Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 169/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1029/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 15. Juni 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte bei der Erhöhung des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) nach Abschluss der Ausbildung gemäß § 573 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) zwischenzeitliche Änderungen des Familienstandes und der Zahl der Kinder zu berücksichtigen hat.
Der im Jahre 1966 geborene Kläger bezog wegen eines am 1. Juli 1985 im Alter von 18 Jahren als Ferienarbeiter in den Schulferien erlittenen Unfalls mit Verletzung des rechten Fußes von der Beklagten eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v.H. unter Zugrundelegung eines JAV von 20.160,00 DM (= Mindest-JAV gemäß § 575 Abs. 1 Nr. 1 RVO in Höhe von 60 v.H. der im Unfallzeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch - SGB 4 -). Am 20. Juni 1996 bestand der Kläger das zweite Juristische Staatsexamen. Er teilte der Beklagten mit, dass er beabsichtige, als selbständiger Rechtsanwalt im Gebiet der alten Bundesrepublik tätig zu werden und darüber hinaus die Steuerberaterqualifikation zu erwerben. Mit Bescheid vom 28. August 1996 erhöhte die Beklagte den JAV gemäß § 573 Abs. 1 RVO für die Zeit ab 21. Juni 1996 auf 70.809,13 DM unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe II a des BAT (Eingangsamt eines Juristen bei Eintritt in den Öffentlichen Dienst). Der JAV setzte sich zusammen aus der monatlichen Grundvergütung unter Zugrundelegung des 29. Lebensjahres (4.267,54 DM), dem Ortszuschlag Tarifklasse I b Stufe 1 (955,88 DM), der allgemeinen Zulage (§ 193, 81,00 DM), den vermögenswirksamen Leistungen (13,00 DM), dem Urlaubsgeld (500,00 DM) und den Sonderzuwendungen (Weihnachtsgeld 5.146,37 DM). Mit Bescheid vom 19. Dezember 1996 wurde die Rente auf Antrag des Klägers gemäß § 604 RVO mit einem Betrag von 219.508,27 DM abgefunden. Der Berechnung des Abfindungsbetrages legte die Beklagte den mit Bescheid vom 28. August 1996 festgesetzten JAV von 70.809,13 DM zugrunde.
Mit seinem gegen den Bescheid vom 28. August 1996 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass der JAV nach dem Jahreseinkommen eines 29jährigen selbständigen, in Vollzeit tätigen Rechtsanwaltes im Gebiet der alten Bundesrepublik am 21. Juni 1996 zu berechnen sei, das schätzungsweise bei ca. 85.000,00 DM liege. Zumindest hätte ein Ortszuschlag nach der Tarifklasse I b Stufe 3 zugrunde gelegt werden müssen, da er verheiratet sei und zwei Kinder habe.
Durch Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der nach BAT II a festgestellte JAV sei für den Kläger am günstigsten. Die aktuelle Einkommenssituation selbständiger Rechtsanwälte für das Jahr 1996 sei nicht feststellbar. Eine tariflich vereinbarte Vergütung für angestellte Rechtsanwälte existiere nach Auskunft der Rechtsanwaltskammer nicht. Der ortsübliche Verdienst eines angestellten Rechtsanwaltes in einer Sozietät im ersten Berufsjahr unter Einbeziehung eines etwaigen 13. Gehalts und sonstiger freiwilliger Leistungen liege nach den durchgeführten Ermittlungen ab 1996 je nach Qualifikation (Promotion) und Status zwischen 4.000,00 und 6.000,00 DM. Eine Erhöhung des JAV nach dem Familienstand komme nicht in Betracht, weil § 573 Abs. 1 RVO dies nicht vorsehe. Vielmehr sei der Verdienst eines Vergleichsmannes "mit gleicher Ausbildung" und "gleichen Alters" maßgebend.
Am 12. März 1997 hat der Kläger beim Sozialgericht Marburg (SG) Klage erhoben und zuletzt nur noch beantragt, bei der Berechnung des JAV den Ortszuschlag Tarifgruppe I b Stufe 3 für Verheiratete mit zwei Kindern zugrunde zu legen.
Mit Urteil vom 15. Juni 1999 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß verurteilt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Bei der Ermittlung des maßgeblichen Vergleichsentgelts nach § 573 Abs. 1 Satz 2 RVO seien auch der Familienstand und die Kinder des Klägers zu berücksichtigen. Zwar seien im Gesetz als Kriterien für die Ermittlung des heranzuziehenden Vergleichsentgelts nur die gleiche Ausbildung und das gleiche Alter der Vergleichsperson genannt. Bei der Auslegung der Vorschrift sei jedoch der gesetzgeberische Grundgedanke zu beachten, der dahin gehe, die zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in Berufs- oder Schulausbildung stehenden Versicherten zur Vermeidung einer besonderen Härte so zu stellen, als ob sie den Unfall erst nach dem Abschluss der Ausbildung - bei höherem JAV - erlitten hätten. So sei z.B. bei der Berechnung des fiktiven JAV von dem Tariflohn und von der zur Zeit der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung geltenden tariflichen Arbeitszeit und nicht von den tatsächlichen Verhältnissen zur Zeit des Arbeitsunfalls auszugehen, obgleich die Arbeitszeit in § 573 Abs. 1 Satz 2 RVO ebenfalls nicht als ausdrückliches Kriterium für das zum Vergleich heranzuziehende Entgelt genannt sei. Es überzeuge deshalb nicht, dass nur die ausdrücklich genannten Merkmale der gleichen Ausbildung und des gleichen Alters zu berücksichtigen seien.
Gegen das ihr am 10. August 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. September 1999 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass Wortlaut und Sinn und Zweck des § 573 Abs. 1 RVO die Berücksichtigung von Veränderungen des individuellen Familienstandes und der Kinderzahl zwischen Unfallzeitpunkt und Ausbildungsende nicht zuließen. Berechnungsgrundlage sei der Verdienst einer "Vergleichsperson mit gleicher Ausbildung und gleichem Alter" allenfalls bezogen auf den Familienstand zum Unfallzeitpunkt. Dafür spreche auch die Vorschrift des § 573 Abs. 2 RVO, die ausdrücklich auf die zur Zeit des Unfalls maßgeblichen Verhältnisse abstelle. Es würde auch eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung darstellten, wenn bei den unter § 573 Abs. 1 RVO fallenden Versicherten spätere Änderungen im Familienstand Beachtung finden könnten, bei den allein von § 573 Abs. 2 RVO erfassten Versicherten hingegen nicht. Auch würden Personen, die während der Ausbildung heirateten und Kinder bekämen, ungleich günstiger behandelt als solche, die erst nach Abschluss der Ausbildung eine Familie gründeten. Es frage sich auch, wie zu verfahren sei, wenn der Familienstand des Klägers sich zukünftig ändere oder die Voraussetzungen für kinderbezogene Zuschläge entfielen. Sofern bei fiktiver JAV-Berechnung Familienstand und Kinder tatsächlich berücksichtigungsfähig wären, könne es allenfalls auf die fiktiven Verhältnisse einer entsprechenden Vergleichsperson ankommen. Da nach der Statistik des Statistischen Bundesamtes das durchschnittliche Heiratsalter lediger Männer in Deutschland 1996 bei 30 Jahren gelegen habe, wäre der Kläger gemessen an einer fiktiven Vergleichsperson aber noch gar nicht verheiratete gewesen. Selbst wenn er verheiratet gewesen wäre, hätte statistisch lediglich ein Kind berücksichtigt werden dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 15. Juni 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Seiner Ansicht nach spricht schon der Wortlaut des § 573 Abs. 1 Satz 2 RVO dafür, dass seine persönliche Lebensstellung mit der Folge der Erhöhung des Ortszuschlages aufgrund der Kinderzahl mitzuberücksichtigen sei, weil dies sich bei Neuberechnung des JAV auf der Grundlage der Vergütungsgruppe II a des BAT als entsprechende tarifliche Eingruppierung ergebe. Dies habe die Beklagte ausweislich der Akten zunächst selbst so gesehen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu der Feststellung des JAV nach billigem Ermessen seien die Lebensverhältnisse des Versicherten ein zu beachtender Gesichtspunkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Streitig ist nur noch, ob die Beklagte bei der vorgenommenen Neuberechnung des JAV des Klägers gemäß § 573 Abs. 1 RVO ab 21. Juni 1996, d.h. vom Zeitpunkt des Abschlusses der Ausbildung an, nach der Vergütungsgruppe II a des BAT (Eingangsamt eines Juristen bei Eintritt in den Öffentlichen Dienst) zu Recht den Ortszuschlag Tarifklasse I b Stufe 1 zugrunde gelegt hat, oder ob sie - wie das SG und der Kläger meinen, den Ortszuschlag Tarifgruppe I b Stufe 3 zugrunde legen musste, weil der Kläger zwischen Arbeitsunfall und Ausbildungsende geheiratet und zwei Kinder bekommen hatte. Dazu ist die Beklagte nach dem Gesetz jedoch nicht verpflichtet, so dass die Berufung Erfolg haben musste.
Für den der Berechnung der Verletztenrente neben dem Grad der MdE zugrunde zu legenden JAV (§ 581 Abs. 1 RVO) ist in der Regel der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§§ 14, 15 SGB 4) des Verletzten in den letzten zwölf Monaten vor dem Arbeitsunfall maßgebend (§ 571 Abs. 1 Satz 1 RVO). Nach der Rechtsprechung des BSG gehört der an einen versicherungspflichtigen Tarifangestellten des Öffentlichen Dienstes oder einen freiwillig versicherten Beamten gezahlte Ortszuschlag auch hinsichtlich seiner auf Familienstand und Anzahl der Kinder bezogenen, vom Kindergeld unabhängigen und steuerpflichtigen Teile zum Bruttobetrag des Arbeitsentgelts im Sinne des § 14 SGB 4, der bei der Beitragsberechnung (in der Krankenversicherung) heranzuziehen ist (BSG 3-2200 § 180 Nr. 7; s. auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nrn. 20, 27). Es kann dahinstehen, ob derartige Teile des Ortszuschlages demzufolge auch bei der Bemessung der nach dem JAV zu berechnenden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Bei der hier streitigen Neuberechnung des JAV nach § 573 Abs. 1 RVO kommt dies jedenfalls nicht in Betracht.
Nach § 573 Abs. 1 RVO (jetzt § 90 Abs. 1 SGB 7) ist der JAV, wenn sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu zu berechnen, soweit dies für den Berechtigten günstiger ist. Der neuen Berechnung ist das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Es soll mithin zukünftig der Berechnung des JAV das Entgelt zugrunde gelegt werden, das der Verletzte aufgrund eines ohne Arbeitsunfallfolgen voraussichtlich erreichbaren oder ggf. - wie hier - tatsächlich auch erreichten Ausbildungsabschlusses (s. dazu BSG SozR 2200 § 573 Nr. 11) erzielt hätte. Abs. 2 und Abs. 3 des § 573 RVO sehen unter bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung des JAV an - ausschließlich - von einem bestimmten Lebensalter (Abs. 2) bzw. - ausschließlich - von einem bestimmten Lebens- oder Berufsalter (Abs. 3) abhängige Arbeitsentgelte/Verdiensterhöhungen vor, wenn diese für Personen mit gleichartiger Tätigkeit (Abs. 2) bzw. gleichartiger Tätigkeit oder gleicher Ausbildung (Abs. 3) im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich sind (s. dazu BSG SozR § 573 RVO Nrn. 1 und 2; SozR 2200 § 573 Nr. 12). § 573 RVO stellt damit insgesamt eine Ausnahme von dem in der gesetzlichen Unfallversicherung seit jeher herrschenden Grundsatz dar, dass die Verdienstverhältnisse des Verletzten im Jahr vor dem Arbeitsunfall für alle Zukunft Grundlage der Geldleistungen bleiben und spätere, zukünftige Erwerbsaussichten bei der Feststellung des JAV nicht berücksichtigt werden (u.a. BSGE 47, 137; BSG SozR 3-2200 § 573 Nr. 2). Dadurch soll verhindert werden, dass bei Personen, die schon während der Schul- oder Berufsausbildung und/oder vor Erreichen des 25. Lebensjahres (Abs. 2) einen Unfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch nicht das volle Arbeitsentgelt erzielt haben, ein in der Regel niedrigerer JAV für die gesamte Zeit der Rentengewährung, u.U. für das ganze Leben, maßgebend bleibt (u.a. BSGE 47, 137). Auch wenn die Vorschrift des § 573 RVO ebenso wie die Rentenanpassung nach § 579 RVO zu einer Berücksichtigung der durch den Unfall herbeigeführten Beeinträchtigung der Aussichten auf zukünftige Entwicklungen des Einkommens führt, stellt sie doch grundsätzlich auf die Verhältnisse im Unfallzeitpunkt ab. Das gilt nicht nur für Abs. 2 und Abs. 3, sondern auch für Abs. 1 des § 573 RVO. Zwar hat das BSG wiederholt ausgeführt, dass der Verletzte durch § 573 Abs. 1 RVO hinsichtlich der Berechnung des JAV so gestellt werden solle, als hätte er den Arbeitsunfall erst nach Beendigung der Berufsausbildung erlitten und einen höheren Verdienst erzielt (u.a. BSGE 38, 216; 47, 137; BSG SozR 2200 § 573 Nrn. 4, 9, 11; SozR 3-2200 § 576 Nr. 1; SozR 3-2200 § 573 Nr. 2). Damit ist jedoch nicht gemeint, dass im Rahmen des § 573 Abs. 1 RVO der Eintritt des Versicherungsfalls fiktiv auf einen anderen - späteren - Zeitpunkt, nämlich den des voraussichtlichen Ausbildungsendes verlegt wird. Vielmehr sind die grundsätzlich maßgebenden Verhältnisse im Unfallzeitpunkt bei der Anwendung des § 573 Abs. 1 RVO auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung einer Ausbildung zu übertragen (BSG SozR § 565 RVO a.F. Nr. 7; SozR § 573 RVO Nr. 1). Demgemäss ist z.B. bei der Berechnung des JAV auch künftig nur von der vor dem Unfall bereits begonnenen Ausbildung und - bei begonnener Berufsausbildung - von den Verhältnissen des Ausbildungsbetriebes und dem ggf. für dieses Unternehmen geltenden Tarifvertrag auszugehen (BSG, a.a.O.). Da im Rahmen des § 573 Abs.1 RVO eine Neuberechnung nach dem zu vergleichenden - fiktiven - Entgelt nur zu erfolgen hat, wenn sie für den Berechtigten günstiger ist, bleiben die Verhältnisse im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls ggf. auch für die Zukunft - nach dem voraussichtlichen/tatsächlichen Ausbildungsende - in jeder Beziehung maßgebend.
Schon daraus folgt, dass für rein persönliche Verhältnisse wie Familienstand/Anzahl der Kinder, soweit sie für die Berechung des JAV überhaupt von Bedeutung sein können, allenfalls auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls abzustellen ist, sofern § 573 Abs. 1 RVO nicht etwas anderes vorsieht. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn § 573 Abs. 1 RVO schreibt ebenso wie Abs. 2 und Abs. 3 oder sonstige Vorschriften der RVO weder eine Neuberechnung/Anpassung des JAV wegen Änderung derartiger persönlicher Verhältnisse seit dem Arbeitsunfall vor noch lässt sie nach Wortlaut und Zielsetzung zu, dass gelegentlich der Neuberechnung des JAV aus einem völlig anderen Anlass, nämlich dem voraussichtlichen/tatsächlichen Ausbildungsende, Änderungen in derartigen Verhältnissen, die ansonsten, u.a. im Rahmen des § 573 Abs. 2 und 3 RVO, völlig unerheblich sind und nie zu einer Neuberechnung/Anpassung führen können, ausnahmsweise für die Gruppe der von § 573 Abs. 1 RVO erfassten Verletzten mitberücksichtigt werden. Vielmehr ist entsprechend dem für eine Neuberechnung nach § 573 Abs. 1 RVO auslösenden Tatbestand - voraussichtliches Ende einer zur Zeit des Unfalls bereits begonnenen Ausbildung - für die Ermittlung des im Zeitpunkt des voraussichtlichen Ausbildungsendes maßgebenden - fiktiven - Vergleichseinkommens - lediglich - auf das Entgelt abzustellen, das zu diesem Zeitpunkt für Personen "gleicher Ausbildung und gleichen Alters" durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Auf gleiche sonstige Verhältnisse, insbesondere Familienverhältnisse dieser Personen und des Verletzten im Zeitpunkt des Ausbildungsendes und der Neuberechnung, die mit durch den Unfall beeinträchtigten Aussichten auf zukünftige Einkommensentwicklungen und der Berücksichtigung eines späteren Berufseinkommens grundsätzlich auch gar nichts zu tun haben, kommt es danach eindeutig nicht an. Demgemäss kann eine Neuberechnung nach § 573 Abs. 1 RVO für die Zeit nach dem voraussichtlichen Ausbildungsende grundsätzlich auch schon von Beginn an bzw. bei der ersten Rentenfeststellung erfolgen, wenn sich die Lage bei Beendigung der Ausbildung schon übersehen lässt (Lauterbach, a.a.O., Anm. 5 zu § 573), und muss jedenfalls nicht wegen möglicher Veränderungen in den familiären Verhältnissen aufgeschoben werden. Soweit das SG darauf verweist, dass bei der Neuberechnung des JAV nach § 573 Abs. 1 RVO im Zeitpunkt des voraussichtlichen Ausbildungsendes auch die zu dieser Zeit geltende tarifliche oder ortsübliche Arbeitszeit maßgebend sei, obwohl auch sie nicht als Kriterium für die Ermittlung des Vergleichsentgelts genannt sei, trifft dies nicht zu. Vielmehr ergibt sich ihre Berücksichtigung bereits aus dem Entgeltbegriff, für den einerseits der Lohn- und andererseits der Zeitfaktor maßgebend ist.
Da der Kläger zur Zeit des Arbeitsunfalls weder verheiratet war noch Kinder hatte, kommt es nicht mehr darauf an, ob bei anderer Fallgestaltung von diesen Verhältnissen abhängige Teile des Ortszuschlags bei der Ermittlung des Vergleichsentgelts im Zeitpunkt des Ausbildungsendes nach dem BAT Berücksichtigung hätten finden können. Nach dem Wortlaut des § 573 Abs. 1 RVO dürfte dies allerdings ebenso zu verneinen sein, da mit den für die Ermittlung des fiktiven Vergleichsentgelts genannten Kriterien - gleiche Ausbildung, gleiches Alter - auch abschließend bestimmt ist, welche Verhältnisse des Verletzten für diese Entgeltermittlung und ggf. für die Neuberechnung seines JAV Bedeutung gewinnen können. Damit sind alle sonstigen Verhältnisse des Verletzten ausgeschlossen, gleichgültig wann sie vorlagen, ob zur Zeit des Ausbildungsendes oder/und bei Eintritt des Arbeitsunfalls/Versicherungsfalls. Eine ausdehnende Auslegung ist ebenso wenig möglich wie im Rahmen des § 573 Abs. 2 und 3 RVO.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte bei der Erhöhung des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) nach Abschluss der Ausbildung gemäß § 573 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) zwischenzeitliche Änderungen des Familienstandes und der Zahl der Kinder zu berücksichtigen hat.
Der im Jahre 1966 geborene Kläger bezog wegen eines am 1. Juli 1985 im Alter von 18 Jahren als Ferienarbeiter in den Schulferien erlittenen Unfalls mit Verletzung des rechten Fußes von der Beklagten eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v.H. unter Zugrundelegung eines JAV von 20.160,00 DM (= Mindest-JAV gemäß § 575 Abs. 1 Nr. 1 RVO in Höhe von 60 v.H. der im Unfallzeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch - SGB 4 -). Am 20. Juni 1996 bestand der Kläger das zweite Juristische Staatsexamen. Er teilte der Beklagten mit, dass er beabsichtige, als selbständiger Rechtsanwalt im Gebiet der alten Bundesrepublik tätig zu werden und darüber hinaus die Steuerberaterqualifikation zu erwerben. Mit Bescheid vom 28. August 1996 erhöhte die Beklagte den JAV gemäß § 573 Abs. 1 RVO für die Zeit ab 21. Juni 1996 auf 70.809,13 DM unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe II a des BAT (Eingangsamt eines Juristen bei Eintritt in den Öffentlichen Dienst). Der JAV setzte sich zusammen aus der monatlichen Grundvergütung unter Zugrundelegung des 29. Lebensjahres (4.267,54 DM), dem Ortszuschlag Tarifklasse I b Stufe 1 (955,88 DM), der allgemeinen Zulage (§ 193, 81,00 DM), den vermögenswirksamen Leistungen (13,00 DM), dem Urlaubsgeld (500,00 DM) und den Sonderzuwendungen (Weihnachtsgeld 5.146,37 DM). Mit Bescheid vom 19. Dezember 1996 wurde die Rente auf Antrag des Klägers gemäß § 604 RVO mit einem Betrag von 219.508,27 DM abgefunden. Der Berechnung des Abfindungsbetrages legte die Beklagte den mit Bescheid vom 28. August 1996 festgesetzten JAV von 70.809,13 DM zugrunde.
Mit seinem gegen den Bescheid vom 28. August 1996 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass der JAV nach dem Jahreseinkommen eines 29jährigen selbständigen, in Vollzeit tätigen Rechtsanwaltes im Gebiet der alten Bundesrepublik am 21. Juni 1996 zu berechnen sei, das schätzungsweise bei ca. 85.000,00 DM liege. Zumindest hätte ein Ortszuschlag nach der Tarifklasse I b Stufe 3 zugrunde gelegt werden müssen, da er verheiratet sei und zwei Kinder habe.
Durch Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der nach BAT II a festgestellte JAV sei für den Kläger am günstigsten. Die aktuelle Einkommenssituation selbständiger Rechtsanwälte für das Jahr 1996 sei nicht feststellbar. Eine tariflich vereinbarte Vergütung für angestellte Rechtsanwälte existiere nach Auskunft der Rechtsanwaltskammer nicht. Der ortsübliche Verdienst eines angestellten Rechtsanwaltes in einer Sozietät im ersten Berufsjahr unter Einbeziehung eines etwaigen 13. Gehalts und sonstiger freiwilliger Leistungen liege nach den durchgeführten Ermittlungen ab 1996 je nach Qualifikation (Promotion) und Status zwischen 4.000,00 und 6.000,00 DM. Eine Erhöhung des JAV nach dem Familienstand komme nicht in Betracht, weil § 573 Abs. 1 RVO dies nicht vorsehe. Vielmehr sei der Verdienst eines Vergleichsmannes "mit gleicher Ausbildung" und "gleichen Alters" maßgebend.
Am 12. März 1997 hat der Kläger beim Sozialgericht Marburg (SG) Klage erhoben und zuletzt nur noch beantragt, bei der Berechnung des JAV den Ortszuschlag Tarifgruppe I b Stufe 3 für Verheiratete mit zwei Kindern zugrunde zu legen.
Mit Urteil vom 15. Juni 1999 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide antragsgemäß verurteilt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Bei der Ermittlung des maßgeblichen Vergleichsentgelts nach § 573 Abs. 1 Satz 2 RVO seien auch der Familienstand und die Kinder des Klägers zu berücksichtigen. Zwar seien im Gesetz als Kriterien für die Ermittlung des heranzuziehenden Vergleichsentgelts nur die gleiche Ausbildung und das gleiche Alter der Vergleichsperson genannt. Bei der Auslegung der Vorschrift sei jedoch der gesetzgeberische Grundgedanke zu beachten, der dahin gehe, die zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in Berufs- oder Schulausbildung stehenden Versicherten zur Vermeidung einer besonderen Härte so zu stellen, als ob sie den Unfall erst nach dem Abschluss der Ausbildung - bei höherem JAV - erlitten hätten. So sei z.B. bei der Berechnung des fiktiven JAV von dem Tariflohn und von der zur Zeit der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung geltenden tariflichen Arbeitszeit und nicht von den tatsächlichen Verhältnissen zur Zeit des Arbeitsunfalls auszugehen, obgleich die Arbeitszeit in § 573 Abs. 1 Satz 2 RVO ebenfalls nicht als ausdrückliches Kriterium für das zum Vergleich heranzuziehende Entgelt genannt sei. Es überzeuge deshalb nicht, dass nur die ausdrücklich genannten Merkmale der gleichen Ausbildung und des gleichen Alters zu berücksichtigen seien.
Gegen das ihr am 10. August 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. September 1999 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass Wortlaut und Sinn und Zweck des § 573 Abs. 1 RVO die Berücksichtigung von Veränderungen des individuellen Familienstandes und der Kinderzahl zwischen Unfallzeitpunkt und Ausbildungsende nicht zuließen. Berechnungsgrundlage sei der Verdienst einer "Vergleichsperson mit gleicher Ausbildung und gleichem Alter" allenfalls bezogen auf den Familienstand zum Unfallzeitpunkt. Dafür spreche auch die Vorschrift des § 573 Abs. 2 RVO, die ausdrücklich auf die zur Zeit des Unfalls maßgeblichen Verhältnisse abstelle. Es würde auch eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung darstellten, wenn bei den unter § 573 Abs. 1 RVO fallenden Versicherten spätere Änderungen im Familienstand Beachtung finden könnten, bei den allein von § 573 Abs. 2 RVO erfassten Versicherten hingegen nicht. Auch würden Personen, die während der Ausbildung heirateten und Kinder bekämen, ungleich günstiger behandelt als solche, die erst nach Abschluss der Ausbildung eine Familie gründeten. Es frage sich auch, wie zu verfahren sei, wenn der Familienstand des Klägers sich zukünftig ändere oder die Voraussetzungen für kinderbezogene Zuschläge entfielen. Sofern bei fiktiver JAV-Berechnung Familienstand und Kinder tatsächlich berücksichtigungsfähig wären, könne es allenfalls auf die fiktiven Verhältnisse einer entsprechenden Vergleichsperson ankommen. Da nach der Statistik des Statistischen Bundesamtes das durchschnittliche Heiratsalter lediger Männer in Deutschland 1996 bei 30 Jahren gelegen habe, wäre der Kläger gemessen an einer fiktiven Vergleichsperson aber noch gar nicht verheiratete gewesen. Selbst wenn er verheiratet gewesen wäre, hätte statistisch lediglich ein Kind berücksichtigt werden dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 15. Juni 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Seiner Ansicht nach spricht schon der Wortlaut des § 573 Abs. 1 Satz 2 RVO dafür, dass seine persönliche Lebensstellung mit der Folge der Erhöhung des Ortszuschlages aufgrund der Kinderzahl mitzuberücksichtigen sei, weil dies sich bei Neuberechnung des JAV auf der Grundlage der Vergütungsgruppe II a des BAT als entsprechende tarifliche Eingruppierung ergebe. Dies habe die Beklagte ausweislich der Akten zunächst selbst so gesehen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu der Feststellung des JAV nach billigem Ermessen seien die Lebensverhältnisse des Versicherten ein zu beachtender Gesichtspunkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Streitig ist nur noch, ob die Beklagte bei der vorgenommenen Neuberechnung des JAV des Klägers gemäß § 573 Abs. 1 RVO ab 21. Juni 1996, d.h. vom Zeitpunkt des Abschlusses der Ausbildung an, nach der Vergütungsgruppe II a des BAT (Eingangsamt eines Juristen bei Eintritt in den Öffentlichen Dienst) zu Recht den Ortszuschlag Tarifklasse I b Stufe 1 zugrunde gelegt hat, oder ob sie - wie das SG und der Kläger meinen, den Ortszuschlag Tarifgruppe I b Stufe 3 zugrunde legen musste, weil der Kläger zwischen Arbeitsunfall und Ausbildungsende geheiratet und zwei Kinder bekommen hatte. Dazu ist die Beklagte nach dem Gesetz jedoch nicht verpflichtet, so dass die Berufung Erfolg haben musste.
Für den der Berechnung der Verletztenrente neben dem Grad der MdE zugrunde zu legenden JAV (§ 581 Abs. 1 RVO) ist in der Regel der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§§ 14, 15 SGB 4) des Verletzten in den letzten zwölf Monaten vor dem Arbeitsunfall maßgebend (§ 571 Abs. 1 Satz 1 RVO). Nach der Rechtsprechung des BSG gehört der an einen versicherungspflichtigen Tarifangestellten des Öffentlichen Dienstes oder einen freiwillig versicherten Beamten gezahlte Ortszuschlag auch hinsichtlich seiner auf Familienstand und Anzahl der Kinder bezogenen, vom Kindergeld unabhängigen und steuerpflichtigen Teile zum Bruttobetrag des Arbeitsentgelts im Sinne des § 14 SGB 4, der bei der Beitragsberechnung (in der Krankenversicherung) heranzuziehen ist (BSG 3-2200 § 180 Nr. 7; s. auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nrn. 20, 27). Es kann dahinstehen, ob derartige Teile des Ortszuschlages demzufolge auch bei der Bemessung der nach dem JAV zu berechnenden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Bei der hier streitigen Neuberechnung des JAV nach § 573 Abs. 1 RVO kommt dies jedenfalls nicht in Betracht.
Nach § 573 Abs. 1 RVO (jetzt § 90 Abs. 1 SGB 7) ist der JAV, wenn sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu zu berechnen, soweit dies für den Berechtigten günstiger ist. Der neuen Berechnung ist das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Es soll mithin zukünftig der Berechnung des JAV das Entgelt zugrunde gelegt werden, das der Verletzte aufgrund eines ohne Arbeitsunfallfolgen voraussichtlich erreichbaren oder ggf. - wie hier - tatsächlich auch erreichten Ausbildungsabschlusses (s. dazu BSG SozR 2200 § 573 Nr. 11) erzielt hätte. Abs. 2 und Abs. 3 des § 573 RVO sehen unter bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung des JAV an - ausschließlich - von einem bestimmten Lebensalter (Abs. 2) bzw. - ausschließlich - von einem bestimmten Lebens- oder Berufsalter (Abs. 3) abhängige Arbeitsentgelte/Verdiensterhöhungen vor, wenn diese für Personen mit gleichartiger Tätigkeit (Abs. 2) bzw. gleichartiger Tätigkeit oder gleicher Ausbildung (Abs. 3) im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich sind (s. dazu BSG SozR § 573 RVO Nrn. 1 und 2; SozR 2200 § 573 Nr. 12). § 573 RVO stellt damit insgesamt eine Ausnahme von dem in der gesetzlichen Unfallversicherung seit jeher herrschenden Grundsatz dar, dass die Verdienstverhältnisse des Verletzten im Jahr vor dem Arbeitsunfall für alle Zukunft Grundlage der Geldleistungen bleiben und spätere, zukünftige Erwerbsaussichten bei der Feststellung des JAV nicht berücksichtigt werden (u.a. BSGE 47, 137; BSG SozR 3-2200 § 573 Nr. 2). Dadurch soll verhindert werden, dass bei Personen, die schon während der Schul- oder Berufsausbildung und/oder vor Erreichen des 25. Lebensjahres (Abs. 2) einen Unfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch nicht das volle Arbeitsentgelt erzielt haben, ein in der Regel niedrigerer JAV für die gesamte Zeit der Rentengewährung, u.U. für das ganze Leben, maßgebend bleibt (u.a. BSGE 47, 137). Auch wenn die Vorschrift des § 573 RVO ebenso wie die Rentenanpassung nach § 579 RVO zu einer Berücksichtigung der durch den Unfall herbeigeführten Beeinträchtigung der Aussichten auf zukünftige Entwicklungen des Einkommens führt, stellt sie doch grundsätzlich auf die Verhältnisse im Unfallzeitpunkt ab. Das gilt nicht nur für Abs. 2 und Abs. 3, sondern auch für Abs. 1 des § 573 RVO. Zwar hat das BSG wiederholt ausgeführt, dass der Verletzte durch § 573 Abs. 1 RVO hinsichtlich der Berechnung des JAV so gestellt werden solle, als hätte er den Arbeitsunfall erst nach Beendigung der Berufsausbildung erlitten und einen höheren Verdienst erzielt (u.a. BSGE 38, 216; 47, 137; BSG SozR 2200 § 573 Nrn. 4, 9, 11; SozR 3-2200 § 576 Nr. 1; SozR 3-2200 § 573 Nr. 2). Damit ist jedoch nicht gemeint, dass im Rahmen des § 573 Abs. 1 RVO der Eintritt des Versicherungsfalls fiktiv auf einen anderen - späteren - Zeitpunkt, nämlich den des voraussichtlichen Ausbildungsendes verlegt wird. Vielmehr sind die grundsätzlich maßgebenden Verhältnisse im Unfallzeitpunkt bei der Anwendung des § 573 Abs. 1 RVO auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung einer Ausbildung zu übertragen (BSG SozR § 565 RVO a.F. Nr. 7; SozR § 573 RVO Nr. 1). Demgemäss ist z.B. bei der Berechnung des JAV auch künftig nur von der vor dem Unfall bereits begonnenen Ausbildung und - bei begonnener Berufsausbildung - von den Verhältnissen des Ausbildungsbetriebes und dem ggf. für dieses Unternehmen geltenden Tarifvertrag auszugehen (BSG, a.a.O.). Da im Rahmen des § 573 Abs.1 RVO eine Neuberechnung nach dem zu vergleichenden - fiktiven - Entgelt nur zu erfolgen hat, wenn sie für den Berechtigten günstiger ist, bleiben die Verhältnisse im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls ggf. auch für die Zukunft - nach dem voraussichtlichen/tatsächlichen Ausbildungsende - in jeder Beziehung maßgebend.
Schon daraus folgt, dass für rein persönliche Verhältnisse wie Familienstand/Anzahl der Kinder, soweit sie für die Berechung des JAV überhaupt von Bedeutung sein können, allenfalls auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls abzustellen ist, sofern § 573 Abs. 1 RVO nicht etwas anderes vorsieht. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn § 573 Abs. 1 RVO schreibt ebenso wie Abs. 2 und Abs. 3 oder sonstige Vorschriften der RVO weder eine Neuberechnung/Anpassung des JAV wegen Änderung derartiger persönlicher Verhältnisse seit dem Arbeitsunfall vor noch lässt sie nach Wortlaut und Zielsetzung zu, dass gelegentlich der Neuberechnung des JAV aus einem völlig anderen Anlass, nämlich dem voraussichtlichen/tatsächlichen Ausbildungsende, Änderungen in derartigen Verhältnissen, die ansonsten, u.a. im Rahmen des § 573 Abs. 2 und 3 RVO, völlig unerheblich sind und nie zu einer Neuberechnung/Anpassung führen können, ausnahmsweise für die Gruppe der von § 573 Abs. 1 RVO erfassten Verletzten mitberücksichtigt werden. Vielmehr ist entsprechend dem für eine Neuberechnung nach § 573 Abs. 1 RVO auslösenden Tatbestand - voraussichtliches Ende einer zur Zeit des Unfalls bereits begonnenen Ausbildung - für die Ermittlung des im Zeitpunkt des voraussichtlichen Ausbildungsendes maßgebenden - fiktiven - Vergleichseinkommens - lediglich - auf das Entgelt abzustellen, das zu diesem Zeitpunkt für Personen "gleicher Ausbildung und gleichen Alters" durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Auf gleiche sonstige Verhältnisse, insbesondere Familienverhältnisse dieser Personen und des Verletzten im Zeitpunkt des Ausbildungsendes und der Neuberechnung, die mit durch den Unfall beeinträchtigten Aussichten auf zukünftige Einkommensentwicklungen und der Berücksichtigung eines späteren Berufseinkommens grundsätzlich auch gar nichts zu tun haben, kommt es danach eindeutig nicht an. Demgemäss kann eine Neuberechnung nach § 573 Abs. 1 RVO für die Zeit nach dem voraussichtlichen Ausbildungsende grundsätzlich auch schon von Beginn an bzw. bei der ersten Rentenfeststellung erfolgen, wenn sich die Lage bei Beendigung der Ausbildung schon übersehen lässt (Lauterbach, a.a.O., Anm. 5 zu § 573), und muss jedenfalls nicht wegen möglicher Veränderungen in den familiären Verhältnissen aufgeschoben werden. Soweit das SG darauf verweist, dass bei der Neuberechnung des JAV nach § 573 Abs. 1 RVO im Zeitpunkt des voraussichtlichen Ausbildungsendes auch die zu dieser Zeit geltende tarifliche oder ortsübliche Arbeitszeit maßgebend sei, obwohl auch sie nicht als Kriterium für die Ermittlung des Vergleichsentgelts genannt sei, trifft dies nicht zu. Vielmehr ergibt sich ihre Berücksichtigung bereits aus dem Entgeltbegriff, für den einerseits der Lohn- und andererseits der Zeitfaktor maßgebend ist.
Da der Kläger zur Zeit des Arbeitsunfalls weder verheiratet war noch Kinder hatte, kommt es nicht mehr darauf an, ob bei anderer Fallgestaltung von diesen Verhältnissen abhängige Teile des Ortszuschlags bei der Ermittlung des Vergleichsentgelts im Zeitpunkt des Ausbildungsendes nach dem BAT Berücksichtigung hätten finden können. Nach dem Wortlaut des § 573 Abs. 1 RVO dürfte dies allerdings ebenso zu verneinen sein, da mit den für die Ermittlung des fiktiven Vergleichsentgelts genannten Kriterien - gleiche Ausbildung, gleiches Alter - auch abschließend bestimmt ist, welche Verhältnisse des Verletzten für diese Entgeltermittlung und ggf. für die Neuberechnung seines JAV Bedeutung gewinnen können. Damit sind alle sonstigen Verhältnisse des Verletzten ausgeschlossen, gleichgültig wann sie vorlagen, ob zur Zeit des Ausbildungsendes oder/und bei Eintritt des Arbeitsunfalls/Versicherungsfalls. Eine ausdehnende Auslegung ist ebenso wenig möglich wie im Rahmen des § 573 Abs. 2 und 3 RVO.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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