S 11 RJ 1260/02 A

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 11 RJ 1260/02 A
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 52jährige Kläger hat in seinem Heimatland von 1964 bis 1967 den Beruf des Drehers erlernt und diesen im Bundesgebiet von 1969 - 1989 ausgeübt.

Im Anschluss daran kehrte er in sein Heimatland zurück und war dort noch von 1989 bis 1994 als Dreher tätig.

Die Beklagte gibt in ihrem Widerspruchsbescheid und im Schriftsatz vom 25.02.2003 das Leistungsvermögen des Klägers, von dem Ihrer Anfrage zufolge auszugehen ist, wie folgt an:
- mindestens sechs Stunden leichte Arbeiten
- ohne häufiges Bücken
- ohne Akkordarbeit
- ohne Schicht- bzw. Nachtdienst und
- unter Gewährleistung der regelmäßigen Einnahme diätischer Mahlzeiten
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Im Schriftsatz vom 25.02.2003 verweist die Beklagte den Kläger auf die Tätigkeit eines Fachprüfers in der Qualitätssicherung, auf Tätigkeiten in der Schaltschrankmontage (Einbau, Bestückung, Komplettierung und Verdrahtung elektrischer Geräte und anderer Betriebsmittel - z.B. Schaltgeräte, Lasttrenner, Leistungschalter) in Schalt und Steuerschränke und Vorprüfung der Funktionsfähigkeit der Schränke), Kassierer an Selbstbedienungstankstellen (Entgegennahme und Herausgabe von Zahlungsmitteln, Verkauf von Zeitschriften, von Kfz-Zubehör oder von Waren zum Verzehr, Platzierung der Waren im Verkauf- sowie Lagerraum) und Geräte und Maschinenzusammensetzer.

Tätigkeit eines Fachprüfers in der Qualitätssicherung

Aufgrund des Einsatzes automatischer Prüfeinrichtungen, verbesserter Produktionsverfahren und anderer Arbeitsorganisationsformen nimmt die Zahl reiner Kontrollarbeitsplätze ab.

Bei dem Umfang, den die Metallindustrie im weitesten Sinn unter den Wirtschaftszweigen des Bundesgebietes hat, kann dennoch davon ausgegangen werden, daß Arbeitsplätze für Qualitätskontrolleure auf der Qualifikationsstufe der Anlerntätigkeiten und der Facharbeiterberufe noch in nennenswertem Umfang existieren.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner Ausbildung und der Berufserfahrung nach bis zu dreimonatiger Einarbeitung Kontolltätigkeiten auch auf der Facharbeiterebene, in jedem Fall aber auf der Ebene der Anlernberufe verrichten kann.

Prüftätigkeiten beinhalten sehr häufig geringere körperliche Belastungen als Fertigungstätigkeiten und eignen sich daher besonders zur Umsetzung leistungsgeminderter Mitarbeiter, die aus sozialen Erwägungen oder aufgrund tarifvertraglicher Regelungen (z.B. Unkündbarkeit) weiterbeschäftigt werden sollen. Arbeitgeber berichten jedoch immer wieder, dass es zunehmend schwieriger wird, leidensgerechte Ansatzmöglichkeiten für eine wachsende Zahl von gesundheitlich beeinträchtigten Beschäftigten zu finden; z.T. werden sogar Wartelisten geführt.

Daneben wird ein Ansatz als Kontrolleur oft als beruflicher Aufstieg betrachtet. Aus personalpolitischen Erwägungen (z.B. dadurch Motivierung der Mitarbeiter und günstige Auswirkungen auf das Betriebsklima) wird diese Chance bevorzugt und soweit als möglich den eigenen Mitarbeitern eröffnet. Neben der fachlichen Qualifikation allgemein ist jedoch auch betriebsspezifisches Wissen über Produkt, Fertigungsverfahren, Betriebsorganisation und Arbeitsabläufe für die Aufgabenerfüllung Voraussetzung oder zumindest von erheblichem Vorteil, da sich z.B. Einarbeitungszeiten dadurch verkürzen oder gar erübrigen. Aus den genannten Gründen werden Kontrollarbeitsplätze bevorzugt und weitestgehend innerbetrieblich besetzt.

Durch die veränderten Qualitätsanforderungen in Industrie und Handwerk und die Einführung von Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungsnormen nach DIN ISO 9000 ff wird inzwischen der "Qualitätsfachmann" bzw. die "Qualitätsfachfrau" ausgebildet und auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt.

Außenstehende Bewerber haben üblicherweise nur Zugang zu entsprechenden Stellen, z.B. wenn sie (bei in der Regel voller Leistungsfähigkeit) über einschlägige besondere Qualifikationen (Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer - nach einer Umschulung) oder mit Zertifikat - DGQ-Schein Güteprüfung - Weiterbildung bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität) oder Erfahrungen als Kontrolleur verfügen. Für nicht so qualifizierte und zusätzlich leistungsgeminderte Bewerber können geeignete Arbeitsplätze nur vereinzelt durch besondere Vermittlungsbemühungen und Vermittlungshilfen (z.B. nicht selten erhebliche finanzielle Leistungen) erschlossen werden.

Für Kontrolltätigkeiten werden in der Regel gutes Nahsehvermögen, beidhändiges Handgeschick und Fingerfertigkeit, möglichst nicht eingeschränkte Funktionstüchtigkeit eines, besser beider Arme verlangt. Außerdem stellen Kontrolltätigkeiten hohe Anforderungen an die Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Genauigkeit, das Konzentrationsvermögen und Verantwortungsbewusstsein usw.

Obwohl Arbeitsplätze in nennenswertem, wenn auch geringer werdenden Umfang auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind, ist - wie bereits ausgeführt - außenstehenden leistungsgeminderten Bewerbern, die nicht über einschlägige besondere Qualifikationen oder Erfahrungen als Kontrolleur verfügen, der direkte Zugang erfahrungsgemäß nicht möglich.

In dem von der Beklagten vorgelegte Urteil des Bayerischen LSG vom 07.02.2002 - L5 RJ 681/99, dessen Seite 10 sich nicht in den Akten befindet, wird angegeben, dass der Kläger schon als Fachprüfer tätig war (Urteilsbegründung S. 12 - Bl. 60 Gerichtsakte). Unter diesen Umständen ist, wie bereits ausgeführt ein Zugang zu einem Arbeitsplatz eines Qualitätskontrolleurs durchaus möglich.

Tätigkeiten in der Schaltschrankmontage (Einbau, Bestückung, Komplettierung und Verdrahtung elektrischer Geräte und anderer Betriebsmittel - z.B. Schaltgeräte, Lasttrenner, Leistungschalter) in Schalt und Steuerschränke und Vorprüfung der Funktionsfähigkeit der Schränke)

Bei den von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten in der Schaltschrankmontage handelt es sich daher um Teilaufgabengebiete eines Elektromechanikers.

Elektromechaniker planen, fertigen, montieren, warten und entstören elektromechanische Anlagen, Geräte und Baugruppen einschl. deren Instandhaltung und Instandsetzung. Haupttätigkeiten sind hierbei Verdrahten, Verbinden, Verlegen, Löten und Schweißen, aber auch Prüfen, Testen und Kontrollieren der Bauteile, Schaltungen und Geräte.

In der Regel wird für den Zugang zur Tätigkeit eine entsprechend abgeschlossene Ausbildung vorausgesetzt. Auf Grund vergleichbarer und ähnlicher Tätigkeiten kommen die ebenfalls zum Elektrotechnikerhandwerk gehörigen Berufe Elektroinstallateur und Fernmeldeanlagenelektroniker in Frage, ebenso wie die nahe verwandten Ausbildungsberufe Elektromaschinenbauer und Mechatroniker. Dreher werden für diese Tätigkeiten üblicherweise nicht beschäftigt.

Wegen der Größe der Schränke ist bei Tätigkeiten in der Schaltschrankmontage in der Regel im Stehen zu arbeiten. Beim Verdrahten, der Fehlersuche u.ä. ist im Schaltschrank zu arbeiten. Aufgrund der Enge und Vielzahl von Verkabelungen müssen hier die Arbeiten häufig in Zwangshaltung (Strecken, Knien und Bücken) verrichtet werden.

Insgesamt ist in dieser Tätigkeit aus berufskundlicher Sicht keine geeignete berufliche Alternative zu sehen.

Kassierer an Selbstbedienungstankstellen (Entgegennahme und Herausgabe von Zahlungsmitteln, Verkauf von Zeitschriften, von Kfz-Zubehör oder von Waren zum Verzehr, Platzierung der Waren im Verkauf- sowie Lagerraum).

Eine in nennenswertem Umfang isoliert vorkommende Teilaufgabe des Tankwartes ist das Kassieren.

Im Tarifvertrag z.B. des Bayerischen Einzelhandels werden Kassierer der Beschäftigungsgruppe II zugeordnet. Voraussetzung dafür ist eine einschlägig abgeschlossene Ausbildung (auch eine 2jährige z.B. als Verkäufer) oder eine 3jährige Berufstätigkeit. Die reine Kassenbedienung kann nach kürzerer Anlernung verrichtet werden, erlaubt aber in der Regel keine wechselnde Körperhaltung.

Ist neben der Kasse der gesamte sogenannte "Shop" zu betreuen, ist zeitweise ein Wechsel vom Sitzen zum Gehen und Stehen möglich, daneben wird aber bei der Warenannahme, Lagerhaltung, Gestaltung des Verkaufsraumes, dem Auffüllen der Regale und Auszeichnen der Waren auch Heben und Tragen von schwereren als nur leichte Lasten, Bücken und Besteigen von Leitern verlangt. Da die tägliche Öffnungszeit einer Tankstelle in der Regel die Arbeitszeit eines einzelnen Mitarbeiters übersteigt, ist Schichtarbeit üblich. Auch Zeitdruck ist zumindest zeitweise kaum zu vermeiden. Da der Kläger über keinerlei kaufmännische Vorkenntnisse verfügt, reicht eine höchstens dreimonatige Einarbeitungszeit erfahrungsgemäß nicht aus, um die Qualifikationsebene der Anlernberufe zu erreichen. Unabhängig davon können die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Wie auch dem beigefügten Auszug des Urteils des LSG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2001 - L 6 RI 211/00 (Bl.67/68 Gerichtsakte) bei der Beschreibung der Tätigkeit des Kassierers an Selbstbedienungstankstellen zu entnehmen ist, kann nach Auskunft des Zentralverbandes des Tankstellen- und Garagengewerbes (ZTG) das Platzieren der Waren im Verkaufsraum und im Lagerraum sowie die Regalpflege nicht als ausschließlich körperlich leichte Tätigkeit angesehen werden. Heben und Tragen von Gewichten über fünf Kilogramm ist hierzu erforderlich. Die Einschätzung des ZTG, dass es sich um eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit handelt, ist für den Senat nachvollziehbar. Hinsichtlich Einarbeitungszeiten enthält der Auszug aus dem Urteil jedoch keine Ausführungen.

Geräte und Maschinenzusammensetzer.

Gerätezusammensetzer ist ein industrieller Ausbildungsberuf mit 1 jähriger Ausbildungsdauer. Geräte und Maschinen sowie Baugruppen dazu sind aus vorgefertigten Einzelteilen (meist einschl. elektrischer, elektronischer, pneumatischer o.ä. Komponenten) zusammenzubauen und zu prüfen. In der Großserienfertigung sind die Arbeitsabläufe in der Regel weitgehend automatisiert und sehr arbeitsteilig organisiert. Die Montagearbeiten werden erfahrungsgemäß von kurzfristig angelernten Kräften, die körperlich leichten Tätigkeiten darunter von Frauen weitestgehend in einseitiger Körperhaltung (Stehen oder Sitzen) unter Zeitdruck (Akkord, Bandarbeit) verrichtet. In der Kleinserien- oder Einzelfertigung oder im Musterbau werden körperlich leichtere Montagearbeiten von speziell dafür ausgebildeten Fachkräften wie z.B. Feinmechanikern, Industriemechanikern/Fachrichtung Geräte- und Feinwerktechnik ausgeführt.

Der Kläger, der ausschließlich als Dreher beschäftigt war, benötigt aus berufskundlicher Sicht eine längere als dreimonatige Einarbeitungszeit, um sich Kenntnisse und manuelle Bearbeitungs- und Montagefertigkeiten, die auf Facharbeiterebene notwendig sind, anzueignen.

Die qualifiziert Angelerntenebene dürfte für den Kläger erreichbar sein. Arbeitsplätze auf der qualifiziert Angelerntenebene existieren in geringem, aber nennenswertem Umfang. Sie sind bzw. werden jedoch überwiegend mit qualifiziert angelernten Montiererinnen besetzt. Arbeitsabläufe und Arbeitsgeschwindigkeit sind üblicherweise nicht so deutlich festgelegt bzw. fremdbestimmt wie bei einfachen Montagetätigkeiten. Die Arbeiten sind meist überwiegend in einseitiger Körperhaltung (erfahrungsgemäß Sitzen), vielfach bis hin zu Zwangshaltungen insbesondere im Rücken und Schulter- Nacken-Bereich mit lediglich gelegentlicher Möglichkeit zum Positionswechsel, der nicht immer dem gesundheitlichen Erfordernis entsprechend vorgenommen werden kann, zu verrichten. Heben und Tragen von Lasten (zumindest von schwereren) kann weitgehend oder sogar ganz vermieden werden. Vorausgesetzt wird neben gutem Sehvermögen ausgeprägtes beidhändiges manuelles Geschick mit Fingerfertigkeit und Eignung für Fein- bzw. Feinst- und Präzisionsarbeiten bei beachtlichem Arbeitstempo.

Eine ständige Rücksichtnahme auf alle Leistungseinschränkungen des Klägers ist auch bei dieser Tätigkeit nicht möglich.

Das von der Beklagten ebenfalls beigefügte Urteil des Bayerischen LSG vom 24.07.1997 - 14 Ar 152/94 , dessen Seite 26 sich nicht in den Akten befindet, wird u.a. darauf hingewiesen, dass das Herbeischaffen des Arbeitsmaterials und das Wegfahren der gefertigten Teile ohnehin nicht Angelegenheit des Montierers, wie die Tarifbeispiele in Anlage 5 zum Bayer. Manteltarifvertrag aufgrund ihrer Arbeitsbeschreibungen aufweisen. Das Tarifbeispiel Nr. 30 beschreibt die Tätigkeit des Beliefern von Montagebändern. Anmerken möchte ich daher in diesem Zusammenhang, dass diese Tätigkeitsbeschreibungen in den Tarifbeispiele aus dem Jahr 1973

stammen und sich im Arbeitsleben grundlegende Änderungen ergeben haben. Zunehmend wird von den Arbeitskräften nicht nur die Erfüllung einer stets gleichbleibenden Einzelaufgabe, sondern die Ausführung zwar vergleichbarer, aber verschiedener Arbeiten aus einem größeren Arbeitsbereich erwartet. Dementsprechend steigen die Anforderungen an die körperlichen, geistigen und fachlichen Fähigkeiten der Arbeitnehmer.

Außerdem wird in dem Urteil des Bayerischen LSG vom 24.07.1997 angeben, dass Nachtarbeit, Wechselschicht und Zeitdruck vorkommen mögen; diese Umstände dem Kläger aber zumutbar sind.

In dem vorliegenden Rechtsstreit kann der Kläger nach den Feststellungen der Beklagten keine Tätigkeiten mehr verrichten, die Schicht- oder Nachtdienst erfordern.

Andere Tätigkeiten aus der Gruppe der Facharbeitertätigkeiten, angelernten Tätigkeiten (allgemeine Anlernzeit zwischen drei Monaten und zwei Jahren), die der Kläger unter Berücksichtigung des für diesen Zeitraum festgestellten Leistungsvermögen nach seinen Kenntnissen und Fertigkeiten innerhalb einer Anlern- bzw. Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausüben kann, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie auch um Stellungnahme zu der Frage, welche Tätigkeiten der Kläger unter Berücksichtigung des für diesen Zeitraum festgestellten Leistungsvermögens nach seinen Kenntnissen und Fertigkeiten aus der Gruppe der ungelernten Tätigkeiten (allgemeine Anlernzeit unter drei Monaten) noch vollschichtig verrichten kann.

In der industriellen Fertigung vorkommende Tätigkeiten wie Verpackungs-, Sortier- und Kontrollarbeiten können körperlich leicht sein, in der Regel dann, wenn mit kleinen Teilen umzugehen ist. Die Arbeiten sind aber weitgehend in einseitiger Körperhaltung (entweder im Sitzen oder Stehen) zu verrichten. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist möglich, wenn die zu bearbeitenden Teile selbst an- und abtransportiert werden müssen, jedoch fällt u.U. auch schwerere Hebe- und Tragebelastung an. Die Tätigkeiten in diesem Bereich erfordern nicht selten Schichtarbeit und werden in der Regel im Akkord oder unter akkordähnlichen Bedingungen bzw. am Fließband verrichtet. Eine dem Leistungsvermögen des Klägers entsprechende berufliche Alternative ist in diesem Bereich nicht erkennbar.

Ungelernte Tätigkeiten für Männer sind z.B. Lager-, Transport- und Verladearbeiten. Die dabei anfallenden Tätigkeiten sind jedoch mittelschwer bis schwer und ausschließlich im Gehen und Stehen zu verrichten. Häufiges Bücken sowie Heben und Tragen von Lasten sind üblich. Teilweise ist auch im Freien unter Witterungseinflüssen und unter Einwirkung von Zugluft und Temperaturschwankungen zu arbeiten. Zeitdruck oder Schichtarbeit sind keine Seltenheit. Ein dem Leistungsvermögen des Klägers entsprechende Alternative ist auch in diesem Bereich nicht erkennbar.

Auch einfache Reinigungsarbeiten stellen für den Kläger keine seinem Leistungsvermögen entsprechende Alternative dar. Diese Arbeiten beinhalten zumindest gelegentlich auch schwerere als nur leichte Belastungen. Die Arbeiten werden im Gehen und Stehen verrichtet. Häufiges Bücken, Recken, vorgebeugte und z.T. gedrehte Haltung o.ä. oder auch Arbeit im Freien werden verlangt. Kontakt mit Feuchtigkeit ist erforderlich. In der Regel wird außerdem unter Zeitdruck gearbeitet.

Spüler im Hotel- und Gaststättengewerbe müssen ebenfalls teilweise schwerere als nur leichte Lasten heben. Das Leistungsvermögen des Klägers entspricht für Tätigkeiten in diesem Bereich nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Botinnen, Mitarbeiterinnen in einer Registratur oder Poststelle müssen erfahrungsgemäß zumindest zeitweise bis mittelschwer belastbar sein. Häufiges Bücken, Recken, Heben und Tragen von schwereren Lasten ist trotz des Einsatz von z.B. Aktenrollwagen nicht unüblich. Die Leistungseinschränkungen des Klägers können auch bei diesen Tätigkeiten nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Einfache Bürohilfstätigkeiten wie z.B. Karteiarbeiten, Listenführung, Schreibarbeiten sind zwar körperlich leicht, werden jedoch in der Regel überwiegend im Sitzen verrichtet. Außerdem sind sie durch den zunehmenden Einsatz von EDV und moderner Bürokommunikation rückläufig. Auch verlangt der Wechsel von bisher ausschließlich gewerblicher Arbeit auf Bürotätigkeiten erfahrungsgemäß ein erhöhtes Maß an Umstellungsfähigkeit, wobei auf Arbeitgeberseite üblicherweise keine Bereitschaft besteht, minderbelastbare, gewerbliche männliche Arbeitnehmer für solche Arbeiten neu einzustellen.

Telefonist

In die Überlegungen mit einbezogen wurde noch die Telefonistentätigkeit. Sie ist - wenn nicht andere Arbeiten mit verrichtet werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches oder vertieftes Wissen erforderlich ist - erfahrungsgemäß in maximal drei Monaten erlernbar. Die Tätigkeit s Telefonisten ist körperlich leicht, wird jedoch ausschließlich im Sitzen ausgeübt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit

wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muß so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Ob der Kläger die persönlichen Voraussetzungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden. Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Wachtätigkeiten scheiden als Verweisungstätigkeiten ebenfalls aus, da Schichtarbeit, häufig sogar Nachtschicht in diesem Bereich üblich ist.

Da die Tätigkeiten eines Museumswärter und einer Spielhallenaufssicht in einem ähnlich gelagerten Fall als zumutbare Verweisungstätigkeit genannt wurde, nehme ich dazu detailliert Stellung.

Museumswärter

Die Körperhaltung der Museumsaufsicht ist in den meisten Museen annähernd ausschließlich Stehen und Gehen. Nach Auskunft von Museumsleitern ist die Mitarbeit beim Ab- und Aufbau von Ausstellungen, beim Transport und bei der Verwahrung von Objekten erforderlich. Heben und Tragen kann beim Bewegen der Exponate das leichte Maß übersteigen. Anzumerken ist, dass diese Anforderungen in der Regel nur bei Ausstellungswechseln, d.h. in größeren zeitlichen Abständen vorkommen.

Gefordert werden gutes Hörvermögen, ausreichendes Sehvermögen, die Fähigkeit, Leitern zu besteigen und kurzfristig auf Leitern arbeiten zu können. Sonn- und Feiertagsdienst ist erforderlich.

Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Spielhallenaufsicht

Eine Spielhallenaufsicht ist für die Aufrechterhaltung des Spielbetriebes in Spielcentern, Spielotheken und Betrieben mit Unterhaltungs- und Glückspielgeräten zuständig. Zu ihren weiteren Aufgaben gehören das Betreuen und Pflegen der Spielautomaten, das Beseitigen von technischen Störungen bzw. Veranlassen von Reparaturarbeiten, das Gewährleisten der Sauberkeit und attraktiven Gestaltung des Spielcenters, das Organisieren und Betreuen von Veranstaltungen /Turnieren, das Betreuen der Gäste/ Kunden/innen, ggf. Schlichten von Unstimmigkeiten unter den Kunden/innen, Kassieren, Erstellen von Verkaufsabrechnungen und Aufstellen von Dienstplänen, ggf. Mithilfe beim Gastronomie-Service.

Die Tätigkeit einer Spielhallenaufsicht ist in der Regel körperlich leicht und wird im Stehen, Gehen und kurzfristig im Sitzen verrichtet. Wechselschicht ist üblich. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß nach Absprache mit dem Arbeitgeber vereinbart werden kann, die Tätigkeit einer Spielhallenaufsicht nur in Tagesschicht zu verrichten. Aus berufskundlicher Sicht dürfte die Möglichkeit, als Spielhallenaufsicht lediglich in Tagesschicht zu arbeiten, zwar nur in geringem, aber dennoch nennenswertem Umfang auf dem Arbeitsmarkt des Bundesgebietes vorhanden sein.

Anzumerken ist, daß von Arbeitgeberseite bestimmte Mindestanforderungen an die Person wie z.B. Durchsetzungsvermögen und Zuverlässigkeit gestellt werden. Außerdem muß häufig ein polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt werden. Ob der Kläger diese Voraussetzungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden.

Gedacht werden könnte noch an eine Tätigkeit als Pförtnerin

Eine Pförtnertätigkeit kann Aufgaben aus den Bereichen Personalkontrolle und Ausweiswesen, Besucherempfang, Schlüsselverwahrung bzw. Verwaltung von Schließanlagen und Überwachung des Kfz.- und Warenverkehrs sowie sonstige Aufgaben in verschiedenen Kombinationen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten beinhalten. Nicht selten handelt es sich um Arbeitsplätze, die die Rücksichtnahme auf diverse Leistungseinschränkungen gestatten, so daß sie auch für leistungsgeminderte Arbeitskräfte in Frage kommen. Sie sind zwar häufig der innerbetrieblichen Besetzung durch langjährige, leistungsgewandelte Beschäftige vorbehalten, in nennenswertem Umfang aber auch Außenstehenden zugänglich. Meist genügt Belastbarkeit für leichte Arbeiten. Belastungen durch häufiges Bücken o.ä. sind nicht üblich. Nicht ganz ausgeschlossen werden kann allerdings sehr oft die Einwirkung von Zugluft, Temperaturschwankungen oder Witterungseinflüssen (z.B. Arbeitsplatz im Eingangsbereich; Notwendigkeit, Pförtnerloge oder -häuschen zu verlassen, z.B. zur Zufahrtsregelung). Weitaus überwiegend ist außerdem Schichtarbeit (zumindest Früh- und Nachmittagsschicht, zum Teil rund um die Uhr, auch am Wochenende, u.U. mit auf 12 Stunden verlängerter Arbeitszeit) anzutreffen. Sogar Zeitdruck ist - im Wechsel mit Zeiten relativ monotoner Tätigkeit - möglich (z.B. hoher Besucherandrang; Arbeitsbeginn, - ende, Schichtwechsel); auch andere Streßbelastungen (z.B. Gefahrensituationen, ggf. Auseinandersetzungen mit Besuchern oder Mitarbeitern o.ä.) sind nicht völlig zu vermeiden. Vorausgesetzt wird üblicherweise Kontaktfähigkeit, Höflichkeit, Merkfähigkeit, Flexibilität, sicheres Auftreten oder sogar Durchsetzungskraft und die Fähigkeit zu situationsgerechtem und schnellem Handeln bei außergewöhnlichen Vorfällen, wozu auch ein gewisses Maß an neurovegetativer und psychischer Belastbarkeit erforderlich ist. Überwiegend handelt es sich um Alleinarbeit, so daß auf die ständige Anwesenheit und Aufmerksamkeit nicht verzichtet werden kann. Da der Kläger keine Schichtarbeit mehr verrichten kann, entspricht sein Leistungsvermögen nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Nach den Feststellungen der Beklagten muss bei Kläger die regelmäßige Einnahme einer diätischen Mahlzeit gewährleistet sein.

Allgemein möchte ich dazu aus berufskundlicher Sicht und vermittlerischer Erfahrung folgendes anmerken:

Ob die Möglichkeit besteht, während der Arbeit diätische Mahlzeiten regelmäßig einzunehmen, hängt von der Akzeptanz durch den Arbeitgeber und von der Art der Tätigkeit ab, z.B. von hygienischen Aspekten (schmutzige Hände oder Gefahr der Verschutzung des Arbeitsgutes) oder ob ständige manuelle Tätigkeit gefordert ist oder - im Gegensatz dazu
- zeitweises Beobachten von Maschinen anfällt, währenddessen eine Mahlzeit eingenommen werden kann. Selbst wenn die Einnahme von Mahlzeiten möglich und geduldet ist, ist eine Eigenbestimmung des Zeitpunktes entsprechend den gesundheitlichen Erfordernissen nicht immer gewährleistet. Derartige Rücksichtnahme ist im Arbeitsleben zwar zu finden, wird aber erfahrungsgemäß meist nur bereits beschäftigten Arbeitnehmern zuteil, denen gegenüber eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers besteht. Außenstehende - wie der Kläger - haben üblicherweise bei dem Erfordernis, dass die regelmäßige Einnahme diätetischer Mahlzeiten gewährleistet sein muss und bei dem zusätzlich noch andere Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen sind, unter diesen Voraussetzungen üblicherweise - ohne finanzielle Hilfen - keine realistische Chance eingestellt zu werden.
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