Ausgangsleistung von 1-7,5 kW tätig, die Hochspannungen bei den Senderöhren erfordern, die in der Regel höher als 5000 V liegen, und damit Röntgenstörstrahlung im Sinne der Röntgenverordnung ausgesetzt. Ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der Einwirkung der Röntgenstörstrahlung und dem Eintritt der Leukämieerkrankung bei dem Ehemann der Klägerin im Sinne der oben näher dargelegten Theorie der wesentlichen Bedingung kann allerdings nicht angenommen werden. Epidemiologische Studien zeigen, dass eine statistisch signifikante und damit zahlenmäßig bestimmbare Erhöhung bösartiger Erkrankungen im allgemeinen erst im Dosisbereich von einigen Zehntel bis einem Sv eintritt (vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2006, BT-Drucksache, 16/6835, S. 60). Nachdem bei dem Ehemann der Klägerin mangels vorhandener Personen- und/oder Ortsdosismessungen sowie mangels Messungen an den eingesetzten Geräten die Größenordnung der einwirkenden ionisierenden Strahlen nicht hinreichend quantifiziert werden kann, ist nicht der Nachweis erbracht, dass ionisierende Strahlen in einer Knochenmarkdosis von mindestens 0,2 Sv (200 mSv) oder annähernden Größenordnung eingewirkt haben. Dennoch ist der Senat davon überzeugt, dass die Voraussetzungen der sogenannten Kannversorgung vorliegen.

Der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung der Beklagten, dass der Ehemann der Klägerin keiner Röntgenstörstrahlung im Sinne der Röntgenverordnung ausgesetzt gewesen ist, kann nicht gefolgt werden. Die zugrundeliegende Annahme, der Ehemann der Klägerin habe lediglich 1 Richtfunkgerät, ggf. 2 Richtfunkgeräte mit einer Ausgangsleistung im Bereich von 1 oder 2 Watt und einer Senderöhre mit einer Betriebsspannung von 1-2 kV, sowie ein HF- Sprechfunk- und ein HF-Schreibfunkgerät mit jeweils einer Ausgangsleistung von 1 kW, gewartet, ist zur Überzeugung des Senats unzutreffend. Zwar ließ sich weder im Feststellungs- und Widerspruchsverfahren noch im Klage- und Berufungsverfahren ermitteln, an welchen konkreten Geräten der Ehemann der Klägerin unter welchen konkreten Bedingungen und in welchem zeitlichen Umfang tätig war, sowie die sich daraus konkret ergebende Strahlenbelastung. Es steht jedoch fest, dass der Ehemann der Klägerin u. a. als Hochfrequenzfunktechniker verantwortlich war für die Überprüfung und Wartung aller auf der Station vorhandenen Kurzwellensende- und Empfangsgeräte sowie der Richtfunkgeräte. Seitens der Dienststelle bzw. der Vorgesetzten des Klägers wurden zu den eingesetzten Geräten u. a. ein Frequenzbereich von 2 bis 29 MHz und eine Leistung von 1 kW angegeben (Aufgabenschilderung des Majors und Kompaniechefs bei der Dienststelle SHAPE vom 22. Juni 1992). Etwas detailliertere Aufgaben erfolgten durch den damals zuständigen Vorgesetzten OTL N. vom 7. April 1997, wonach ein analoges veraltetes Richtfunksystem Selenia (Ausgangsleistung nicht erinnerlich) einen HF-Sprechfunksystem (Ausgangsleistung 1 kW) sowie einen HF-Schreibfunksystem (ebenfalls Ausgangsleistung 1 kW) auf der ROPX, wo der Ehemann der Klägerin tätig gewesen sei, im Einsatz gewesen seien. Hinsichtlich des angegebenen Richtfunksystems ließ sich der Gerätetyp nicht genau bestimmen. Es wurde seitens der Beklagten aus Plausibilitätserwägungen davon ausgegangen, dass dieses im Hinblick auf die zu überwindende Entfernung von 10 km höchstens eine Ausgangsleistung von 1-2 Watt gehabt haben könnte, sowie eine Senderöhre mit einer Betriebsspannung von max. 2 kV. Nach dem Schreiben des Deutschen Militärischen Vertreters bei SHAPE Oberst i. G. Dipl.Ing. U. vom 10. Januar 2007 waren zum damaligen Zeitpunkt wahrscheinlich sowohl auf Sender- als auch auf Empfängerseite folgende Geräte im Einsatz: 4 EA 1 kW und 2 EA 7,5 kW Sender der Firma Marconi, 4 EA 1 KW Sender Typ Bright Dawn der Fa. Rockwell Collins und zusätzlich 1 EA HF 205 der Fa. Secenia. Für den Senat sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass diese - die Ausführungen des OTL N. letztlich ergänzende - Angaben nicht ebenso zutreffend waren, auch nicht unter Würdigung der Zeugenaussage des OTL T., der sich für seine Einschätzung der bei SHAPE eingesetzten Geräte und deren Leistung im Wesentlichen auf Aktenkenntnis berief. Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Q., Bundesamt für Strahlenschutz vom 21. Juni 2000, wurden zur Erzeugung hochfrequenter elektromagnetischer Felder in Funksendeanlagen (Kurzwellensendern), Richtfunkanlagen und Radargeräten Senderöhren wie Magnetrons, Wanderfeldröhren, Klystrons und Tyratons eingesetzt. Bei solchen mit Hochspannung betriebenen Senderöhren entsteht je nach Spannung als Nebenprodukt eine mehr oder weniger intensive Röntgenstrahlung. Bei Sendesystemen mit geringer Leistung, wie zum Beispiel Richtfunksystemen, liegen die Ausgangsleistungen in der Regel in der Größenordnung von wenigen Watt; die Senderöhren werden hier mit Hochspannungen von einigen 100 V bis zu wenigen 1000 V betrieben. Die dabei entstehende sehr weiche Röntgenstrahlung wird in der Regel schon durch das Wandmaterial der Röhre selbst absorbiert. Dadurch tritt außerhalb der Elektronenröhren praktisch keine nennenswerte Ortsdosisleistung auf, so dass auch bei längeren Expositionszeiten ein Erreichen der Grenzwerte nicht zu erwarten ist. Sendeanlagen, deren Ausgangsleistungen in der Größenordnung von kW oder größer sind, erfordern Hochspannungen bei den Senderöhren, die in der Regel höher als 5000 V liegen, so dass solche Senderöhren als Röntgenstrahler im Sinne der Röntgenverordnung gelten. Die Sender im kW-Bereich, jedenfalls die auf Sender- und Empfängerseite eingesetzten 7,5 kW Sender, erforderten somit Hochspannungen bei den Senderöhren, die in der Regel höher als 5000 V lagen, und galten als Röntgenstrahler im Sinne der Röntgenverordnung. Dieser Sachverhalt ist in den Stellungnahmen und Schlussfolgerungen des Dr. K. vom 21. Dezember 1993, des Dr. von L. vom 24. August 1994 und Dr. M. vom 22. April 1997, die davon ausgingen, dass der Ehemann der Klägerin keiner Röntgenstörstrahlung ausgesetzt gewesen sei, nicht berücksichtigt, ebenso wenig in dem Gutachten des Prof. Dr. van O. vom 8. Oktober 1997 und der Stellungnahme des Dr. P. vom 5. Oktober 1998. Darüber hinaus lag deren Beurteilungen noch der veraltete Grenzwerte für beruflich Strahlenexponierte von 50 mSv zugrunde (nach § 31a Abs. 1 Röntgenverordnung - RöV - in der ab 1. Juli 2002 gültigen Fassung bzw. § 5 Strahlenschutzverordnung - StrlSchV - in der ab 1. August 2001 gültigen Fassung 20 mSV).

Entgegen den Feststellungen des SG ist nach der Beweisaufnahme durch den Senat nicht erwiesen, dass bei dem Ehemann der Klägerin die sog. Verdoppelungsdosis von 0,2 Sv im Sinne der Nr. 122 Abs. 6 AHP 2008 überschritten war. Das SG hat sich für seine Feststellungen, dass der Ehemann der Klägerin einer hohen Dosis ionisierender Strahlung in Form von Röntgenstörstrahlung ausgesetzt war, die die vorgegebenen Grenzwerte bei weitem überschritten hat, und daher ein Zusammenhang zwischen der ionisierenden Strahlung und der Leukämie wahrscheinlich zu machen ist, vor allem auf das Zusatzgutachten des Dr. I. von 4. Oktober 1993 berufen. Insbesondere stützte es sich auf dessen Schlussfolgerungen, dass die Belastung mit Röntgenstrahlung die vorgegebenen Grenzwerte bei weitem überschritten habe. Dr. I. war bei seiner Beurteilung auf der Grundlage der Angaben des Ehemannes der Klägerin davon ausgegangen, dass dieser Umgang mit einer 75 kW-Sendeanlage im GHz-Bereich gehabt habe. Demgegenüber hat Dr. I. am 9. Juli 2006 als Zeuge ausgesagt, heute wisse er, dass die NATO keine 75 kW-Geräte gehabt habe. Zwar habe er genauere Einzelheiten über die vom Ehemann der Klägerin verwendeten Geräte und Arbeitsbedingungen von den deutschen Ansprechpartnern bei SHAPE nicht ermitteln können. Nach der Auskunft des OTL N. wisse er jedoch heute, dass die damaligen Angaben des Ehemannes der Klägerin wohl nicht zutreffend waren. Nach heutigem Kenntnisstand sei sicher, dass in der fraglichen Zeit keine Richtfunkgerätanlagen verwendet worden seien, die mit 75 kW betrieben worden seien. Damit ist die Grundlage für die Annahme erheblicher Grenzwertüberschreitungen durch Dr. I., nämlich u. a. der Umgang des Klägers mit einer Sendeanlage mit einer Ausgangsleistung von 75 kW, nicht mehr gegeben. An dieser Beurteilung ändert auch die Aussage des Zeugen V. nichts, wonach der "Clystron", der bei den Geräten des Ehemannes der Klägerin verwendet worden sei, die Aufschrift 75 kW gehabt habe, zumal der Zeuge den Ehemann der Klägerin nicht bei der Arbeit beobachtet hatte. Als plausibel und nachvollziehbar sieht der Senat jedoch die im Rahmen der Anamnese durch Dr. I. in dessen Gutachten vom 4. Oktober 1993 vom Ehemann der Klägerin erhobenen und dokumentierten Angaben an, dass dieser auch Arbeiten an laufenden Geräten durchgeführt hat, auch wenn sich Dr. I. bei seiner Zeugenaussage 13 Jahre später an die Angaben des Ehemannes der Klägerin über die Arbeitsbedingungen nicht mehr entsinnen konnte.

Die Voraussetzungen einer Kannversorgung sind jedoch erfüllt. Hinreichend geklärt ist bei akuten Leukämien die ursächliche Bedeutung von ionisierenden Strahlen in einer Knochenmarkdosis von mindestens 0,2 Sv. Ungewissheit besteht darüber, ob zu den Neoplasien der Hämatopoese wie Leukämie auch Strahlen geringerer Intensität als 0,2 Sv führen können. Wegen dieser Ungewissheit sind die Voraussetzungen für eine Kannversorgung erfüllt, da zur Überzeugung des Senats eine Einwirkung von Röntgenstörstrahlung durch den Wehrdienst des Ehemannes der Klägerin feststeht, jedoch nicht im Umfang einer Knochenmarkdosis von mindestens 0,2 Sv, die akute myelopathische Leukämie innerhalb des für die Kannversorgung geforderten Zeitraums - frühestens 2 Jahre und spätestens 3 Jahrzehnte nach Einwirken ionisierender Strahlen, die nicht mit Wahrscheinlichkeit als Ursache angesehen werden können - manifestiert hat, deren Menge aber auch nicht so gering war, dass eine wesentliche Bedeutung nicht diskutiert werden kann.

Dass die Menge der einwirkenden Strahlen nicht so gering war, dass eine wesentliche Bedeutung nicht diskutiert werden kann, ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten: Bereits Dr. S., Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte in seiner Stellungnahme vom 26. April 2001 darauf hingewiesen, dass nur eine Strahlendosis in der Größenordnung der natürlichen radioaktiven Belastung als so gering gelte, dass ihr eine wesentliche Bedeutung für die Tumorentstehung nicht zukomme. Durch die Röntgenstörstrahlung hat aber in jedem Fall eine über die natürliche radioaktive Belastung hinausgehende Einwirkung von ionisierenden Strahlen stattgefunden. Bei der Leukämie handelt es sich im Vergleich zu anderen Krebsarten/-Lokalisationen um einen häufig mit ionisierender Strahlung assoziierten Tumor. Bei Arbeitern in der Nuklearindustrie, die zumeist recht niedrigen Strahlendosen ausgesetzt waren kommen, fand sich ein erhöhtes Leukämierisiko (BdR 2003 S. 76,77). Nach der Unterrichtung der Bundesregierung, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2006, BT-Drs. 16/6835, S. 60, kann nicht geschlossen werden, dass unterhalb des Dosisbereiches von einigen Zehntel bis 1 Sv, in dem eine statistisch signifikante und damit zahlenmäßig bestimmbare Erhöhung bösartiger Erkrankungen auftritt, keine Wirkungen ionisierender Strahlen mehr eintreten. Vielmehr zeigt dies nur die methodische Beobachtungsgrenze epidemiologischer Untersuchungen an. Für die Extrapolation von mittleren bis zu niedrigen Dosen ist für die Häufigkeit strahlenbedingter Krebs- und Leukämieerkrankungen von einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellendosis auszugehen. Diese Annahme wird durch grundsätzliche biophysikalische und strahlenbiologische Erkenntnisse gestützt. Krebserkrankungen haben nach vorliegenden Erkenntnissen ihren Ursprung in einer einzelnen geschädigten Zelle. Da eine einzelne Energiedeposition durch die Strahlung in einer Zelle zur Krebsauslösung ausreichen kann und zelluläre Reparaturprozesse nicht immer vollkommen sind, muss auch im Dosisbereich unterhalb von 10 mSv von einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ausgegangen werden. Im Übrigen besteht zumindest eine Vergleichbarkeit der Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin mit den im BdR 2003 genannten Personengruppen, da er zwar nicht als Radartechniker oder entsprechendes Hilfspersonal eingesetzt war, jedoch als Hochfrequenzfunktechniker zur Überprüfung und Wartung aller auf der Station vorhandenen Kurzwellensende- und Empfangsgeräte sowie Richtfunkgeräte einer nachträglich nicht mehr quantifizierbaren Röntgenstörstrahlung ausgesetzt war. Nach dem BdR 2003 (Nr. 9.1.1) war der Umgang mit Störstrahlern in Radar-Waffensystemen historisch in drei Phasen zu gliedern, wobei Phase 1 dadurch gekennzeichnet ist, dass Messwerte, welche die nachträgliche Ermittlung der Exposition gestatten würden, nicht vorlagen, und gemessen an heutigen Maßstäben, kein adäquater Strahlenschutz bestand. In Phase 1 lagen keine aussagefähigen personendosimetrischen Daten vor. Auch insoweit ist die Situation des Ehemannes der Klägerin vergleichbar, da nach den nicht bestrittenen Angaben des OTL N. vom 7. April 1997 keine Messungen erfolgten, demgemäß auch nicht von einem adäquaten Strahlenschutz ausgegangen werden kann, und keine aussagefähigen personendosimetrischen Daten vorliegen. Ebenso sind die im BdR 2003 beschriebenen Voraussetzungen hinsichtlich der Bewertung des Krankheitsbildes erfüllt. Die Latenzzeit zwischen Tätigkeitsbeginn im Januar 1989 bei der Dienststelle SHAPE und dem Ausbruch der Erkrankung Anfang April 1992 betrug über drei Jahre (vgl. 9.3.1 Nrn. 1 bis 3 BdR 2003, S. 135). Ferner wurde im BdR 2003 für Personen, die nicht an einem speziellen Radargerät SGR-103 tätig gewesen sind, gefordert, dass diese qualifizierende Arbeiten als Techniker/Mechaniker oder Bediener an Radaranlagen ausgeführt haben und in Abhängigkeit von der maximalen Betriebsspannung nur bestimmte Tumorlokalisationen infrage kommen. Auch diese Voraussetzungen sind durch die grundsätzlich vergleichbaren Überprüfungs- und Wartungstätigkeiten des Ehemannes der Klägerin an Kurzwellensende- und Empfangsgeräten sowie Richtfunkgeräten mit einer Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung im Hinblick auf die eingetretene Leukämie erfüllt. Selbst bei einer maximalen Betriebsspannung von unter 10 kV kommt eine Tumorlokalisation auf der Knochenoberfläche in Frage (BdR 2003 S. 136).

Hinsichtlich des für den Ausgleich maßgeblichen Zeitraums und der MdE-Einschätzung wird auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie dem Berichtigungsbeschluss vom 11. Mai 2009.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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Berichtigungsbeschluss

hat der 4. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt am 11. Mai 2009 durch den Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Dr. Schuler beschlossen:

Der Kostenausspruch der in der Sitzung des 4. Senats des Hessischen Landessozialgerichts am 29.04.2009 nach geheimer Beratung verkündeten Urteilsformel wird wie folgt berichtigt:

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.

Gründe:

Aufgrund eines technischen Versehens bei der Vorbereitung des schriftlichen Urteilstenors wurde dieser mit einer unzutreffenden Formulierung im Kostenausspruch erstellt, von den Senatsmitgliedern ohne nochmalige inhaltliche Überprüfung unterzeichnet und nach der mündlichen Verhandlung so verkündet. Beabsichtigt war nicht der Ausspruch, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben, sondern die Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagten aufzuerlegen.

Die Beteiligten sind hierzu gehört worden, Einwendungen sind nicht erhoben worden.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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