L 6 AL 1373/98

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 AL 1223/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 1373/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. August 1998 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit von 6 Wochen in der Zeit vom 1. August bis 11. September 1995 sowie die Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 7. August bis 11. September 1995; der Eintritt einer Sperrzeit ist anlässlich der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin mit dem Ziel, zu ihrem damaligen Lebensgefährten und Verlobten sowie jetzigen Ehemann nach A. zum 31. Juli 1995 zu ziehen, festgestellt worden.

Die 1961 geborene Klägerin meldete sich am 7. August 1995 bei dem für ihren Wohnsitz in A. zuständigen Arbeitsamt arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Klägerin war zuvor in der Zeit vom 1. Juli 1989 bis 31. Oktober 1993 in T. und vom 1. November 1993 bis 31. Juli 1995 in K. als Arzthelferin beitragspflichtig beschäftigt. Das letzte Arbeitsverhältnis kündigte die Klägerin ausweislich der Auskunft des Arbeitgebers mündlich am 21. April 1995 und schriftlich am 21. Mai 1995 zum 31. Juli 1995. Sie gab zur Begründung an, ihr Verlobter, der bei der Bundeswehr tätig sei, sei von K. nach A. versetzt worden. Ein der Beklagten von der Klägerin vorgelegtes Kündigungsschreiben trägt das Datum des 21. April 1995. Die Arbeitsstelle bei Dr. H. habe sie kündigen müssen, da die Versetzung ihres Verlobten mit der sofortigen Wohnungsauflösung verbunden gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Umzugs habe sie bereits 5 Jahre mit ihrem Verlobten zusammengelebt und die Heirat habe kurz bevorgestanden, ohne dass bereits ein Aufgebot bestellt bzw. ein genauer Termin geplant worden sei.

Mit Bescheid vom 22. August 1995 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. August bis 11. September 1995 von 6 Wochen, § 119a Arbeitsförderungsgesetz - AFG - fest und versagte den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit bis 11. September 1995. Die Klägerin habe ihr Arbeitsverhältnis bei Dr. H. zum 1. August 1995 selbst gekündigt und damit Anlass zur Sperrzeit gegeben. Ein wichtiger Grund könne auch im Hinblick darauf, dass ihr Verlobter ab 31. Juli 1995 nach A. versetzt worden sei, nicht anerkannt werden. Nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen würde eine solche von 12 Wochen jedoch eine besondere Härte für die Klägerin bedeuten, weshalb diese gemäß § 119 Abs. 2 Satz 1 AFG auf 6 Wochen herabgesetzt worden sei. Mit Bescheid vom 24. August 1995 wurde der Klägerin ab 12. September 1995 Arbeitslosengeld in Höhe von 362,40 DM wöchentlich bewilligt.

Gegen den Sperrzeitbescheid wie auch gegen den Bewilligungsbescheid von Arbeitslosengeld legte die Klägerin am 5. September 1995 Widerspruch ein. Mit dem Widerspruch verwies sie insbesondere darauf, dass die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses in unmittelbarem Zusammenhang mit der Versetzung ihres Verlobten nach A. gestanden habe. Daraus habe die Auflösung des Hausstandes und die Kündigung der Bundesdarlehenswohnung in K. resultiert. In der Bundesdarlehenswohnung habe nicht sie, sondern nur ihr Verlobter als Bundesbediensteter ein Wohnrecht gehabt. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wäre nur mit der Suche nach einer neuen Wohnung möglich gewesen, was ihr in kürzester Zeit nicht möglich gewesen wäre. Ab 18. September 1995 stand die Klägerin wiederum in einem Arbeitsverhältnis. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 1995 zurück.

Die Klägerin hat am 23. Oktober 1995 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben, mit der sie sich gegen den Eintritt einer Sperrzeit von 6 Wochen wie auch die Versagung der Gewährung von Arbeitslosengeld bis zum 11. September 1995 wehrt. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe für die von ihr ausgesprochene Kündigung einen wichtigen Grund gehabt. Kenntnis von der Erforderlichkeit des Umzuges habe ihr Verlobter erst in der zweiten Maihälfte erhalten. Zu dieser Zeit sei es nicht mehr möglich gewesen, sich zur Verlängerung der Beschäftigung eine neue Wohnung zu nehmen. Sie habe sich zudem am 12. Juni 1995 bei dem für sie zu-ständigen Arbeitsamt K. arbeitsuchend gemeldet und um Unterstützung dahingehend gebeten, möglichst ab dem 1. August 1995 eine Folgebeschäftigung zu erhalten. Ihr sei von der zu-ständigen Sachbearbeiterin die Angabe gemacht worden, dass sie sich erst förmlich melden könne, wenn der Umzug in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsamtes K. erfolgt sei. Die Bemühungen des Arbeitsamtes K. um eine Anschlussbeschäftigung seien unzulänglich gewesen; ihr seien lediglich vier Ärzte benannt worden, bei denen jedoch ein Arbeitsverhältnis nicht zustandegekommen sei. Gegen den Eintritt einer Sperrzeit spreche auch, dass sie bereits seit 1990 mit ihrem Verlobten zusammengelebt habe und sie bereits einen früheren Umzug aus dem R. nach K. zusammen bewältigt hätten. Der jeweilige Standort ihres Verlobten bilde für beide den Mittelpunkt ihrer Lebensführung. Ihr Verlobter und sie verfügten seit Jahren über einen gemeinsamen Hausstand. Bei einer Trennung zur Fortsetzung der früheren Beschäftigung hätte zumindest die Grundausstattung für eine neue Wohnung angeschafft werden müssen, welche dann 6 Wochen später wieder überflüssig gewesen wäre. Erhebliche Kosten wären auch durch ein Zwischenmietverhältnis entstanden. Soweit ihr schriftliches Kündigungsschreiben vom 21. April 1995 datiere, die Versetzungsverfügung aber erst am 24. April 1995, sei maßgeblich, dass die Kündigung tatsächlich erst im Mai 1995 erfolgt sei und zwar wenige Tage nach dem Tag, nach dem ihr damaliger Verlobter die Versetzungsverfügung selbst erhalten habe, was am 17. Mai 1995 der Fall gewesen sei. Insoweit sei die schriftliche Kündigung zurückdatiert worden. Warum dies geschehen sei, wisse sie nicht mehr, vielleicht habe es mit der einzuhaltenden Kündigungsfrist im Zusammenhang gestanden. Wenn Dr. H. gegenüber dem Gericht an einem Kündigungszeitpunkt 21. April 1995 festhalte, halte sie daran fest, unmittelbar im Anschluss an die Bekanntgabe der Versetzungsverfügung gekündigt zu haben. Sie habe sich in erheblichem Umfange, auch durch Anzeigen, um eine Anschlussbeschäftigung bemüht und eine Vielzahl von persönlichen Bewerbungsschreiben abgesetzt. Dass die Eingehung der Ehe konkret beabsichtigt gewesen sei, zeige die am 16. Mai 1996 erfolgte Eheschließung; aus der Ehe sei zwischenzeitlich ein gemeinsames Kind hervorgegangen.

Die Beklagte ist dem Vorbringen entgegengetreten und hat ausgeführt, dass der Zuzug zum Verlobten grundsätzlich keinen wichtigen Grund für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses darstelle.

Das Sozialgericht hat die Beratungsvermerke der Beklagten betreffend die Klägerin beigezogen. Die von der Klägerin ab 18. September 1995 aufgenommene Beschäftigung bei Dr. G., A., ist ausweislich der Angaben des Arbeitgebers durch Vermittlung des Arbeitsamtes zustandegekommen. Die Stelle sei kurzfristig zu besetzen gewesen. In einer Auskunft hat die frühere Vermieterin, die Fa. D. KG, ausgeführt, dass die Klägerin nie Mieterin der Wohnung gewesen sei und sie deshalb mangels Berechtigung nicht in dieser hätte wohnen bleiben können.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. August 1998 abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, die Klägerin habe durch ihre Kündigung des Arbeitsverhältnisses Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben, die von der Beklagten mit 6 Wochen nach § 119 Abs. 2 AFG, § 119a AFG festgestellt worden sei. Die Klägerin habe grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt, weil sie im Zeitpunkt der Kündigung keine gesicherte Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz im Raum A. gehabt habe. Allein die Meldung als arbeitsuchend am 12. Juni 1998 einschließlich der Eigenbemühungen der Klägerin schlössen insoweit das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nicht aus. Die Klägerin habe damit rechnen müssen, kein Anschlussarbeitsverhältnis zu bekommen. Auch die Aufnahme einer Anschlussbeschäftigung bei Dr. G. am 18. September 1995 stehe dem nicht entgegen.

Die Klägerin könne für sich auch keinen wichtigen Grund in Anspruch nehmen. Im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Zwecke der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft könne zwar ein wichtiger Grund gesehen werden. Der Zuzug zum Verlobten bzw. Lebenspartner, dem der gemeinsame Umzug gleichstehe, werde von der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. SozR 4100 § 119 Nr. 33) jedoch nur dann anerkannt, wenn die Beschäftigungsaufgabe zum gewählten Zeitpunkt notwendig gewesen sei, um vom beabsichtigten Heiratstermin an die eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen. Insoweit solle die Herstellung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auch dann keinen wichtigen Grund darstellen, wenn die Gemeinschaft bereits 10 Jahre Bestand habe (Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung). Die Klägerin müsse auch gegen sich gelten lassen, dass sie in ihre Überlegungen eine wenn auch vorübergehende Weiterbeschäftigung in K. überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe. Dies zeige ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren. Die Klägerin sei stets fest entschlossen gewesen, nach A. zu ziehen. Insoweit wäre bei der von der Klägerin geltend gemachten Ausrichtung ihrer damaligen Lebensgemeinschaft aber auch eine zumindest vorübergehende Fortsetzung des Mietverhältnisses in K. durch ihren jetzigen Ehemann möglich gewesen, zumal ihm als Berufssoldaten zunächst auch noch eine anderweitige Unterbringungsmöglichkeit, etwa in der Kaserne, zur Verfügung gestanden hätte.

Gegen dieses, der Klägerin am 11. September 1998 zugestellte Urteil richtet sich ihre mit Schriftsatz vom 7. Oktober 1998 am 8. Oktober 1998 beim Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin weiterhin gegen den Eintritt einer Sperrzeit wie auch gegen die Versagung des Arbeitslosengeldes für die Zeit bis zum 11. September 1995. Das Sozialgericht habe im Ergebnis verkannt, dass die Klägerin durch die eheähnliche Lebensgemeinschaft einen wichtigen Grund gehabt habe, ihrem Verlobten und späteren Ehemann zu folgen. Insoweit könne sich die Klägerin auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berufen. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom 7. November 1992 - 1 BvL 8/87 - erkennen lassen, dass die Gleichbehandlung eheähnlicher und ehelicher Lebensgemeinschaften bei der Problematik eines wichtigen Grundes im Rahmen des § 119 AFG zu berücksichtigen sei. Die rechtliche Verbindlichkeit der Eheschließung als einziger Unterschied zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft könne allein keine Ungleichbehandlung im Rahmen des AFG rechtfertigen. Ergänzend hat die Klägerin - im Termin am 23. Februar 2000 vor dem Senat persönlich angehört vorgetragen, dass sie sich intensiv um Angebote bemüht, Bewerbungsschreiben verfasst und Anzeigen geschaltet habe; hierauf habe Sie Absagen erhalten. Sie habe sich besonders günstige Vermittlungsaussichten ausgerechnet, da sie zusätzlich eine Ausbildung als Röntgen-Assistentin sowie als Arztsekretärin habe und zudem über Erfahrung im OP-Bereich verfüge.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. August 1998 sowie den Bescheid vom 22. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 1995 aufzuheben und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 24. August 1995 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang bereits ab 7. August 1995 zu zahlen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte bezieht sich inhaltlich auf das Urteil des Sozialgerichts.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der beigezogenen Leistungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 1995 sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld bereits ab 7. August 1995. Zu Recht ist der Eintritt einer Sperrzeit, den die Beklagte mit sechs Wochen berechnet hat, § 119 Abs. 2, § 119a Nr. 1 AFG, für den Zeitraum vom 1. August bis 11. September 1995 festgestellt und der Anspruch auf Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum versagt worden.

Eine Sperrzeit von 12 Wochen tritt u.a. ein, wenn der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis gelöst oder durch ein vertragswidriges Verhalten Anlass für die Kündigung des Arbeitgebers gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 119a Nr. 1 AFG.

Durch die Lösung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin ihre Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, da sie im Zeitpunkt der Kündigung keinen gesicherten Anschlussarbeitsplatz an dem in Aussicht genommenen Wohnort der eheähnlichen Lebensgemeinschaft zur Verfügung hatte. Dabei wird nicht die feste Zusicherung eines Anschlussarbeitsplatzes verlangt, es muss jedoch zumindest eine ernsthafte und auf einen konkreten Arbeitsplatz bezogene Aussicht bestehen (BSG in SozR 4100 § 119 Nr. 28). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der allgemeinen Verhältnisse auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt vernünftigerweise mit einem Anschlussarbeitsplatz nicht rechnen konnte (BSG in SozR 4100 § 19 Nr. 30). Verlangt wird eine konkrete Aussicht auf einen Arbeitsplatz, weshalb die Meinung der Klägerin, sie erfülle besondere weitere Qualifikationen und habe deshalb bessere Vermittlungschancen, nicht ausreicht. Die Klägerin konnte sich insoweit auch nicht auf ihre Erfahrungen zu früherer Zeit und anlässlich früherer Versetzungen ihres Verlobten berufen, da die Arbeitsmarktlage laufenden Änderungen unterliegt; zudem wollte die Klägerin auch örtlich eingeschränkt beschäftigt werden.

Das gesamte Verhalten der Klägerin war auf eine zeitnahe Aufnahme einer Beschäftigung in A. gerichtet; das Sozialgericht hat insoweit überzeugend festgestellt, dass die Klägerin die Möglichkeit oder Notwendigkeit, zunächst für eine Übergangszeit das frühere Beschäftigungsverhältnis weiter zu führen, schon mit dem Hinweis verworfen hatte, sie müsse sonst für eine kurze Zeit eine Wohnung und einen eigenen Hausstand am früheren Beschäftigungsort einrichten. Ob die Klägerin noch für wenige Wochen in der an sich nur für Bundesbedienstete vorgesehenen Wohnung ihres Verlobten hätte wohnen können oder ob die Klägerin eine vorübergehende Unterkunft sich hätte beschaffen müssen, kann letztlich dahinstehen und nicht streitentscheidend sein. § 119 AFG sanktioniert die Aufgabe einer Beschäftigung, obgleich keine neue Beschäftigung konkret in Aussicht steht. Dies verpflichtet den Versicherten, auch unter schwierigeren Bedingungen - etwa Anmietung einer möblierten Wohnmöglichkeit - ein Beschäftigungsverhältnis weiter zu führen. Bis zum Tag der Eheschließung ist eine doppelte Haushaltsführung grundsätzlich zuzumuten (vgl. BSG, Urt. vom 29.11.1988 a.a.O.). Dies hatte die Klägerin gar nicht erst erwogen. Wer die aus dem Versicherungsverhältnis folgende Obliegenheit, den Eintritt des Versicherungsfalls Arbeitslosigkeit zu vermeiden, nicht erfüllt, kann sich nicht auf einen wichtigen Grund berufen (BSG, Urt. vom 26.3.1998 - B 11 AL 49/97 R - SozR 3-4100 § 119 Nr. 14).

Das Anschlussarbeitsverhältnis bei Dr. G. konnte der Klägerin erst "wenige Wochen" vor dem 18. September 1995 zur Verfügung stehen, wie das Sozialgericht ermittelt hatte. Selbst wenn von einer die Klägerin "bindenden" Kündigung erst um den 30. Juni 1995 ausgegangen würde und mit dieser der Kündigungstermin des 21. April und selbst des 21. Mai 1995 nicht angenommen würde, könnte sich die Klägerin nicht auf das Arbeitsverhältnis bei Dr. G. als maßgebliches Anschlussarbeitsverhältnis berufen. Die vorangehenden Vermittlungsbemühungen, mögen diese auch sehr gezielt und durch Anzeigen sowie mehrere Bewerbungsbriefe geführt worden sein, waren nicht geeignet, den Tatbestand einer "ernsthaften Einstellungsaussicht" zu erfüllen.

Dem steht nicht entgegen, dass durch die Beklagte trotz der zeitnahen Vorsprache der Klägerin im Mai 1995 bei dieser kein geeigneter Arbeitsplatz nachgewiesen worden sein sollte. Jedenfalls hat auch die Klägerin - neben der Behauptung, man habe ihr zunächst keine geeigneten Stellen nachgewiesen - nicht vorgetragen und es besteht auch kein Anlass für die Annahme, das Arbeitsamt habe vor Kündigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses Vermittlungsbemühungen in ein anderes Beschäftigungsverhältnis i.S. der Rechtsprechung des BSG (Urt. vom 29.4.1998 - B 7 AL 56/97 R a.a.O.) "verweigert". Die Vermittlungsbemühungen der Beklagten sind durch den entsprechenden Ausdruck über die angebotenen Arbeitsstellen erwiesen und hatten letztlich - wenn auch mit Verzögerung während des hier streitbefangenen Zeitraums - zum Erfolg geführt.

Die Absagen auf die Bewerbungsschreiben der Klägerin waren durchaus geeignet, dieser die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einem Anschlussarbeitsverhältnis zu belegen. Von Arbeitnehmern kann grundsätzlich erwartet werden, dass diese ihr bisheriges Arbeitsverhältnis erst lösen, wenn sie einen Anschlussarbeitsplatz in konkreter Aussicht haben (BSG, Urt. vom 28.6.1990 - 7 RAr 124/89 - SozSich 1991, S. 351). Diesem Grundsatz hat die Klägerin nicht entsprochen.

Die Klägerin kann sich - in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Entscheidung - auch nicht auf einen wichtigen Grund im Zusammenhang mit einem durch die Versetzung ihres - damaligen - Verlobten gerechtfertigten Nachzug nach A. berufen, mit der Folge, dass aus diesem Grunde keine Sperrzeit eintreten könnte. Eine Sperrzeit soll nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (vgl. Niesel, § 119 AFG, RdNr. 63 unter Bezugnahme auf BSG in SozR 4100 § 119 Nr. 28). Das Vorliegen eines "wichtigen Grundes" ist als unbestimmter Rechtsbegriff im Gesetz nicht näher festgelegt und im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu konkretisieren, ohne dass der Arbeitslose den wichtigen Grund gekannt oder richtig bewertet haben muss (vgl. BSG in SozR 3-4100 § 119 Nr. 6).

Der Zuzug zum oder zur Verlobten bzw. Lebenspartner oder Lebenspartnerin kann unter den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. bereits BSG, Urt. vom 29.11.1988 - 11/7 RAr 81/87 - SozR 4100 § 119 Nr. 34 sowie nachfolgend mit weiteren Nachweisen insbesondere Urt. vom 26.3.1998 - B 11 AL 49/97 R - SozR 3-4100 § 119 Nr. 14; Urt. vom 29.4.1998 - B 7 AL 56/97 R - SozR 3-4100 § 119 Nr. 15 sowie Urt. vom 5.11.1998 - B 11 AL 5/98 R - SozR 3-4100 § 119 Nr. 16) hierzu festgelegten Maßstäben ein wichtiger Grund sein. Beim Zuzug zum Verlobten besteht für die Aufgabe des Arbeitsverhältnisses ein wichtiger Grund i.S. des Ausschlusses einer Sperrzeit, § 119 Abs. 1 AFG, nur, wenn die Aufgabe zum gewählten Zeitpunkt notwendig war, um ab dem beabsichtigten Heiratstermin die eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen (BSG, Urt. vom 29.11.1988 a.a.O.); den danach möglichen Härtetatbestand hatte die Beklagte bereits mit ihrer ersten Verwaltungsentscheidung vorgesehen.

Auch die weitere Differenzierung der Rechtsprechung des 11. Senats des BSG (Urt. vom 5.11.1998 a.a.O.) führt hier nicht zu einem anderen Ergebnis, wie das Sozialgericht zu Recht festgestellt hat und auf dessen Gründe sich der erkennende Senat insoweit bezieht, vgl. § 153 Abs. 2 SGG.

Ergänzend stellt der erkennende Senat auf folgende Gesichtspunkte hierzu ab: Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat grundsätzlich erst in der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft und in Erweiterung dieses Grundsatzes jedenfalls einer Erziehungsgemeinschaft einen wichtigen Grund für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses gesehen (vgl. BSG in SozR 4100 § 119 Nr. 2 und Nr. 17). Dass vorliegend die Ehe später - aber nicht zeitlich mit der Arbeitsaufgabe im Zusammenhang - eingegangen wurde, reicht nicht aus. Diese Abwägung stützt das BSG maßgeblich auf Art. 6 Abs. 1 und 2 Grundgesetz - GG -, der die Wahrung der Pflichten als Ehepartner oder Elternteil unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt; dieser Schutzauftrag der staatlichen Ordnung erstreckt sich nach Art. 6 GG nicht auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft, wenngleich diese Lebensform dem Gestaltungsrecht des Einzelnen vorbehalten ist und durch das Abwehrrecht des Art. 2 GG geschützt wird; eine Förderung dieser Lebensgestaltung folgt hieraus jedoch nicht.

Gründe, die einen Bezug zur Weiterführung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft haben und die das Aufrechterhalten des früheren Beschäftigungsverhältnisses als unzumutbar erscheinen lassen könnten, sind nicht feststellbar. Das mehrjährige Bestehen einer solchen Lebensgemeinschaft reicht für sich nicht aus, wie das Sozialgericht zu Recht festgestellt hat. Dies gilt auch für den Umstand, dass bereits über längere Zeit ein gemeinsamer Haushalt bestanden hat, worauf die Klägerin besonders hingewiesen hatte. Daran kann auch nichts ändern, dass die Klägerin mit der Versetzung ihres Partners das Wohnrecht am früheren Beschäftigungsort verloren hatte. Schließlich folgt auch aus dem Einzelumstand, dass die Klägerin von geringeren Schwierigkeiten bei der Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes ausgegangen sei und deshalb auch unter dem Risiko der Arbeitslosigkeit gekündigt haben mag, keine andere Bewertung. Die Klägerin hat insoweit Gründe, die ihre Ursache in der privaten Lebensgestaltung (vgl. dazu BSG, Urt. vom 5.11.1998 - B 11 AL 5/98 R) haben, der Interessenlage der Versichertengemeinschaft an der Vermeidung des Versicherungsfalles der Arbeitslosigkeit übergeordnet; damit wird die zeitweise Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses jedoch nicht unzumutbar. Ob im Einzelfall auch ein längeres Zuwarten mit der Auflösung eines Beschäftigungsverhältnisses bei erkennbaren oder zumindest nicht ausgeräumten Schwierigkeiten einer Anschlussbeschäftigung einen wichtigen Grund darstellen könnte, etwa nach Monaten oder gar Jahren, kann hier dahinstehen; die Klägerin löste geradezu parallel zur Versetzung ihres Verlobten das Beschäftigungsverhältnis auf, wobei im Hinblick auf die hier möglicherweise in Bezug zu nehmenden Zeiträume von mehreren Monaten kein Anlass besteht, weitere Ermittlungen dazu anzustellen, ob die Klägerin bereits im April, im Mai oder geringfügig später gekündigt hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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