L 6 RJ 376/00

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
L 6 RJ 376/00
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der Kläger ist Malermeister, der selbständig einen Handwerksbetrieb mit ca. sechs Gesellen und ca. neun Lehrlingen führt.

Der GdB beträgt 50.

Nach der Stellungnahme von Dr. ^Fischer^ vom 02.06.2001 sind dem Kläger Anmarschwege von einem mit dem PKW erreichten Behindertenparkplatz in das Büro bis ca. 400 Meter zumutbar. Außerdem ist der Kläger nach Ansicht von Dr. ^Fischer^ für die noch möglichen kurzen Wegstrecken von unter 500 Metern nicht auf ein oder zwei Krücken angewiesen.

Der Kläger könne die im Büro üblichen kurzen Wege zwischen Aktenschränken und Schreibtisch zurücklegen. Dabei sollte der Kläger allerdings nicht mehr als 5 % des Arbeitstages und nicht mehr als insgesamt 500-600 Meter mit dazwischenliegenden Unterbrechungen insgesamt pro Arbeitstag gehen müssen. Der Kläger könne dabei Unterlagen tragen und ist nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Sonstige gesundheitlich bedingte unüblichen Einschränkungen bei einer Büroarbeit bestünden nicht.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Ihrer Anfrage zufolge kommen mit Rücksicht auf die Vorbildung und die auf Facharbeiten eingeschränkte Verweisbarkeit des Klägers ausschließlich innerhalb eines Büros auszuführenden hochqualifizierten Arbeiten eines Handwerksbetriebes vornehmlich eines Lackierers und eines Malerbetriebes (z.B. in der Arbeitsvorbereitung, Personalplanung und -einteilung, Materialverwaltung, Kalkulation, Geräteeinkauf, Angebots- und Rechnungslegung) in Betracht.

Sie bitten daher um Mitteilung, ob derartige Arbeitsplätze, die sich im ganzen Bundesgebiet befinden können, gewöhnlich die von Dr. ^Fischer^ aufgeführten Einschränkungen ggf. in welchem Umfang (mindestens 40-50 auch besetzte Arbeitsplätze im Bundesgebiet), erfüllen.

Sollte dies bejaht werden, bitten Sie außerdem um Stellungnahme, in welchem zeitlichen Umfang dabei Bildschirmarbeit anfällt.

Es existiert im Maler- und Lackiererhandwerk, hauptsächlich in großen Betrieben, die Tätigkeit eines Technischen Angestellten, der für die Planung, Kalkulation und Abrechnung von Maler- und Lackiererarbeiten zuständig ist.

Die Aufgaben eines Technischen Angestellten in diesem Bereich sind insbesondere:
- Bearbeiten von Ausschreibungsunterlagen
- Planung, Kalkulation, Angebotserstellung
- Erstellen von Leistungsunterlagen nach Aufmaß und Berechnung
- Bearbeiten von Kostenvoranschlägen
- Verhandeln mit Auftraggebern, Kunden, Behörden usw.
- Durchführen des Schriftverkehrs
- Materialdisposition, Einkauf
- ggf. Überwachen der Auftragsabwicklung
- Nachkalkulation
- Bearbeiten von Reklamationen
- Lagerverwaltung (Waren- bzw. Materialannahme/-ausgabe)

Die Tätigkeit eines Technischen Angestellten liegt mindestens auf der Facharbeiterebene und ist durch besondere Verantwortung gekennzeichnet. Sie erfordert daher eine gewisse psychische Belastbarkeit und wird in der Regel überwiegend im Sitzen - bei Arbeit am Bildschirm in ausgeprägt statischer Haltung - verrichtet. Zunehmend sind in diesem Bereich auch EDV-Kenntnisse erforderlich.

Kalkulationen werden üblicherweise von kaufmännischen und spezialisierten technischen (z.B. Staatlich geprüfte Techniker, Ingenieure) Kräften durchgeführt. Der Kläger hat sich während seiner Fortbildung zum Meister Kenntnisse im Erstellen von Kalkulationen erworben. Ob der Kläger als selbständiger Malermeister alle kaufmännischen Aufgaben selbst verrichtet hat, kann Ihrer Anfrage nicht entnommen werden. Auch wenn vom Kläger tatsächlich alle kaufmännischen Arbeiten durchgeführt wurden, kann aus berufskundlicher Sicht nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger allgemein umsetzbare komplette Kalkulationen (Vor-, Haupt- und Nachkalkulation) nach einer Einarbeitung von max. drei Monaten erstellen kann.

Qualifizierte Tätigkeiten im Einkauf sind üblicherweise eine Aufstiegsposition für Industriekaufleute in größeren Betrieben in der Regel nur nach langjähriger Berufserfahrung oder für Kräfte mit Hochschulabschluss wie z.B. Diplom-Betriebswirte.

In einem Lager hat der Materialverwalter in der Regel sicherzustellen, dass die Annahme der Materialen und die Eingangskontrolle ordnungsgemäß erfolgt, die verschiedenen Materialen fachgerecht unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenschaften gelagert, gepflegt und weiterbehandelt werden, eine betriebswirtschaftlich und produktionsbezogen optimale Materialbestandsmenge vorgehalten wird, Lagervorschriften und Sicherheitsbestimmungen beachtet und alle Lagereinrichtungen ordnungsgemäß gehandhabt, gepflegt und instand gehalten werden. Je nach Lagergröße hat er die dabei anfallenden Arbeiten in erster Linie zu planen, zu organisieren, zu steuern und zu überwachen oder auch selbst praktisch mitzuarbeiten oder sie in ihrer Gesamtheit allein zu verrichten. Wenn der Schwerpunkt auf verwaltenden und leitenden Aufgaben liegt, handelt es sich in der Regel um eine Aufstiegsposition, die auszufüllen Betriebsfremde - auch mit den Vorkenntnissen, wie sie der Kläger mitbringen dürfte - mehr als drei Monate Einarbeitung benötigen. Im Lager kann üblicherweise, auch bei verwaltenden und leitenden Aufgaben nicht davon ausgegangen werden, dass die von Dr. ^Fischer^ in seiner Stellungnahme vom 01.06.2001 aufgeführte Einschränkung (Gehen von maximal 5% des Arbeitstages und nicht mehr als insgesamt 500 - 600 Meter mit dazwischenliegenden Unterbrechungen) immer berücksichtigt werden können.

Klassische Aufgaben der Arbeitsvorbereitung sind Arbeits- und Kapazitätsplanung, Fertigungsorganisation, -steuerung, Material-, Geräte-, Werkzeug-, Maschinendisposition, Zeitwirtschaft, Arbeitsbewertung u.ä. Im Handwerk sind spezielle Tätigkeiten dieser Art nicht üblich, weil sie vom Betriebsinhaber oder von angestellten Meistern zusätzlich zu den sonstigen Aufgaben und in anderer Form als in der Industrie erledigt werden. Die zu erledigenden Aufgaben in der Arbeitsvorbereitung werden weit überwiegend im Sitzen verrichtet.

In der sehr arbeitsteilig organisierten Industrie werden diese Aufgaben von Ingenieuren, Technikern, Betriebswirten, Kaufleuten, aber auch von einschlägig fortgebildeten gewerblichen Fachkräften einschl. Meistern ausgeübt. Soweit Ingenieur- und Technikerbildungsgänge diese Lehrstoffe nicht schon ganz oder teilweise enthalten, müssen sie von allen Fachkräften durch aufbauende Fortbildungslehrgänge (insbesondere REFA-Lehrgänge) erworben werden. Zudem müssen immer häufiger EDV-Kenntnisse vorliegen. Dem Kläger, der als Malermeister einen Handwerksbetrieb geführt hat, dürfte eine Einarbeitungszeit von max. 3 Monaten, um auf zumutbarer Ebene in der Arbeitsvorbereitung in der Industrie zu arbeiten, nicht ausreichen.

Allgemein ist zu den in Ihrer Anfrage genannten, innerhalb eines Büros auszuführenden hochqualifizierten Arbeiten eines Handwerksbetriebes vornehmlich eines Lackierers und eines Malerbetriebes (z.B. in der Arbeitsvorbereitung, Personalplanung und -einteilung, Materialverwaltung, Kalkulation, Geräteeinkauf, Angebots- und Rechnungslegung), folgendes auszuführen:

Um die notwendigen kaufmännischen Kenntnisse für diese Stellen zu erwerben, benötigen Handwerksmeister in der Regel eine zusätzliche Ausbildung wie sie z.B. in Lehrgängen zum "Betriebswirt des Handwerks" vermittelt werden. Die Dauer solcher Lehrgänge liegt zwischen drei und zwölf Monaten.

Auch dem Kläger, der nur einen kleinen Betrieb geführt hat, fehlen kaufmännische Kenntnisse wie sie in größeren Handwerksbetrieben notwendig sind. Auch EDV-Kenntnisse müsste der Kläger üblicherweise erwerben.

Allgemein ist aus berufskundlicher Sicht zum Einsatz der EDV folgendes auszuführen:

Die Aufgaben und Tätigkeitsabläufe waren ohne den Einsatz von EDV so gestaltet, dass Arbeitsmaterialien und Arbeitsgegenstände sowie Informationen noch nicht zentral am Schreibtisch zur Verfügung standen und somit mehr Abwechslung in der Arbeitshaltung erforderten bzw. ermöglichten (z.B. Ordner in Schränken, in Registratur, in Zentralarchiven und Informationsbeschaffung bei Kollegen anderer Organisationseinheiten etc.). Durch die komplexen Arbeits- und Informationsmöglichkeiten am Computer (sehr leistungsfähige Hard- und Softwaregenerationen, Vernetzung und Integration) besteht immer weniger Gelegenheit einen Haltungswechsel zu vollziehen. Im Fall des Klägers können jedoch durch den Einsatz der EDV die Leistungseinschränkungen (Gehen maximal 5% des Arbeitstages und nicht mehr als insgesamt 500 - 600 Meter) eher berücksichtigt werden. Anzumerken ist, dass m.E. bei der maximal möglichen Strecke auch der Gang zur Toilette oder ggf. Kantine mit zu berücksichtigen ist.

Insgesamt dürfte dem Kläger, trotz seiner Vorbildung und beruflichen Tätigkeit als selbständiger Handwerksmeister ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum nicht genügen, um auf der für ihn zumutbaren Facharbeiterebene innerhalb eines Büros auszuführende hochqualifizierte Arbeiten eines Handwerkbetriebes angesetzt werden zu können.

Anzumerken ist außerdem, dass sich diese Stellen nur in größeren Handwerksbetrieben befinden. Aus berufskundlicher Sicht dürften jedoch mindestens 40 - 50 Arbeitsplätze im Bundesgebiet existieren, auf denen 500 - 600 Meter Gehen pro Arbeitstag innerhalb des Betriebes ausreichend ist.

Nach dem Gutachten von Dr. ^Fischer^ vom 02.06.2001 sind dem Kläger jedoch nur Anmarschwege von einem mit dem Pkw erreichten Behindertenparkplatz in das Büro bis ca. 400 Meter zumutbar.

Insbesondere in größeren Betrieben liegt der Parkplatz häufig außerhalb des Firmengeländes. Außerdem müssen innerhalb des Firmengeländes größere Strecken zurückgelegt werden. Durch die Beschränkung der Wegestrecke bis ca. 400 Meter dürfte der Kläger nicht alle Arbeitsplätze erreichen können.
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