L 5 RJ 611/97

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
L 5 RJ 611/97
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei der Rentenantragstellung 48-jährige Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie war vom 01.10.1961 - 28.02.1963 als Ladenhilfe, vom 05.03.1963 - 15.05.1970 als Hilfsarbeiterin (Schreinerei), vom 19.05.1970 - 31.10.1970 als Lagerarbeiterin und vom 01.11.1970 -31.12.1990 als Textilveredlungs-Maschinenführerin und anschließend 1992 als Gardinenkontrolleurin beschäftigt. Seit 03.01.1994 ist die Klägerin arbeitslos gemeldet. Der GdB beträgt 40.

Dr. ^Ringel^ beschreibt die Leistungsfähigkeit der Klägerin in seinem Gutachten vom 21.04.96 wie folgt:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- in wechselnder Körperhaltung
- vorwiegend in geschlossenen Räumen
- ohne Arbeiten mit Absturzgefahr
- ohne Arbeiten unter häufiger Einwirkung von Vibrationen oder Erschütterungen
- ohne Arbeiten an fließenden Gewässern
- ohne Arbeiten am offenen Feuer
- ohne Wechsel- und Nachtschichten
- ohne wesentlichen Zeitdruck
- ohne Arbeiten mit besonderer Anforderungen an das Sehvermögen.

Darüber hinaus ist die Klägerin diätgebunden und muss regelmäßig Mahlzeiten einnehmen. Es besteht die unabweisbare Notwendigkeit zusätzlicher Arbeitspausen (insulinpflichtig).

Ihrer Anfrage zufolge ist zusätzlich zur Mittagspause vormittags und nachmittags je eine weitere Pause von etwa 10 Minuten (die Beklagte hält 5 - 7 Minuten für ausreichend - Bl. 120, 132 SG-Akte) zur Zuckerkontrolle notwendig. Außerdem muss die Klägerin ca. 30 Minuten vor dem Mittagessen Gelegenheit haben, eine Blutzuckermessung vorzunehmen.

Darüber hinaus kommt es gelegentlich (etwa 2-3 mal wöchentlich) zu einer Unterzuckerung, die eine sofortige Nahrungsaufnahme erfordert (vgl. Bl. 132 SG-Akte), also eine zusätzliche Pause von mindestens 10-14 Minuten.

Nach dem in Ihrer Anfrage außerdem genannten Gutachten von Dr. ^Merckens^ vom 09.09.96 stellt sich die Leistungsfähigkeit der Klägerin wie folgt dar:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- im Wechselrhythmus
- mit zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen
- ohne Arbeiten über Schulter-Kopfhöhe
- ohne Absturzgefahr
- ohne Schichtbedingungen
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte verweist die Klägerin im Bescheid vom 19.04.95 und im Widerspruchsbescheid vom 13.09.95 auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Sozialgericht Augsburg hat in der mündlichen Verhandlung am 23.10.97 die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 01.02.95 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren, da der Klägerin der Arbeitsmarkt verschlossen ist.

Die Beklagte gibt in ihrer Berufungsbegründung vom 06.02.98 an, dass die Klägerin neben einer Tätigkeit als Nebenpförtnerin auch noch als Verpackerin leichterer Gegenstände vollschichtig tätig sein kann.

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Mitteilung, ob es Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl gibt, die dem verbliebenen Leistungsvermögen der Klägerin entsprechen. Außerdem bitten Sie um Stellungnahme im Hinblick auf die durch die Zuckerkrankheit bedingten zusätzlichen Pausen. Insbesondere ist noch aus berufskundlicher Sicht Stellung zu nehmen, ob die Klägerin die von der Beklagten genannten Tätigkeiten als Nebenpförtnerin und Verpackerin noch ausüben kann und ob ggf. geeignete Arbeitsplätze in nennenswertem Umfang vorhanden sind.

Außerdem bitten Sie um Mitteilung, ob die im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.05.97 zum Pförtnerberuf - L 11 J 225/96 - genannten Zahlen (Bl. 170.171 LSG-Akte) (noch) aktuell sind und inwieweit sie sich auf Bayern übertragen lassen.

Unabhängig davon, ob die nachfolgend beschriebenen Tätigkeiten dem physischen und psychischen Leistungsvermögen der Klägerin entsprechen, ist hinsichtlich dem Erfordernis von unüblichen Pausen folgendes auszuführen.

Bei Zeitlohnarbeiten in normaler Arbeitszeit, wie sie die Klägerin noch zu leisten imstande ist, wird üblicherweise eine mindestes stündige Mittagspause und nicht selten daneben im Lauf des Vormittags eine ca. 15minütige Frühstückspause gewährt.

Wenn die erforderliche Zuckerkontrolle vormittags während der nicht selten gewährten 15minü- tigen Frühstückspause erfolgen kann, wären noch zwei weitere Pausen (30 Minuten vor dem Mittagessen zur Blutzuckerkontrolle und nachmittags zur Zuckerkontrolle) und bei Bedarf eine Pause zur sofortigen Nahrungsaufnahme notwendig. Nach dem Gutachten von Dr. Ringel ist die Klägerin diätgebunden und muss regelmäßig Mahlzeiten einnehmen. Über den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme und der Anzahl der Mahlzeiten sind keine Angaben in Ihrer Anfrage erhalten.

Eine Arbeitszeitregelung, die zusätzlich zu den betriebsüblichen Pausen weitere Pausen vorsieht, fand sich noch bei keinem der im Laufe vieler Jahre dazu befragten Betriebe. Entsprechende Sonderregelungen würden den Betriebsablauf doch erheblich behindern. Pausen sind grundsätzlich keine bezahlte Arbeitszeit. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen würden daher bei Vollzeitarbeit eine Verschiebung des Arbeitsbeginns und/oder des Arbeitsendes erfordern, was schon organisatorisch oft gar nicht möglich ist.

Neben den betriebsüblichen Pausen werden Arbeitnehmern in gewissem Umfang sog. Verteilzeiten zugestanden. Dazu rechnet z.B. der Weg vom Zeiterfassungsgerät zum Arbeitsplatz, das Vorbereiten bzw. Aufräumen des Arbeitsplatzes, das Aufsuchen der Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte usw. Bei Leistungslohn-/Akkordarbeiten, die der Klägerin aber nicht mehr zugemutet werden dürfen, da sie keine Arbeiten mehr unter wesentlichen Zeitdruck verrichten kann, ist nicht selten zumindest ein Teil dieser Verteilzeiten in Form von zusätzlichen Kurzpausen institutionalisiert. Es kann aber nicht ohne weiteres als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass im Rahmen der Verteilzeiten, insbesondere auf anderen als Leistungslohnarbeitsplätzen, Blutzuckerkontrollen bzw. ggf. die Einnahme von Mahlzeiten möglich sind. Ob dies realisierbar ist, hängt von der Akzeptanz durch den Arbeitgeber und von der Art der Tätigkeit ab. Selbst wenn Blutzuckerkontrollen und ggf. die Einnahme von Mahlzeiten realisierbar und geduldet sind, ist eine Eigenbestimmung des Zeitpunktes entsprechend den gesundheitlichen Erfordernissen nicht immer gewährleistet. Derartige Rücksichtnahme ist im Arbeitsleben zwar zu finden, wird aber erfahrungsgemäß meist nur bereits beschäftigten Arbeitnehmern zuteil, denen gegenüber eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers besteht. Eine Außenstehende - wie die Klägerin - bei der zusätzlich noch andere Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen sind, hat unter diesen Voraussetzungen üblicherweise keinen Zugang zu solchen Arbeitsplätzen.

Nebenpförtner

Die Beklagte nennt in ihrer Berufungsbegründung vom 06.02.98 die Tätigkeit einer Nebenpförtnerin als zumutbare Verweisungstätigkeit für die Klägerin und verweist auf das Urteil des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 12.05.97 - L 11 J 2551/96.

Nach der mir vorliegenden Auskunft des Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg vom 21.11.96 an das Landessozialgericht Baden-Württemberg, auf der die Ausführungen zur Tätigkeit eines Pförtners im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.05.97 - L11 J 255/96 basieren, sind die Begriffe Nebenpförtner und Hauptpförtner bzw. einfacher und qualifizierter Pförtner keine im Wirtschaftsleben üblichen Bezeichnungen. Das Landesarbeitsamt Baden-Württemberg führt in seiner Stellungnahme weiter aus, dass es eine genaue Definition mit einer klaren Abgrenzung der Bezeichnungen seines Wissens untereinander nicht gibt.

Zur Zahl der Arbeitsplätze für Haupt- und Nebenpförtner oder zur Zahl einfacher bzw. gehobener Pförtnerarbeitsplätze konnten vom Landesarbeitsamt Baden-Württemberg keine Angaben gemacht werden, da weder die Beschäftigtenzahlen noch die der Arbeitslosen oder Stellenangebote entsprechend ermittelt werden. Bei seinen weiteren Ausführungen bezog sich das Landesarbeitsamt Baden-Württemberg daher auf den Beruf eines Pförtners allgemein.

Zu den von der Beklagten in der Berufsbegründung vom 06.02.98 zitierten Zahlen zu Arbeitsplätzen für Nebenpförtner nur bzw. auch für Schwerbehinderte oder Gleichgestellte aus dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.05.97 - L 11 J 255/96 ist folgendes auszuführen:

Das Landesarbeitsamt Baden-Württemberg führte in seiner Stellungnahme an das LSG Baden-Württemberg aus, dass die Zahl der Arbeitslosen und der Stellenangebote jeweils in der Berufsklasse erfasst wird. Für den Pförtner ist dies grundsätzlich die Berufsklasse (BKZ) 7931. Allerdings ist auch eine Zuordnung zu den BKZ 7932 (Werkspförtner und ähnliche Berufe) und 7933 (Hauswarte) möglich. Das LSG Baden-Württemberg hat in seinem Urteil lediglich die vom Landesarbeitsamt Baden-Württemberg angegebenen Zahlen der Arbeitslosen und der Stellenangebote der BKZ 7931 (Pförtner) genannt.

Die an anderer Stelle im LSG-Urteil genannten Zahlen über Stellenangebote (S. 7 des Urteils), die nur bzw. auch für Schwerbehinderte oder Gleichgestellte in Frage kommen, die von der Beklagten in der Berufsbegründung vom 06.02.98 als Stellenangebote für Nebenpförtner angegeben wurden, wurden vom Landesarbeitsamt Baden-Württemberg in seiner Stellungnahme als Stellenangebote für die BKZ 7931, 7932 und 7933 insgesamt dem LSG Baden-Württemberg mitgeteilt.

Es handelt sich keinesfalls, wie die Beklagte in der Berufungsbegründung vom 06.02.98 angibt, nur um Stellenangebote für Nebenpförtner.

Zu Ihrer Frage, ob die im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.05.97 zum Pförtnerberuf - L 11 J 225/96 - genannten Zahlen (Bl. 170.171 LSG-Akte) (noch) aktuell sind und inwieweit sie sich auf Bayern übertragen lassen, möchte ich an dieser Stelle folgendes ausführen:

Die Auswertung der Sonderuntersuchung über den Bestand an Arbeitslosen (Alo) und den Bestand an offenen Stellen (SteA) und nach dem Kriterium, ob für die Stellenbesetzung auch Schwerbehinderte oder Erwerbsgeminderte in Frage kommen, jeweils am 30.09. eines Jahres ergibt für die BKZ 7931 folgendes:

Bayern

Sept 95 Sept 96 Sept 97 Sept 98 Sept 99
BKZ Alo SteA Alo SteA Alo SteA Alo SteA Alo SteA
7931 2535 30 3024 16 3706 22 4234 29 4426 40

- darunter Stellenangebote für Schwerbehinderte oder Erwerbsgeminderte
Sept 95 Sept 96 Sept 97 Sept 98 Sept 99 keine SB oder Gleichgestellte
4 5 12 14 6

- auch SB oder Gleichgestellte
25 9 10 13 33

- nur SB oder Gleichgestellte
1 2 - 2 1

insgesamt
30 16 22 29 40

Bundesgebiet (West)

Sept 95 Sept 96 Sept 97 Sept 98 Sept 99
BKZ Alo SteA Alo SteA Alo SteA Alo SteA Alo SteA
7931 23601 134 26821 109 30579 108 33692 175 35790 194

- darunter Stellenangebote für Schwerbehinderte oder Erwerbsgeminderte
Sept 95 Sept 96 Sept 97 Sept 98 Sept 99 keine SB oder Gleichgestellte
26 25 21 39 23

- auch SB oder Gleichgestellte
82 62 74 115 144

- nur SB oder Gleichgestellte
26 22 13 21 27

insgesamt
134 109 108 175 194

Allgemein ist anzumerken, dass der Einschaltungsgrad der Arbeitsämter bei Stellenangeboten (SteA) für ungelernte/kurzfristig angelernte Arbeitskräfte und für Facharbeiter höher ist als bei SteA für gehobene Angestellte und Akademiker. Nach einer Untersuchung des IAB aus dem Jahre 1995 werden 43,5% der SteA für un-/ange- lernte Arbeiter der gesamtwirtschaftlich vorhandenen offenen Stellen den Arbeitsämtern gemeldet. In der Beschäftigtenstatistik sind die Pförtner zusammen mit Hausmeistern, Hauswarten und ähnlichen Berufen erfasst und lassen sich aus dieser Summe nicht isolieren. Eine Auswertung ist nur für die Berufsordnung (hier:793) jeweils zum 30.06. eines Jahres möglich. Danach ergibt sich folgendes Bild über die in dieser Berufsordnung sozialversicherungspflichtig Beschäftigten:

Jahr 1995 1996 1997 1998 1998 Bayern 24581 24654 24520 24311 32100 Bundesgebiet (West) 124619 124842 123461 122288 149891

Allgemein ist zur Tätigkeit eines Pförtners aus berufskundlicher Sicht folgendes auszuführen: Der Trend geht weg vom einfachen Pförtner. Ursachen dafür liegen u.a. in der Entwicklung von Schließsystemen, die z.B. an reinen Personaleingängen die Zutrittsregelung durch einen Pförtner überflüssig machen, indem die Mitarbeiter den Eingang durch eine Codekarte, die u.U. gleichzeitig Dienstausweis und Mittel zur Zeiterfassung ist, selbst öffnen. Wo noch Pforten existieren, stellen sie immer häufiger eine technische Leitzentrale dar, in der Telefonanlage, Alarm- und Brandmeldesysteme, Rufanlage, Aufzugsnotruf usw. installiert sind. Der Pförtner ist nicht selten eine Werkschutzfachkraft, der neben ggf. der Ein- und Ausgangskontrolle der Betriebsangehörigen die Abfertigung von Besuchern und Lieferanten obliegt, außerdem die Durchführung von Öffnungs- und Schließdiensten und von Kontrollgängen, die Überwachung der Einhaltung von Feuerschutz- und Arbeitssicherheitsbestimmungen, das Ergreifen entsprechender Maßnahmen (z.B. Zutrittsverweigerung, Verständigung von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Erste Hilfe, Brandbekämpfung, Evakuierung usw.) und unter Umständen noch einiges mehr. Auf anderen Pförtnerarbeitsplätzen, vor allem bei Behörden, Verwaltungen u.ä., liegt der Schwerpunkt im Besucherempfang und in der Auskunftserteilung. Hier sind häufig Büroarbeiten (Postabfertigung, Ablage, Schreibarbeiten usw.) mit zu verrichten. Entsprechend unterschiedlich sind die Belastungen bei der Tätigkeitsausübung und die Anforderungen, die an das gesundheitliche Leistungsvermögen, die Vorkenntnisse und die Persönlichkeit gestellt werden. Stellen für einfache Pförtner gibt es trotzdem noch in nennenswerter Zahl. Allerdings ist - bis auf eine kleine Zahl von Arbeitsplätzen hauptsächlich im Büro- und Verwaltungsbereich - weitestgehend Schichtarbeit üblich, nicht selten sogar rund um die Uhr und/oder mit auf 12 Stunden verlängerten Schichten. Selbst in Banken, Versicherungen, Behörden etc. ist, wie das Landesarbeitsamt in seiner Stellungnahme vom 21.11.99 an das Landessozialgericht Baden-Württemberg ausführt, mit ungünstiger Arbeitszeit zu rechnen. Meist handelt es sich hier um eine versetzte Arbeitszeit, um einen Zeitraum von 6 Uhr bis 20 Uhr abzudecken. Auch Zeitdruck ist (z.B. bei Arbeitsbeginn und -ende, Schichtwechsel, größerem Besucherandrang) nicht auszuschließen. Eine Pförtnertätigkeit ist zwar verschiedentlich durch lange Zeiten der relativen Monotonie geprägt, gerade aber wenn die Routine durchbrochen wird, ist es die Aufgabe des Pförtners, zu reagieren und situationsgerecht schnell zu handeln. Zudem handelt es sich überwiegend um Alleinarbeit, so dass auf die ständige Anwesenheit und Aufmerksamkeit nicht verzichtet werden kann. Ein gewisses Maß an neurovegetativer und psychischer Belastbarkeit, aber auch ausreichendes Sehvermögen sind daher erforderlich. Da der Pförtner für Kunden, Besucher, Lieferanten, ggf. Anrufer in der Regel der erste Ansprechpartner eines Unternehmens, einer Behörde etc. ist, werden auch bestimmte Mindestanforderungen an Umgangsformen, Auftreten, äußeres Erscheinungsbild u.ä. gestellt. Ob die Klägerin diese persönlichen Mindestanforderungen erfüllt, kann nicht beurteilt werden. Insbesondere weil vom Pförtner die Zutrittsregelung erfolgt, können erforderliche Pausen zur Blutzuckerkontrolle oder ggf. zur Nahrungsaufnahme, entsprechend dem gesundheitlichen Erfordernis nicht jederzeit vorgenommen werden. Aus berufskundlicher Sicht ist bei Würdigung aller Aspekte davon auszugehen, dass es keine nennenswerte Zahl von auch Außenstehenden zugänglichen Pförtnerarbeitsplätzen im Bundesgebiet bzw. Bayern gibt, die die Klägerin trotz ihrer Leistungsminderungen noch ausfüllen könnte.

Verpackerin leichterer Gegenstände

Die Beklagte nennt in ihrer Berufungsbegründung 06.02.98 die Tätigkeit einer Verpackerin leichterer Gegenstände als weitere zumutbare Verweisungstätigkeit. In der industriellen Fertigung vorkommende Verpackungsarbeiten können körperlich leicht sein, in der Regel dann, wenn mit kleinen Teilen umzugehen ist. Die Arbeiten sind aber weitgehend in einseitiger Körperhaltung (entweder im Sitzen oder Stehen) zu verrichten. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist möglich, wenn die zu bearbeitenden Teile selbst an- und abtransportiert werden müssen, jedoch fällt u.U. auch schwerere Hebe- und Tragebelastung an. Ein Wechsel der Körperhaltung entsprechend dem gesundheitlichen Erfordernis kann jedoch nicht gewährleistet werden. Die Tätigkeiten in diesem Bereich erfordern nicht selten Schichtarbeit und werden in der Regel im Akkord oder unter akkordähnlichen Bedingungen bzw. am Fließband verrichtet. Die Beklagte führt in ihrer Berufungsbegründung aus, dass nach einer Arbeitgeberauskunft während der Verpackungstätigkeit ohnehin Pausen bei jeweiligem Wechsel der zu verpackenden Produkte entstehen, die von den Arbeitnehmern eigenverantwortlich genutzt werden können, auch zur jeweiligen Nahrungsaufnahme. Auf die Dauer dieser Pausen wurde jedoch nicht eingegangen. Unabhängig davon, ob die von der Beklagten angegebene Arbeitgeberauskunft auf andere Arbeitsplätze übertragen werden kann, können die o.g. Pausen nur beim jeweiligen Wechsel der zu verpackenden Produkte eingelegt werden. Bei der Klägerin besteht einerseits die Notwendigkeit 30 Minuten vor dem Mittagessen eine Blutzuckerkontrolle durchzuführen und ggf. bei Bedarf sofort eine Mahlzeit einzunehmen. Aus berufskundlicher Sicht ist der Klägerin auch die Tätigkeit einer Verpackerin leichterer Gegenstände nicht mehr uneingeschränkt zumutbar.

Auch einfache Reinigungsarbeiten stellen für die Klägerin keine ihrem Leistungsvermögen entsprechende Alternative dar. Diese Arbeiten beinhalten zumindest gelegentlich auch schwerere als nur leichte Belastungen. Die Arbeiten werden im Gehen und Stehen verrichtet. Wechselrhythmus ist nicht üblich. In der Regel wird außerdem unter Zeitdruck gearbeitet.

Spülerinnen im Hotel- und Gaststättengewerbe müssen ebenfalls teilweise schwerere als nur leichte Lasten heben. Das Leistungsvermögen der Klägerin entspricht für Tätigkeiten in diesem Bereich nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Auch im Verkauf, z.B. als Auszeichnerin, Auffüllerin oder evtl. als Kassiererin ist keine zumutbare Alternative zu erkennen. Mit Belastung durch schwerere als nur leichte Arbeiten, überwiegend einseitige Körperhaltung und zeitweisem Zeitdruck ist zu rechnen.

Botinnen, Mitarbeiterinnen in einer Registratur oder Poststelle müssen erfahrungsgemäß zumindest zeitweise bis mittelschwer belastbar sein. Häufiges Bücken, Recken, Heben und Tragen von schwereren Lasten ist trotz des Einsatz von z.B. Aktenrollwagen nicht unüblich. Die Tätigkeit einer Botin scheidet insbesondere daher aus, da sie überwiegend im Gehen verrichtet wird ... Die Leistungseinschränkungen der Klägerin können auch bei diesen Tätigkeiten nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Einfache Bürohilfstätigkeiten wie z.B. Karteiarbeiten, Listenführung, Schreibarbeiten sind zwar körperlich leicht, werden jedoch in der Regel überwiegend im Sitzen verrichtet. Außerdem sind sie durch den zunehmenden Einsatz von EDV und moderner Bürokommunikation rückläufig. Auch verlangt der Wechsel von bisher ausschließlich gewerblicher Arbeit auf Bürotätigkeiten erfahrungsgemäß ein erhöhtes Maß an Umstellungsfähigkeit, wobei auf Arbeitgeberseite üblicherweise keine Bereitschaft besteht, minderbelastbare, gewerbliche Arbeitnehmerinnen für solche Arbeiten neu einzustellen.

Telefonistin

In die Überlegungen mit einbezogen wurde noch die Telefonistinnentätigkeit. Sie ist - wenn nicht andere Arbeiten mit verrichtet werden müssen oder zur Auskunfterteilung umfangreiches oder vertieftes Wissen erforderlich ist - erfahrungsgemäß in maximal drei Monaten erlernbar. Die Tätigkeit eine Telefonistin ist körperlich leicht, wird jedoch ausschließlich im Sitzen ausgeübt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Ob die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden. Unabhängig davon, ist die Telefonistinnentätigkeit der Klägerin aufgrund ihrer Leistungseinschränkungen nicht uneingeschränkt zumutbar. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Betrachtung des Arbeitsmarktes des gesamten Bundesgebietes nicht doch eine nennenswerte Zahl von Arbeitsplätzen gibt, die grundsätzlich für die Klägerin in Betracht kämen. Auf Arbeitgeberseite sind dabei jedoch erfahrungsgemäß besondere Zugeständnisse (z.B. der Restleistungsfähigkeit angepasster Zuschnitt der Aufgaben, Verzicht auf Flexibilität oder Vielseitigkeit, Änderungen am Arbeitsplatz, Herabsetzung des Arbeitstempos bzw. des erwarteten Produktivitätsgrades) erforderlich. Entsprechende Arbeitsplätze sind Außenstehenden daher unter den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens in der Regel nicht bzw. nicht direkt zugänglich, vielmehr handelt es sich nicht selten um vergönnungsweise Beschäftigung aufgrund sozialer Verpflichtungen oder die Arbeitsplätze wurden im Einzelfall durch besondere Vermittlungsbemühungen und Vermittlungshilfen, z.B. nicht selten erhebliche finanzielle Leistungen erschlossen. Eine uneingeschränkt zumutbare Verweisungstätigkeit ist aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
Saved
Datum