Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 318/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 5965/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, mithin die Zuerkennung des Merkzeichens "G".
Am 04.06.2004 stellte die 1949 geborene Klägerin beim Beklagten erstmals Antrag auf Feststellung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Dieser zog medizinische Unterlagen bei, insbesondere ein von Dr. F. für die gesetzliche Rentenversicherung am 02.06.2004 erstattetes orthopädisches Gutachten, in welchem die Diagnosen einer Überlastungsarthropathie beider Kniegelenke bei Adipositas und Fehlstellung der Beinachse bei frei erhaltener Funktion und Belastbarkeit, einer insuffizienten Knick-Senk-Spreizfußdeformität ohne Symptomatik sowie geringen Restbeschwerden nach Retinaculumspaltung bei CTS rechts genannt werden.
Mit Bescheid vom 19.01.2005, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 04.03.2005, stellte der Beklagte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) teilte der Orthopäde Dr. W. unter dem 13.07.2005 mit, die Klägerin sei in den letzten Jahren von ihm nicht orthopädisch untersucht worden, so dass er sinnvolle Aussagen bezüglich der Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht tätigen könne. Wegen einer Höherbewertung der seelischen Störungen in Verbindung mit den funktionellen Organbeschwerden und dem Kopfschmerzsyndrom anerkannte der Beklagte das Vorliegen eines GdB von 50 und stellte mit Ausführungsbescheid vom 20.12.2005 einen GdB von 50 ab 04.06.2004 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen legte er eine Seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden, ein Kopfschmerzsyndrom sowie Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke zugrunde.
Den am 20.11.2006 gestellten Antrag auf Erhöhung des GdB lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.06.2007 ab, nachdem Dr. I. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 02.06.2007 folgende Bewertung getroffen hatte: Seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden, Kopfschmerzsyndrom GdB 50 Gebrauchseinschränkung beider Beine GdB 10 Divertikulose GdB 10.
Im hiergegen erhobenen Widerspruch trug die Klägerin u.a. vor, sie könne nicht mehr lange stehen und weit gehen. Sie habe den Eindruck, in manchen Fällen werde bezüglich "G" großzügiger verfahren. Die Beklagte wertete dies als Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G". Vorgelegt wurde ein ärztliches Attest des Arztes für Orthopädie Dr. W. vom 18.06.2007, in welchem dieser ausführt, die Gehfähigkeit der Klägerin sei durch rezidivierende Kniegelenksprobleme erheblich beeinträchtigt.
Mit Bescheid vom 09.10.2007 lehnte der Beklagte den Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 22.10.2007 Widerspruch. Dr. W. führte am 29.10.2007 aus, bei der Klägerin liege eine deutliche Gehbehinderung vor, die Gehstrecke könne nicht ohne Weiteres festgelegt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.01.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben mit der Begründung, beim Gehen trage sie von Dr. W. verordnete Bandagen und Stützstrümpfe. Sie leide unter andauernden Krämpfen in den Beinen, könne nicht lange stehen und auf keinen Fall eine Stunde am Stück laufen.
Mit Urteil vom 06.11.2008, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wir, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das am 20.11.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.12.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie könne nicht allzu lange laufen und habe öfters Krämpfe in beiden Beinen.
Dr. W. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.02.2009 mitgeteilt, die Klägerin stehe seit 12.01.2000 in seiner Behandlung. Hinsichtlich der Gehfähigkeit habe er in den letzten Jahren keine Untersuchung mehr durchgeführt. Seit dem 01.01.2006 seien Einreibungen, Krankengymnastik, eine Daumenstütze, Antiphlogistika, Massagen für die Wirbelsäule, eine Kniegelenksbandage sowie Kompressionsstrümpfe verordnet worden. Die Gehfähigkeit der Klägerin könne er nicht beurteilen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. November 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr das Merkzeichen "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten des Verfahrens S 17 SB 1784/05 Bezug genommen. II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Das Gesetz fordert in § 145 Abs 1 Satz 1, § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken. Die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008 (AHP 2008) beschreiben dazu in Nr. 30 Abs 3 bis 5 Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei der Beurteilung einer dort nicht erwähnten Behinderung als Vergleichsmaßstab dienen können. Die AHP 2008 geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die AHP 2008 dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt wird und variiert. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filtern die AHP 2008 all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (vgl. BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs 1/96 - SozR 3-3870 § 60 Nr. 2 S. 4 f).
Die so gefassten gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" erfüllt die Klägerin nicht.
Bei der Klägerin liegen keine Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Im orthopädischen Gutachten vom 02.06.2004, das Dr. F. für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erstellt hat und das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, sind als für das Gehvermögen relevante Diagnosen eine Überlastungsarthralgie bei Adipositas mit beginnender Gonarthrose beidseits bei frei erhaltener Funktion und Belastbarkeit sowie eine insuffiziente Knick-Senk-Spreizfußdeformität ohne Symptomatik genannt. Eine Einschränkung hinsichtlich der Zurücklegung von Wegstrecken nannte Dr. F. nur dahingehend, dass die Klägerin häufiges Treppensteigen vermeiden solle. Damit liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gehfähigkeit der Klägerin in einer hinsichtlich der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" relevanten Weise eingeschränkt ist.
Eine Verschlechterung des Gehvermögens ist auch in der Folgezeit nach der Begutachtung durch Dr. F. nicht eingetreten. Im vorangegangenen Klageverfahren S 17 SB 1784/05 vor dem SG, in welchem die Höhe des GdB streitig war, hat der behandelnde Orthopäde Dr. W. unter dem 13.07.2005 ausgeführt, die Klägerin sei in den letzten Jahren von ihm nicht orthopädisch untersucht worden. Er hat diese Aussage in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 18.02.2009 wiederholt. Danach ist hinsichtlich der unteren Gliedmaßen lediglich die Verordnung von Kniegelenksbandagen und Kompressionsstrümpfen erfolgt. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. Mai hat unter dem 09.08.2005 angegeben, seit Januar 2004 seien die Diagnosen einer Chondropathia patellae und einer Gonarthrose beidseits gestellt worden. Die Erhöhung des GdB beruhte nicht auf einer Neubewertung der Funktionsbeeinträchtigungen hinsichtlich der unteren Gliedmaßen oder der Wirbelsäule, sondern auf einer ausgeprägten sozialen Anpassungsstörung.
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie könne keinesfalls eine Stunde am Stück laufen (gemeint wohl: gehen), kommt es hierauf nicht an. Nach der zitierten Rechtsprechung des BSG setzt die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nämlich voraus, dass eine ortsübliche Wegstrecke von 2000 m nicht in einer halben Stunde zurückgelegt werden kann. Anhaltspunkte für eine derartige Einschränkung des Gehvermögens liegen nicht vor.
Auch der Umstand, dass Personen das Merkzeichen "G" zuerkannt worden ist, die nach Auffassung der Klägerin vermeintlich "wesentlich besser laufen" können als sie, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Aus einer möglicherweise rechtswidrigen Zuerkennung des Merkzeichens "G" an Dritte kann die Klägerin keine eigenen Rechte herleiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, mithin die Zuerkennung des Merkzeichens "G".
Am 04.06.2004 stellte die 1949 geborene Klägerin beim Beklagten erstmals Antrag auf Feststellung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Dieser zog medizinische Unterlagen bei, insbesondere ein von Dr. F. für die gesetzliche Rentenversicherung am 02.06.2004 erstattetes orthopädisches Gutachten, in welchem die Diagnosen einer Überlastungsarthropathie beider Kniegelenke bei Adipositas und Fehlstellung der Beinachse bei frei erhaltener Funktion und Belastbarkeit, einer insuffizienten Knick-Senk-Spreizfußdeformität ohne Symptomatik sowie geringen Restbeschwerden nach Retinaculumspaltung bei CTS rechts genannt werden.
Mit Bescheid vom 19.01.2005, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 04.03.2005, stellte der Beklagte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) teilte der Orthopäde Dr. W. unter dem 13.07.2005 mit, die Klägerin sei in den letzten Jahren von ihm nicht orthopädisch untersucht worden, so dass er sinnvolle Aussagen bezüglich der Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht tätigen könne. Wegen einer Höherbewertung der seelischen Störungen in Verbindung mit den funktionellen Organbeschwerden und dem Kopfschmerzsyndrom anerkannte der Beklagte das Vorliegen eines GdB von 50 und stellte mit Ausführungsbescheid vom 20.12.2005 einen GdB von 50 ab 04.06.2004 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen legte er eine Seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden, ein Kopfschmerzsyndrom sowie Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke zugrunde.
Den am 20.11.2006 gestellten Antrag auf Erhöhung des GdB lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.06.2007 ab, nachdem Dr. I. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 02.06.2007 folgende Bewertung getroffen hatte: Seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden, Kopfschmerzsyndrom GdB 50 Gebrauchseinschränkung beider Beine GdB 10 Divertikulose GdB 10.
Im hiergegen erhobenen Widerspruch trug die Klägerin u.a. vor, sie könne nicht mehr lange stehen und weit gehen. Sie habe den Eindruck, in manchen Fällen werde bezüglich "G" großzügiger verfahren. Die Beklagte wertete dies als Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G". Vorgelegt wurde ein ärztliches Attest des Arztes für Orthopädie Dr. W. vom 18.06.2007, in welchem dieser ausführt, die Gehfähigkeit der Klägerin sei durch rezidivierende Kniegelenksprobleme erheblich beeinträchtigt.
Mit Bescheid vom 09.10.2007 lehnte der Beklagte den Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 22.10.2007 Widerspruch. Dr. W. führte am 29.10.2007 aus, bei der Klägerin liege eine deutliche Gehbehinderung vor, die Gehstrecke könne nicht ohne Weiteres festgelegt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.01.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben mit der Begründung, beim Gehen trage sie von Dr. W. verordnete Bandagen und Stützstrümpfe. Sie leide unter andauernden Krämpfen in den Beinen, könne nicht lange stehen und auf keinen Fall eine Stunde am Stück laufen.
Mit Urteil vom 06.11.2008, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wir, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das am 20.11.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.12.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie könne nicht allzu lange laufen und habe öfters Krämpfe in beiden Beinen.
Dr. W. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.02.2009 mitgeteilt, die Klägerin stehe seit 12.01.2000 in seiner Behandlung. Hinsichtlich der Gehfähigkeit habe er in den letzten Jahren keine Untersuchung mehr durchgeführt. Seit dem 01.01.2006 seien Einreibungen, Krankengymnastik, eine Daumenstütze, Antiphlogistika, Massagen für die Wirbelsäule, eine Kniegelenksbandage sowie Kompressionsstrümpfe verordnet worden. Die Gehfähigkeit der Klägerin könne er nicht beurteilen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. November 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr das Merkzeichen "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten des Verfahrens S 17 SB 1784/05 Bezug genommen. II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Das Gesetz fordert in § 145 Abs 1 Satz 1, § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken. Die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008 (AHP 2008) beschreiben dazu in Nr. 30 Abs 3 bis 5 Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei der Beurteilung einer dort nicht erwähnten Behinderung als Vergleichsmaßstab dienen können. Die AHP 2008 geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die AHP 2008 dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt wird und variiert. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filtern die AHP 2008 all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (vgl. BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs 1/96 - SozR 3-3870 § 60 Nr. 2 S. 4 f).
Die so gefassten gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" erfüllt die Klägerin nicht.
Bei der Klägerin liegen keine Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Im orthopädischen Gutachten vom 02.06.2004, das Dr. F. für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erstellt hat und das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, sind als für das Gehvermögen relevante Diagnosen eine Überlastungsarthralgie bei Adipositas mit beginnender Gonarthrose beidseits bei frei erhaltener Funktion und Belastbarkeit sowie eine insuffiziente Knick-Senk-Spreizfußdeformität ohne Symptomatik genannt. Eine Einschränkung hinsichtlich der Zurücklegung von Wegstrecken nannte Dr. F. nur dahingehend, dass die Klägerin häufiges Treppensteigen vermeiden solle. Damit liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gehfähigkeit der Klägerin in einer hinsichtlich der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" relevanten Weise eingeschränkt ist.
Eine Verschlechterung des Gehvermögens ist auch in der Folgezeit nach der Begutachtung durch Dr. F. nicht eingetreten. Im vorangegangenen Klageverfahren S 17 SB 1784/05 vor dem SG, in welchem die Höhe des GdB streitig war, hat der behandelnde Orthopäde Dr. W. unter dem 13.07.2005 ausgeführt, die Klägerin sei in den letzten Jahren von ihm nicht orthopädisch untersucht worden. Er hat diese Aussage in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 18.02.2009 wiederholt. Danach ist hinsichtlich der unteren Gliedmaßen lediglich die Verordnung von Kniegelenksbandagen und Kompressionsstrümpfen erfolgt. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. Mai hat unter dem 09.08.2005 angegeben, seit Januar 2004 seien die Diagnosen einer Chondropathia patellae und einer Gonarthrose beidseits gestellt worden. Die Erhöhung des GdB beruhte nicht auf einer Neubewertung der Funktionsbeeinträchtigungen hinsichtlich der unteren Gliedmaßen oder der Wirbelsäule, sondern auf einer ausgeprägten sozialen Anpassungsstörung.
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie könne keinesfalls eine Stunde am Stück laufen (gemeint wohl: gehen), kommt es hierauf nicht an. Nach der zitierten Rechtsprechung des BSG setzt die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nämlich voraus, dass eine ortsübliche Wegstrecke von 2000 m nicht in einer halben Stunde zurückgelegt werden kann. Anhaltspunkte für eine derartige Einschränkung des Gehvermögens liegen nicht vor.
Auch der Umstand, dass Personen das Merkzeichen "G" zuerkannt worden ist, die nach Auffassung der Klägerin vermeintlich "wesentlich besser laufen" können als sie, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Aus einer möglicherweise rechtswidrigen Zuerkennung des Merkzeichens "G" an Dritte kann die Klägerin keine eigenen Rechte herleiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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