L 3 U 122/00

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 3780/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 122/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. November 1999 geändert und der Rechtsstreit - soweit es sich um die Klage gegen die Beigeladene handelt - an die zuständige Kammer für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung des Sozialgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen; im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Pflegeleistungen und die Erstattung von aufgrund Arbeitsvertrages entstandener Pflegekosten.

Die Beklagte gewährt dem 1927 geborenen Kläger wegen beidseitiger Erblindung durch Arbeitsunfall vom 15. Juni 1951 aufgrund der Bescheide vom 26. Oktober 1978 eine Vollrente und ein Pflegegeld in Höhe von 60 % des Höchstbetrages. Wegen der Unfallfolgen ist dem Kläger auch Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und im Rahmen dessen eine Pflegezulage nach der Stufe III zuerkannt. Der Kläger gehört ferner zum Personenkreis des Häftlingsgesetzes.

Mit Schreiben vom 3. Februar 1996 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt F. die Übernahme der Kosten für eine einzustellende Pflegekraft mit Pflegevertrag nach § 35 Abs. 2 BVG, da nach mündlicher Mitteilung der Beklagten derartige Leistungen von ihr nicht übernommen würden. Das Versorgungsamt leitete mit Schreiben vom 25. Februar 1996 den Antrag an die Beklagte weiter mit der Begründung, dass die Renten nach dem BVG gem. § 65 BVG in Höhe der Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ruhten, die Beklagte deshalb vorrangig Leistungsträger für derartige Ansprüche sei und die Anwendbarkeit des § 558 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 5 und Abs. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) zu prüfen habe. Mit Bescheid vom 22. März 1996 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Kosten für die zur Einstellung beabsichtigte Berufspflegekraft seien aus dem Pflegegeld zu bestreiten. Eine Erhöhung des Pflegegeldes gem. § 558 Abs. 3 Satz 5 RVO könne nur dann erfolgen, wenn nachgewiesen sei, dass auf dem Arbeitsmarkt kein Pflegepersonal zu dem Höchstsatz, d.h. bis zur Höhe der monatlichen durchschnittlichen Vergütung einer Pflegekraft in der Vergütungsgruppe Kr. V BAT jeweils beschafft werden könne. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall weder gegeben noch substantiiert vorgetragen.

Mit Schreiben vom 27. April 1996 trug der Kläger vor, einen Pflegevertrag könne er nur abschließen, wenn ein positiver Bescheid der zuständigen Behörde, BG Chemie oder Versorgungsamt, über die Kostenübernahme vorliege. Beim Versorgungsamt sei alles geregelt wie hoch die Pflegesätze und wieviel Stunden es seien. Er benötige Pflege und eine Hilfe rund um die Uhr. Sein ganzer Haushalt müsse durch Dritte geführt werden. Seine Pflege sei nicht gewährleistet. Er bitte um einen baldigen Bescheid über die Kostenübernahme für einen Pflegevertrag.

Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. März 1996, wies diesen Widerspruch des Klägers durch Bescheid vom 27. August 1996 zurück und teilte dem Kläger mit, er habe die Kosten für die Berufspflegekraft aus dem ihm mit Bescheid vom 26. Oktober 1978 gem. § 558 Abs. 1 RVO bewilligten Pflegegeld, derzeit 1.268,70 DM, zu bestreiten. Gründe, warum das gezahlte Pflegegeld zur Sicherstellung der Pflege nicht mehr ausreiche, seien nicht vorgetragen.

Am 11. September 1996 hat der Kläger hiergegen beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben und unter anderem vorgetragen, zuständig für die erhöhte Pflegeleistung sei die Versorgungsverwaltung, d.h. die Beigeladene und nicht die Beklagte. Die Beklagte komme nur für die unfallbedingte Blindheit und nicht auch für später hinzugetretene Gesundheitsstörungen auf. Wegen der Folgen von drei Herzinfarkten, in deren Zusammenhang er gestürzt sei und sich Verletzungen an der Wirbelsäule zugezogen habe, und weiterer Gesundheitsstörungen sei er auf vermehrte Hilfe angewiesen. Seine Ehefrau könne ihn nicht mehr pflegen, sie sei selbst schwerbehindert mit einem GdB von 100 v.H. Seine Kinder, die ihn bisher gepflegt hätten, könnten dies nicht mehr tun, da sie alle berufstätig seien, selbst Familie hätten und in vier verschiedenen Städten wohnten. Mit Schriftsatz vom 30. September 1997 übersandte der Antragsteller einen auf den 3. Februar 1996 datierten zwischen ihm und seiner Tochter L. A. sowie seiner Schwiegertochter Lx. A. geschlossenen Pflegevertrag über eine tägliche Pflegezeit von insgesamt mindestens neun Stunden, die hälftig jeweils von einer Pflegekraft zu leisten ist. Die Vergütung soll sich laut Pflegevertrag nach der Endstufe der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes richten. Er machte des weiteren geltend, er begehre Leistungen nach § 35 Abs. 2 BVG, danach müsse ihm nach Bezahlung der fremden Hilfe noch zumindest die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleiben. Für die Leistung nach § 35 Abs. 2 BVG sei nur die Beigeladene zuständig. Eine Pflichtsteuer für die Pflegekräfte habe er bislang noch nicht abgeführt. Eine von dem SG beabsichtigte Anhörung von Ärzten oder sogar eine Begutachtung lehne er ab. Über seine Blindheit bzw. über seine Schäden nach dem BVG lägen bereits Beweisurkunden vor. Der am 3. Februar 1996 abgeschlossene Pflegevertrag sei aufgrund seiner Blindheit notwendig geworden. Dieses stehe jedoch bereits fest. Da der Gesamtbefund feststehe, könne auch eine ärztliche Nachuntersuchung unterbleiben. Er werde deshalb keinen Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden und er sei auch nicht damit einverstanden, dass ein Gutachten erstellt werde.

Die Beklagte hat vorgetragen, es sei nicht nachgewiesen, dass die Aufwendungen für eine Pflegekraft das Pflegegeld überstiegen. Es sei bereits fraglich, ob der in dem vorgelegten Pflegeplan aufgestellte Zeitplan der Pflege in diesem Umfang erforderlich sei. Dies sei durch Einholung eines Gutachtens zu klären. Die im Hinblick auf die unfallfremden Erkrankungen erforderliche Pflege könne bei der Bemessung des Pflegegeldes nicht berücksichtigt werden.

Das SG hat das Land Hessen, vertreten durch den Präsidenten des Hessischen Landesamtes für Versorgung und Soziales, Landesversorgungsamt, zum Verfahren gem. § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen.

Durch Urteil vom 2. November 1999 hat das SG "die Klage" abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, soweit der Kläger Leistung von der Beigeladenen begehre, sei die Klage unzulässig. Die Beigeladene habe bislang keine Entscheidung gem. § 35 Abs. 2 BVG getroffen, so dass der Kläger diesbezüglich nicht durch eine negative Entscheidung beschwert sei. Nach den Bestimmungen des § 35 Abs. 2 BVG handele es sich um einen anders gearteten Anspruch gegenüber der Regelung der §§ 558 RVO, § 44 SGB 7. Das Land Hessen sei deshalb nur gem. § 75 Abs. 1 SGG beigeladen. Eine Verurteilung verbiete sich daher im vorliegenden Verfahren. Die Beigeladene habe jedoch den Antrag des Klägers vom 3. Februar 1996 noch zu bescheiden. Soweit sich die Klage gegen die Beklagte richtet, sei sie zulässig, jedoch unbegründet. Zwar werde bei dem derzeitigen Pflegegeld lediglich die unfallbedingte Blindheit als Grundlage für die Höhe des Pflegegeldes berücksichtigt und es sei unbeachtet geblieben, ob die Hilflosigkeit des Klägers gegebenenfalls auch durch unfallfremde Krankheiten zugenommen habe. Jedoch habe das Gericht das Ausmaß der unfallfremden Erkrankungen und deren Auswirkungen auf die Hilflosigkeit des Klägers sowie die Auswirkungen infolge des Alters des Klägers nicht ermitteln können, weil der Kläger dem Beiziehen von Befundberichten seiner behandelnden Ärzte und einer Begutachtung widersprochen habe. Da der Kläger den erhöhten Pflegebedarf nachzuweisen habe, gehe dieser fehlende Nachweis zu seinen Lasten. Soweit der Kläger von der Beklagten die Erhöhung des Pflegegeldes wegen des Abschlusses eines Pflegevertrages mit seiner Tochter und seiner Schwiegertochter begehre, sei nicht erwiesen, dass und in welchem Umfang ab Februar 1996 Kosten für fremde Pflege und Wartung entstanden seien. Es stehe nicht fest, ob das Pflegegeld nicht zur Bezahlung einer fremden Kraft ausreiche und in welchem Umfang ein Fehlbetrag bestehe. Grundsätzlich seien Pflegeverträge auch mit Familienangehörigen möglich. Es seien jedoch strenge Anforderungen an den Abschluss solcher Verträge zu stellen, um gegebenenfalls unberechtigte Familienmehreinnahmen zu unterbinden. Es sei nicht nachgewiesen, ob der Kläger ab Februar 1996 Aufwendungen für bezahlte Pflegekräfte gehabt habe. Es sei auch nicht glaubhaft dargetan, welche Verrichtungen im Rahmen der persönlichen Wartung und Pflege des Klägers von fremden Pflegekräften ausgeführt werden müssten und tatsächlich auch ausgeführt würden. Es habe deshalb für die Beklagte keine Verpflichtung bestanden, ihr Ermessen im Hinblick auf die Erhöhung des Pflegegeldes auszuüben, da zunächst etwaige Kosten für fremde Pflege aus dem Pflegegeld zu zahlen seien.

Der Kläger hat gegen dieses ihm am 8. Januar 2000 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 25. Januar 2000 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, er habe seinen Antrag unter Vorlage des Arbeitsvertrages für seine häusliche Pflege beim Versorgungsamt F. gestellt und nicht bei der Beklagten. Die 8. Kammer des SG Frankfurt habe wegen sachlicher Unzuständigkeit die Sache zur Entscheidung gar nicht annehmen dürfen. Das Versorgungsamt F. habe in Zusammenarbeit mit der Beklagten und dem unzuständigen Sozialrichter das Verfahren über vier Jahre verschleppt. Er habe bei den ihn pflegenden Personen über 200.000,00 DM Schulden machen müssen. Er habe allen Amtsträgern und Juristen, die an der Sache beteiligt gewesen seien, drei Jahre immer wieder schriftlich mitgeteilt, dass für die Leistung nach § 35 Abs. 2 BVG nicht die Beklagte und nicht die 8. Kammer des SG Frankfurt zuständig seien. Er stelle nochmals klar, dass er an seinem Antrag vom 3. Februar 1996, den er an das Versorgungsamt F. nach § 35 Abs. 2 BVG als Kriegsbeschädigter gestellt habe, festhalte. Da die Beklagte für die Pflegezulage nach § 65 BVG zuständig sei und Pflegezulage gemäß Bescheid vom 26. Oktober 1978 übernommen habe sowie auch den Antrag auf häusliche Pflege nach § 35 Abs. 2 BVG angenommen habe, müsse er bei der Beklagten wegen deren Zuständigkeit die Erhöhung der Pflegestufe nach § 35 Abs. 1 BVG auf Pflegestufe VI beantragen wegen schädigungsbedingter Verschlimmerung, d.h. wegen ab 1994 hinzugekommener schwerer Hirn- und Hörstörungen und anderer Körperleiden. Dieser Antrag werde auch an die BG Chemie gerichtet. Zur Begründung seines Antrages lege er ärztliche Bescheinigungen vor. Die in diesen Beweisurkunden festgestellten Befunde könnten nicht durch einen Hausbesuch, wie erstinstanzlich vorgeschlagen, festgestellt werden. Der Kläger hat eine Bescheinigung des Versorgungsamtes F. vom 26. November 1981 vorgelegt, wonach seine Minderung der Erwerbsfähigkeit 100 v.H. beträgt und er als Kriegsblinder zum Personenkreis der Sonderfürsorgeberechtigten im Sinne des § 27 e BVG gehört. Des weiteren hat der Kläger ein ärztliches Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. N., einen Befundbericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. Az. und Kollegen vom 21. Juni 2000, einen Befundbericht der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. O.-K. vom 31. Juni 2000, einen Bericht der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Ox. vom 3. Juli 2000 und ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. Bz. vom 27. Juni 1996 eingereicht. Hinsichtlich des Inhalts dieser Bescheinigungen wird auf Blatt 203 bis 208 der Gerichtsakte verwiesen. Mit Schriftsatz vom 5. August 2000 hat der Kläger einen Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die Beigeladene mit Bescheid vom 9. März 2000 und Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2000 den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Pflegezulage gem. § 35 Abs. 2 BVG abgelehnt hat.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. November 1999 aufzuheben, den Rechtsstreit - soweit es sich um die Klage gegen die Beigeladene handelt - an die zuständige Kammer für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung des Sozialgerichts Frankfurt am Main zurückzuverweisen und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. März 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 1996 zu verurteilen, ihm ab 1. Februar 1996 ein höheres Pflegegeld gem. § 35 Abs. 2 BVG auf der Grundlage der Pflegestufe VI des § 35 Abs. 1 BVG,
hilfsweise,
höchstmögliches Pflegegeld nach § 558 RVO bzw. § 44 Sozialgesetzbuch 7. Band zu gewähren, ihm den infolge der Nichtleistung entstandenen finanziellen Schaden zu ersetzen sowie ihm Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf ihr bisheriges Vorbringen, wonach nicht nachgewiesen sei, dass die Aufwendungen für eine Pflegekraft das Pflegegeld übersteigen und es fraglich sei, ob der in dem vorgelegten Pflegeplan aufgestellte Zeitplan der Pflege in diesem Umfang erforderlich ist. Ferner vertritt sie die Auffassung, dass die im Hinblick auf die unfallfremden Erkrankungen erforderliche Pflege nicht bei Bemessung des Pflegegeldes zu berücksichtigen ist.

Die Beigeladene hat keine Stellungnahme abgegeben.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte L 3 U 1338/98 ER Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung hatte insoweit Erfolg, als sie unter teilweiser Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung hinsichtlich der Klage gegen die Beigeladene zur Zurückverweisung führte. Soweit sich der Kläger gegen die Abweisung seiner Klage gegen die Beklagte wendet, ist die Berufung unbegründet.

Die Auslegung des klägerischen Begehrens ergibt, dass sowohl eine Klage gegen die Beklagte als auch die Beigeladene vorliegt.

Der Kläger begehrt höhere Pflegeleistungen. Er macht geltend, neben seiner unfallbedingten Blindheit leide er auch unter später hinzugetretenen Gesundheitsstörungen, die ihrerseits eine vermehrte Hilfsbedürftigkeit bedingen. Er sei auf die Gestellung einer Pflegekraft angewiesen, weil seine Ehefrau die Pflegeleistungen nicht mehr erbringen könne. Wegen der erhöhten Hilfsbedürftigkeit und der Gestellung einer Pflegekraft seien die Leistungen zu erhöhen. Wiederholt hat der Kläger deutlich gemacht, dass er primär von der Versorgungsverwaltung, also der Beigeladenen, Leistungen begehrt und zwar gem. § 35 Abs. 2 BVG auf der Grundlage einer von III auf VI zu erhöhenden Pflegestufe. Der von ihm bei dem Versorgungsamt F. unter dem 3. Februar 1996 gestellte Leistungsantrag sei von der Beigeladenenauf jeden Fall zu bescheiden. Es seien ihm auch Leistungen nach dem BVG zu gewähren, die nach § 35 Abs. 2 BVG zu gewährenden Leistungen seien höher als die Leistungen, die die Beklagte nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren verpflichtet sei. Die Beigeladene könne sich nicht auf das Ruhen gem. § 65 BVG berufen, wenn und soweit die Beklagte nicht leiste. Der Kläger wendet sich auch gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten. Obwohl der Kläger deutlich macht, dass er bei der Beklagten keinen Antrag gestellt hat, kann sein Vorbringen nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er auf ein höheres Pflegegeld seitens der Beklagten gem. § 46 Abs. 1 SGB 1 verzichtet hat bzw. verzichten will. So hat der Kläger in seinem Schreiben vom 27. April 1996, das die Beklagte zu Recht als Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. März 1996 angesehen hat, zum Ausdruck gebracht, dass es ihm darauf ankommt, zur Sicherstellung seiner Pflege Leistungen zu erhalten, "von der zuständigen Behörde, BG Chemie oder Versorgungsamt". Er bat die Beklagte um baldige Bescheidung seines Antrages. Im Gerichtsverfahren hat er ausdrücklich erklärt, dass er sein Rechtsmittel gegen die Bescheide der Beklagten nicht zurücknehmen will. Im Berufungsverfahren vertritt er die Auffassung, wenn die Beklagte seinen Antrag angenommen habe, habe diese auch, wie von ihm beantragt, Leistungen nach § 35 Abs. 1 und 2 BVG zu gewähren.

Als Beigeladene kann die Versorgungsverwaltung in diesem Verfahren jedoch nicht verurteilt werden. Denn es handelt sich um eine einfache Beiladung im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG und nicht um eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG. Letztere setzt ebenso wie eine Verurteilung nach Beiladung gem. § 75 Abs. 5 SGG voraus, dass die gegen den Beklagten und den Beigeladenen gerichteten Begehren zueinander in Wechselwirkung stehen, in dem sich entweder derselbe Anspruch gegen den einen oder den anderen Träger richtet oder verschiedene Ansprüche in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander stehen (vgl. BSGE 49, 143, 154 ff. SozR 5090 § 6 Nr. 4; BSG, Urteil vom 11. Juni 1992 - 12 Rk 45/90 -). Eine Verurteilung des Beigeladenen gem. § 75 Abs. 5 SGG kann nur erfolgen, wenn (soweit) die Klage gegen den Beklagten kein Erfolg haben kann. Die hier in Frage kommenden Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung einerseits und aus dem BVG andererseits stehen aber nicht in einem solchen Ausschließlichkeitsverhältnis. Da die beidseitige Erblindung des Antragstellers sowohl als Unfallfolge im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung als auch als Schädigungsfolge nach dem BVG anerkannt ist, kommen ein Anspruch auf Erhöhung des Pflegegeldes gem. § 558 Abs. 3 Satz 5 RVO bzw. § 44 Abs. 2 Satz 3 SGB 7 gegen die Beklagte und ein Anspruch auf Erhöhung der Pflegezulage gem. § 35 Abs. 2 BVG i.V.m. § 35 Abs. 1 BVG gegen die Beigeladene in Betracht. Zwar ruht der Anspruch auf Versorgungsbezüge nach § 65 Abs. 1 BVG in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen. Jedoch führt dies weder dazu, dass der Anspruch auf Versorgungsbezüge dem Grunde nach noch der Höhe nach erlischt oder sich ändert. Der Anspruch besteht vielmehr unverändert fort. Das Vorliegen des Ruhenstatbestandes hat lediglich zur Folge, dass die Versorgungsleistungen in Höhe der aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährten Leistungen nicht gezahlt werden, weil kein Recht auf diese jeweils fälligen Leistungen besteht (BSGE 20, 161). Das Ruhen setzt begrifflich voraus, dass der Anspruch anerkannt ist. Deshalb ist es nicht zulässig, lediglich einen Ruhensbescheid zu erteilen. Es muss zunächst das Recht des Versorgungsberechtigten auf Versorgung festgestellt bzw. anerkannt werden. Erst dann kann das Ruhen des sich aus dem Recht ergebenden Anspruchs ganz oder teilweise festgestellt werden. Grundsätzlich kann in einem Fall wie hier sowohl eine Verurteilung des Unfallversicherungsträgers als auch eine Verurteilung der Versorgungsverwaltung in Betracht kommen. Eine Verurteilung der Versorgungsverwaltung kann jedoch nur unter Beachtung der Ruhensvorschriften erfolgen. Dies war den Beteiligten bereits im Eilverfahren mitgeteilt worden. Da es sich deshalb im vorliegenden Fall sowohl um eine Klage gegen die Beklagte als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung als auch um eine Klage gegen die Beigeladene als zuständiger Leistungsträger für den Bereich der Kriegsopferversorgung handelt, fehlte der 8. Kammer des SG Frankfurt am Main als Fachkammer für das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung die funktionelle Zuständigkeit hinsichtlich der Klage gegen die Beigeladene als Beklagte. Zuständig für die Entscheidung über diesen Rechtsstreit ist die Kammer für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung (§ 12 Abs. 4 SGG). Bei Verletzung der funktionellen Zuständigkeit liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weil das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (vgl. Meyer-Ladewig, § 12 Rdnr. 11). Das Verfahren leidet deshalb unter einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG.

Der Rechtsstreit war deshalb, soweit es sich um die Klage gegen die Beigeladene handelt, an die zuständige Kammer für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung des SG Frankfurt am Main zurückzuverweisen.

Soweit es sich um die Klage gegen die Beklagte handelt, hat das SG zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen.

Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte richtet sich nach den für die gesetzliche Unfallversicherung geltenden Vorschriften und nicht nach dem BVG. Der Kläger kann demzufolge von der Beklagten keine Leistungen nach § 35 Abs. 1 und 2 BVG begehren. Der Anspruch auf Erhöhung des Pflegegeldes richtet sich bis zum 1. Januar 1997, dem Inkrafttreten des SGB 7, noch nach § 558 RVO. Ab 1. Januar 1997 ist der Sachverhalt nach § 44 SGB 7 zu beurteilen (vgl. § 214 SGB 7). Sowohl § 558 Abs. 3 Satz 1 RVO als auch § 44 Abs. 1 SGB 7 sehen vor, dass anstatt einer Sachleistung Pflegegeld gezahlt werden kann. Die Höhe des Pflegegeldes richtet sich nach Art des Gesundheitszustandes bzw. der Schwere des Leidens sowie des Umfangs der erforderlichen Hilfe und ist auf einen Monatsbetrag zwischen 527,00 DM und 2.106,00 DM (Beträge ab 1. Juli 1995) festzusetzen (§ 558 Abs. 3 Satz 2 RVO und § 44 SGB 7). Sowohl § 558 Abs. 3 Satz 5 RVO als auch § 44 Abs. 2 Satz 3 SGB 7 sehen vor, dass der Betrag des Pflegegeldes angemessen erhöht werden kann, wenn die Aufwendungen für fremde Wartung und Pflege bzw. die Aufwendungen für eine Pflegekraft das Pflegegeld übersteigen.

Der Kläger bezieht von der Beklagten aufgrund des Bescheides vom 26. Oktober 1978 ein Pflegegeld in Höhe von 60 % des Höchstbetrages. Da es sich hierbei um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, hat der Kläger nur dann einen Anspruch auf ein höheres Pflegegeld, wenn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB 10 vorliegen. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben bzw. zu ändern, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist.

Grundlage für die Höhe des von dem Kläger momentan bezogenen Pflegegeldes war die unfallbedingte Blindheit. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB 10 liegt nicht nur dann vor, wenn hinsichtlich der Unfallfolgen eine wesentliche Verschlechterung oder Verbesserung eintritt, vielmehr kann auch durch das Hinzutreten unfallunabhängiger Gesundheitsstörungen eine wesentliche Änderung eintreten. So ist ein bisher gewährtes Pflegegeld auch dann durch Erteilung eines Neufeststellungsbescheides nach § 48 SGB 10 zu erhöhen, wenn zwar die Schädigungsfolgen, die zur Anerkennung eines Pflegegeldes geführt haben, unverändert geblieben sind, sich demgegenüber aber die von der Unfallfolge unabhängigen Leiden wesentlich verschlimmert haben oder weitere schädigungsunabhängige Leiden hinzugetreten sind, so dass eine gesteigerte Hilflosigkeit erreicht worden ist und für die erhöhte Hilflosigkeit die Unfallfolgen noch eine annähernd gleichwertige Mitursache darstellen. Der Anspruch auf Pflege setzt nicht voraus, dass die Unfallfolgen die zeitlich letzte, die Hilflosigkeit auslösende Ursache gebildet haben. Insofern gilt nicht der Grundsatz, dass ein Nachschaden ohne Berücksichtigung bleibt (vgl. Lauterbach/Watermann, Unfallversicherung, SGB 7, 4. Auflage, § 44 Rdnr. 7 ff.).

Die Frage, ob sich das Ausmaß einer schon bestehenden Hilflosigkeit vergrößert hat und ob insofern die Unfallfolgen eine wesentliche Ursache darstellen, kann nicht anhand ärztlicher Diagnosen allein festgestellt werden. Den von dem Kläger eingereichten ärztlichen Attesten bzw. Berichten ist zu entnehmen, dass der Kläger unter einem hohen Blutdruck, schweren degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und unter einem unklaren Schwindel mit rezidivierenden synkopalen Zuständen leidet. Auch hat der Orthopäde Dr. Bz. bescheinigt, dass der Kläger im Jahre 1996 eine Wirbelfraktur erlitten hat. Aufgrund dieser Diagnosen allein lässt sich nicht feststellen, ob und in welchem Ausmaß die bisher bestehende Hilflosigkeit infolge der hinzugekommenen Erkrankungen sich erhöht hat und ob und in welchem Umfang die Unfallfolgen hierfür wesentlich sind. Hierfür sind weitere Ermittlungen in Form einer Begutachtung erforderlich. Der Kläger ist jedoch nicht bereit, sich einer Begutachtung zu unterziehen. Dies hat er nochmals in seinem Schriftsatz vom 18. Juli 2000 deutlich gemacht. Das SG hatte schon darauf hingewiesen, dass der Kläger die erhöhte Hilflosigkeit bzw. den erhöhten Pflegebedarf nachzuweisen hat und der fehlende Nachweis zu Lasten des Klägers geht. Auch diesbezüglich konnte der Senat keine für den Kläger günstigere Entscheidung treffen.

Soweit der Kläger eine Erhöhung des Pflegegeldes wegen des behaupteten Abschlusses des Pflegevertrages mit seiner Tochter und seiner Schwiegertochter begehrt, weil das bisherige Pflegegeld nicht ausreiche, die Kosten für die Gestellung einer Pflegekraft zu decken, muss nachgewiesen sein, dass dem Versicherten tatsächlich Aufwendungen für eine Pflegekraft entstehen und diese Aufwendungen das Pflegegeld übersteigen (§§ 558 Abs. 3 Satz 5 RVO, 44 Abs. 2 Satz 3 SGB 7). Liegen diese Voraussetzungen vor, so kann die Beklagte das Pflegegeld angemessen erhöhen. Es handelt sich also insoweit um eine Ermessensentscheidung. Hier hat das SG zutreffend ausgeführt, dass Pflegeverträge auch mit Familienangehörigen, z.B. Töchtern oder Schwiegertöchtern, abgeschlossen werden können, jedoch strenge Anforderungen an den Abschluss solcher Verträge zu stellen sind, um gegebenenfalls unberechtigte Familienmehreinnahmen zu unterbinden. Das Entstehen solcher Aufwendungen für eine Pflegekraft kann insbesondere durch den Nachweis der Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern geführt werden. Hier hat der Kläger jedoch weder angegeben, welches Gehalt er seiner Tochter bzw. seiner Schwiegertochter monatlich schuldet noch hat er angegeben, ob Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden. Er hat lediglich mitgeteilt, dass Steuern nicht abgeführt worden seien und behauptet, er habe bei den ihn pflegenden Personen über 200.000,00 DM Schulden machen müssen, weil über seinen Antrag über vier Jahre nicht entschieden worden sei. Bedenken, ob der Kläger tatsächlich einen Vertrag mit seiner Tochter und seiner Schwiegertochter abgeschlossen hat, bestehen auch insofern, als der Kläger den Vertrag vom 3. Februar 1996 erst am 30. September 1997 vorgelegt hat und er bei Stellung seines Antrages beim Versorgungsamt und auch gegenüber der Beklagten angab, er werde erst nach Bescheiderteilung eine Pflegeperson einstellen und einen Pflegevertrag abschließen. Zudem hatte der Kläger zunächst angegeben, Mitglieder seiner Familie seien nicht in der Lage Pflegeleistungen zu erbringen. Es ist deshalb nicht nachgewiesen, dass dem Kläger für eine Pflegekraft Aufwendungen entstehen und dass diese das Pflegegeld übersteigen. Es bedurfte demzufolge keiner Ermessensentscheidung der Beklagten, ob bzw. um welchen Betrag das Pflegegeld zu erhöhen ist.

Soweit der Kläger Schmerzensgeld und Schadensersatz begehrt, fehlt es für derartige Ansprüche an einer sozialrechtlichen Rechtsgrundlage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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