Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 12 AL 671/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 927/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld.
Der im Jahre 1961 geborene Kläger nahm vom 1. September 1992 bis zum 25. August 1994 an einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation (Ausbildung zum landwirtschaftlich-technischen Assistenten) teil. Während der Maßnahme bezog er von der Beklagten Übergangsgeld. Am 1. September 1994 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Dabei gab er als Wohnanschrift die A-Straße in A-Stadt an. Die Beklagte stellte zunächst fest, dass der Kläger noch Anspruch auf Anschluss-Übergangsgeld nach § 59 d Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) habe und bewilligte dementsprechend diese Leistung bis zum 27. September 1994. Der Bewilligungsbescheid kam mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" zurück, obwohl, wie das Einwohnermeldeamt Ludwigshafen aufgrund eines Ersuchens der Beklagten vom 30. September 1994 mitteilte, der Kläger nach wie vor unter der angegebenen Anschrift A-Straße in A-Stadt polizeilich gemeldet war.
Am 11. November 1994 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes. In diesem Zusammenhang erklärte er, dass er unter der bekannten Anschrift bei seiner Schwester (bei B.) zur Untermiete wohne. Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld ab 11. November 1994, lehnte jedoch durch Bescheid vom 11. November 1994 den Antrag des Klägers auf Arbeitslosengeld vom 1. September 1994 ab. Anspruch auf Leistungen habe nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da er unter der im Antrag angegebenen Adresse postalisch nicht erreichbar sei.
Mit Schreiben vom 11. November 1994 unterrichtete das Postamt Ludwigshafen die Beklagte davon, dass der Kläger im Postamt vorstellig geworden sei und mitgeteilt habe, dass an ihn adressierte Briefe mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" wieder an das Arbeitsamt zurückgeschickt worden seien. Es habe sich nach näherem Befragen herausgestellt, dass der Kläger wohl unter der Anschrift A-Straße in A-Stadt gewohnt habe und auch jetzt noch dort wohne, dass vorübergehend jedoch das Namensschild nicht am Briefkasten gewesen sei. Es habe sich entweder abgelöst oder sei von Unbefugten entfernt worden. Dem Stammzusteller sei der Wohnsitz des Klägers natürlich bekannt gewesen; eine Aushilfe, die nur vorübergehend in dem Bezirk eingesetzt gewesen sei, habe die an den Kläger gerichtete Post ohne Namenhinweis aber nicht zustellen können und die Sendungen richtigerweise "abgeschrieben", obwohl der Kläger nach wie vor dort wohne. Die Aushilfskraft habe diese Umstände nicht wissen können.
Insbesondere unter Hinweis auf dieses Schreiben des Postamts Ludwigshafen erhob der Kläger gegen den die Zahlung von Arbeitslosengeld ablehnenden Bescheid vom 11. November 1994 Widerspruch. Wie aus der Mitteilung des Postamtes hervorgehe, sei er grundsätzlich postalisch erreichbar gewesen. Für die eingetretenen Umstände trage er keine Schuld. Er habe sie weder fahrlässig, grob fahrlässig noch absichtlich herbeigeführt. Ergänzend führte er aus, dass ihm erstmals Ende September 1994 aufgefallen sei, dass das Namensschild abgerissen gewesen sei. Nachdem es unverzüglich wieder angebracht worden sei, habe es ein zweites Ereignis Mitte Oktober 1994 und schließlich eine drittes Ereignis Mitte November 1994 gegeben. Gegen den geständigen Täter sei Strafanzeige erstattet worden. Mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 bestätigten J. und M. B., dass Ende September 1994 das an ihrem Briefkasten befestigte Namensschild des Klägers erstmals unerlaubt entfernt worden sei. Der genaue Zeitpunkt sei nicht nachvollziehbar, dürfte allerdings einen Zeitraum von einer Woche nicht überschritten haben. Dieser Vorgang habe sich nochmals Mitte Oktober sowie Ende November 1994 wiederholt, wobei sich herausgestellt habe, dass der Mitbewohner J. B. jeweils das Namensschild entfernt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die Zeit bis zum 27. September 1994 ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 AFG, weil dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Übergangsgeld zuerkannt sei. Gemäß § 100 Abs. 1 AFG habe Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung im Sinne des § 103 AFG zur Verfügung stehe. Nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 dieser Vorschrift sei erforderlich, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen könne und für das Arbeitsamt erreichbar sei. Nach § 1 Satz 1 der Aufenthalts-Anordnung müsse das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können. Der Kläger habe angegeben, in der A-Straße wohnhaft zu sein. Erreichbarkeit unter dieser Anschrift sei jedoch nicht gegeben gewesen, da der Briefkasten des Klägers nicht beschriftet gewesen sei und daher Anschreiben an ihn nicht zugestellt worden seien. Auf die Gründe, die zu der fehlenden Erreichbarkeit geführt hätten, komme es nicht an.
Hiergegen hat der Kläger am 3. April 1995 Klage erhoben. Das Sozialgericht Darmstadt (SG) hat den Kläger persönlich gehört sowie als Zeugen den Mess- und Regelmechaniker M. B., den Industriekaufmann J. B. sowie die Industriekauffrau J. B., vernommen. Durch Urteil vom 7. Mai 1998 hat das SG den Bescheid "ohne Datum" sowie den Widerspruchsbescheid vom 14. März 1995 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auch vom 28. September 1994 bis zum 10. November 1994 zu zahlen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld auch in der Zeit vom "1. September 1994 bis zum 10. November 1994". Auch in dieser Zeit sei der Kläger für das Arbeitsamt erreichbar gewesen. Zwar sei sein Namensschild am Briefkasten entfernt worden. Die Beweisaufnahme habe indes ergeben, dass dies ein nicht vom Kläger zu vertretender Umstand gewesen sei. Der Zeuge B., Nachbar des Klägers, habe bestätigt, das Namensschild entfernt zu haben. Vor dem Hintergrund, dass das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen dem Zeugen B. und den Zeugen B. sich als extrem zerrüttet dargestellt habe, beständen am Wahrheitsgehalt der Aussagen der Zeugen keine Zweifel. Die Beklagte habe zu Unrecht angenommen, dass es auf ein Verschulden bei der Frage der Erreichbarkeit nicht ankomme. Entscheidungserheblich sei, dass der Kläger jedenfalls an dem von ihm angegebenen Wohnort tatsächlich habe angetroffen werden können. Auch sei der Kläger zur Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar gewesen. Ausweislich der eingeholten Auskunft der Deutschen Post AG habe die Zustellung im Zeitraum September bis November 1994 je nach Verkehrsmenge und Wochentag zwischen 8.30 Uhr und 10 Uhr stattgefunden. Soweit der Kläger vorgetragen habe, sich ab etwa 10 Uhr außer Haus begeben zu haben, dann die Aussage dahingehend getätigt habe, zwischen 10.30 Uhr und 11 Uhr morgens das Haus verlassen zu haben, sei nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger den Eingang der Briefpost nicht abgewartet hätte. Auch habe die Zeugin B. bestätigt, dass der Kläger die Post hereingeholt habe und, da sie vormittags berufstätig gewesen sei, ihr telefonisch die Posteingänge durchgegeben habe. Schließlich stehe der Annahme der Verfügbarkeit nicht entgegen, dass sich der Kläger bereits samstags vormittags bei seiner Freundin aufgehalten habe.
Gegen dieses ihr am 5. Juni 1998 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 3. Juli 1998 eingegangenen Berufung. Es sei unstrittig, dass das Namensschild am Briefkasten des Klägers vorübergehend entfernt gewesen und es dadurch zum Postrücklauf gekommen sei. Die maßgeblichen Umstände hierzu habe das SG im Rahmen seiner Amtsermittlung durch Zeugenvernehmung zutreffend geklärt. Allerdings könne der Auffassung, nach den Gesamtumständen sei Erreichbarkeit des Klägers gegeben gewesen, nicht gefolgt werden.
Den Kläger habe eine besondere Sorgfaltspflicht getroffen. Wer sich arbeitslos melde und Arbeitslosengeld beantrage, müsse sich gleichzeitig für die jederzeitige, schnelle und effektive Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen. Die Vermittlung in Arbeit gehe nach § 5 AFG dem Leistungsbezug vor. Diese Voraussetzungen seien nur erfüllt, wenn ordnungsgemäße Wohn- und Anmeldeverhältnisse vorlägen, nämlich auch eine Beschilderung von Klingel und Briefkasten sowie die tägliche Leerung des Briefkastens. Bei Erfüllung dieser dem Arbeitsamt gegenüber bestehenden Mitwirkungspflicht, seinen Briefkasten täglich zu leeren, hätte der Kläger somit sehr schnell festgestellt, dass sein Namensschild am Briefkasten entfernt gewesen sei. Wenn er unter dieser Prämisse zulasse, dass sein Name auf Klingel oder Briefkasten entfernt sei und bleibe, so sei ihm eine Sorgfaltsverletzung in besonders schwerem Maße anzulasten. Er habe es somit unterlassen, die Voraussetzungen für seine Erreichbarkeit an jedem Tag zu schaffen. Er dürfe sich nicht darauf verlassen, dass dem Stammzusteller der Bundespost die näheren Verhältnisse bekannt seien, weil er damit rechnen müsse, dass die Post - wie vorliegend offensichtlich geschehen - vorübergehend auch durch Aushilfskräfte zugestellt werde. Verfügbarkeit im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG habe somit nicht vorgelegen. Im Übrigen sei nach den Regeln der objektiven Beweislast zu entscheiden. Fest stehe, dass am 28. September 1994 ein Schreiben von der Post mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" zurückgekommen sei. Die Beweislast der täglich gegebenen Erreichbarkeit liege beim Kläger. Der erforderliche Beweis sei ihm nicht gelungen, so dass die Beweislosigkeit zu seinen Lasten gehe. Schließlich sieht sich die Beklagte durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. März 2000 - B 7 AL 8/99 R- bestätigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Mai 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er sei tatsächlich täglich erreichbar gewesen. Auch bezüglich des Klingelschildes sei der eindeutige Beweis erbracht, dass er keine Schuld an dem Entfernen des Schildes durch den Nachbarn trage. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht sei ebenfalls nicht gegeben. Die Entnahme der Post sei von der Rückseite des Briefkastens aus erfolgt; somit sei nicht sofort erkennbar gewesen, ob sich das Schild an der außen befindlichen Vorderseite noch dort befinde oder nicht. Außerdem müsse ein Arbeitsloser nicht ohne weiteres damit rechnen, dass sein Namensschild von unbefugten Dritten vom Briefkasten entfernt werde. Das von der Beklagten genannte Urteil des BSG vom 2. März 2000 sei nicht einschlägig.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist der Wert des Beschwerdegegenstandes von 1.000 DM gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erreicht. Streitgegenstand ist die Frage, ob dem Kläger für die Zeit vom 28. September 1994 bis zum 10. November 1994 Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht. Nur zu einer entsprechenden Leistung ist die Beklagte durch das SG verpflichtet worden, auch wenn in den Entscheidungsgründen davon die Rede ist, der Kläger habe Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld auch in der Zeit vom "1. September 1994 bis zum 10. November 1994", weil er in diesem Zeitraum für das Arbeitsamt erreichbar gewesen sei. Diese Aussage beruht offenbar auf einem Irrtum. Der Kläger hat in der Sitzung des SG vom 13. November 1997 lediglich beantragt, ihm Leistungen für die Zeit ab 28. September 1994 zuzusprechen. Dies war auch sachgerecht, da ausweislich des Widerspruchsbescheides vom 14. März 1995 dem Kläger für die Zeit bis zum 27. September 1994 das Anschluss-Übergangsgeld zuerkannt wurde. Der streitige Zeitraum umfasst 34 Leistungstage. Bei einem täglichen Leistungssatz von 55,- DM wird der bezeichnete Beschwerdewert übertroffen (34 x 55 DM = 1.870,- DM).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat die Zahlung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 28. September 1994 bis zum 10. November 1994 zu Unrecht abgelehnt.
Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG. Nach dieser Vorschrift steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist. Die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitsloser in diesem Sinne erreichbar ist, sind auf der Grundlage und in dem Rahmen des § 103 Abs. 5 AFG durch die Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über den Aufenthalt von Arbeitslosen während des Leistungsbezugs (Aufenthalts-Anordung vom 3. Oktober 1979 in der vorliegend maßgeblichen Fassung vom 24. März 1993, ANBA 1993 S. 769) geregelt. Nach § 1 Aufenthalts-Anordnung muss das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamts maßgeblichen Anschrift erreichen können. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat angeschlossen hat, erfordert dies nicht nur, dass der Arbeitslose unter der im Leistungsantrag angegebenen Wohnanschrift täglich zumindest während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost tatsächlich in der Wohnung angetroffen werden kann, die Erreichbarkeit ist darüber hinaus nur dann gegeben, wenn der Arbeitslose gegenüber dem Arbeitsamt seinen Wohn- oder Aufenthaltsort so genau bezeichnet hat, dass Postsendungen dem Arbeitslosen unmittelbar, nämlich ohne Verzögerung durch Nachforschungen, ohne Einschaltung dritter Personen und ohne Abhängigkeit von Zufällen zugestellt werden können. Lebt ein Arbeitsloser mit anderen Personen in einer Wohnung, so trifft ihn die sich aus dem Versicherungsverhältnis herleitende Obliegenheit, durch klarstellende Hinweise oder Zusätze zu der Anschrift dafür Sorge zu tragen, dass der Postbedienstete ohne weitere Nachfrage die Postzugangseinrichtung für diese Anschrift auffinden kann (Urteil des BSG vom 2. März 2000 - B 7 AL 8/99 R). Dies kann, wie das BSG in der genannten Entscheidung herausgestellt hat, etwa dadurch geschehen, dass der Arbeitslose seine Anschrift durch einen Zusatz zur Wohnanschrift konkretisiert oder ein zusätzliches Namensschild am Briefkasten des Wohnungsinhabers oder einen eigenen Briefkasten oder sonstige Postzugangseinrichtung anbringt, die für jeden Postzusteller leicht erkennbar macht, in welche konkrete Postzugangseinrichtung die Post für den Arbeitslosen einzuwerfen ist. Vorliegend hat der Kläger die Alternative des Anbringens eines Namensschildes am Briefkasten der Familie B. als Wohnungsinhaber gewählt. Dies steht sowohl nach den Angaben des Klägers als auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Allerdings wurde das Namensschild während des streitigen Zeitraumes (28. September 1994 bis 10. November 1994) zweimal entfernt, und zwar das erste Mal Ende September 1994 zu dem Zeitpunkt, als der Bescheid über die Gewährung von Anschluss-Übergangsgeld dem Kläger bekannt gegeben werden sollte. Dieser Bescheid kam nach Angaben der Beklagten am 28. September 1994 mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" zurück. Ungeklärt ist, für wie lange und in welchen Zeiträumen genau das Namensschild gefehlt hat. Die Beklagte leitet hieraus ab, dass das Erfordernis der Erreichbarkeit für keinen Tag im streitigen Zeitraum nachgewiesen sei. Dies gehe nach den Regeln der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Für ihn ist entscheidend, dass im Falle des Klägers dessen Erreichbarkeit durch den willkürlichen Eingriff einer dritten Person, des Zeugen B., beseitigt worden ist. Der Beklagten ist zuzugestehen, dass man einen Arbeitslosen im Sinne einer Obliegenheit auch für verpflichtet wird halten müssen, zu gegebener Zeit zu überprüfen, ob das Tatbestandsmerkmal der täglichen Erreichbarkeit noch vorliegt. Für zu weitgehend erscheint jedoch die Forderung, der Kläger müsse ohne dass er hierfür bisher Anlaß gehabt hätte, jeden Tag den Briefkasten der Familie B. dahingehend untersuchen, ob sein Namensschild noch vorhanden ist. Ein solcher Anlaß bestand erst, nachdem der Kläger davon Kenntnis erlangt hat, dass das Namensschild entfernt wurde. Von da ab war der Kläger gehalten, seine Erreichbarkeit zu überprüfen, was er durch erneutes Anbringen des Schildes auch getan hat. Ein entsprechender Anlaß bestand aber vor dem erstmaligen Entfernen des Namensschildes nicht, so dass von der Verletzung einer Obliegenheit noch nicht die Rede sein kann. Bei einer fehlenden oder jedenfalls - in Anbetracht der Schwere - zu vernachlässigenden Obliegenheitsverletzung wäre es auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips mehr als bedenklich, dem Kläger vorliegend wegen fehlender Erreichbarkeit den als Eigentum i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten, zur Existenzsicherung bestimmten Anspruch auf Arbeitslosengeld abzusprechen. Dies würde einem Eingriff gleichkommen, der in seiner Intensität außer Verhältnis zur Bedeutung der Funktion des Tatbestandsmerkmals der Erreichbarkeit, die jederzeitige Vermittlung des Arbeitslosen zu gewährleisten, stünde. Diese Vermittlung war, da der Kläger jedenfalls tatsächlich unter der von ihm angegebenen Anschrift wohnte, grundsätzlich möglich. Zu berücksichtigen ist auch, dass nach § 2 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) die nachfolgenden sozialen Rechte, wozu insbesondere die wirtschaftliche Sicherung bei Arbeitslosigkeit gehört (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 SGB I), bei der Auslegung der Vorschriften des SGB zu beachten sind; dabei ist sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Diesem Grundsatz würde man nicht gerecht, wenn wesentlich durch den willkürlichen Eingriff eines Dritten die Verfügbarkeit und damit eine Anspruchsvoraussetzung für das Arbeitslosengeld verneint werden müsste.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld.
Der im Jahre 1961 geborene Kläger nahm vom 1. September 1992 bis zum 25. August 1994 an einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation (Ausbildung zum landwirtschaftlich-technischen Assistenten) teil. Während der Maßnahme bezog er von der Beklagten Übergangsgeld. Am 1. September 1994 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Dabei gab er als Wohnanschrift die A-Straße in A-Stadt an. Die Beklagte stellte zunächst fest, dass der Kläger noch Anspruch auf Anschluss-Übergangsgeld nach § 59 d Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) habe und bewilligte dementsprechend diese Leistung bis zum 27. September 1994. Der Bewilligungsbescheid kam mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" zurück, obwohl, wie das Einwohnermeldeamt Ludwigshafen aufgrund eines Ersuchens der Beklagten vom 30. September 1994 mitteilte, der Kläger nach wie vor unter der angegebenen Anschrift A-Straße in A-Stadt polizeilich gemeldet war.
Am 11. November 1994 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes. In diesem Zusammenhang erklärte er, dass er unter der bekannten Anschrift bei seiner Schwester (bei B.) zur Untermiete wohne. Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld ab 11. November 1994, lehnte jedoch durch Bescheid vom 11. November 1994 den Antrag des Klägers auf Arbeitslosengeld vom 1. September 1994 ab. Anspruch auf Leistungen habe nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da er unter der im Antrag angegebenen Adresse postalisch nicht erreichbar sei.
Mit Schreiben vom 11. November 1994 unterrichtete das Postamt Ludwigshafen die Beklagte davon, dass der Kläger im Postamt vorstellig geworden sei und mitgeteilt habe, dass an ihn adressierte Briefe mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" wieder an das Arbeitsamt zurückgeschickt worden seien. Es habe sich nach näherem Befragen herausgestellt, dass der Kläger wohl unter der Anschrift A-Straße in A-Stadt gewohnt habe und auch jetzt noch dort wohne, dass vorübergehend jedoch das Namensschild nicht am Briefkasten gewesen sei. Es habe sich entweder abgelöst oder sei von Unbefugten entfernt worden. Dem Stammzusteller sei der Wohnsitz des Klägers natürlich bekannt gewesen; eine Aushilfe, die nur vorübergehend in dem Bezirk eingesetzt gewesen sei, habe die an den Kläger gerichtete Post ohne Namenhinweis aber nicht zustellen können und die Sendungen richtigerweise "abgeschrieben", obwohl der Kläger nach wie vor dort wohne. Die Aushilfskraft habe diese Umstände nicht wissen können.
Insbesondere unter Hinweis auf dieses Schreiben des Postamts Ludwigshafen erhob der Kläger gegen den die Zahlung von Arbeitslosengeld ablehnenden Bescheid vom 11. November 1994 Widerspruch. Wie aus der Mitteilung des Postamtes hervorgehe, sei er grundsätzlich postalisch erreichbar gewesen. Für die eingetretenen Umstände trage er keine Schuld. Er habe sie weder fahrlässig, grob fahrlässig noch absichtlich herbeigeführt. Ergänzend führte er aus, dass ihm erstmals Ende September 1994 aufgefallen sei, dass das Namensschild abgerissen gewesen sei. Nachdem es unverzüglich wieder angebracht worden sei, habe es ein zweites Ereignis Mitte Oktober 1994 und schließlich eine drittes Ereignis Mitte November 1994 gegeben. Gegen den geständigen Täter sei Strafanzeige erstattet worden. Mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 bestätigten J. und M. B., dass Ende September 1994 das an ihrem Briefkasten befestigte Namensschild des Klägers erstmals unerlaubt entfernt worden sei. Der genaue Zeitpunkt sei nicht nachvollziehbar, dürfte allerdings einen Zeitraum von einer Woche nicht überschritten haben. Dieser Vorgang habe sich nochmals Mitte Oktober sowie Ende November 1994 wiederholt, wobei sich herausgestellt habe, dass der Mitbewohner J. B. jeweils das Namensschild entfernt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die Zeit bis zum 27. September 1994 ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 AFG, weil dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Übergangsgeld zuerkannt sei. Gemäß § 100 Abs. 1 AFG habe Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung im Sinne des § 103 AFG zur Verfügung stehe. Nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 dieser Vorschrift sei erforderlich, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen könne und für das Arbeitsamt erreichbar sei. Nach § 1 Satz 1 der Aufenthalts-Anordnung müsse das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können. Der Kläger habe angegeben, in der A-Straße wohnhaft zu sein. Erreichbarkeit unter dieser Anschrift sei jedoch nicht gegeben gewesen, da der Briefkasten des Klägers nicht beschriftet gewesen sei und daher Anschreiben an ihn nicht zugestellt worden seien. Auf die Gründe, die zu der fehlenden Erreichbarkeit geführt hätten, komme es nicht an.
Hiergegen hat der Kläger am 3. April 1995 Klage erhoben. Das Sozialgericht Darmstadt (SG) hat den Kläger persönlich gehört sowie als Zeugen den Mess- und Regelmechaniker M. B., den Industriekaufmann J. B. sowie die Industriekauffrau J. B., vernommen. Durch Urteil vom 7. Mai 1998 hat das SG den Bescheid "ohne Datum" sowie den Widerspruchsbescheid vom 14. März 1995 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auch vom 28. September 1994 bis zum 10. November 1994 zu zahlen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld auch in der Zeit vom "1. September 1994 bis zum 10. November 1994". Auch in dieser Zeit sei der Kläger für das Arbeitsamt erreichbar gewesen. Zwar sei sein Namensschild am Briefkasten entfernt worden. Die Beweisaufnahme habe indes ergeben, dass dies ein nicht vom Kläger zu vertretender Umstand gewesen sei. Der Zeuge B., Nachbar des Klägers, habe bestätigt, das Namensschild entfernt zu haben. Vor dem Hintergrund, dass das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen dem Zeugen B. und den Zeugen B. sich als extrem zerrüttet dargestellt habe, beständen am Wahrheitsgehalt der Aussagen der Zeugen keine Zweifel. Die Beklagte habe zu Unrecht angenommen, dass es auf ein Verschulden bei der Frage der Erreichbarkeit nicht ankomme. Entscheidungserheblich sei, dass der Kläger jedenfalls an dem von ihm angegebenen Wohnort tatsächlich habe angetroffen werden können. Auch sei der Kläger zur Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar gewesen. Ausweislich der eingeholten Auskunft der Deutschen Post AG habe die Zustellung im Zeitraum September bis November 1994 je nach Verkehrsmenge und Wochentag zwischen 8.30 Uhr und 10 Uhr stattgefunden. Soweit der Kläger vorgetragen habe, sich ab etwa 10 Uhr außer Haus begeben zu haben, dann die Aussage dahingehend getätigt habe, zwischen 10.30 Uhr und 11 Uhr morgens das Haus verlassen zu haben, sei nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger den Eingang der Briefpost nicht abgewartet hätte. Auch habe die Zeugin B. bestätigt, dass der Kläger die Post hereingeholt habe und, da sie vormittags berufstätig gewesen sei, ihr telefonisch die Posteingänge durchgegeben habe. Schließlich stehe der Annahme der Verfügbarkeit nicht entgegen, dass sich der Kläger bereits samstags vormittags bei seiner Freundin aufgehalten habe.
Gegen dieses ihr am 5. Juni 1998 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 3. Juli 1998 eingegangenen Berufung. Es sei unstrittig, dass das Namensschild am Briefkasten des Klägers vorübergehend entfernt gewesen und es dadurch zum Postrücklauf gekommen sei. Die maßgeblichen Umstände hierzu habe das SG im Rahmen seiner Amtsermittlung durch Zeugenvernehmung zutreffend geklärt. Allerdings könne der Auffassung, nach den Gesamtumständen sei Erreichbarkeit des Klägers gegeben gewesen, nicht gefolgt werden.
Den Kläger habe eine besondere Sorgfaltspflicht getroffen. Wer sich arbeitslos melde und Arbeitslosengeld beantrage, müsse sich gleichzeitig für die jederzeitige, schnelle und effektive Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen. Die Vermittlung in Arbeit gehe nach § 5 AFG dem Leistungsbezug vor. Diese Voraussetzungen seien nur erfüllt, wenn ordnungsgemäße Wohn- und Anmeldeverhältnisse vorlägen, nämlich auch eine Beschilderung von Klingel und Briefkasten sowie die tägliche Leerung des Briefkastens. Bei Erfüllung dieser dem Arbeitsamt gegenüber bestehenden Mitwirkungspflicht, seinen Briefkasten täglich zu leeren, hätte der Kläger somit sehr schnell festgestellt, dass sein Namensschild am Briefkasten entfernt gewesen sei. Wenn er unter dieser Prämisse zulasse, dass sein Name auf Klingel oder Briefkasten entfernt sei und bleibe, so sei ihm eine Sorgfaltsverletzung in besonders schwerem Maße anzulasten. Er habe es somit unterlassen, die Voraussetzungen für seine Erreichbarkeit an jedem Tag zu schaffen. Er dürfe sich nicht darauf verlassen, dass dem Stammzusteller der Bundespost die näheren Verhältnisse bekannt seien, weil er damit rechnen müsse, dass die Post - wie vorliegend offensichtlich geschehen - vorübergehend auch durch Aushilfskräfte zugestellt werde. Verfügbarkeit im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG habe somit nicht vorgelegen. Im Übrigen sei nach den Regeln der objektiven Beweislast zu entscheiden. Fest stehe, dass am 28. September 1994 ein Schreiben von der Post mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" zurückgekommen sei. Die Beweislast der täglich gegebenen Erreichbarkeit liege beim Kläger. Der erforderliche Beweis sei ihm nicht gelungen, so dass die Beweislosigkeit zu seinen Lasten gehe. Schließlich sieht sich die Beklagte durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. März 2000 - B 7 AL 8/99 R- bestätigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Mai 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er sei tatsächlich täglich erreichbar gewesen. Auch bezüglich des Klingelschildes sei der eindeutige Beweis erbracht, dass er keine Schuld an dem Entfernen des Schildes durch den Nachbarn trage. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht sei ebenfalls nicht gegeben. Die Entnahme der Post sei von der Rückseite des Briefkastens aus erfolgt; somit sei nicht sofort erkennbar gewesen, ob sich das Schild an der außen befindlichen Vorderseite noch dort befinde oder nicht. Außerdem müsse ein Arbeitsloser nicht ohne weiteres damit rechnen, dass sein Namensschild von unbefugten Dritten vom Briefkasten entfernt werde. Das von der Beklagten genannte Urteil des BSG vom 2. März 2000 sei nicht einschlägig.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist der Wert des Beschwerdegegenstandes von 1.000 DM gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erreicht. Streitgegenstand ist die Frage, ob dem Kläger für die Zeit vom 28. September 1994 bis zum 10. November 1994 Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht. Nur zu einer entsprechenden Leistung ist die Beklagte durch das SG verpflichtet worden, auch wenn in den Entscheidungsgründen davon die Rede ist, der Kläger habe Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld auch in der Zeit vom "1. September 1994 bis zum 10. November 1994", weil er in diesem Zeitraum für das Arbeitsamt erreichbar gewesen sei. Diese Aussage beruht offenbar auf einem Irrtum. Der Kläger hat in der Sitzung des SG vom 13. November 1997 lediglich beantragt, ihm Leistungen für die Zeit ab 28. September 1994 zuzusprechen. Dies war auch sachgerecht, da ausweislich des Widerspruchsbescheides vom 14. März 1995 dem Kläger für die Zeit bis zum 27. September 1994 das Anschluss-Übergangsgeld zuerkannt wurde. Der streitige Zeitraum umfasst 34 Leistungstage. Bei einem täglichen Leistungssatz von 55,- DM wird der bezeichnete Beschwerdewert übertroffen (34 x 55 DM = 1.870,- DM).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat die Zahlung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 28. September 1994 bis zum 10. November 1994 zu Unrecht abgelehnt.
Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG. Nach dieser Vorschrift steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist. Die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitsloser in diesem Sinne erreichbar ist, sind auf der Grundlage und in dem Rahmen des § 103 Abs. 5 AFG durch die Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über den Aufenthalt von Arbeitslosen während des Leistungsbezugs (Aufenthalts-Anordung vom 3. Oktober 1979 in der vorliegend maßgeblichen Fassung vom 24. März 1993, ANBA 1993 S. 769) geregelt. Nach § 1 Aufenthalts-Anordnung muss das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamts maßgeblichen Anschrift erreichen können. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat angeschlossen hat, erfordert dies nicht nur, dass der Arbeitslose unter der im Leistungsantrag angegebenen Wohnanschrift täglich zumindest während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost tatsächlich in der Wohnung angetroffen werden kann, die Erreichbarkeit ist darüber hinaus nur dann gegeben, wenn der Arbeitslose gegenüber dem Arbeitsamt seinen Wohn- oder Aufenthaltsort so genau bezeichnet hat, dass Postsendungen dem Arbeitslosen unmittelbar, nämlich ohne Verzögerung durch Nachforschungen, ohne Einschaltung dritter Personen und ohne Abhängigkeit von Zufällen zugestellt werden können. Lebt ein Arbeitsloser mit anderen Personen in einer Wohnung, so trifft ihn die sich aus dem Versicherungsverhältnis herleitende Obliegenheit, durch klarstellende Hinweise oder Zusätze zu der Anschrift dafür Sorge zu tragen, dass der Postbedienstete ohne weitere Nachfrage die Postzugangseinrichtung für diese Anschrift auffinden kann (Urteil des BSG vom 2. März 2000 - B 7 AL 8/99 R). Dies kann, wie das BSG in der genannten Entscheidung herausgestellt hat, etwa dadurch geschehen, dass der Arbeitslose seine Anschrift durch einen Zusatz zur Wohnanschrift konkretisiert oder ein zusätzliches Namensschild am Briefkasten des Wohnungsinhabers oder einen eigenen Briefkasten oder sonstige Postzugangseinrichtung anbringt, die für jeden Postzusteller leicht erkennbar macht, in welche konkrete Postzugangseinrichtung die Post für den Arbeitslosen einzuwerfen ist. Vorliegend hat der Kläger die Alternative des Anbringens eines Namensschildes am Briefkasten der Familie B. als Wohnungsinhaber gewählt. Dies steht sowohl nach den Angaben des Klägers als auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Allerdings wurde das Namensschild während des streitigen Zeitraumes (28. September 1994 bis 10. November 1994) zweimal entfernt, und zwar das erste Mal Ende September 1994 zu dem Zeitpunkt, als der Bescheid über die Gewährung von Anschluss-Übergangsgeld dem Kläger bekannt gegeben werden sollte. Dieser Bescheid kam nach Angaben der Beklagten am 28. September 1994 mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" zurück. Ungeklärt ist, für wie lange und in welchen Zeiträumen genau das Namensschild gefehlt hat. Die Beklagte leitet hieraus ab, dass das Erfordernis der Erreichbarkeit für keinen Tag im streitigen Zeitraum nachgewiesen sei. Dies gehe nach den Regeln der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Für ihn ist entscheidend, dass im Falle des Klägers dessen Erreichbarkeit durch den willkürlichen Eingriff einer dritten Person, des Zeugen B., beseitigt worden ist. Der Beklagten ist zuzugestehen, dass man einen Arbeitslosen im Sinne einer Obliegenheit auch für verpflichtet wird halten müssen, zu gegebener Zeit zu überprüfen, ob das Tatbestandsmerkmal der täglichen Erreichbarkeit noch vorliegt. Für zu weitgehend erscheint jedoch die Forderung, der Kläger müsse ohne dass er hierfür bisher Anlaß gehabt hätte, jeden Tag den Briefkasten der Familie B. dahingehend untersuchen, ob sein Namensschild noch vorhanden ist. Ein solcher Anlaß bestand erst, nachdem der Kläger davon Kenntnis erlangt hat, dass das Namensschild entfernt wurde. Von da ab war der Kläger gehalten, seine Erreichbarkeit zu überprüfen, was er durch erneutes Anbringen des Schildes auch getan hat. Ein entsprechender Anlaß bestand aber vor dem erstmaligen Entfernen des Namensschildes nicht, so dass von der Verletzung einer Obliegenheit noch nicht die Rede sein kann. Bei einer fehlenden oder jedenfalls - in Anbetracht der Schwere - zu vernachlässigenden Obliegenheitsverletzung wäre es auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips mehr als bedenklich, dem Kläger vorliegend wegen fehlender Erreichbarkeit den als Eigentum i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten, zur Existenzsicherung bestimmten Anspruch auf Arbeitslosengeld abzusprechen. Dies würde einem Eingriff gleichkommen, der in seiner Intensität außer Verhältnis zur Bedeutung der Funktion des Tatbestandsmerkmals der Erreichbarkeit, die jederzeitige Vermittlung des Arbeitslosen zu gewährleisten, stünde. Diese Vermittlung war, da der Kläger jedenfalls tatsächlich unter der von ihm angegebenen Anschrift wohnte, grundsätzlich möglich. Zu berücksichtigen ist auch, dass nach § 2 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) die nachfolgenden sozialen Rechte, wozu insbesondere die wirtschaftliche Sicherung bei Arbeitslosigkeit gehört (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 SGB I), bei der Auslegung der Vorschriften des SGB zu beachten sind; dabei ist sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Diesem Grundsatz würde man nicht gerecht, wenn wesentlich durch den willkürlichen Eingriff eines Dritten die Verfügbarkeit und damit eine Anspruchsvoraussetzung für das Arbeitslosengeld verneint werden müsste.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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