S 8 RJ 450/01

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 RJ 450/01
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 47jährige Kläger hat nach eigenen Angaben von 07.01.69 - 16.04.71 eine Tätigkeit als Maler und Lackierer verrichtet. Im Anschluss daran war er als Maurer und Polier bis 1998 beschäftigt.

Nach dem Gutachten von Dr. ^Schmidt^ vom 04.12.2002 stellt sich die Leistungsfähigkeit des Klägers wie folgt dar:
- vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten
- im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen
- ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 12 kg
- ohne häufiges Klettern oder Steigen
- ohne Absturzgefahr
- ohne häufige Einwirkung von Kälte, Nässe oder Zugluft (evtl. kompensierbar durch geeignete Kleidung)
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Unstreitig ist, dass der Kläger seine zuletzt verrichtete Tätigkeit als Maurerpolier nicht mehr ausüben kann.

Die Beklagte verweist ihn jedoch im Bescheid vom 25.01.2001 und im Widerspruchsbescheid vom 08.05.2001 auf die Tätigkeit eines Bauhofverwalters, eines Fachberaters in einem Bau- bzw. Heimwerkermarkt und eines Hausmeisters.

Bauhofverwalter

Bauhofverwaltern obliegt z.B. bei Kommunen oder großen Baufirmen die Verwaltung des zentralen Material- und Gerätelagers (Sortimentsumfang bis zu einigen tausend Artikeln, z.T. Millionenwerte), Mitwirkung bei der Material- und Geräteeinsatzplanung und -beschaffung, Veranlassung von Reparaturen, Organisation, Überwachung und Registrierung des Material- und Geräteein- und -ausgangs usw. Die größtenteils verwaltende, kaufmännisch-betriebswirtschaftlich und organisatorisch geprägte Tätigkeit setzt üblicherweise eine kaufmännische Ausbildung oder eine einschlägige Meister- oder ähnliche Qualifikation voraus. Aber auch dann wird der zur Einarbeitung noch erforderliche Zeitraum erfahrungsgemäß mit mehr als drei Monaten beziffert.

Daher benötigt aus berufskundlicher Sicht auch der Kläger, der zuletzt als Maurerpolier tätig war, einen längeren Einarbeitungszeitraum.

In großen Betrieben handelt es sich üblicherweise um eine weitgehend im Sitzen am Schreibtisch zu verrichtende, körperlich leichte Tätigkeit. In kleineren Bauhöfen mit wenigen weiteren, dem Bauhof zugeteilten Arbeitskräften ist es aber durchaus üblich, dass auch vom Verwalter zumindest gelegentlich Mithilfe, z.B. bei Be- und Entlade- oder Lagerarbeiten (d.h. Bücken, schwereres Heben und Tragen, Hochhantierungen usw.) verlangt wird. Auch Witterungseinflüsse sind nicht immer völlig zu vermeiden.

Fachberater in einem Bau- bzw. Heimwerkermarkt

Beratung ist nicht alleiniger Tätigkeitsinhalt, vielmehr liegt der Schwerpunkt erfahrungsgemäß auf dem Verkauf. Im Einzelhandel, speziell in Selbstbedienungsmärkten, sind die Aufgaben eines Fachberaters die Bestandsüberwachung, die Bereitstellung und die Platzierung der Waren im Verkaufsraum einschließlich dem Auszeichnen, u.U. das Erstellen von Dekorations- und Demonstrationsmustern, meist außerdem die Warenannahme und Einlagerung und ggf. das Mitwirken bei der Sortimentsgestaltung, Disposition und Warenbeschaffung. In diesem Bereich sind üblicherweise 2jährig ausgebildete Verkäufer oder Facharbeiter, die jedoch eine längere als dreimonatige Einarbeitung benötigen, aus der entsprechenden Branche beschäftigt. Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden. Auch der Kläger dürfte sich in eine Tätigkeit als Fachberater in einem Bau- bzw. Heimwerkermarkt nicht innerhalb von maximal drei Monaten einarbeiten, obwohl nach Arbeitgeberauskunft auch Facharbeiter beschäftigt werden (Verkäufer ist ein Beruf mit 2jähriger Ausbildung und Einzelhandelskaufmann ein Beruf mit 3-jähriger Ausbildung).

Vor allem im Hinblick auf die Lasten, die gehoben, getragen bzw. bewegt werden müssen, reicht die Belastbarkeit des Klägers nicht immer aus. Die Tätigkeit ist außerdem (nahezu) ausschließlich im Gehen und Stehen zu verrichten und erfordert auch Bücken, Recken oder sogar Überkopfarbeit bzw. Hochhantierungen und Besteigen von Leitern. Vorausgesetzt wird zusätzlich persönliche Eignung für Verkaufstätigkeiten wie Kontaktfähigkeit, Höflichkeit, Flexibilität. Voraussichtliche Nichteignung für eine Tätigkeit als Fachberater im Bau- und Heimwerkermarkt besteht bei Funktionsstörungen der Wirbelsäule, der Arme, der Hände und der Beine, nicht ausreichend korrigierbarem Sehvermögen, Farbsehschwäche, Hörminderungen, erheblichen Sprachstörungen, schweren Herz-Kreislaufstörungen, chronischen Erkrankungen der Atemwege oder Allergien, chronischen Hauterkrankungen besonders an den Händen, seelischen Leiden, schweren Persönlichkeitsstörungen, Suchtkrankheiten und Anfallsleiden.

Hausmeister

Auf zumutbarer Qualifikationsebene würde noch die von der Beklagten im Bescheid vom 25.01.2001 und im Widerspruchsbescheid vom 08.05.2001 genannte Hausmeistertätigkeit liegen. Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf, es gibt kein einheitliches, verbindliches Berufsbild. Gute handwerkliche Kenntnisse und Fertigkeiten werden vorausgesetzt, eine verwertbare handwerkliche Ausbildung (Sanitär-, Heizungs- oder Elektroinstallateur, Schlosser, ggf. auch Schreiner) häufig gewünscht, zum Teil auch verlangt. Die Tätigkeit liegt auf der Ebene der Anlern- und Facharbeiterberufe. Beim Vorliegen einer verwertbaren Ausbildung ist die Tätigkeit oft auch auf Facharbeiterebene entlohnt. Je nach Aufgabenstellung und Vorkenntnissen ist von einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten bis zu einem Jahr auszugehen. Obwohl die Erfahrungen des Klägers aus seinen ausgeübten Tätigkeiten als Maler bzw. Maurerpolier eher begrenzt verwertbar sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger durch eine bis zu dreimonatige Einarbeitung auf der Ebene der Anlernberufe einmünden könnte.

Die Aufgaben eines Hausmeisters variieren je nach Art des zu betreuenden Objekts (Wohnhaus oder -anlage, Büro- und Fabrikgebäude, Schule, Theater, Heime usw.). Dazu gehören: Mängel feststellen und beheben (z.B. an allen elektrischen Anlagen einschließlich Beleuchtungs-, Heizungs- und Sanitäranlagen, an Türen, Fenstern, Möbeln, Aufzügen), ggf. Fremdfirmen einschalten, deren Arbeit überwachen und abnehmen, Wartungsarbeiten und Schönheitsreparaturen durchführen, Reinigungsarbeiten im, ggf. auch außerhalb des Gebäudes vornehmen (z.B. auch Schneeräumen, Streudienst) oder Garten, Grün- und Sportanlagen pflegen, für die Einhaltung von Feuerschutz und sonstigen Sicherheitsbestimmungen sorgen, Mithilfe bei Umzügen, Aufstellen von Sitzgelegenheiten in Sälen etc., Beschilderungen anbringen, auch Botendienste, Wohnungsbesichtigungen mit Mietinteressenten durchführen usw. Abhängig von der Größe des Objekts und der Arbeitsorganisation ist vielfach eine Verschiebung möglich zwischen dem eigentlichen Durchführen der Arbeit und dem Veranlassen der Ausführung durch Fremdfirmen und deren Überwachung. Es handelt sich aber immer um eine selbständige, eigenbestimmte und -verantwortliche Tätigkeit.

Vorausgesetzt wird zuverlässige, verantwortungsbewusste Arbeitsweise, Flexibilität (z.B. unvorhergesehene Situationen sowie Ausführen vielfältiger Aufgaben), Kontakt- und Anpassungsfähigkeit (z.B. Umgang mit Mietern, Handwerkern, Reinigungspersonal, Lieferanten) und Durchsetzungsvermögen (z.B. Sicherstellen des bestimmungs- und ordnungsgemäßen, pfleglichen Gebrauchs von Gebäuden). Förderlich für eine Hausmeistertätigkeit sind gute Umgangsformen (z.B. Kontakt zu Mietern, Betriebs-/Hausangestellten) und ausreichende neurovegetative Belastbarkeit und psychische Stabilität (z.B. Schichtarbeit, häufig wechselnde, dringliche Aufgaben, "schwierige Hausbewohner") und die Befähigung zum Anleiten von Hilfskräften (z.B. Reinigungskräften) und zum Überwachen der Aufgabenerledigung.

Die körperlichen Belastungen sind überwiegend leicht bis mittelschwer, gelegentlich unter Umständen auch schwer. Gehen und Stehen überwiegt bei weitem, Zwangshaltungen (Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit) lassen sich in der Regel ebenso wenig ausschließen wie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Auch Heben, Tragen und Bewegen von schwereren Lasten wird üblicherweise verlangt. Ein Hausmeister sollte daher über einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat verfügen. Die Arbeiten werden z.T. in geschlossenen Räumen und z.T. im Freien unter Witterungseinflüssen (Nässe, Kälte, Zugluft, Hitze) verrichtet. Aus berufskundlicher Sicht entspricht das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr den üblichen Anforderungen, die an die Tätigkeit eines Hausmeisters gestellt werden.

Baustoffprüfer

In ähnlich gelagerten Fällen wurde die Tätigkeit eines Baustoffprüfers als zumutbare Verweisungstätigkeit genannt.

Baustoffprüfer (drei Fachrichtungen: Boden, Mörtel und Beton, bituminöse Massen) ist ein eigenständiger dreijähriger industrieller Ausbildungsberuf, in den sich der Kläger - obwohl er zuletzt als Maurerpolier tätig war - nicht innerhalb von drei Monaten einarbeiten kann. Arbeitnehmer aus Bauberufen mit Vorkenntnissen in der Herstellung, Verarbeitung und Prüfung von Beton können jedoch auch zum Betonprüfer angelernt werden und/oder sich die erforderlichen vertieften Kenntnisse im Rahmen eines mehrwöchigen Lehrganges aneignen.

Betonprüfung findet vor, während und nach der Verarbeitung, d.h. auf der Baustelle im Freien und im Labor statt; bei großen Baubetrieben mit einem Zentrallabor oder bei Betonfertigteilwerken ist u.a. auch ein Ansatz ausschließlich im Labor bzw. im Betrieb möglich. Die in Normen geregelten Prüfungen sind erfahrungsgemäß überwiegend im Gehen und Stehen durchzuführen, erlauben üblicherweise aber auch zeitweises Sitzen. Zur Prüfung der Druckfestigkeit müssen Probekörper hergestellt und unter bestimmten Bedingungen gelagert werden; die Probekörper sind im allgemeinen Würfel mit einer Kantenlänge von 20 cm und einem Gewicht von ca. 18 - 20 kg. Häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 12 kg kann nicht ausgeschlossen werden.

Insgesamt ist aus berufskundlicher Sicht in diesem Bereich keine für den Kläger geeignete berufliche Alternative zu sehen.

Telefonist

Aus dem Kreis der hervorgehobenen ungelernten, in verschiedenen Tarifverträgen mindestens wie Anlerntätigkeiten bewerteten Tätigkeiten wird oft noch die Telefonistentätigkeit als berufliche Alternative genannt. Sie ist - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar. Die Tätigkeit eines Telefonisten ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen, keinesfalls im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ausgeübt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet.

Auch wenn der Kläger diese persönlichen Mindestvoraussetzungen mitbringen sollte, ist in der Tätigkeit eines Telefonisten keine geeignete berufliche Alternative zu sehen, da der Kläger nur noch Arbeiten Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen verrichten kann und somit die Leistungseinschränkungen nicht mehr ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden können.

Andere Verweisungsmöglichkeiten mindestens auf der Ebene der Anlernberufe, die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die dem Kläger gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihm nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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