S 4 RJ 367/98

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 4 RJ 367/98
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 36jährige Kläger hat von 1973 - 1976 den Beruf des Zimmerers erlernt und ihn lt. AG-Auskunft bis 25.03.1994 (Bl. 40 SG-Akte) ausgeübt. Nach eigenen Angaben (Bl. 62 a Beklagtenakte) hat sich der Kläger auf Anraten des Amtsarztes 1994 selbständig gemacht.

Nach dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. ^Straßer^ stellt sich das Leistungsvermögen wie folgt dar:
- vollschichtig Tätigkeiten
- ohne psychische Belastungen
- ohne Absturzgefahr
- ohne Klettern und Steigen
- ohne Zeitdruck
- ohne Nachtschicht
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Unstreitig ist, dass der Kläger seinen erlernten und vor der Rentenantragstellung ausschließlich ausgeübten Beruf als Zimmerer nicht mehr verrichten kann.

Die Beklagte verweist den Kläger im Bescheid vom 28.11.97 auf die Tätigkeit eines Registrators und eines Pförtners. Im Widerspruchsbescheid vom 23.03.98 nennt die Beklagte zusätzlich die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters als weitere zumutbare Verweisungstätigkeit. Außerdem werden von der Beklagten im Schreiben vom 27.10.99 als gehobene Verweisungstätigkeiten der technische Angestellte (Mitarbeit bei der Bauaufsicht), der technische Angestellte in Baubüros, der Angestellte in Maklerbüros und der Kundenberater in Heimwerker- und Baumärkten genannt.

Ihrer Anfrage zufolge ist insbesondere zu prüfen, ob aus berufskundlicher Sicht gegen einen Einsatz als Registrator, qualifizierter Pförtner, Verkäufer in einem Baumarkt und Fachverkäufer in einem Holzhandel Bedenken bestehen.

Registrator

Registratoren führen eine vielfach gegliederte Registratur, die gründliche und umfangreiche Fachkenntnisse des Registraturwesens und eingehende Kenntnisse des verwalteten Schriftgutes erfordert. Sie sind verantwortlich für das Registrieren und Archivieren von Akten und anfallendem Schriftverkehr, Vergeben von Aktenzeichen entsprechend den geltenden Aktenplänen und von fortlaufenden Aktennummern sowie das Anlegen von Neuakten unter Beachtung der Aktenordnung und Aussondern von Altakten unter Beachtung von Aufbewahrungsfristen. Ebenso werden die Terminüberwachung und allgemeine Verwaltungsarbeiten im Bereich der Aktenhaltung und Registratur von ihnen erwartet.

Arbeiten in einer Registratur können sowohl auf der kurzfristig Angelernten- bis hin zur qualifiziert Angelerntenebene erfolgen.

Im BAT sind Angestellte in Büro-, Registratur-, Buchhaltereidienst usw. mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit in VergGr. X, mit einfacheren Tätigkeiten in VergGr IXb und mit - gemessen an den vorgenannten - schwierigeren Tätigkeiten in VergGr. VIII eingruppiert.

Dem Kläger genügt für eine Tätigkeit als Mitarbeiter in einer Registratur, die auch von einem Ungelernten innerhalb von drei Monaten erlernt werden kann, ebenfalls ein dreimonatiger Einarbeitungszeitraum.

Für eine qualifizierte Tätigkeit als Mitarbeiter einer Registratur würde auch der Kläger einen längeren Einarbeitungszeitraum als drei Monate benötigen.

Die Belastungen bei Arbeiten in einer Registratur sind üblicherweise zeitweise bis mittelschwer. Bücken, Hantieren über Kopfhöhe und z.T. Besteigen von kleinen Leitern wird verlangt.

Ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit wird auch bei Tätigkeiten in einer Registratur vorausgesetzt. Unabhängig vom Leistungsvermögen des Klägers ist in diesem Bereich keine geeignete berufliche Alternative erkennbar, da dem Kläger für einen Ansatz auf zumutbarer Ebene drei Monate Einarbeitungszeit nicht genügt.

qualifizierter Pförtner

Pförtnerarbeitsplätze gelten vielfach als Schonarbeitsplätze, die für die innerbetriebliche Umsetzung leistungsgeminderter Beschäftigter geeignet sind. In nennenswertem Umfang sind Arbeitsplätze für einfache Pförtner allerdings auch Außenstehenden zugänglich. Sie beinhaltet teilweise tatsächlich nur leichte Arbeiten. Ein gewisser Wechsel der Körperhaltung ist gleichfalls möglich, wobei Gehen im Vergleich zu Sitzen und/oder Stehen jedoch meist nur einen geringen Anteil hat. Arbeit in Zwangshaltungen, Bücken, schweres Heben und Tragen ist in der Regel nicht zu erwarten. Belastungen durch Witterungseinflüsse, Zugluft oder Temperaturschwankungen sind aber nicht immer ganz zu vermeiden. Auch Zeitdruck ist (z.B. bei Arbeitsbeginn und -ende, Schichtwechsel, größerem Besucherandrang) nicht auszuschließen. Gleiches gilt außerdem für nervliche Belastungen, z.B. in außergewöhnlichen Situationen, in denen Handeln vom Pförtner verlangt wird. Die Aufgaben eines Pförtners stellen gewisse persönliche Mindestanforderungen wie z.B. Flexibilität, Merk- und Kontaktfähigkeit, Umgangsformen und Durchsetzungsvermögen. Ob der Kläger diese persönlichen Mindestanforderungen erfüllt, kann nicht beurteilt werden. Qualifiziert im Sinne einer für einen Facharbeiter zumutbaren Verweisungstätigkeit ist eine Pförtnertätigkeit jedoch in der Regel erst dann, wenn zusätzliche Aufgaben wie z.B. die Erteilung von Auskünften, die weiterreichende Kenntnisse erfordern, schriftliche Arbeiten, umfangreiche Kontroll- und Sicherheitsaufgaben, die meist körperliche Belastung beinhalten, oder die Bedienung von Telefonanlagen mit mehreren Amtsleitungen zu erfüllen sind. Derartige Arbeitsplätze existieren in sehr viel geringerer Zahl als solche für einfache Pförtner. Sie werden in der Regel innerbetrieblich besetzt. Ein höchstens dreimonatiger Einarbeitungszeitraum reicht erfahrungsgemäß, zumal für einen Betriebsfremden nicht aus. Unabhängig vom Leistungsvermögen, ist daher auch in dieser Tätigkeit keine berufliche Alternative für den Kläger zu sehen.

Poststellenmitarbeiter

Sofern die Post nicht zusätzlich vom Postamt geholt werden muss, sind die eingehenden Sendungen (z.B. Postsäcke, - körbe, -pakete) einschließlich der Hauspost (z.B. auch Akten) anzunehmen und zu öffnen. Der Inhalt muss entnommen, auf Vollständigkeit geprüft, großteils mit einem Eingangvermerk sowie - nach Feststellung des Empfängers - mit einem Weiterleitungsvermerk versehen und entsprechend sortiert werden. Die Verteilung im Haus wie auch das Einsammeln der Ausgangspost kann von den Mitarbeitern der Post miterledigt werden oder Boten übertragen sein. Üblicherweise ist jedoch die Ausgangspost zu sortieren, zu kuvertieren bzw. zu verpacken, korrekt zu frankieren und zur Abholung in Säcken, Körben o.ä. bereitzustellen oder ggf. auch selbst zum Postamt zu befördern. Verschiedentlich sind bei der Tätigkeit Maschinen (z.B. Brieföffnungs-, Kuvertier-, Frankiermaschinen) zu bedienen. Die Arbeiten erfordern in der Regel gelegentlich mittelschwere Belastbarkeit, vor allen Dingen im Hinblick auf die zu bewegenden Lasten. In diesem Zusammenhang wird auch Bücken verlangt. Ein Wechsel der Körperhaltung ist möglich, wobei Gehen sogar in beachtlichem Umfang, u.U. einschließlich Treppensteigen, anfällt, wenn die Post auch ausgetragen und eingesammelt wird. Zeitdruck kann auch bei einer Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter nicht ausgeschlossen werden. Die Tätigkeit eines Mitarbeiters in einer Poststelle ist sowohl in der Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst keinesfalls grundsätzlich auf der Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten angesiedelt, sondern nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt ab der untersten Ebene der Angestelltenberufe zu finden, z.B.
- Bundesentgelttarifvertrag für die Chemische Industrie: Entgeltgruppe E 1 = kurze Einweisung = Verteilen von Post, E 2 = Berufspraxis von bis zu 13 Wochen = Sortieren und Verteilen von Post, E 3 = Berufspraxis von 6 bis 15 Monaten = Postabfertigen;
- Gehaltstarifvertrag für die Angestellten des Speditions- und Transportgewerbes in Bayern: Gehaltsgruppe 1 = Einweisung am Arbeitsplatz = Postabfertiger, Gehaltsgruppe 2 = Berufsausbildung = Postabfertiger
- BAT VerGr X = Hilfsleistung bei der Postabfertigung, VerGr IXb = Postabfertigen, VerGr VIII = schwierigere Tätigkeit (im Vergleich zu den vorgenannten).

Da der Kläger über keinerlei verwertbare Vorkenntnisse verfügt, ist aus berufskundlicher Sicht davon auszugehen, dass er die Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten nicht im Rahmen einer maximal dreimonatigen Einarbeitung erreichen kann.

Verkaufstätigkeiten

a. Verkäufer in einem Baumarkt

Im Schreiben vom 27.10.99 wird von der Beklagten als gehobene Verweisungstätigkeiten der Kundenberater in Heimwerker- und Baumärkten genannt. Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Mitteilung, ob aus berufskundlicher Sicht gegen einen Einsatz als Verkäufer in einem Baumarkt Bedenken bestehen. In Betrieben, die Waren überwiegend in Selbstbedienung anbieten (Bau-, Heimwerkermärkte) stellen Aufgaben wie Warenannahme, Lagerung, Bereitstellung und Platzierung im Verkaufsraum, Auszeichnung, Bestandsüberwachung und Mitwirkung bei der Sortimentsgestaltung und Beschaffung die Tätigkeitsschwerpunkte dar. Kundenkontakte, z.B. Orientierungshilfen, Auskünfte zu Qualität, Verarbeitungstipps, stellen eine besondere, obgleich unverzichtbare Serviceleistung dar. Daneben wird im Holzbereich häufig auch der Zuschnitt nach Kundenwunsch verlangt. Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen. Verlangt wird nahezu ausschließlich Stehen und Gehen. Bücken ist häufig erforderlich, auch Recken, gelegentlich Überkopfarbeit und Besteigen von Leitern ist nicht auszuschließen. Heben und Tragen von Lasten ist keineswegs zu vermeiden. Die zu bewegenden Gewichte können sogar das mittelschwere Maß übersteigen. Arbeitgeberbefragungen bestätigen, dass auch Facharbeiter bei persönlicher Eignung und nach Einarbeitung als Fachverkäufer beschäftigt werden. Eine vollständige Einarbeitung ist jedoch üblicherweise nicht in einem Zeitraum von höchstens drei Monaten möglich. Der Kläger, der vor der Rentenantragstellung ausschließlich als Zimmerer tätig war, benötigt für eine Tätigkeit als Fachverkäufer in Bau- oder Heimwerkermärkten mindestens einen Einarbeitungszeitraum von drei Monaten.

b. Fachverkäufer im Holzfachhandel

Für Kundenberatung im Holzfachhandel trifft es vielfach zu, dass der Verkauf im Verkaufsraum oder sogar am Schreibtisch anhand von Listen, Katalogen oder über ein Computer-Terminal abgewickelt und eine strikte Trennung zum Lager eingehalten wird. Arbeitgeberbefragungen und vermittlerischen Erfahrungen zufolge wird jedoch üblicherweise den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten größere Bedeutung als dem Produkt und anwendungsspezifischen Wissen zugemessen und kaufmännisch ausgebildetes Personal (vor allem Groß- oder u.U. auch Einzelhandelskaufleute) beschäftigt. Unter Berücksichtigung des beruflichen Werdeganges des Klägers, der bis zur Rentenantragstellung ausschließlich als Zimmerer tätig war, ist ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum bei weitem zu kurz.

Allgemein ist hinsichtlich der Einarbeitungszeit für Verkaufstätigkeiten folgendes auszuführen:

Nach der Rentenantragstellung dürfte sich der Kläger, der sich mit einem Einzelhandelsgeschäft im Massivholzbereich selbständig gemacht hat und wie der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 05.01.2000 (Bl. 68/69 SG-Akte) ausführt, stundenweise an der geschäftlichen Organisation und im Bereich des Verkaufs von Gartenholz, Matratzen und Betten beteiligt, die erforderlichen verkaufstechnischen Kenntnisse zwischenzeitlich angeeignet haben, sodass eine Einarbeitung in maximal drei Monaten nicht mehr ausgeschlossen werden könnte.

Anzumerken ist jedoch, dass das Leistungsvermögen des Klägers für eine sozialversicherungspflichtige Vollzeittätigkeit im Verkauf nicht mehr ausreicht.

Der Kläger ist nach dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. ^Straßer^ vom 04.11.97 u.a. nur noch in der Lage eine Tätigkeit ohne psychische Belastungen und ohne Zeitdruck zu verrichten.

Für Tätigkeiten im Verkauf wird unter den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens normale Belastbarkeit der Psyche und des Vegetativums vorausgesetzt. Psychische Belastungen treten auf durch ständigen Kontakt mit Kunden, Kollegen/Kolleginnen, Arbeiten unter Zeitdruck (Bedienungs- beziehungsweise Kassenbereich, Stoßzeiten, Arbeitsspitzen),Arbeitszeitregelung gemäß Ladenschlussgesetz, gegebenenfalls Samstagsarbeit, in Ausnahmefällen Arbeit auch an Sonntagen (z.B. auf Messen), zum Teil durch die verlängerten Öffnungszeiten Schichtbetrieb mit Arbeitszeiten am Abend. Für eine Verkäufertätigkeit besteht u.a. bei seelischen Leiden, schweren Persönlichkeitsstörungen voraussichtliche Nichteignung.

Aus berufskundlicher Sicht entspricht das psychische Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr den üblichen Anforderungen, die an einen Verkäufer in einem Baumarkt oder einen Fachverkäufer in einem Holzhandel gestellt werden. Daher ist in diesem Bereich keine geeignete berufliche Alternative erkennbar.

Anzumerken ist, dass - unabhängig vom Leistungsvermögen des Klägers - die von der Beklagten im Schreiben vom 27.10.99 genannten gehobenen Verweisungstätigkeiten als technischer Angestellter (Mitarbeit bei der Bauaufsicht), als technischer Angestellter in Baubüros und als Angestellter in Maklerbüro aus berufskundlicher Sicht ausscheiden, da der Kläger sich aufgrund seines beruflichen Werdeganges nicht innerhalb von maximal drei Monaten einarbeiten kann.

Verwalter eines Holzlagers

In die Überlegungen miteinbezogen wurde die Tätigkeit eines Verwalters eines Holzlagers.

Der Lagerverwalter trägt Verantwortung für eine optimale Lagerbestandsmenge und für die fachgerechte Lagerung und Pflege des Holzes (in der Regel kein Rund-, sondern Schnittholz), der Holzwerkzeuge, Hilfsstoffe und/oder der Zwischen- und Endprodukte unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten (z.B. Holzfeuchte, Luftfeuchtigkeit), von Lagervorschriften, Sicherheitsbestimmungen etc. Die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten - nicht nur die Lagergüter und ihre Behandlung, den Umgang mit Lager- und Transporteinrichtungen usw., sondern auch kaufmännisch-betriebswirtschaftliche, organisatorische, bürotechnische u.ä. Belange betreffend - können einem Zimmerer nicht durch eine höchstens dreimonatige Einarbeitung vermittelt werden.

Da er sich um eine verantwortungsvolle Aufgabe handelt können psychische Belastungen und auch ggf. Zeitdruck nicht ausgeschlossen werden. Aus berufskundlicher Sicht entspricht das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Insgesamt ist auch in der Tätigkeit eines Verwalters eines Holzlagers keine geeignete Verweisungstätigkeit erkennbar.

Qualitätskontrolleur in der holzverarbeitenden Industrie

Häufig wurden noch Kontrolltätigkeiten als zumutbare Verweisungsmöglichkeiten genannt.

Eigenständige Arbeitsplätze für qualifizierte Kontrolleure existieren erfahrungsgemäß in begrenztem Umfang in der Fertigung hochwertiger bzw. teuerer Produkte - insbesondere, wenn z.B. Garantie gegeben werden muss oder bestimmte Normen, Gütebedingungen, Vorschriften etc. eingehalten werden müssen. Ansatz finden - sofern nicht überhaupt eine höhere wie z.B. Meister- oder Techniker- oder eine anders geartete Qualifikation verlangt wird - in der Regel besonders qualifizierte und/oder bewährte Fachkräfte, bevorzugt und weitestgehend aus den Reihen der firmeneigenen Mitarbeiter, die mit den Produkten und den Produktionsverfahren vertraut sind.

Die Belastungen bei der Prüfung der Qualität der Zwischen- oder Endprodukte oder der Arbeitsausführung hängen insbesondere von der Größe des Produkts und den anzuwendenden Prüfverfahren (Maßkontrolle, optische Prüfung, Belastungstests, Laboruntersuchungen etc.) ab.

Genauigkeit, Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Konzentrationsfähigkeit und ein gewisses Maß an Entscheidungsfähigkeit werden bei Kontrolltätigkeiten vorausgesetzt. Diese persönlichen Mindestanforderungen können für den Arbeitnehmer durchaus eine psychische Belastung darstellen. Zeitdruck kann auch bei qualifizierten Kontrolltätigkeiten nicht immer vermieden werden.

Arbeitsplätze, die ein industrieunerfahrener, ausschließlich auf dem Bau tätig gewesener, deutlich in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkter Zimmerer wie der Kläger nach maximal drei Monaten Einarbeitungszeit ausfüllen könnte, gibt es unter den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens meines Wissens nicht oder nicht in nennenswerter Zahl.

Sofern sonst in der Fertigung von Holz- und Sportgeräten oder Holzwaren überhaupt reine Kontrollarbeitsplätze eingerichtet sind und die Arbeiten nicht von den Produktionskräften oder z.B. bei der Material- und Warenannahme oder beim Verpacken mitverrichtet werden, handelt es sich üblicherweise um Tätigkeiten unterhalb der zumutbaren Qualifikationsebene.

Telefonist

Die Tätigkeit eines Telefonisten ist zwar von einem Ungelernten - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der qualifiziert Angelerntenebene zuzuordnen. Die Telefonistentätigkeit ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen ausgeübt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Aus berufskundlicher Sicht ist dem Kläger auch eine Telefonistentätigkeit aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr uneingeschränkt zumutbar.

Andere Verweisungsmöglichkeiten auf der Ebene der Facharbeiter- oder Anlernberufe, die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die dem Kläger gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihm nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.

Allgemein ist anzumerken, dass Tätigkeiten auf zumutbarer Qualifikationsebene, die keine psychische Belastungen und keinen Zeitdruck beinhalten, aus berufskundlicher Sicht unter den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens schwer vorstellbar sind.

Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Betrachtung des Arbeitsmarktes des gesamten Bundesgebietes nicht doch eine nennenswerte Zahl von Arbeitsplätzen gibt, die grundsätzlich für den Kläger in Betracht kämen. Auf Arbeitgeberseite sind dabei jedoch erfahrungsgemäß besondere Zugeständnisse (z.B. der Restleistungsfähigkeit angepasster Zuschnitt der Aufgaben, Verzicht auf Flexibilität oder Vielseitigkeit, Änderungen am Arbeitsplatz, Herabsetzung des Arbeitstempos bzw. des erwarteten Produktivitätsgrades) erforderlich. Entsprechende Arbeitsplätze sind Außenstehenden daher unter den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens in der Regel nicht bzw. nicht direkt zugänglich, vielmehr handelt es sich nicht selten um vergönnungsweise Beschäftigung aufgrund sozialer Verpflichtungen oder die Arbeitsplätze wurden im Einzelfall durch besondere Vermittlungsbemühungen und Vermittlungshilfen, z.B. nicht selten erhebliche finanzielle Leistungen erschlossen.
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