S 7 RJ 574/01

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 7 RJ 574/01
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 45jährige Kläger hat von 1970 - 1973 den Beruf des Polsterers erlernt und anschließend mit Unterbrechung durch Arbeitslosigkeit bis Mitte September 1995 ausgeübt. Seit diesem Zeitpunkt bezieht er Leistungen vom Arbeitsamt.

Dr. ^Primbs^ beschreibt in seinem Gutachten vom 07.06.2002 die Leistungsfähigkeit des Klägers wie folgt:
- vollschichtig, über 6 Stunden leichte Arbeiten
- abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen
- ohne schweres Heben und Tragen von Lasten
- ohne längere Haltetätigkeiten und Überkopftätigkeiten der Arme
- ohne besonderen Zeitdruck
- ohne überwiegend einseitige Körperhaltung
- ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen

Außerdem gibt Dr. ^Primbs^ in seinem Gutachten an, dass der Kläger aus körperlicher und geistiger Sicht Umstellungsfähigkeit zumindest für einfache Arbeiten besitzt.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Unstreitig ist, dass der Kläger seinen erlernten und ausschließlich ausgeübten Beruf als Polsterer nicht mehr verrichten kann.

Die Beklagte verweist ihn jedoch im Bescheid vom 12.11.1999 und im Widerspruchsbescheid vom 07.05.2001 auf die Tätigkeiten eines Qualitätsprüfers in einer Lederwaren- oder Polstermöbelfabrik oder eines Fachverkäufers in Möbelhäusern oder eines Registrators. Im Widerspruchsbescheid nennt sie noch zusätzlich Reparaturtätigkeiten in einer Polstermöbel- oder Lederwarenfabrik als zumutbare Verweisungstätigkeit.

Qualitätsprüfer- oder Reparaturtätigkeiten in einer Polstermöbel- oder Lederwarenfabrik

Die Aufgaben sind insbesondere:
- Durchführen von Materialeingangskontrollen (angelieferte Werk- und Hilfsstoffe, z.B. Hölzer/Holzwerkstoffe u.a. auf Qualität/Vollständigkeit usw.)
- Kontrollieren der laufenden Produktion, Durchführen der Endkontrolle fertiggestellter Produkte hinsichtlich Verarbeitungs-/Fertigungsqualität, Maßhaltigkeit, Oberflächenbeschaffenheit (Farbgenauigkeit usw.), Passgenauigkeit
- Kontrollieren der Einhaltung von Konstruktionsvorgaben, Toleranzen u.a. gemäß Zeichnungen, Beschreibungen
- Beanstanden von Qualitätsmängeln und Fehlern
- Veranlassen der Beseitigung solcher Mängel
- ggf. auch Nacharbeiten von fehlerhaften fertigen Teilen
- Dokumentieren und ggf. Auswerten der Kontrolltätigkeit

Die Eingangskontrolle gehört in der Regel zum Aufgabenbereich des Lagerverwalters bzw. Werkstoffbereitstellers, geschieht im Zuge der Warenannahme und Einlagerung und ist häufig mit Lager- und Transportarbeiten wie z.B. Bedienung von Gabelstaplern, Kränen oder anderen Hub- und Transportgeräten oder manuellem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten und weiteren Belastungen wie Witterungseinflüssen, Zugluft, Bücken usw. verbunden. Allenfalls in großen Betrieben ist für die Eingangskontrolle ein eigenständiger Arbeitsplatz neben der Lagerleitung oder Werkstoffbereitstellung eingerichtet.

Die Kontrolle im Lauf der Fertigung ist nicht selten in Form der Eigenkontrolle den jeweiligen Fachkräften selbst überlassen. Ansonsten wird sie in der Regel von besonders qualifizierten Facharbeitern, Vorarbeitern oder Meistern durchgeführt, die erfahrungsgemäß aus den Reihen der betriebseigenen, mit den Produkten und Produktionsverfahren vertrauten Mitarbeitern gewonnen werden.

Die Fertigungskontrolle erfordert den Aufenthalt in Lärmbereichen. Da die Produktionskräfte häufig im Akkord arbeiten, kann auch für den Kontrolleur Zeitdruck nicht ausgeschlossen werden. Auch Schichtarbeit wird teilweise verlangt. In der Regel ist ohne nennenswerte Möglichkeit zum Sitzen weitestgehend im Gehen und Stehen zu arbeiten. Daneben kann in unterschiedlichem Umfang Bücken, Vorbeugen, Knien, Hocken oder Recken sowie Bewegen der zu prüfenden Stücke verlangt werden.

Für die Endkontrolle gilt das oben, hinsichtlich evtl. Stress und Schicht sowie körperlichen Belastungen, Gesagte gleichermaßen.

Persönliche Mindestvoraussetzungen für Kontrolltätigkeiten sind Kompetenz, Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen.

Anzumerken ist, dass auch in der Polstermöbel- oder Lederwarenfabrik qualifizierte Kontrolltätigkeiten von besonders bewährten und qualifizierten Fachkräften - erfahrungsgemäß aus den Reihen der eigenen Mitarbeitern wahrgenommen werden.

Aus berufskundlicher Sicht ist insgesamt keine geeignete Verweisungstätigkeit für den Kläger erkennbar.

Fachverkäufer in Möbelhäusern

Die Aufgaben eines Fachverkäufers sind:
- Ermitteln der Kundenwünsche, - probleme, - ansprüche
- Zeigen, Vorführen von Polstermöbeln, deren Verwendung, Gebrauch und Stellmöglichkeiten
- Unterbreiten (ggf. zeichnerisch) von Vorschlägen für die Wohnraumgestaltung
- Beraten über die Lieferprogramme diverser Hersteller
- Erläutern der Verarbeitungsqualitäten und Preisunterschiede
- Beraten in Farb-, Stil- und Qualitätsfragen
- ggf. Aufnehmen von Raummaßen bei Kunden "vor Ort"
- Führen von speziellen Beratungsgesprächen bezüglich Innendekoration, Sonderwünschen, veränderten Bedürfnissen, neuen Einrichtungstrends, Materialien und Farbgebungen, Veränderungen der Wohnsituation
- Erarbeiten von Angeboten und Kostenvoranschlägen, ggf. Beraten über Zahlungsabwicklungen, Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. Raten-Kredite)
- Informieren, Beraten über Lieferzeiten, Termine und Leistungen
- ggf. Bestellen von Polstermöbeln bei Herstellern/Lieferanten
- Vereinbaren von Lieferterminen in Abstimmung mit Kunden, Lager, Lieferpersonal, ggf. Möbelspeditionen
- ggf. Mitwirken bei der Sortimentsgestaltung, Warenpräsentation
- Durchführen von Verkaufsförderungsmaßnahmen, Werbung, Mitwirken an Marketing-Maßnahmen, Beobachten des Kaufverhaltens und Steuerung des Verkaufs
- Erstellen der Verkaufsabrechnung
- Bearbeiten anfallender Aufgaben im Rechnungs- und Personalwesen
- Durchführen sonstiger Verwaltungsarbeiten
- Preise kalkulieren, Kosten berechnen, statistische Arbeiten durchführen.

In Spezialgeschäften, z.B. für Polstermöbel ist die Kundenberatung in wechselnder Körperhaltung möglich. Insgesamt lassen sich bei Verkaufstätigkeiten Heben und Tragen von Lasten bei der Gestaltung des Verkaufsraumes und der Warenpräsentation in der Regel nicht vermeiden, auch Bücken, Arbeit auf Leitern und Überkopfarbeit kann erforderlich sein. Auch in Möbelhäusern ist es durchaus üblich, dass Verkäufer beim Transport und dem Aufstellen der Ausstellungsstücke und bei sonstigen Dekorationsarbeiten mitarbeiten. Allerdings treten diese Belastungen nicht ausnahmslos in allen Häusern und wenn, dann nicht allzu häufig auf, so dass nicht ganz auszuschließen ist, dass dem Kläger eine Tätigkeit im Möbelverkauf körperlich noch möglich ist. Allerdings handelt es sich hier um eine typische Tätigkeit für kaufmännisch ausgebildete Kräfte. Zur Vermittlung der erforderlichen vertieften Warenkenntnisse, des notwendigen Wissens über Anbieter, Preis- und Leistungsgefüge, Liefermöglichkeiten und -bedingungen, Preisgestaltung und Zahlungsmodalitäten usw. und der verkaufs- und bürotechnischen Fähigkeiten und Fertigkeiten ist üblicherweise eine längere als dreimonatige Einarbeitungszeit erforderlich.

Dazu müssen Voraussetzungen wie Kontaktfähigkeit, Umgangsformen, Sprachgewandtheit usw. erfüllt sein. Auch psychische Belastbarkeit sollte gegeben sein.

Anmerken möchte ich, dass nach dem nervenärztlichen Zusatzgutachten vom 05.11.1996 (Bl. 35 Beklagtenakte) beim Kläger aufgrund der orientierenden testpsychologischen Untersuchung ein IQ von 85 (leicht unterdurchschnittliche Intelligenz) festgestellt wurde. Nach dem Gutachten von Dr. ^Primbs^ vom 07.06.2002 besitzt der Kläger eine Umstellungsfähigkeit zumindest für einfache Arbeiten. Aus berufskundlicher Sicht ist die Tätigkeit eines Fachverkäufers in Möbelhäusern, die eine typische Berufsausübungsform für kaufmännisch ausgebildete Kräfte darstellt, nicht als einfache Tätigkeit anzusehen.

Insgesamt ist für den Kläger in der Tätigkeit eines Fachverkäufers in Möbelhäusern keine geeignete berufliche Alternative zu sehen.

Registratorarbeiten

Die Beklagte verweist den Kläger im Widerspruchsbescheid vom 04.09.2001 auf die Tätigkeit eines Registrators.

Registratoren führen eine differenziert gegliederte Registratur, die gründliche und umfangreiche Fachkenntnisse des Registraturwesens und eingehende Kenntnisse des verwalteten Schriftgutes erfordert. Sie sind verantwortlich für das Registrieren und Archivieren von Akten und anfallendem Schriftverkehr, Vergeben von Aktenzeichen nach fachlichen, organisatorischen, chronologischen u.a. Kriterien entsprechend den geltenden Aktenplänen und von fortlaufenden Aktennummern sowie das Anlegen von Neuakten unter Beachtung der Aktenordnung und Aussondern von Altakten unter Beachtung von Aufbewahrungsfristen. Ebenso werden die Terminüberwachung und allgemeine Verwaltungsarbeiten im Bereich der Aktenhaltung und Registratur von ihnen erwartet.

Die Belastungen bei Arbeiten in einer Registratur sind üblicherweise zumindest zeitweise bis mittelschwer. Eine wechselnde Körperhaltung ist möglich, jedoch wird Bücken, Hantieren über Kopfhöhe und z.T. Besteigen von kleinen Leitern verlangt. EDV-Kenntnisse sind zwischenzeitlich zunehmend erforderlich. Daher kann es bei Arbeiten an Bildschirmen u.U. zu gewissen Zwangshaltungen kommen. Da der Kläger insbesondere keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten verrichten kann, kann es teilweise bei einer Tätigkeit als Registrator zum Überschreiten der Restleistungsfähigkeit des Klägers kommen.

Tätigkeiten in einer Registratur erfordern Sorgfalt, Konzentrationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und selbständige Arbeitsweise. Gelegentlicher Zeitdruck kann auch bei Arbeiten in einer Registratur z.B. bei Wiedervorlageterminen nicht ausgeschlossen werden.

Arbeiten in einer Registratur können sowohl auf der kurzfristig Angelernten- bis hin zur qualifiziert Angelerntenebene erfolgen.

Im BAT sind Angestellte in Büro-, Registratur-, Buchhaltereidienst usw. mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit in VergGr. X, mit einfacheren Tätigkeiten in VergGr IXb und mit - gemessen an den vorgenannten - schwierigeren Tätigkeiten in VergGr. VIII eingruppiert.

Dem Kläger genügt für eine Tätigkeit als Mitarbeiter in einer Registratur, die auch von einem Ungelernten innerhalb von drei Monaten erlernt werden kann, ebenfalls ein dreimonatiger Einarbeitungszeitraum.

Für eine qualifizierte Tätigkeit als Mitarbeiter einer Registratur würde auch der Kläger einen längeren Einarbeitungszeitraum als drei Monate benötigen.

Telefonist

In die Überlegungen miteinbezogen wurde noch die berufsfremde Tätigkeit eines Telefonisten, die zwar von einem Ungelernten - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar ist, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der qualifiziert Angelerntenebene zuzuordnen ist. Die Tätigkeit eines Telefonisten ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen, keinesfalls abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Ob der Kläger diese persönlichen Mindestvoraussetzungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden.

Auch bei einer Tätigkeit als Telefonist können die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Andere tarifvertraglich erfassten Tätigkeiten, für die Arbeitsplätze in nennenswertem Umfang vorhanden sind, die der Kläger unter Berücksichtigung seines verbliebenen Restleistungsvermögen nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten aus der Gruppe der Facharbeiter oder aus der Gruppe der angelernten berufsverwandten Tätigkeiten noch verrichten kann, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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Datum