L 9 AS 68/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 2/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 68/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.01.2006 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 13.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2005 verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II in Höhe von 50,76 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe der dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung im Streit.

Der im Jahre 1948 geborene alleinstehende Kläger bewohnt seit 1981 eine 53,24 m² große Einzimmerwohnung. Die Kaltmiete für seine Wohnung beläuft sich auf 312,48 EUR. Für Neben- und Heizkosten leistete der Kläger eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von monatlich 180,00 EUR.

Seit dem 01.01.2005 bezieht der Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Mit Bescheid vom 13.01.2005 bewilligte ihm die Beklagte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 01.01.2005-30.06.2005 in Höhe von monatlich 817,09 EUR. Neben den Regelsatzleistungen gewährte die Beklagte dem Kläger die Kaltmiete in Höhe von 312,48 EUR, Heizkosten in Höhe von 61,18 EUR und Nebenkosten in Höhe von 98,43 EUR. Zur Berechnung der Heizkosten legte die Beklagte die Heizkostenabrechnung des Klägers für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.12.2004 zugrunde und bereinigte den sich errechnenden monatlichen Betrag von 81,57 EUR um einen Abschlag von 18 % für die Warmwasseraufbereitung sowie einen weiteren Abschlag von 7 % für Kochenergie. Insgesamt nahm die Beklagte einen Abzug von 20,39 EUR vor.

Der Bewilligungsbescheid vom 13.01.2005 enthielt zugleich den Hinweis an den Kläger, dass seine Wohnung für unangemessen gehalten werde. Angemessen seien für eine Person lediglich eine Kaltmiete inklusive Nebenkosten in Höhe von 325,- EUR sowie Heizkosten in Höhe von 36,- EUR monatlich. Da die tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers diesen angemessenen Betrag erheblich überstiegen, würden die Kosten der Unterkunft nur noch bis einschließlich 30.06.2005 in der bisherigen Höhe übernommen.

Gegen den Bescheid vom 13.01.2005 erhob der Kläger am 31.01.2005 Widerspruch und machte geltend, die ihm bewilligten Kosten für seine Wohnung in Höhe von 472,09 EUR wichen von den von ihm nachgewiesenen Kosten in Höhe von 542,48 EUR ab, ohne dass ihm eine Begründung hierfür gegeben worden sei. Er zahle ab April 2005 monatlich einen Abschlag von 40 EUR für Strom. In den Monaten Januar und Februar 2005 habe der Abschlag 50 EUR betragen. Er bezweifle, dass das von der Beklagten mitgeteilte angemessene Mietpreisniveau für C tatsächlich die angemessenen Unterkunftskosten im Sinne des SGB II widerspiegele. Er weise darauf hin, dass er die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für verfassungswidrig halte.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2005 als unbegründet zurück und führte aus: Die Unterkunftskosten des Klägers seien in tatsächlicher Höhe übernommen worden. Lediglich bei den Heizkosten sei ein Abschlag in Höhe von insgesamt 25 % für die Warmwasserbereitung und die Kochenergie gemacht worden. Daher errechne sich ein übernahmefähiger Betrag für Heizkosten in Höhe von 61,18 EUR monatlich. Die Kosten für Strom gehörten nicht zu den Kosten für Unterkunft und Heizung. Sie seien von der Regelleistung umfasst. Der monatliche Abschlag des Klägers für Strom in Höhe von 50,- EUR könne daher nicht berücksichtigt werden.

Am 02.06.2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Klage erhoben und zu deren Begründung weiter geltend gemacht: Die Rechtsauffassung der Beklagten bezüglich der Kosten für die Warmwasserbereitung und für Kochenergie sowie hinsichtlich der Nichtübernahme der Stromkosten sei unzutreffend. Nach allgemeinem Sprachgebrauch umfasse die Miete auch alle Nebenkosten für Lieferungen und Leistungen, die die Räume erst bewohnbar machten. Die Lieferung von Strom gehöre als unbedingte Notwendigkeit zur Bewohnbarkeit einer Wohnung und sei daher von der Beklagten gesondert zu gewähren. Insgesamt seien ihm 262,62 EUR nachzuzahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides von 20.05.2005 zu verurteilen, an Kosten der Unterkunft einen Betrag von 542,48 EUR zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, dass Kosten für Warmwasser und Haushaltsenergie nicht im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II übernommen werden könnten, da diese Positionen bereits Bestandteile der Regelleistung seien. Die Regelleistung umfasse etwa 8 % für diese Bedarfsbestandteile. Insoweit sei ein Abschlag vorzunehmen, weil sonst der von der Regelleistung umfasst Anteil doppelt gewährt würde.

Mit Urteil vom 13.01.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die dem Kläger zu gewährenden Leistungen nach dem SGB II zutreffend berechnet. Bei den geltend gemachten Stromkosten handele es sich nicht um Leistungen der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 SGB II, die von der Beklagten gesondert zu übernehmen seien. Vielmehr seien die Stromkosten aus der Regelleistung zu bestreiten. Gleiches gelte für die Heizkosten, soweit hiermit auch die Warmwasserzubereitung und die Kochenergie abgedeckt seien. Auch diese Kosten seien von der dem Kläger gewährten Regelleistung umfasst und nicht gesondert zu gewähren. Da eine genaue Aufteilung der Energiekosten für Heizung, Warmwasserbereitung und Kochen im Falle des Klägers nicht möglich sei, sei ein pauschaler Abzug von 18 % für die Warmwasser Bereitung und von 7 % für Kochenergie gerechtfertigt.

Gegen das ihm am 26.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.02.2006 Berufung eingelegt (Az. L 9 AS 4/06) und ausgeführt, die tatsächliche Wohnfläche seiner Wohnung betrage nach der Nebenkostenabrechnung 46,09 m². Er habe einen Anspruch auf staatliche Leistungen auch in Höhe der tatsächlich nachgewiesenen Kosten für seine Wohnung. Seiner Auffassung nach folge aus § 5 Abs. 2 S. 2 SGB II und § 46 SGB II, dass ihm auch die Stromkosten gesondert gewährt werden müssten.

Im Rahmen eines am 17.08.2006 von der Berichterstatterin durchgeführten Termins zur Erörterung des Sachverhalts hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, unter Aufhebung der 7%igen Kürzung für Kochenergie dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft und Heizung zu bewilligen. Der Kläger hat daraufhin das Berufungsverfahren Az. L 9 AS 4/06 für erledigt erklärt und gleichzeitig Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 13.01.2006 eingelegt.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 13.01.2006 hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 31.10.2006 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (Az. L 9 B 120/06 AS NZB). Der Kläger führt zur Begründung der Berufung noch aus, nach Zahlung von 34,26 EUR aufgrund des Teilanerkenntnisses sei noch ein Betrag von 228,36 EUR für den fraglichen Zeitraum offen.

Der Kläger beantragt - schriftsätzlich und sinngemäß -,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.01.2006 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 13.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2005 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 01.01.2005-30.06.2005 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 228,36 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung - abgesehen von dem Aspekt der Kürzung im Hinblick auf Kochenergie - für zutreffend.

Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger am 01.08.2007 im Hinblick auf das von ihm verfolgte Begehren die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt (Az. 9 L AS 45/07 ER). Den Antrag hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 24.09.2007 mangels glaubhaft gemachten Anordnungsgrundes abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte L 9 AS 45/07 ER sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2, 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Streitsache im Termin in Abwesenheit des Klägers entscheiden. Diese Möglichkeit besteht auch bei Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 111 Rn. 6d). Der Kläger ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Die Berufung des Klägers ist nach erfolgter Zulassung durch den Beschluss des erkennenden Senats vom 31.10.2006 (Az. L 9 B 120/06 AS NZB) statthaft und auch sonst zulässig.

Die Berufung ist teilweise begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht vollständig abgewiesen, da dem Kläger weitere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2005-30.06.2005 in Höhe von 50,76 EUR zustehen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.01.2005 ist rechtswidrig, soweit der darin vorgenommene Abzug für die Warmwasserbereitung einen Betrag von monatlich 6,22 EUR überschreitet. Bezüglich des weiteren Abzugs von 7 % für Kochenergie hat die Beklagte ihre Entscheidung bereits aufgehoben und Nachzahlungen vorgenommen. Im Übrigen ist der Bescheid vom 13.01.2005 im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren allein streitgegenständlichen Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers rechtmäßig.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 50,76 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005.

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Wohnt der Arbeitsuchende zur Miete, sind hiervon regelmäßig die Grundmiete und die Neben - und Heizkosten umfasst. Vorliegend hat die Beklagte zunächst die Kaltmiete sowie die sonstigen Nebenkosten für den fraglichen Zeitraum in voller Höhe übernommen. Die Heizkosten hat die Beklagte zunächst dem Grunde nach zutreffend auf der Grundlage der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2004 ermittelt. Von dem daraus resultierenden Betrag von 81,57 EUR monatlich durfte die Beklagte einen Abzug für die Warmwasserbereitung vornehmen, jedoch nicht in Höhe von 18 % der Heizkosten. Zwar hat der Kläger im Rahmen der Angemessenheit Anspruch auf Übernahme der vollständigen und tatsächlichen Kosten für die Bereitung von Warmwasser. Allerdings besteht dieser Anspruch auf Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung nur, soweit der Bedarf nicht schon anderweitig gedeckt ist. Dies ist jedoch der Fall, da die Kosten der Warmwasserbereitung bereits von der Regelleistung gemäß § 20 SGB II umfasst sind und daher nicht zweifach gedeckt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11 b AS 15/07 R -). Dies wird durch die Neufassung der Norm durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) fixiert, indem nunmehr in § 20 Abs. 1 SGB II geregelt ist, dass die Regelleistung auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" umfasst. Insoweit handelt es sich nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/1410 S. 23) zur Neufassung (lediglich) um eine Klarstellung, nach der insbesondere die Kosten der Warmwasserbereitung aus der Regelleistung zu bestreiten seien und nicht als Bestandteil der Kosten der Unterkunft übernommen werden könnten. Demnach war die Höhe der Leistungen auch vor Inkrafttreten der Neuregelung nach gleicher Maßgabe zu bestimmen.

Folgt hieraus die Möglichkeit der grundsätzlichen Abzugsfähigkeit der Kosten für Warmwasserbereitung (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R -), so ist dieser Abzug nur in der Höhe gerechtfertigt, in der ansonsten dem Leistungsempfänger eine doppelte Leistung gewährt würde. Maßgeblich ist demnach, welcher Anteil der Regelleistung bereits für die Zubereitung von Warmwasser gewährt wurde. Dieser nicht exakt messbare Anteil für Kosten der Warmwasserbereitung wird in der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteile vom 27.02.2008 - B 14/11 b AS 15/07 R - und vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R -) auf der Grundlage einer Empfehlung des Deutschen Vereins für die öffentliche und private Fürsorge aus dem Jahre 1991 auf 30 % des im sozialhilferechtlichen Regelsatz enthaltenen Betrages für Haushaltsenergie geschätzt. Im streitigen Zeitraum machte dies einen Betrag von 6,22 EUR monatlich - ausgehend von der Regelleistung West in Höhe von 345 EUR monatlich und einem aus der Einkommens - und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 fortgeschriebenen und hochgerechneten Anteil für Haushaltsenergie in Höhe von 20,74 EUR - aus (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Diesen Erwägungen des BSG schließt sich der Senat ausdrücklich an.

Der von der Beklagten in Abzug gebrachte Betrag von 18 % (14,68 EUR) überschreitet den maximal abzugsfähigen Betrag um 8,46 EUR, so dass der Kläger für den sechsmonatigen Zeitraum insgesamt die Gewährung von weiteren 50,76 EUR beanspruchen kann.

Der Kläger hat hingegen keinen Anspruch auf Übernahme der von ihm für Strom geleisteten Abschlagszahlungen. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - m.w.N.) war auch schon vor dem Inkrafttreten der klarstellenden Neufassung des § 20 Abs. 1 SGB II davon auszugehen, dass zu dem der Regelleistung zuzuordnenden Bedarf die Position Haushaltsenergie gehört, die auch die vom Kläger geltend gemachten Stromkosten umfasst. Seine Stromkosten hat der Kläger daher aus der Regelleistung zu bestreiten.

Weitere Gesichtspunkte, unter denen dem Kläger im vorliegenden Verfahren höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren wären, sind angesichts der Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Kosten der Unterkunft und Heizung sowie vor dem Hintergrund, dass die Leistungen der Unterkunft und Heizung ansonsten vollständig erbracht wurden, nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und bringt den Grad des Obsiegens der Beteiligten zum Ausdruck.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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