Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3239/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 5328/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 2008 aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV, Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) vorliegt.
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 16.10.1999 an die Beklagte und teilte ihr mit, seine Erkrankungen führe er auf die ständigen Einflüsse von organischen Lösemitteldämpfen am Arbeitsplatz zurück. Er sei 28 Jahre als Elektromeister in der L. V. GmbH & Co. KG in K.-M. tätig gewesen. 1990 nach zwei Explosionen in diesem Betrieb sei er an Hodenseminom erkrankt. Seit dieser Zeit gehe es ihm sehr schlecht. Er habe verstärkt Schmerzen am ganzen Körper (Fibromyalgie wurde diagnostiziert) sowie ständig starke Kopfschmerzen (Polyneuropathie sowie Enzephalopathie). Bei Herrn Dr. B., T., sei er gewesen und dieser werde die Meldung auf Verdacht des Vorliegens einer Berufserkrankung aus medizinischer Sicht vornehmen.
Mit Schreiben vom 27.03.2000 stellte der Nervenarzt Dr. B., T., folgende Diagnose: Polyneuropathie, Ataxie, Schmerzzustände der gesamten Körpermuskulatur, deutliche Leistungsminderung, deutliche Störungen der Hirnperfusion im SPECT nach langjähriger toxischer Belastung, insbesondere 28 Jahre in einer L. Die Schäden seien über die lange Expositionszeit noch relativ gering, weil der Kläger sonst immer sehr kontrolliert und naturnah gelebt habe, was er auch heute noch tue.
Ergänzend gab der Kläger an, er sei bei der Fa. V. von April 1970 bis Dezember 1998 als Elektromeister beschäftigt gewesen. 1991 sei er an Hodenkrebs erkrankt und außerdem habe man bei ihm eine Polyneuropathie und eine Enzephalopathie festgestellt.
Die Beklagte holte die arbeitsmedizinische beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 29.08.2000 ein. Darin führte dieser aus, aufgrund der vielfältig angegebenen Expositionen und der Befundbeschreibung von Dr. B. käme zumindest eine BK 1317 (Enzephalopathie oder Polyneuropathie) infrage. Außerdem werde von F. Dr. E. C., HNO-Ä. in B. K., eine beim Kläger diagnostizierte Störung des Gleichgewichtsorgans mit einer Lösemittelexposition in Zusammenhang gebracht. Sie spreche von einer multisensorischen neuroortologischen Funktionsstörung bei peripher vestibulärer Gleichgewichtsfunktionsstörung. Auch dieses ließe sich möglicherweise in den Komplex der BK 1317 einordnen. Er empfehle weitere ärztliche Unterlagen anzufordern und halte die Expositionsseite für weiter abklärungswürdig.
Die Beklagte zog verschiedene Arztberichte bei und beauftragte P. Dr. K. M., e.m. Ä. D. der N. P. und Abt. N. der U. T. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser teilte der Beklagten am 23.01.2001 mit, er habe entsprechend dem Gutachtensauftrag den Kläger zum 22.01.2001 zu einer Untersuchung einbestellt. Der Kläger sei zu dieser Untersuchung nicht erschienen. Er habe sich auch nicht abgemeldet. Die geplanten Untersuchungen hätten daher nicht durchgeführt werden können.
Mit Bescheid vom 27.03.2001 versagte die Beklagte dem Kläger alle ihm wegen der von ihm vorgebrachten Erkrankungen (z.B. Hodenkrebs, Polyneuropathie, Enzephalopathie) eventuell zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) VII gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in voller Höhe. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beklagte habe versucht zu klären, ob beim Kläger eine beruflich bedingte Erkrankung vorliege und ob Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen seien. Der Kläger sei daher gebeten worden, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, da diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sei. Mit dieser Untersuchung sei Prof. Dr. med. Dr. phil. K. M., T. beauftragt worden. Die am 22.01.2001 geplante Untersuchung habe der Kläger jedoch nicht wahrgenommen. Da lediglich zumutbare Untersuchungsmaßnahmen zur Anwendung kämen, seien die Grenzen der Mitwirkung nicht überschritten. Trotz Aufklärung über die Mitwirkungspflichten und über die Folgen der fehlenden Mitwirkung habe der Kläger seine Bereitschaft zur Mitwirkung bislang nicht gezeigt. Bei dieser Sachlage sei bis zu einer Nachholung der Mitwirkung eine Entscheidung über das Vorliegen einer beruflich bedingten Erkrankung nicht möglich. Da ein Rechtsgrund zur Erbringung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vorliege, seien diese in voller Höhe zu versagen.
Dagegen legte der Kläger am 09.04.2001 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, in der Anlage werde eine Kopie des orthopädisch-rheumathologischenGutachtens des Dr. B. vom 11.01.2001 vorgelegt, welches vom Sozialgericht Stuttgart im Rentenverfahren wegen Erwerbsunfähigkeit eingeholt worden sei. Es lägen umfangreiche Befunde vor und es sei ihm nicht erfindlich, weshalb Prof. Dr. M. zur "Diagnosefindung" beauftragt werden solle. Sollte aus Sicht der Beklagten ein bestimmter Befund fehlen, könne dieser nachgereicht bzw. durch Untersuchungen bei Ärzten beschafft werden, bei denen er in Behandlung gestanden habe. Seiner Mitwirkungspflicht sei er in vollem Umfang nachgekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2001 wurde der Bescheid vom 27.03.2001 insoweit abgeändert, als Leistungen wegen einer eventuell vorliegenden Berufskrankheit nach der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) nicht mehr versagt, sondern abgelehnt wurden. Zur Begründung wurde ausgeführt, auch wenn der Kläger an einer Untersuchung bei Prof. Dr. M. weiterhin nicht teilgenommen habe, so könne aufgrund des orthopädisch-rheumatologischen Gutachtens von Dr. B., das der Kläger mit seinem Widerspruch vorgelegt habe, nunmehr über die Berufskrankheit entschieden werden. Durch das Einreichen des ärztlichen Gutachtens von Dr. B. sei der Kläger insoweit seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen, sodass ein Versagungsgrund nicht mehr vorliege. Aufgrund des Gutachtens von Dr. B. sei davon auszugehen, dass beim Kläger ein Zustand nach ausgeheiltem Hodentumor vorliege. Ferner seien beim Kläger geringgradige degenerative Bewegungseinschränkungen an der Wirbelsäule, an beiden Schultergelenken sowie an den Hüftgelenken festgestellt worden. Sowohl der Hodentumor als auch die geringgradigen degenerativen Bewegungseinschränkungen seien nicht als beruflich bedingt anzusehen. Es handele sich bei diesen Erkrankungen um anlagebedingte Beeinträchtigungen, bei denen Anhaltspunkte für eine berufliche Verursachung nicht vorlägen. Daneben liege beim Kläger eine massive seelische Beeinträchtigung im Sinne einer Konversionsneurose vor.
Dagegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 02.07.2001 Klage zur Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 27.03.2001 in Form des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2001 aufzuheben und die Berufskrankheit des Klägers anzuerkennen.
Mit dem Einverständnis des Klägers holte das SG den Befundbericht des ihn behandelnden Arztes für Innere Medizin/Umweltmedizin Dr. H.-A. M., G. vom 01.10.2004 ein. Darin teilte dieser mit, der Kläger habe sich ihm erstmals am 08.03.2002 vorgestellt und der letzte Kontakt habe am 21.09.2004 stattgefunden. Beim Kläger lägen zwei angeborene Veränderungen vor, wodurch es zu einer deutlichen Verschlechterung der Entgiftungskapazität des Körpers komme, insbesondere was chemische Substanzen wie Lösungsmittel etc. als auch was eine chronische Schwermetallbelastung betreffe. Der Schwerpunkt des Leidens liege eindeutig auf dem umweltmedizinischen Fachgebiet und sei nur zu verstehen unter Hinzuziehung von Ärzten, die eine umweltmedizinische Ausbildung besäßen bzw. über entsprechende Spezialkenntnisse und Erfahrungen verfügten.
Auf Anfrage des SG teilte Prof. Dr. M., H. mit Schreiben vom 15.03.2005 mit, vorliegend sollte, bevor die Berufsgenossenschaft zur Abklärung einer geltend gemachten Berufskrankheit Auskünfte von Ärzten einhole, geprüft werden, ob überhaupt eine entsprechende Exposition bestanden habe; außerdem sei gutachtlich abzuklären, ob eine toxische Enzephalopathie bzw. Polyneuropathie vorliege.
Das SG zog das im Schwerbehindertenverfahren vom SG Stuttgart (S 13 SB 4875/04) eingeholte Gutachten des Prof. Dr. S., Arzt für A., U., U. vom 27.07.2005 bei. Darin gelangte dieser zu dem Ergebnis, der Kläger leide an einer anhaltenden mittelschweren somatoformen Schmerzstörung (seelische Störung) mit multiplen Organmanifestationen, die behandlungsbedürftig sei. Der Grad der Behinderung (GdB) werde mit 50 eingeschätzt. Der Zustand nach erfolgreicher Behandlung des Hodentumors habe keine Auswirkungen mehr.
Anschließend beauftragte das SG Prof. Dr. Z., Neurologe und Psychiater vom Universitätskrankenhaus Eppendorf mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser gab jedoch die Akten zurück und empfahl, einen Arbeitsmediziner mit der Untersuchung und Erstattung des Gutachtens zu beauftragen.
Mit Schreiben vom 01.12.2005 teilte das SG dem Bevollmächtigten des Klägers mit, nach einem telefonischen Gespräch mit Prof. Dr. Z., H., sei beabsichtigt, den Gutachtensauftrag an Prof. Dr. H. umzuschreiben. Der Bevollmächtigte des Klägers möge dem Gericht die genaue Anschrift von Prof. Dr. H. mitteilen und vorher mit Prof. Dr. H. abklären, ob dieser zur Übernahme des Gutachtensauftrages bereit sei.
Nach Erledigung durch den Bevollmächtigten des Klägers bestellte das SG nunmehr Prof. Dr. H., L. O. der N. K. und U. d. S., H./S. zum gerichtlichen Sachverständigen.
Anschließend zog das SG das im Schwerbehindertenverfahren vom SG (S 19 SB 4875/04) eingeholte psychiatrisch-psychologische Gutachten der Dr. G., V. vom 07.02.2006 bei. Darin kam diese zu dem Ergebnis, der Kläger leide im psychiatrischen Bereich an einer organischen Persönlichkeitsstörung, mittelgradigen Depression und posttraumatischen Belastungsstörung. Die Behinderungen seien wie folgt zu bezeichnen: Zentrale vegetative Störung als Ausdruck eines Hirndauerschadens mittelgradiger Ausprägung, lang anhaltende Depression mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Der Gesamt-GdB betrage 70 seit 2004. Außerdem wurde das psychologische Zusatzgutachten aus dem Schwerbehindertenverfahren S 19 SB 4875/04 des Diplom-Psychologen W.-D. G. vom 19.01.2006 (keine hirnorganisch erworbene Störung) beigezogen.
Mit Ergänzungsbeschluss vom 19.06.2006 wurden Privatdozent Dr. U. D. für das Fachgebiet Neurophysiologie und Prof. Dr. W. R. für das Fachgebiet Neuroradiologie zu weiteren Sachverständigen bestellt und um die Erstattung von Zusatzgutachten gebeten.
Der Hauptgutachter Prof. Dr. H. von der Nervenklinik und Polyklinik, Neurologie des Universitätsklinikums des Saarlandes legte sein Gutachten mit Datum 01.08.2006 vor, das aufgrund der eingehenden ambulanten neurologischen Untersuchung des Klägers vom 26.06.2006 sowie dem elektrophysiologischen Zusatzgutachten vom 26.06.2006 und dem klinisch-psychologischen Zusatzgutachten vom 29.09.2006 erstellt worden war und das am 11.01.2007 beim SG einging. Dr. phil.-Dipl.-Psych. H. W., der in Zusammenarbeit mit der Kl. P. S. O. das klinisch-psychologische Zusatzgutachten vom 13.10.2006 erstattete, führte in diesem Gutachten aus, es habe eine eingehende klinisch-psychologische Exploration sowie eine testpsychologische Untersuchung mit zahlreichen Testverfahren stattgefunden. Das Ergebnis der Überprüfung der aktuellen intellektuellen Leistungsfähigkeit liege unterhalb der Erwartung aufgrund des beruflichen Werdegangs. Der Kläger arbeite durchgängig sehr langsam, was diesen Eindruck noch verstärke. Dennoch seien die testmäßig erfassten Leistungsbeeinträchtigungen nur geringgradig und auch nicht durchgängig, zumal nicht im Bereich der Merkfähigkeit. Aber auch z.B. die Schilderung von Alltagstätigkeiten oder der recht genaue Bericht über die Herfahrt sprächen gegen die vom Kläger selbst reklamierte Enzephalopathie. Aus allem sei zu schließen, dass der Kläger sicherlich nicht bewusst simuliere. Es sei aber davon auszugehen, dass er aggravierend wohl weniger bewusstseinsnah deutlich mache, dass er leide und dass es ihm schlecht gehe. Aus den Befunden der Exploration und des Persönlichkeitsfragebogens ergebe sich aus klinisch-psychologischer Sicht ein klarer Hinweis auf eine reaktive Fehlverarbeitung des Lebensschicksals des Klägers im Sinne einer Somatisierungsstörung. Es gebe jedoch keine Hinweise auf ein enzephalopathisches Geschehen und damit auch nicht auf eine toxische Enzephalopathie. Aber auch eine organische Wesensänderung lasse sich nicht begründen.
Prof. Dr. H. führte in seinem Gutachten vom 01.08.2006 aus, über die Angaben des Klägers hinaus fänden sich in dem umfangreichen Aktenmaterial keine eingehenderen Angaben über eine mögliche Lösemittelexposition des Klägers während seiner Arbeitszeit in den Jahren 1970 bis 1998 bei der L. V. in K.-M., was die Beurteilung des Sachverhalts erschwere. Die Angaben des Klägers würden auf eine toxikologisch relevante beruflich bedingte Lösemittelexposition hindeuten. Der Kläger habe angegeben, seit den Siebziger Jahren seien während der Arbeit in zunehmendem Ausmaß Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Schmerzen am ganzen Körper und Schwindel aufgetreten, welche in Arbeitspausen und im Urlaub zunächst nachgelassen hätten, dann aber in einen Dauerzustand übergegangen seien. Seit 1970 sei er zunehmend reizbarer und unausgeglichener gewesen, was von der anwesenden Ehefrau bestätigt worden sei. Seit 1998 bis heute habe sich sein Zustand mit diesen Beschwerden weder verbessert noch verschlechtert. Die vom Kläger berichteten Symptome würden sich auch in zahlreichen neurologischen Befundberichten (Dr. St. 1995, Dr. K. 1996, Dr. B. 1999) widerspiegeln. Diese fachneurologischen und testpsychologischen Befunde seien durchaus typisch für eine lösemittelasoziierte Polyneuropathie und Enzephalopathie. Hier falle auf, dass die Mehrzahl der untersuchenden Neurologen und Psychologen die erwähnten Symptome auf eine Somatisierungsstörung zurückführten. Auch der hiesige Psychologe habe die auffälligen Testbefunde als Folge einer reaktiven Fehlverarbeitung seines Lebensschicksals im Sinne einer Somatisierungsstörung eingestuft. Hier sei nicht auszuschließen, dass eine möglicherweise auffällige Primärpersönlichkeit des Patienten als auch eine Konditionierung durch wiederholte Begutachtungen zu diesen Einschätzungen geführt hätten und von einer doch organischen Genese ablenken würden. Für eine organische Genese sprächen zwei Befunde: Zum einen zeigten wiederholte kranielle Bildgebungen jeweils eine über das Ausmaß hinausgehende innere und äußere Hirnatrophie. Zum anderen zeige sich in ihrem elektrophysiologischen Gutachten eine zentrale Läsion im Hinterstrangsystem (Teil der Substantia alba des Rückenmarks). Das Verteilungsmuster der Hirnatrophie sei charakteristisch für eine lösemittelbedingte Genese und könne somit als Beleg für eine relevante Lösemittelexposition herangezogen werden. Die zentrale Läsion im Hinterstrangsystem könne unterschiedlichste Ursachen haben und müsse nicht zwangsläufig durch eine Lösemittelexposition bedingt sein. Die umfangreichen im Aktenmaterial zum Kläger vorliegenden medizinischen Daten einschließlich klinischer Befunde, Bildgebung und Labor ließen allerdings keine erkennbare andere Differenzialäthiologie erkennen. Hieraus sei zu folgern, dass die klinischen Symptome des Klägers, die cerebrale Atrophie und die Hirnstrangläsion auf eine beruflich-toxische Genese zurückzuführen seien. Die vom Kläger zur Anerkennung gestellte Enzephalopathie sei daher mit ausreichender Sicherheit diagnostisch gesichert. Ob dieses Leiden bereits vor dem 01.11.1992 vorgelegen habe, könne nicht mit ausreichender Sicherheit beantwortet werden, da über den Zeitraum vor 1995 keine exakten medizinischen Daten in der Akte vorlägen. Die aktuelle Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die beim Kläger vorliegende Berufskrankheit Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) sei mit 20% zu beziffern.
Die Beklagte legte zum Gutachten von Prof. Dr. H. die arbeits- und sozialmedizinische beratende Stellungnahme von Prof. Dr. R. vom 07.05.2007 vor. Dazu führte dieser unter Berücksichtigung des Aktenmaterials aus, bislang seien beim Kläger folgende Diagnosen gestellt worden: Chronische Somatisierungsstörung mit diffusen Befindlichkeitsstörungen und Schmerzsyndrom; Fibromyalgie mit polytopem Schmerzsyndrom ohne organisches Korrelat; Hodenseminom (Erstdiagnose 08/1990); degeneratives Schulter-Arm-Syndrom; degenerative Wirbelsäulenerkrankung, insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule; chronische Bronchitis; Coxarthrosen beidseits; Fettstoffwechselstörung; depressive Verstimmung. Unter einer Polyneuropathie werde im Allgemeinen eine periphere Nervenerkrankung unterschiedlicher Äthiologie verstanden, die gleichmäßig oder unterschiedlich motorische, sensible und vegetative Nervenfasern betreffen könne. Als Enzephalopathie würden nicht entzündliche Erkrankungen oder Schädigungen des Gehirns unterschiedlicher Genese bezeichnet. Kernsymptome seien eine verminderte Konzentrationsfähigkeit, Merkschwäche, Schwierigkeiten beim Erfassen und Behalten von Informationen, Antriebs- und Affektstörungen mit Nachlassen von Initiativen, mit erhöhter Reizbarkeit, Verstimmungszuständen und Veränderungen der Primärpersönlichkeit sowie eine außergewöhnliche Ermüdbarkeit oder rasche Erschöpfbarkeit. Zur Diagnosesicherung einer Enzephalopathie seien folgende objektive Symptome und Befunde relevant: Nachweis typischer Kernsymptome, die nicht auf andere Ursachen zurückgeführt werden könnten, typische kognitive Leistungsdefizite und typische Zeichen der organischen Wesensveränderung, Nachweis von Tremor, Attaxie und Koordinationsstörungen. Die Durchsicht der aktenkundigen fachneurologischen und psychiatrischen Untersuchungsbefunde und Bewertungen wiesen auf das Krankheitsbild einer Somatisierungsstörung hin. Die im Gutachten von Prof. Dr. H. vertretene Meinung, dass eine toxische Enzephalopathie vorliege, überrasche. Sowohl nach Würdigung der von Prof. Dr. H. erhobenen Untersuchungsbefunde, aber auch insbesondere unter Berücksichtigung der subjektiven Symptome, des Krankheitsverlaufes und der objektivierten psychologischen, neurologischen und psychiatrischen Befundergebnisse könne die Diagnose sowohl einer Enzephalopathie als auch einer Neuropathie ärztlich nicht überzeugen und es verblieben erhebliche Zweifel. Ein Schaden im Bereich des Nervensystems oder des Gehirns sei durch keines der Untersuchungsergebnisse ohne Zweifel nachgewiesen. Die von Prof. Dr. H. beschriebenen funktionellen und bildgebenden Zusatzuntersuchungen seien aufgrund ihrer geringen Spezifität für sich allein genommen nicht in der Lage, den Beweis für das Vorliegen einer toxischen Enzephalopathie zu liefern. Der aktenkundige Befund einer computertomographischen Untersuchung des Schädels werde anlässlich einer Untersuchung im Kreiskrankenhaus Leonberg erwähnt. Die Seitenventrikel würden als altersbezogen mäßiggradig erweitert und verklumpt beschrieben. Hinweise auf eine Hirnatrophie ließen sich, weder in der Computertomographie vom 15.05.2001 noch in der vom 28.08.1996 feststellen. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des Schädels am 10.03.1999 hätten frontal erweiterte äußere Liquorräume und einen unauffälligen Hirnparenchymbefund ergeben. Diese Befunde könnten nicht als ausreichender Hinweis auf eine toxische Hirnatrophie bewertet werden. Die testpsychologischen Verfahren zeigten insgesamt auch keinen besonders auffälligen Befund, berücksichtige man den langen Verlauf der somatoformen Schmerzstörung. Die vom Kläger beinahe zu allen Untersuchungen immer wieder bis ins kleinste Detail erfolgende genaue Schilderungen der subjektiven Beschwerden über Jahre und Detailerinnerungen an die jahrzehntelang zurückliegenden Expositionsbedingungen sprächen sehr gegen das Vorliegen einer organisch begründeten Hirnleistungsschwäche. Die Bestimmungen der Nervenleitgeschwindigkeiten im Bereich verschiedener motorischer und sensorischer Nerven ergäben keine Hinweise auf das Vorliegen einer Polyneuropathie, sondern zeigten Normalbefunde. Die neurophysiologisch nachweisbare geringgradige Auffälligkeit im Bereich des Hinterstranges mit leichter Reduzierung der sensiblen Amplitude des N. Ulnaris sei auf "einen" sensiblen Nerven begrenzt und könne als mögliche isolierte Schädigung nicht als Polyneuropathie angesehen werden. Die Diagnose einer lösungsmittelinduzierten toxischen Enzephalopathie könne gestellt werden, wenn eine relevante Lösungsmittelexposition vorgelegen habe, Symptome, Zeichen und Ergebnisse von Zusatzuntersuchungen typisch für diese Erkrankung seien und es keine anderen, diese Befunde erklärenden Erkrankungen gebe. Nach Würdigung aller aktenkundigen Untersuchungsbefunde der verschiedenen neurologisch-psychiatrischen Fachgutachter, die im laufenden Verfahren für verschiedene Bereiche der Sozialversicherung tätig geworden seien, könne eine Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 1317 BKV nicht im Sinne eines Vollbeweises gestellt werden. Ein Zusammenhang mit der Tätigkeit im Zeitraum von 1970 bis 1998 sei aus arbeits- und sozialmedizinischer Sicht nicht wahrscheinlich. Auch die Angaben des Versicherten, dass bereits 1970 entsprechende Symptome vorhanden gewesen seien, könne nicht in das Krankheitsbild einer durch Lösungsmittel oder deren Gemische verursachten toxischen Polyneuropathie oder Enzephalopathie eingeordnet werden, da hierfür eine längere Latenzzeit mit einer hohen, relevanten Einwirkung von Gefahrstoffen am Arbeitsplatz erforderlich sei. Insgesamt sprächen keine aktenkundigen Untersuchungsergebnisse und Befunde für das Vorliegen einer lösungsmittelinduzierten toxischen Enzephalopathie. Gegen eine lösungsmittelinduzierte toxische Enzephalopathie sprächen das völlig untypische Krankheitsbild mit in Teilen widersprüchlichen anamnestischen Angaben, die fehlende objektive Untersuchung von Schädigungen im Bereich des Nervensystems und die fehlende Polyneuropathie mit durchgängig normalen Funktionsergebnissen im Bereich des Nervensystems.
Zu den Ausführungen des Prof. Dr. R. nahm Prof. Dr. H. am 17.03.2008 Stellung. Die Ansicht von Prof. Dr. R., Schadstoffmessungen und somit Beweise für eine relevante Schadstoffbelastung lägen nicht vor und demzufolge könne eine Berufskrankheit nicht nachgewiesen werden, klinge zunächst plausibel, da für eine Schadstoffbelastung als auch für die Berufserkrankung selbst positive Beweise gefordert würden. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass der Kläger angegeben habe, seit den Siebziger Jahren seien während der Arbeit in zunehmendem Ausmaß Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Schmerzen am ganzen Körper und Schwindel aufgetreten welche sich anfangs bereits in den Arbeitspausen, dann während des Urlaubs und zuletzt gar nicht mehr zurückgebildet hätten. Diese Aussagen würden von der Ehefrau und den Berichten der behandelnden Ärzte untermauert, weshalb für ihn daher eine relevante Lösemittelbelastung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sei. Wie die klinische Praxis ständig zeige, liefere die kranielle Bildgebung sehr wohl Hinweise auf eine toxische Hirnschädigung. Zahlreiche Substanzen - beispielsweise bestimmte Antiepileptika, Zytostatika, Alkohol oder eben auch Lösemittel - erzeugten teilweise charakteristische Schädigungsmuster in der kraniellen Bildgebung. Die beim Kläger vorliegende Bildgebung passe zu einer lösemittelbedingten Hirnschädigung, beweise allerdings - für sich allein, aus dem Zusammenhang gerissen - eine lösemittelbedingte Hirnschädigung nicht. Auf den weiteren genannten Hinweis für eine zentral-nervöse Schädigung - nämlich die elektrophysiologisch gesicherte Hinterstrangläsion - gehe Prof. Dr. R. gar nicht ein. Angesichts dieser beiden Aspekte - cerebrale Hirnatrophie in der kraniellen Bildgebung und pathologische Elektrophysiologie mit Zeichen einer Hinterstrangläsion - ließe sich eine Affektion des Nervensystems überhaupt nicht bestreiten.
Die Beklagte trat der Klage mit dem Antrag auf Klagabweisung entgegen und führte im Wesentlichen aus, Prof. Dr. R. habe sich sowohl zum Befund der Hirnatrophie als auch zum Befund am Hinterstrang bereits am 07.05.2007 geäußert. Danach bleibe unklar, ob eine Hirnatrophie tatsächlich zu erkennen sei bzw. ob eine Schädigung des Hinterstranges von Krankheitswert überhaupt vorliege. Zeitnah nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit hätten sich jedenfalls beim Versicherten keine derartigen Befunde gefunden.
Mit Urteil vom 14.10.2008 hob das SG den Bescheid vom 27.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2001 auf und verurteilte die Beklagte, beim Kläger eine Berufskrankheit im Sinne von Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen. Auf die Entscheidungsgründe des der Beklagten am 06.11.2008 zugestellten Urteils wird Bezug genommen.
Dagegen hat die Beklagte am 19.11.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, im Falle des Klägers mangele es sowohl am Nachweis des Erkrankungsbildes als auch der schädigenden Einwirkung. Trotz der vielfachen medizinischen Untersuchungen und Begutachtungen lasse sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine toxische Enzephalopathie nicht beweisen. Der Kläger sei seit Meldung der Erkrankung zu verschiedenen Fragestellungen ärztlich begutachtet worden. Wenn diese Begutachtungen auch nach dem Renten- oder Schwerbehindertenrecht erstellt worden seien, so sei ihnen gemeinsam, dass es um die Prüfung und Feststellung von Krankheiten beim Kläger gegangen sei. Dr. Sch., A. für N. und P. sei in seinem Gutachten vom 07.12.1999 zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie nicht zu bestätigen sei. Ein sozialmedizinisches Gutachten von Dr. Sch., I., B., S. vom 09.03.2000 erhebe keine Befunde, die mit der streitbefangenen Berufskrankheit Nr. 1317 der BKV in Zusammenhang gebracht werden könnten. Zum gleichen Schluss komme auch eine gutachtliche Bewertung der Fachärztin für Innere Medizin/Rheumatologie Dr. R. vom 28.05.2000. Am 13.07.2001 sei der Kläger einer weiteren nervenärztlichen Begutachtung unterzogen worden. Der Gutachter Dr. K. komme zu dem Ergebnis, dass Anhaltspunkte für eine hirnorganische Störung nicht zu finden seien. Am 19.01.2006 sei beim Diplom-Psychologen Gerl eine Untersuchung für ein psychologisches Zusatzgutachten erfolgt, bei dem sich kein Hinweis für eine hirnorganisch erworbene Störung der intellektuellen Leistungsfähigkeit ergeben habe. Dies sei dann auch von Dr. G. in seinem Gutachten vom 07.12.2006 übernommen worden. In dem vom SG Stuttgart veranlassten klinisch-psychologischen Zusatzgutachten vom 13.10.2006 habe P. Dr. H., K. für P. und P., H., dargelegt, dass es beim Kläger keine Hinweise auf ein enzephalopathisches Geschehen und auch nicht für eine organische Wesensänderung gebe. Allein P. Dr. H. spreche von einer Enzephalopathie. Danach bleibe aber unklar, ob eine Hirnatrophie auf den bildgebenden Aufnahmen tatsächlich zu erkennen sei bzw. ob eine Schädigung des Hinterstranges von Krankheitswert überhaupt vorliege. Nach alledem könne nicht von einem Krankheitsbild im Sinne der Nr. 1317 der BKV ausgegangen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, das vom SG eingeholte Gutachten des Prof. Dr. H. sei auch nicht ansatzweise anzuzweifeln, zumal der Sachverständige in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmedizin der Universität des Saarlandes (U. Dr. B.) über die hier strittige Fragestellung der Belastung durch organische Lösemittel über grundlegende theoretische Kenntnisse und klinische Erfahrungen verfüge. Da im Übrigen alternative Ursachen, die gemäß ständiger Rechtsprechung des BSG ohnehin im Vollbeweis zu sichern wären, offensichtlich nicht vorlägen, habe kein sachlicher Grund bestanden, die vom Sachverständigen festgestellte Erkrankung des Klägers nicht den Lösemittelbelastungen am Arbeitsplatz zuzuordnen. Dass andere - zuvor bei jeweils anderen Fragestellungen (Rentenverfahren, Schwerbehindertenverfahren usw.) - beauftragte Ärzte eine Enzephalopathie beim Kläger nicht festgestellt hätten, habe das SG in Anbetracht des vorliegenden Grundgutachtens von Prof. Dr. H. zu Recht als unbeachtlich angesehen. Die Behauptung der Beklagten, dass alle anderen den Kläger betreffenden ärztlichen Begutachtungen eine Enzephalopathie nicht festgestellt hätten, sei bezüglich des Gutachters Dr. G., D.-P. G. und der im Rentenverfahren beauftragten Neurologin Dr. G.-P. falsch. Letztgenannte habe in ihrem von der Deutschen Rentenversicherung veranlassten Gutachten vom 13.08.2006 den dringenden Verdacht auf toxische Enzephalopathie nach langjähriger Exposition, eine toxische Polyneuropathie sowie eine somatoforme Schmerzstörung bestätigt. Da letztendlich unstreitig alternative Ursachen nicht vorlägen, komme nur das Gutachten des Gerichtssachverständigen P. Dr. H. als Entscheidungsgrundlage in Betracht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Stuttgart und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache auch begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.03.2001, mit dem die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV und die Gewährung von Rente hierfür abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Senat lässt dahinstehen, ob die ursprünglich erhobene Klage mit dem Begehren, - irgend eine - Berufskrankheit anzuerkennen, mangels hinreichender Bestimmtheit zulässig war, denn im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens ist das Begehren dahingehend konkretisiert worden, eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 (gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) festzustellen. Über dieses Begehren hat die Beklagte auch mit dem angefochtenen Bescheid konkludent entschieden, denn jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 19.06.2001 ist ausgeführt, dass u. a. eine Polyneuropathie und Enzephalopathie geltend gemacht werde, die vorliegende massive seelische Beeinträchtigung im Sinne einer Konversionsneurose jedoch nicht beruflich bedingt sei.
Ein Anspruch auf Feststellung der begehrten Berufskrankheit besteht jedoch nicht.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). In Nr. 1317 der Anlage zur BKV ist als Erkrankung aufgeführt die Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit bemisst sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Diese gesetzlichen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Krankheit des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV sind vorliegend nicht erfüllt.
Eine Polyneuropathie liegt beim Kläger nicht vor. Davon gehen übereinstimmend sämtliche gehörten Ärzte aus. Soweit P. Dr. H. eine zentral-nervöse Schädigung durch die von ihm diagnostizierte Hinterstrangläsion (vgl. u. a. seine ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 17.03.2008) bejaht, ist nicht ersichtlich, inwieweit damit auch das klinische Bild einer Polyneuropathie verbunden sein soll, um die Diagnose einer Polyneuropathie zu rechtfertigen. P. Dr. H. hat in seinem Gutachten keine das periphere Nervensystem betreffenden funktionelle Ausfälle beschrieben, denn Motorik, Reflexe, Koordination und Sensibilität waren mit Ausnahme einer angegebenen Hyperpathie am gesamten Integument ohne Auffälligkeiten.
Aber auch das andere Krankheitsbild der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV, nämlich eine Enzephalopathie, liegt beim Kläger nicht vor. Soweit P. Dr. H. zu dem Ergebnis gelangt ist, die vom Kläger zur Anerkennung gestellte Enzephalopathie sei mit ausreichender Sicherheit diagnostisch gesichert, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Aus den von P. Dr. H. hierfür angeführten zwei Begründungen - cerebrale Hirnatrophie in der kraniellen Bildgebung und pathologische Elektrophysiologie mit Zeichen einer Hinterstrangläsion - ergibt sich nach Überzeugung des Senats nicht der erforderliche Nachweis des Vorliegens des Krankheitsbildes der Enzephalopathie. Wie P. Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.03.2008 auch eingeräumt hat, beweist die beim Kläger von ihm festgestellte cerebrale Hirnatrophie in der kraniellen Bildgebung für sich allein, aus dem Zusammenhang gerissen, eine lösemittelbedingte Hirnschädigung nicht. Zu berücksichtigen sind demgegenüber nach Auffassung des Senats vielmehr auch diejenigen Umstände, die gegen eine Enzephalopathie sprechen. Dies sind zum einen durchgängig normale Funktionsergebnisse im Bereich des Nervensystems. Im klinisch-psychologischen Zusatzgutachten vom 13.10.2006 haben Dr. phil. Dipl.-Psych. W. und D.-P. O. dargelegt, dass die testmäßig erfassten Leistungsbeeinträchtigungen nur geringgradig und auch nicht durchgängig beim Kläger sind, insbesondere was den Bereich der Merkfähigkeit anbelangt. Die Schilderung von Alltagstätigkeiten oder der recht genaue Bericht über die Herfahrt zur Untersuchung sprechen auch nach Überzeugung des Senats gegen die Annahme einer Enzephalopathie. Die Merkfähigkeit ist danach beim Kläger gut erhalten, was auch von anderen Ärzten unterstrichen wird. So ist auch im neurologisch-psychiatrischen Gutachten durch Dr. Sch. vom 07.12.1999 niedergelegt, dass das Auffassungs-, Konzentrations-, Merk- und Umstellungsvermögen beim Kläger in der Untersuchungssituation für durchschnittliche Anforderungen ausreichend gewesen ist. Auch Dr. Schüssler ist zu dem Ergebnis gelangt, dass - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass körperlich-neurologisch keine krankhaften Veränderungen gefunden worden sind - Anhaltspunkte für eine Enzephalopathie nicht vorliegen. Ein Schaden im Bereich des Nervensystems oder des Gehirns ist durch keines der Untersuchungsergebnisse ohne Zweifel nachgewiesen worden ist. Die von P. Dr. H. beschriebenen funktionellen und bildgebenden Zusatzuntersuchungen sind aufgrund ihrer geringen Spezifität für sich allein genommen nicht in der Lage, den Beweis für das Vorliegen einer toxischen Enzephalopathie zu liefern, was P. Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme im Ergebnis auch eingeräumt hat. Sowohl der aktenkundige Befund der computertomographischen Untersuchung des Gehirnschädels im Kreiskrankenhaus Leonberg (Entlassungsbericht des K. L. vom 16.07.2001, S. 189/190 der SG-Akte) als auch der Computertomographie vom 15.05.2001 und der vom 28.08.1996 als auch das MRT des Schädels vom 10.03.1999 (Befundbericht des Krankenhauses Sindelfingen vom 26.06.2001, S. 190 R/192R der SG-Akte) haben keine ausreichenden Hinweise auf eine toxische Hirnatrophie ergeben. Entgegen der Bewertung von P. Dr. H. haben daher mehrere Ärzte unabhängig voneinander in der kraniellen Bildgebung keinen altersunangemessenen auffälligen Befund erkannt. Gerade die von P. Dr. H. wegen geringer Spezifität der bildgebenden Schädelbefunde geforderten weiteren Hinweise für eine organische Hirnschädigung liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. P. Dr. H. hat den neurologischen Status der Hirnnerven I bis XII erhoben und hierbei keine Auffälligkeiten festgestellt. Der gesamte Krankheitsverlauf spricht entgegen der Auffassung von P. Dr. H. sehr deutlich für das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung mit polytopem Schmerzsyndrom ohne Nachweis eines organischen Korrelats. Insbesondere die Beschwerden und Schmerzsymptome in vielen Körperorganbereichen sprechen gegen das Vorliegen einer Enzephalopathie. Dementsprechend ist auch außer der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung die einer Fibromyalgie, nicht aber die einer Enzephalopathie gestellt worden. Die von P. Dr. H. angenommene Hinterstrangläsion, die er nicht direkt nachgewiesen, sondern aus der divergierenden Reizantwort der Tibialis-Stimulation links und rechts bei ansonsten regelrechter Neurographie der unteren Extremitäten geschlossen hat, wäre eine Schädigung des Rückenmarks, die eine Atrophie des Gehirns nicht belegt und im übrigen, wie auch P. Dr. H. selbst einräumt, nicht zwingend durch eine Lösemittelexposition bedingt sein muss. Gegen eine hirnorganische Ursache der vom Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit sprechen darüber hinaus die testpsychologischen Beurteilungen der D.-P. G. (Gutachten vom 19.01.2006) und Dr.W. (Gutachten vom 13.10.2006), die übereinstimmend keine Hinweise auf ein enzephalopathisches Geschehen, insbesondere auch nicht auf eine toxische Enzephalopathie, fanden. Dipl. P. G. stützte seine Einschätzung u. a. auf das Ergebnis des für hirnorganisch verursachte Störungen besonders empfindlichen Bentontests. Soweit Dr. G. daher auch unter Berufung auf das Gutachten von D.-P. G. eine "organische Persönlichkeitsstörung" bejaht, ist dies wenig überzeugend. Im Ergebnis mit Diplom-Psychologen Gerl übereinstimmend beurteilte Dr. W. anhand der von ihm durchgeführten psychologischen Testverfahren die erkennbaren Leistungsbeeinträchtigungen als nur geringgradig und nicht durchgängig, zumal keine Beeinträchtigungen im Bereich der Merkfähigkeit bestanden. Aus dem gewonnenen Persönlichkeitsprofil schloss Dr. W. überzeugend auf eine reaktive Fehlverarbeitung seines Lebensschicksals durch den Kläger, das Krankheitsbild einer enzephalopathisch verursachten Leistungsstörung vermochte er nicht zu erkennen.
Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass beim Kläger das zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV erforderliche Krankheitsbild einer Enzephalopathie mit dem hierfür erforderlichen Vollbeweis nicht vorliegt, weshalb der Senat dahingestellt sein lassen kann, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen in Form der erforderlichen Lösungsmittelexposition überhaupt erfüllt sind.
Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat nicht veranlasst. Ob die beratungsärztliche Stellungnahme von P. Dr. R. unter Berücksichtigung der Grundsätze des Bundessozialgerichts im Urteil vom 05.02.2008 (B 2 U 8/07 R, veröffentlicht in Juris) verwertbar ist, konnte dahinstehen. Der Senat hat seine Entscheidung nicht auf die Beurteilung von P. Dr. R. gestützt, sondern, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, andere der umfangreichen aktenkundigen ärztlichen Äußerungen, soweit sie überzeugend waren, verwertet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV, Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) vorliegt.
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 16.10.1999 an die Beklagte und teilte ihr mit, seine Erkrankungen führe er auf die ständigen Einflüsse von organischen Lösemitteldämpfen am Arbeitsplatz zurück. Er sei 28 Jahre als Elektromeister in der L. V. GmbH & Co. KG in K.-M. tätig gewesen. 1990 nach zwei Explosionen in diesem Betrieb sei er an Hodenseminom erkrankt. Seit dieser Zeit gehe es ihm sehr schlecht. Er habe verstärkt Schmerzen am ganzen Körper (Fibromyalgie wurde diagnostiziert) sowie ständig starke Kopfschmerzen (Polyneuropathie sowie Enzephalopathie). Bei Herrn Dr. B., T., sei er gewesen und dieser werde die Meldung auf Verdacht des Vorliegens einer Berufserkrankung aus medizinischer Sicht vornehmen.
Mit Schreiben vom 27.03.2000 stellte der Nervenarzt Dr. B., T., folgende Diagnose: Polyneuropathie, Ataxie, Schmerzzustände der gesamten Körpermuskulatur, deutliche Leistungsminderung, deutliche Störungen der Hirnperfusion im SPECT nach langjähriger toxischer Belastung, insbesondere 28 Jahre in einer L. Die Schäden seien über die lange Expositionszeit noch relativ gering, weil der Kläger sonst immer sehr kontrolliert und naturnah gelebt habe, was er auch heute noch tue.
Ergänzend gab der Kläger an, er sei bei der Fa. V. von April 1970 bis Dezember 1998 als Elektromeister beschäftigt gewesen. 1991 sei er an Hodenkrebs erkrankt und außerdem habe man bei ihm eine Polyneuropathie und eine Enzephalopathie festgestellt.
Die Beklagte holte die arbeitsmedizinische beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 29.08.2000 ein. Darin führte dieser aus, aufgrund der vielfältig angegebenen Expositionen und der Befundbeschreibung von Dr. B. käme zumindest eine BK 1317 (Enzephalopathie oder Polyneuropathie) infrage. Außerdem werde von F. Dr. E. C., HNO-Ä. in B. K., eine beim Kläger diagnostizierte Störung des Gleichgewichtsorgans mit einer Lösemittelexposition in Zusammenhang gebracht. Sie spreche von einer multisensorischen neuroortologischen Funktionsstörung bei peripher vestibulärer Gleichgewichtsfunktionsstörung. Auch dieses ließe sich möglicherweise in den Komplex der BK 1317 einordnen. Er empfehle weitere ärztliche Unterlagen anzufordern und halte die Expositionsseite für weiter abklärungswürdig.
Die Beklagte zog verschiedene Arztberichte bei und beauftragte P. Dr. K. M., e.m. Ä. D. der N. P. und Abt. N. der U. T. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser teilte der Beklagten am 23.01.2001 mit, er habe entsprechend dem Gutachtensauftrag den Kläger zum 22.01.2001 zu einer Untersuchung einbestellt. Der Kläger sei zu dieser Untersuchung nicht erschienen. Er habe sich auch nicht abgemeldet. Die geplanten Untersuchungen hätten daher nicht durchgeführt werden können.
Mit Bescheid vom 27.03.2001 versagte die Beklagte dem Kläger alle ihm wegen der von ihm vorgebrachten Erkrankungen (z.B. Hodenkrebs, Polyneuropathie, Enzephalopathie) eventuell zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) VII gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in voller Höhe. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beklagte habe versucht zu klären, ob beim Kläger eine beruflich bedingte Erkrankung vorliege und ob Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen seien. Der Kläger sei daher gebeten worden, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, da diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sei. Mit dieser Untersuchung sei Prof. Dr. med. Dr. phil. K. M., T. beauftragt worden. Die am 22.01.2001 geplante Untersuchung habe der Kläger jedoch nicht wahrgenommen. Da lediglich zumutbare Untersuchungsmaßnahmen zur Anwendung kämen, seien die Grenzen der Mitwirkung nicht überschritten. Trotz Aufklärung über die Mitwirkungspflichten und über die Folgen der fehlenden Mitwirkung habe der Kläger seine Bereitschaft zur Mitwirkung bislang nicht gezeigt. Bei dieser Sachlage sei bis zu einer Nachholung der Mitwirkung eine Entscheidung über das Vorliegen einer beruflich bedingten Erkrankung nicht möglich. Da ein Rechtsgrund zur Erbringung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vorliege, seien diese in voller Höhe zu versagen.
Dagegen legte der Kläger am 09.04.2001 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, in der Anlage werde eine Kopie des orthopädisch-rheumathologischenGutachtens des Dr. B. vom 11.01.2001 vorgelegt, welches vom Sozialgericht Stuttgart im Rentenverfahren wegen Erwerbsunfähigkeit eingeholt worden sei. Es lägen umfangreiche Befunde vor und es sei ihm nicht erfindlich, weshalb Prof. Dr. M. zur "Diagnosefindung" beauftragt werden solle. Sollte aus Sicht der Beklagten ein bestimmter Befund fehlen, könne dieser nachgereicht bzw. durch Untersuchungen bei Ärzten beschafft werden, bei denen er in Behandlung gestanden habe. Seiner Mitwirkungspflicht sei er in vollem Umfang nachgekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2001 wurde der Bescheid vom 27.03.2001 insoweit abgeändert, als Leistungen wegen einer eventuell vorliegenden Berufskrankheit nach der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) nicht mehr versagt, sondern abgelehnt wurden. Zur Begründung wurde ausgeführt, auch wenn der Kläger an einer Untersuchung bei Prof. Dr. M. weiterhin nicht teilgenommen habe, so könne aufgrund des orthopädisch-rheumatologischen Gutachtens von Dr. B., das der Kläger mit seinem Widerspruch vorgelegt habe, nunmehr über die Berufskrankheit entschieden werden. Durch das Einreichen des ärztlichen Gutachtens von Dr. B. sei der Kläger insoweit seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen, sodass ein Versagungsgrund nicht mehr vorliege. Aufgrund des Gutachtens von Dr. B. sei davon auszugehen, dass beim Kläger ein Zustand nach ausgeheiltem Hodentumor vorliege. Ferner seien beim Kläger geringgradige degenerative Bewegungseinschränkungen an der Wirbelsäule, an beiden Schultergelenken sowie an den Hüftgelenken festgestellt worden. Sowohl der Hodentumor als auch die geringgradigen degenerativen Bewegungseinschränkungen seien nicht als beruflich bedingt anzusehen. Es handele sich bei diesen Erkrankungen um anlagebedingte Beeinträchtigungen, bei denen Anhaltspunkte für eine berufliche Verursachung nicht vorlägen. Daneben liege beim Kläger eine massive seelische Beeinträchtigung im Sinne einer Konversionsneurose vor.
Dagegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 02.07.2001 Klage zur Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 27.03.2001 in Form des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2001 aufzuheben und die Berufskrankheit des Klägers anzuerkennen.
Mit dem Einverständnis des Klägers holte das SG den Befundbericht des ihn behandelnden Arztes für Innere Medizin/Umweltmedizin Dr. H.-A. M., G. vom 01.10.2004 ein. Darin teilte dieser mit, der Kläger habe sich ihm erstmals am 08.03.2002 vorgestellt und der letzte Kontakt habe am 21.09.2004 stattgefunden. Beim Kläger lägen zwei angeborene Veränderungen vor, wodurch es zu einer deutlichen Verschlechterung der Entgiftungskapazität des Körpers komme, insbesondere was chemische Substanzen wie Lösungsmittel etc. als auch was eine chronische Schwermetallbelastung betreffe. Der Schwerpunkt des Leidens liege eindeutig auf dem umweltmedizinischen Fachgebiet und sei nur zu verstehen unter Hinzuziehung von Ärzten, die eine umweltmedizinische Ausbildung besäßen bzw. über entsprechende Spezialkenntnisse und Erfahrungen verfügten.
Auf Anfrage des SG teilte Prof. Dr. M., H. mit Schreiben vom 15.03.2005 mit, vorliegend sollte, bevor die Berufsgenossenschaft zur Abklärung einer geltend gemachten Berufskrankheit Auskünfte von Ärzten einhole, geprüft werden, ob überhaupt eine entsprechende Exposition bestanden habe; außerdem sei gutachtlich abzuklären, ob eine toxische Enzephalopathie bzw. Polyneuropathie vorliege.
Das SG zog das im Schwerbehindertenverfahren vom SG Stuttgart (S 13 SB 4875/04) eingeholte Gutachten des Prof. Dr. S., Arzt für A., U., U. vom 27.07.2005 bei. Darin gelangte dieser zu dem Ergebnis, der Kläger leide an einer anhaltenden mittelschweren somatoformen Schmerzstörung (seelische Störung) mit multiplen Organmanifestationen, die behandlungsbedürftig sei. Der Grad der Behinderung (GdB) werde mit 50 eingeschätzt. Der Zustand nach erfolgreicher Behandlung des Hodentumors habe keine Auswirkungen mehr.
Anschließend beauftragte das SG Prof. Dr. Z., Neurologe und Psychiater vom Universitätskrankenhaus Eppendorf mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser gab jedoch die Akten zurück und empfahl, einen Arbeitsmediziner mit der Untersuchung und Erstattung des Gutachtens zu beauftragen.
Mit Schreiben vom 01.12.2005 teilte das SG dem Bevollmächtigten des Klägers mit, nach einem telefonischen Gespräch mit Prof. Dr. Z., H., sei beabsichtigt, den Gutachtensauftrag an Prof. Dr. H. umzuschreiben. Der Bevollmächtigte des Klägers möge dem Gericht die genaue Anschrift von Prof. Dr. H. mitteilen und vorher mit Prof. Dr. H. abklären, ob dieser zur Übernahme des Gutachtensauftrages bereit sei.
Nach Erledigung durch den Bevollmächtigten des Klägers bestellte das SG nunmehr Prof. Dr. H., L. O. der N. K. und U. d. S., H./S. zum gerichtlichen Sachverständigen.
Anschließend zog das SG das im Schwerbehindertenverfahren vom SG (S 19 SB 4875/04) eingeholte psychiatrisch-psychologische Gutachten der Dr. G., V. vom 07.02.2006 bei. Darin kam diese zu dem Ergebnis, der Kläger leide im psychiatrischen Bereich an einer organischen Persönlichkeitsstörung, mittelgradigen Depression und posttraumatischen Belastungsstörung. Die Behinderungen seien wie folgt zu bezeichnen: Zentrale vegetative Störung als Ausdruck eines Hirndauerschadens mittelgradiger Ausprägung, lang anhaltende Depression mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Der Gesamt-GdB betrage 70 seit 2004. Außerdem wurde das psychologische Zusatzgutachten aus dem Schwerbehindertenverfahren S 19 SB 4875/04 des Diplom-Psychologen W.-D. G. vom 19.01.2006 (keine hirnorganisch erworbene Störung) beigezogen.
Mit Ergänzungsbeschluss vom 19.06.2006 wurden Privatdozent Dr. U. D. für das Fachgebiet Neurophysiologie und Prof. Dr. W. R. für das Fachgebiet Neuroradiologie zu weiteren Sachverständigen bestellt und um die Erstattung von Zusatzgutachten gebeten.
Der Hauptgutachter Prof. Dr. H. von der Nervenklinik und Polyklinik, Neurologie des Universitätsklinikums des Saarlandes legte sein Gutachten mit Datum 01.08.2006 vor, das aufgrund der eingehenden ambulanten neurologischen Untersuchung des Klägers vom 26.06.2006 sowie dem elektrophysiologischen Zusatzgutachten vom 26.06.2006 und dem klinisch-psychologischen Zusatzgutachten vom 29.09.2006 erstellt worden war und das am 11.01.2007 beim SG einging. Dr. phil.-Dipl.-Psych. H. W., der in Zusammenarbeit mit der Kl. P. S. O. das klinisch-psychologische Zusatzgutachten vom 13.10.2006 erstattete, führte in diesem Gutachten aus, es habe eine eingehende klinisch-psychologische Exploration sowie eine testpsychologische Untersuchung mit zahlreichen Testverfahren stattgefunden. Das Ergebnis der Überprüfung der aktuellen intellektuellen Leistungsfähigkeit liege unterhalb der Erwartung aufgrund des beruflichen Werdegangs. Der Kläger arbeite durchgängig sehr langsam, was diesen Eindruck noch verstärke. Dennoch seien die testmäßig erfassten Leistungsbeeinträchtigungen nur geringgradig und auch nicht durchgängig, zumal nicht im Bereich der Merkfähigkeit. Aber auch z.B. die Schilderung von Alltagstätigkeiten oder der recht genaue Bericht über die Herfahrt sprächen gegen die vom Kläger selbst reklamierte Enzephalopathie. Aus allem sei zu schließen, dass der Kläger sicherlich nicht bewusst simuliere. Es sei aber davon auszugehen, dass er aggravierend wohl weniger bewusstseinsnah deutlich mache, dass er leide und dass es ihm schlecht gehe. Aus den Befunden der Exploration und des Persönlichkeitsfragebogens ergebe sich aus klinisch-psychologischer Sicht ein klarer Hinweis auf eine reaktive Fehlverarbeitung des Lebensschicksals des Klägers im Sinne einer Somatisierungsstörung. Es gebe jedoch keine Hinweise auf ein enzephalopathisches Geschehen und damit auch nicht auf eine toxische Enzephalopathie. Aber auch eine organische Wesensänderung lasse sich nicht begründen.
Prof. Dr. H. führte in seinem Gutachten vom 01.08.2006 aus, über die Angaben des Klägers hinaus fänden sich in dem umfangreichen Aktenmaterial keine eingehenderen Angaben über eine mögliche Lösemittelexposition des Klägers während seiner Arbeitszeit in den Jahren 1970 bis 1998 bei der L. V. in K.-M., was die Beurteilung des Sachverhalts erschwere. Die Angaben des Klägers würden auf eine toxikologisch relevante beruflich bedingte Lösemittelexposition hindeuten. Der Kläger habe angegeben, seit den Siebziger Jahren seien während der Arbeit in zunehmendem Ausmaß Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Schmerzen am ganzen Körper und Schwindel aufgetreten, welche in Arbeitspausen und im Urlaub zunächst nachgelassen hätten, dann aber in einen Dauerzustand übergegangen seien. Seit 1970 sei er zunehmend reizbarer und unausgeglichener gewesen, was von der anwesenden Ehefrau bestätigt worden sei. Seit 1998 bis heute habe sich sein Zustand mit diesen Beschwerden weder verbessert noch verschlechtert. Die vom Kläger berichteten Symptome würden sich auch in zahlreichen neurologischen Befundberichten (Dr. St. 1995, Dr. K. 1996, Dr. B. 1999) widerspiegeln. Diese fachneurologischen und testpsychologischen Befunde seien durchaus typisch für eine lösemittelasoziierte Polyneuropathie und Enzephalopathie. Hier falle auf, dass die Mehrzahl der untersuchenden Neurologen und Psychologen die erwähnten Symptome auf eine Somatisierungsstörung zurückführten. Auch der hiesige Psychologe habe die auffälligen Testbefunde als Folge einer reaktiven Fehlverarbeitung seines Lebensschicksals im Sinne einer Somatisierungsstörung eingestuft. Hier sei nicht auszuschließen, dass eine möglicherweise auffällige Primärpersönlichkeit des Patienten als auch eine Konditionierung durch wiederholte Begutachtungen zu diesen Einschätzungen geführt hätten und von einer doch organischen Genese ablenken würden. Für eine organische Genese sprächen zwei Befunde: Zum einen zeigten wiederholte kranielle Bildgebungen jeweils eine über das Ausmaß hinausgehende innere und äußere Hirnatrophie. Zum anderen zeige sich in ihrem elektrophysiologischen Gutachten eine zentrale Läsion im Hinterstrangsystem (Teil der Substantia alba des Rückenmarks). Das Verteilungsmuster der Hirnatrophie sei charakteristisch für eine lösemittelbedingte Genese und könne somit als Beleg für eine relevante Lösemittelexposition herangezogen werden. Die zentrale Läsion im Hinterstrangsystem könne unterschiedlichste Ursachen haben und müsse nicht zwangsläufig durch eine Lösemittelexposition bedingt sein. Die umfangreichen im Aktenmaterial zum Kläger vorliegenden medizinischen Daten einschließlich klinischer Befunde, Bildgebung und Labor ließen allerdings keine erkennbare andere Differenzialäthiologie erkennen. Hieraus sei zu folgern, dass die klinischen Symptome des Klägers, die cerebrale Atrophie und die Hirnstrangläsion auf eine beruflich-toxische Genese zurückzuführen seien. Die vom Kläger zur Anerkennung gestellte Enzephalopathie sei daher mit ausreichender Sicherheit diagnostisch gesichert. Ob dieses Leiden bereits vor dem 01.11.1992 vorgelegen habe, könne nicht mit ausreichender Sicherheit beantwortet werden, da über den Zeitraum vor 1995 keine exakten medizinischen Daten in der Akte vorlägen. Die aktuelle Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die beim Kläger vorliegende Berufskrankheit Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) sei mit 20% zu beziffern.
Die Beklagte legte zum Gutachten von Prof. Dr. H. die arbeits- und sozialmedizinische beratende Stellungnahme von Prof. Dr. R. vom 07.05.2007 vor. Dazu führte dieser unter Berücksichtigung des Aktenmaterials aus, bislang seien beim Kläger folgende Diagnosen gestellt worden: Chronische Somatisierungsstörung mit diffusen Befindlichkeitsstörungen und Schmerzsyndrom; Fibromyalgie mit polytopem Schmerzsyndrom ohne organisches Korrelat; Hodenseminom (Erstdiagnose 08/1990); degeneratives Schulter-Arm-Syndrom; degenerative Wirbelsäulenerkrankung, insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule; chronische Bronchitis; Coxarthrosen beidseits; Fettstoffwechselstörung; depressive Verstimmung. Unter einer Polyneuropathie werde im Allgemeinen eine periphere Nervenerkrankung unterschiedlicher Äthiologie verstanden, die gleichmäßig oder unterschiedlich motorische, sensible und vegetative Nervenfasern betreffen könne. Als Enzephalopathie würden nicht entzündliche Erkrankungen oder Schädigungen des Gehirns unterschiedlicher Genese bezeichnet. Kernsymptome seien eine verminderte Konzentrationsfähigkeit, Merkschwäche, Schwierigkeiten beim Erfassen und Behalten von Informationen, Antriebs- und Affektstörungen mit Nachlassen von Initiativen, mit erhöhter Reizbarkeit, Verstimmungszuständen und Veränderungen der Primärpersönlichkeit sowie eine außergewöhnliche Ermüdbarkeit oder rasche Erschöpfbarkeit. Zur Diagnosesicherung einer Enzephalopathie seien folgende objektive Symptome und Befunde relevant: Nachweis typischer Kernsymptome, die nicht auf andere Ursachen zurückgeführt werden könnten, typische kognitive Leistungsdefizite und typische Zeichen der organischen Wesensveränderung, Nachweis von Tremor, Attaxie und Koordinationsstörungen. Die Durchsicht der aktenkundigen fachneurologischen und psychiatrischen Untersuchungsbefunde und Bewertungen wiesen auf das Krankheitsbild einer Somatisierungsstörung hin. Die im Gutachten von Prof. Dr. H. vertretene Meinung, dass eine toxische Enzephalopathie vorliege, überrasche. Sowohl nach Würdigung der von Prof. Dr. H. erhobenen Untersuchungsbefunde, aber auch insbesondere unter Berücksichtigung der subjektiven Symptome, des Krankheitsverlaufes und der objektivierten psychologischen, neurologischen und psychiatrischen Befundergebnisse könne die Diagnose sowohl einer Enzephalopathie als auch einer Neuropathie ärztlich nicht überzeugen und es verblieben erhebliche Zweifel. Ein Schaden im Bereich des Nervensystems oder des Gehirns sei durch keines der Untersuchungsergebnisse ohne Zweifel nachgewiesen. Die von Prof. Dr. H. beschriebenen funktionellen und bildgebenden Zusatzuntersuchungen seien aufgrund ihrer geringen Spezifität für sich allein genommen nicht in der Lage, den Beweis für das Vorliegen einer toxischen Enzephalopathie zu liefern. Der aktenkundige Befund einer computertomographischen Untersuchung des Schädels werde anlässlich einer Untersuchung im Kreiskrankenhaus Leonberg erwähnt. Die Seitenventrikel würden als altersbezogen mäßiggradig erweitert und verklumpt beschrieben. Hinweise auf eine Hirnatrophie ließen sich, weder in der Computertomographie vom 15.05.2001 noch in der vom 28.08.1996 feststellen. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des Schädels am 10.03.1999 hätten frontal erweiterte äußere Liquorräume und einen unauffälligen Hirnparenchymbefund ergeben. Diese Befunde könnten nicht als ausreichender Hinweis auf eine toxische Hirnatrophie bewertet werden. Die testpsychologischen Verfahren zeigten insgesamt auch keinen besonders auffälligen Befund, berücksichtige man den langen Verlauf der somatoformen Schmerzstörung. Die vom Kläger beinahe zu allen Untersuchungen immer wieder bis ins kleinste Detail erfolgende genaue Schilderungen der subjektiven Beschwerden über Jahre und Detailerinnerungen an die jahrzehntelang zurückliegenden Expositionsbedingungen sprächen sehr gegen das Vorliegen einer organisch begründeten Hirnleistungsschwäche. Die Bestimmungen der Nervenleitgeschwindigkeiten im Bereich verschiedener motorischer und sensorischer Nerven ergäben keine Hinweise auf das Vorliegen einer Polyneuropathie, sondern zeigten Normalbefunde. Die neurophysiologisch nachweisbare geringgradige Auffälligkeit im Bereich des Hinterstranges mit leichter Reduzierung der sensiblen Amplitude des N. Ulnaris sei auf "einen" sensiblen Nerven begrenzt und könne als mögliche isolierte Schädigung nicht als Polyneuropathie angesehen werden. Die Diagnose einer lösungsmittelinduzierten toxischen Enzephalopathie könne gestellt werden, wenn eine relevante Lösungsmittelexposition vorgelegen habe, Symptome, Zeichen und Ergebnisse von Zusatzuntersuchungen typisch für diese Erkrankung seien und es keine anderen, diese Befunde erklärenden Erkrankungen gebe. Nach Würdigung aller aktenkundigen Untersuchungsbefunde der verschiedenen neurologisch-psychiatrischen Fachgutachter, die im laufenden Verfahren für verschiedene Bereiche der Sozialversicherung tätig geworden seien, könne eine Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 1317 BKV nicht im Sinne eines Vollbeweises gestellt werden. Ein Zusammenhang mit der Tätigkeit im Zeitraum von 1970 bis 1998 sei aus arbeits- und sozialmedizinischer Sicht nicht wahrscheinlich. Auch die Angaben des Versicherten, dass bereits 1970 entsprechende Symptome vorhanden gewesen seien, könne nicht in das Krankheitsbild einer durch Lösungsmittel oder deren Gemische verursachten toxischen Polyneuropathie oder Enzephalopathie eingeordnet werden, da hierfür eine längere Latenzzeit mit einer hohen, relevanten Einwirkung von Gefahrstoffen am Arbeitsplatz erforderlich sei. Insgesamt sprächen keine aktenkundigen Untersuchungsergebnisse und Befunde für das Vorliegen einer lösungsmittelinduzierten toxischen Enzephalopathie. Gegen eine lösungsmittelinduzierte toxische Enzephalopathie sprächen das völlig untypische Krankheitsbild mit in Teilen widersprüchlichen anamnestischen Angaben, die fehlende objektive Untersuchung von Schädigungen im Bereich des Nervensystems und die fehlende Polyneuropathie mit durchgängig normalen Funktionsergebnissen im Bereich des Nervensystems.
Zu den Ausführungen des Prof. Dr. R. nahm Prof. Dr. H. am 17.03.2008 Stellung. Die Ansicht von Prof. Dr. R., Schadstoffmessungen und somit Beweise für eine relevante Schadstoffbelastung lägen nicht vor und demzufolge könne eine Berufskrankheit nicht nachgewiesen werden, klinge zunächst plausibel, da für eine Schadstoffbelastung als auch für die Berufserkrankung selbst positive Beweise gefordert würden. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass der Kläger angegeben habe, seit den Siebziger Jahren seien während der Arbeit in zunehmendem Ausmaß Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Schmerzen am ganzen Körper und Schwindel aufgetreten welche sich anfangs bereits in den Arbeitspausen, dann während des Urlaubs und zuletzt gar nicht mehr zurückgebildet hätten. Diese Aussagen würden von der Ehefrau und den Berichten der behandelnden Ärzte untermauert, weshalb für ihn daher eine relevante Lösemittelbelastung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sei. Wie die klinische Praxis ständig zeige, liefere die kranielle Bildgebung sehr wohl Hinweise auf eine toxische Hirnschädigung. Zahlreiche Substanzen - beispielsweise bestimmte Antiepileptika, Zytostatika, Alkohol oder eben auch Lösemittel - erzeugten teilweise charakteristische Schädigungsmuster in der kraniellen Bildgebung. Die beim Kläger vorliegende Bildgebung passe zu einer lösemittelbedingten Hirnschädigung, beweise allerdings - für sich allein, aus dem Zusammenhang gerissen - eine lösemittelbedingte Hirnschädigung nicht. Auf den weiteren genannten Hinweis für eine zentral-nervöse Schädigung - nämlich die elektrophysiologisch gesicherte Hinterstrangläsion - gehe Prof. Dr. R. gar nicht ein. Angesichts dieser beiden Aspekte - cerebrale Hirnatrophie in der kraniellen Bildgebung und pathologische Elektrophysiologie mit Zeichen einer Hinterstrangläsion - ließe sich eine Affektion des Nervensystems überhaupt nicht bestreiten.
Die Beklagte trat der Klage mit dem Antrag auf Klagabweisung entgegen und führte im Wesentlichen aus, Prof. Dr. R. habe sich sowohl zum Befund der Hirnatrophie als auch zum Befund am Hinterstrang bereits am 07.05.2007 geäußert. Danach bleibe unklar, ob eine Hirnatrophie tatsächlich zu erkennen sei bzw. ob eine Schädigung des Hinterstranges von Krankheitswert überhaupt vorliege. Zeitnah nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit hätten sich jedenfalls beim Versicherten keine derartigen Befunde gefunden.
Mit Urteil vom 14.10.2008 hob das SG den Bescheid vom 27.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2001 auf und verurteilte die Beklagte, beim Kläger eine Berufskrankheit im Sinne von Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen. Auf die Entscheidungsgründe des der Beklagten am 06.11.2008 zugestellten Urteils wird Bezug genommen.
Dagegen hat die Beklagte am 19.11.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, im Falle des Klägers mangele es sowohl am Nachweis des Erkrankungsbildes als auch der schädigenden Einwirkung. Trotz der vielfachen medizinischen Untersuchungen und Begutachtungen lasse sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine toxische Enzephalopathie nicht beweisen. Der Kläger sei seit Meldung der Erkrankung zu verschiedenen Fragestellungen ärztlich begutachtet worden. Wenn diese Begutachtungen auch nach dem Renten- oder Schwerbehindertenrecht erstellt worden seien, so sei ihnen gemeinsam, dass es um die Prüfung und Feststellung von Krankheiten beim Kläger gegangen sei. Dr. Sch., A. für N. und P. sei in seinem Gutachten vom 07.12.1999 zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie nicht zu bestätigen sei. Ein sozialmedizinisches Gutachten von Dr. Sch., I., B., S. vom 09.03.2000 erhebe keine Befunde, die mit der streitbefangenen Berufskrankheit Nr. 1317 der BKV in Zusammenhang gebracht werden könnten. Zum gleichen Schluss komme auch eine gutachtliche Bewertung der Fachärztin für Innere Medizin/Rheumatologie Dr. R. vom 28.05.2000. Am 13.07.2001 sei der Kläger einer weiteren nervenärztlichen Begutachtung unterzogen worden. Der Gutachter Dr. K. komme zu dem Ergebnis, dass Anhaltspunkte für eine hirnorganische Störung nicht zu finden seien. Am 19.01.2006 sei beim Diplom-Psychologen Gerl eine Untersuchung für ein psychologisches Zusatzgutachten erfolgt, bei dem sich kein Hinweis für eine hirnorganisch erworbene Störung der intellektuellen Leistungsfähigkeit ergeben habe. Dies sei dann auch von Dr. G. in seinem Gutachten vom 07.12.2006 übernommen worden. In dem vom SG Stuttgart veranlassten klinisch-psychologischen Zusatzgutachten vom 13.10.2006 habe P. Dr. H., K. für P. und P., H., dargelegt, dass es beim Kläger keine Hinweise auf ein enzephalopathisches Geschehen und auch nicht für eine organische Wesensänderung gebe. Allein P. Dr. H. spreche von einer Enzephalopathie. Danach bleibe aber unklar, ob eine Hirnatrophie auf den bildgebenden Aufnahmen tatsächlich zu erkennen sei bzw. ob eine Schädigung des Hinterstranges von Krankheitswert überhaupt vorliege. Nach alledem könne nicht von einem Krankheitsbild im Sinne der Nr. 1317 der BKV ausgegangen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, das vom SG eingeholte Gutachten des Prof. Dr. H. sei auch nicht ansatzweise anzuzweifeln, zumal der Sachverständige in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmedizin der Universität des Saarlandes (U. Dr. B.) über die hier strittige Fragestellung der Belastung durch organische Lösemittel über grundlegende theoretische Kenntnisse und klinische Erfahrungen verfüge. Da im Übrigen alternative Ursachen, die gemäß ständiger Rechtsprechung des BSG ohnehin im Vollbeweis zu sichern wären, offensichtlich nicht vorlägen, habe kein sachlicher Grund bestanden, die vom Sachverständigen festgestellte Erkrankung des Klägers nicht den Lösemittelbelastungen am Arbeitsplatz zuzuordnen. Dass andere - zuvor bei jeweils anderen Fragestellungen (Rentenverfahren, Schwerbehindertenverfahren usw.) - beauftragte Ärzte eine Enzephalopathie beim Kläger nicht festgestellt hätten, habe das SG in Anbetracht des vorliegenden Grundgutachtens von Prof. Dr. H. zu Recht als unbeachtlich angesehen. Die Behauptung der Beklagten, dass alle anderen den Kläger betreffenden ärztlichen Begutachtungen eine Enzephalopathie nicht festgestellt hätten, sei bezüglich des Gutachters Dr. G., D.-P. G. und der im Rentenverfahren beauftragten Neurologin Dr. G.-P. falsch. Letztgenannte habe in ihrem von der Deutschen Rentenversicherung veranlassten Gutachten vom 13.08.2006 den dringenden Verdacht auf toxische Enzephalopathie nach langjähriger Exposition, eine toxische Polyneuropathie sowie eine somatoforme Schmerzstörung bestätigt. Da letztendlich unstreitig alternative Ursachen nicht vorlägen, komme nur das Gutachten des Gerichtssachverständigen P. Dr. H. als Entscheidungsgrundlage in Betracht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Stuttgart und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache auch begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.03.2001, mit dem die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV und die Gewährung von Rente hierfür abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Senat lässt dahinstehen, ob die ursprünglich erhobene Klage mit dem Begehren, - irgend eine - Berufskrankheit anzuerkennen, mangels hinreichender Bestimmtheit zulässig war, denn im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens ist das Begehren dahingehend konkretisiert worden, eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 (gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) festzustellen. Über dieses Begehren hat die Beklagte auch mit dem angefochtenen Bescheid konkludent entschieden, denn jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 19.06.2001 ist ausgeführt, dass u. a. eine Polyneuropathie und Enzephalopathie geltend gemacht werde, die vorliegende massive seelische Beeinträchtigung im Sinne einer Konversionsneurose jedoch nicht beruflich bedingt sei.
Ein Anspruch auf Feststellung der begehrten Berufskrankheit besteht jedoch nicht.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). In Nr. 1317 der Anlage zur BKV ist als Erkrankung aufgeführt die Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit bemisst sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Diese gesetzlichen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Krankheit des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV sind vorliegend nicht erfüllt.
Eine Polyneuropathie liegt beim Kläger nicht vor. Davon gehen übereinstimmend sämtliche gehörten Ärzte aus. Soweit P. Dr. H. eine zentral-nervöse Schädigung durch die von ihm diagnostizierte Hinterstrangläsion (vgl. u. a. seine ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 17.03.2008) bejaht, ist nicht ersichtlich, inwieweit damit auch das klinische Bild einer Polyneuropathie verbunden sein soll, um die Diagnose einer Polyneuropathie zu rechtfertigen. P. Dr. H. hat in seinem Gutachten keine das periphere Nervensystem betreffenden funktionelle Ausfälle beschrieben, denn Motorik, Reflexe, Koordination und Sensibilität waren mit Ausnahme einer angegebenen Hyperpathie am gesamten Integument ohne Auffälligkeiten.
Aber auch das andere Krankheitsbild der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV, nämlich eine Enzephalopathie, liegt beim Kläger nicht vor. Soweit P. Dr. H. zu dem Ergebnis gelangt ist, die vom Kläger zur Anerkennung gestellte Enzephalopathie sei mit ausreichender Sicherheit diagnostisch gesichert, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Aus den von P. Dr. H. hierfür angeführten zwei Begründungen - cerebrale Hirnatrophie in der kraniellen Bildgebung und pathologische Elektrophysiologie mit Zeichen einer Hinterstrangläsion - ergibt sich nach Überzeugung des Senats nicht der erforderliche Nachweis des Vorliegens des Krankheitsbildes der Enzephalopathie. Wie P. Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.03.2008 auch eingeräumt hat, beweist die beim Kläger von ihm festgestellte cerebrale Hirnatrophie in der kraniellen Bildgebung für sich allein, aus dem Zusammenhang gerissen, eine lösemittelbedingte Hirnschädigung nicht. Zu berücksichtigen sind demgegenüber nach Auffassung des Senats vielmehr auch diejenigen Umstände, die gegen eine Enzephalopathie sprechen. Dies sind zum einen durchgängig normale Funktionsergebnisse im Bereich des Nervensystems. Im klinisch-psychologischen Zusatzgutachten vom 13.10.2006 haben Dr. phil. Dipl.-Psych. W. und D.-P. O. dargelegt, dass die testmäßig erfassten Leistungsbeeinträchtigungen nur geringgradig und auch nicht durchgängig beim Kläger sind, insbesondere was den Bereich der Merkfähigkeit anbelangt. Die Schilderung von Alltagstätigkeiten oder der recht genaue Bericht über die Herfahrt zur Untersuchung sprechen auch nach Überzeugung des Senats gegen die Annahme einer Enzephalopathie. Die Merkfähigkeit ist danach beim Kläger gut erhalten, was auch von anderen Ärzten unterstrichen wird. So ist auch im neurologisch-psychiatrischen Gutachten durch Dr. Sch. vom 07.12.1999 niedergelegt, dass das Auffassungs-, Konzentrations-, Merk- und Umstellungsvermögen beim Kläger in der Untersuchungssituation für durchschnittliche Anforderungen ausreichend gewesen ist. Auch Dr. Schüssler ist zu dem Ergebnis gelangt, dass - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass körperlich-neurologisch keine krankhaften Veränderungen gefunden worden sind - Anhaltspunkte für eine Enzephalopathie nicht vorliegen. Ein Schaden im Bereich des Nervensystems oder des Gehirns ist durch keines der Untersuchungsergebnisse ohne Zweifel nachgewiesen worden ist. Die von P. Dr. H. beschriebenen funktionellen und bildgebenden Zusatzuntersuchungen sind aufgrund ihrer geringen Spezifität für sich allein genommen nicht in der Lage, den Beweis für das Vorliegen einer toxischen Enzephalopathie zu liefern, was P. Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme im Ergebnis auch eingeräumt hat. Sowohl der aktenkundige Befund der computertomographischen Untersuchung des Gehirnschädels im Kreiskrankenhaus Leonberg (Entlassungsbericht des K. L. vom 16.07.2001, S. 189/190 der SG-Akte) als auch der Computertomographie vom 15.05.2001 und der vom 28.08.1996 als auch das MRT des Schädels vom 10.03.1999 (Befundbericht des Krankenhauses Sindelfingen vom 26.06.2001, S. 190 R/192R der SG-Akte) haben keine ausreichenden Hinweise auf eine toxische Hirnatrophie ergeben. Entgegen der Bewertung von P. Dr. H. haben daher mehrere Ärzte unabhängig voneinander in der kraniellen Bildgebung keinen altersunangemessenen auffälligen Befund erkannt. Gerade die von P. Dr. H. wegen geringer Spezifität der bildgebenden Schädelbefunde geforderten weiteren Hinweise für eine organische Hirnschädigung liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. P. Dr. H. hat den neurologischen Status der Hirnnerven I bis XII erhoben und hierbei keine Auffälligkeiten festgestellt. Der gesamte Krankheitsverlauf spricht entgegen der Auffassung von P. Dr. H. sehr deutlich für das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung mit polytopem Schmerzsyndrom ohne Nachweis eines organischen Korrelats. Insbesondere die Beschwerden und Schmerzsymptome in vielen Körperorganbereichen sprechen gegen das Vorliegen einer Enzephalopathie. Dementsprechend ist auch außer der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung die einer Fibromyalgie, nicht aber die einer Enzephalopathie gestellt worden. Die von P. Dr. H. angenommene Hinterstrangläsion, die er nicht direkt nachgewiesen, sondern aus der divergierenden Reizantwort der Tibialis-Stimulation links und rechts bei ansonsten regelrechter Neurographie der unteren Extremitäten geschlossen hat, wäre eine Schädigung des Rückenmarks, die eine Atrophie des Gehirns nicht belegt und im übrigen, wie auch P. Dr. H. selbst einräumt, nicht zwingend durch eine Lösemittelexposition bedingt sein muss. Gegen eine hirnorganische Ursache der vom Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit sprechen darüber hinaus die testpsychologischen Beurteilungen der D.-P. G. (Gutachten vom 19.01.2006) und Dr.W. (Gutachten vom 13.10.2006), die übereinstimmend keine Hinweise auf ein enzephalopathisches Geschehen, insbesondere auch nicht auf eine toxische Enzephalopathie, fanden. Dipl. P. G. stützte seine Einschätzung u. a. auf das Ergebnis des für hirnorganisch verursachte Störungen besonders empfindlichen Bentontests. Soweit Dr. G. daher auch unter Berufung auf das Gutachten von D.-P. G. eine "organische Persönlichkeitsstörung" bejaht, ist dies wenig überzeugend. Im Ergebnis mit Diplom-Psychologen Gerl übereinstimmend beurteilte Dr. W. anhand der von ihm durchgeführten psychologischen Testverfahren die erkennbaren Leistungsbeeinträchtigungen als nur geringgradig und nicht durchgängig, zumal keine Beeinträchtigungen im Bereich der Merkfähigkeit bestanden. Aus dem gewonnenen Persönlichkeitsprofil schloss Dr. W. überzeugend auf eine reaktive Fehlverarbeitung seines Lebensschicksals durch den Kläger, das Krankheitsbild einer enzephalopathisch verursachten Leistungsstörung vermochte er nicht zu erkennen.
Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass beim Kläger das zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV erforderliche Krankheitsbild einer Enzephalopathie mit dem hierfür erforderlichen Vollbeweis nicht vorliegt, weshalb der Senat dahingestellt sein lassen kann, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen in Form der erforderlichen Lösungsmittelexposition überhaupt erfüllt sind.
Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat nicht veranlasst. Ob die beratungsärztliche Stellungnahme von P. Dr. R. unter Berücksichtigung der Grundsätze des Bundessozialgerichts im Urteil vom 05.02.2008 (B 2 U 8/07 R, veröffentlicht in Juris) verwertbar ist, konnte dahinstehen. Der Senat hat seine Entscheidung nicht auf die Beurteilung von P. Dr. R. gestützt, sondern, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, andere der umfangreichen aktenkundigen ärztlichen Äußerungen, soweit sie überzeugend waren, verwertet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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