S 13 RA 321/01

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 13 RA 321/01
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der Kläger ist Kfz-Mechanikermeister und führt seinen eigenen Betrieb.

Der gerichtliche Sachverständige beschreibt das Leistungsvermögen des Klägers wie folgt:
- vollschichtig (nach altem Recht) leichte bis mittelschwere Tätigkeiten
- überwiegend ebenerdig
- in geschlossenen Räumen
- bei Vermeidung von Zugluft auf Nacken, Halswirbelsäule sowie die rechte Hüftregion
- in üblicher Arbeits- und Tischhöhe
- ohne schwere und ständig mittelschwere Tätigkeiten
- ohne Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Lasten
- ohne Arbeiten in häufig gebückter oder sonstiger körperlicher Zwangshaltung
- ohne häufige Tätigkeiten in oder über Kopfhöhe
- ohne Arbeiten unter Einwirkung von Erschütterungen auf die Arm bzw. Halswirbelsäule
- ohne Tätigkeiten in kniend hockender oder sonstiger körperlicher Zwangshaltung
- ohne Arbeiten unter übermäßiger Einwirkung von Kälte auf die rechte Hüftregion
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Der Kläger führt - wie im Schriftsatz vom 30.01.2002 angegeben - seinen Betrieb mit sieben Angestellten und einer Halbtagskraft. Die Beschäftigten sind in folgenden Bereichen tätig:
- ein Autoverkäufer, zuständig für Verkauf, Büro und Reparaturannahme
- drei Kfz-Mechaniker, zuständig für Werkstatt, Gebrauchtwagenaufbereitung, Abschlepp- und Pannendienst
- ein Karosseriespengler, zuständig für Unfallinstandsetzung und Abschleppdienst
- zwei vollwertige Büroangestellte sowie eine Halbtagskraft, zuständig für Büro und Reparaturannahme

Der Kläger selbst hat bis ca. Ende des Jahres täglich folgende Arbeiten verrichtet:
- Abschleppdienst, Bergung und Pannenhilfe täglich drei Stunden
- Kfz-Reparatur täglich fünf Stunden
- Ersatzteilbeschaffung täglich 0,5 Stunden
- Angebotsfertigung täglich 0,5 Stunden
- leitende und aufsichtführende Tätigkeiten täglich 0,5 Stunden

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Können die vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellten funktionellen Leistungseinschränkungen bei der Tätigkeit als

a) Kundendienstmitarbeiter

b) Gewährleistungssachbearbeiter

c) Ausbilder in Kraftfahrzeugmechanik

in vollem Umfang berücksichtigt werden

2. Gibt es weitere qualifizierte Facharbeitertätigkeiten, die der Kläger (eventuell mit einer Anlernzeit von bis zu drei Monaten) mit dem bestehenden Leistungsvermögen vollschichtig verrichten könnte?

Kundendienstmitarbeiter

Die Meisterprüfung, die praktische Tätigkeit und die Erfahrung als selbständiger Betriebsleiter dürften den Kläger befähigen, nach bis zu dreimonatiger Einarbeitung die Tätigkeit eines Kundendienstmitarbeiters bzw. -beraters in einem größeren Kfz-Betrieb auszuüben.

Aufgaben eines Kundendienstmitarbeiters bzw. -beraters in Kfz-Werkstätten sind die Begutachtung des Fahrzeugs, Schadensdiagnose, Umsetzung der Angaben des Kunden in einen werkstattgerechten Auftrag, Abschätzung der Reparaturzeit, Terminplanung, Erstellung eines Kostenvoranschlages (ggf. unter Einbeziehung möglicher Gewährleistungsansprüche), zum Teil Endabnahme des reparierten Fahrzeugs und unter Umständen Veranlassung der Material- und Ersatzteilbeschaffung sowie Stellung eines Ersatzfahrzeuges. In der Regel handelt es sich um eine Aufstiegsposition, die neben besonderer Fachkompetenz und Berufserfahrung in Schadensdiagnose und Kundendienst persönliche Eignung und meist sogar die Meisterprüfung voraussetzt. Die körperlichen Belastungen sind weitestgehend leicht. Ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen findet statt; allerdings ist kurzfristig immer wieder Vorbeugen, Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit oder zumindest Emporschauen mit Zurückneigung des Kopfes erforderlich. Auch bei evtl. Probefahrten kommt es jeweils für kurze Zeit zu den für Fahrertätigkeiten typischen Belastungen. Erfahrungsgemäß kann die Tätigkeit außerdem nicht nur in geschlossenen Räumen ausgeübt werden, sondern verlangt zeitweise den Aufenthalt in der Werkstatt oder im Freien unter möglichen Einwirkung von Zugluft, Temperaturschwankungen oder Witterungseinflüssen. Die Leistungseinschränkungen des Klägers, wie sie vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellt wurden, können bei einer Tätigkeit als Kundendienstmitarbeiter bzw. -berater nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Gewährleistungssachbearbeiter

Dieser arbeitet in großen und mittleren Instandsetzungsbetrieben sowie in der Kfz-Industrie und im -Handel. Er ist zuständig für die Bearbeitung und Abwicklung von Gewährleistungs- und Kulanzaufträgen nach den Garantiebestimmungen der Kfz-Herstellerfirmen, für die Annahme von Reklamationen, die Abwicklung des Schriftverkehrs bei Garantieansprüchen mit dem Hersteller usw. Liegen keine Reklamationen vor, verrichtet er in der Regel andere seiner Vorbildung entsprechende Tätigkeiten, wobei es - je nach Aufgabenstellung - u.U. zu einer Überforderung der Leistungsfähigkeit des Klägers kommen kann. Der Kläger beschäftigte in seinem Betrieb zwei Büroangestellte sowie eine Halbtagskraft, die zuständig waren für Büro und Reparaturannahme. Er selbst hat täglich 0,5 Stunden Angebote erstellt. Der Kläger hat im Laufe seines Arbeitslebens offenbar noch keine Sachbearbeitertätigkeiten verrichtet. Es ist daher nicht anzunehmen, dass eine dreimonatige Einarbeitungszeit ausreichend ist, wenn neben Vertiefung, Erweiterung, und Auffrischen des fachlichen Wissens zusätzlich bürotechnische Kenntnisse und Fertigkeiten wie Schreibmaschinen-, EDV- und evtl. Buchhaltungskenntnisse von Grund auf erworben werden müssen.

Ausbilder in Kraftfahrzeugmechanik

Ausbilder (Kfz-Handwerk) sind zuständig für die Durchführung des betrieblichen Teils der Berufsausbildung (bzw. Mitwirkung dabei) nach dem BBiG unter Beachtung der rechtlichen, pädagogischen, psychologischen und physiologischen Grundlagen und der fachlichen Erfordernisse.

Aufgrund seiner erfolgreich abgelegten Meisterprüfung hat der Kläger die formale Voraussetzung für die Ausbildung von Lehrlingen erworben. Ob der Kläger als selbständiger Betriebsleiter selbst ausgebildet hat, kann den Ihrer Anfrage beigefügten Unterlagen nicht entnommen werden. Ggf. müsste der Kläger seine Kenntnisse in bezug auf die Ausbildung von Lehrlingen aktualisieren. Ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum dürfte - auch wenn der Kläger bereits Lehrlinge ausgebildet hat - in der Regel zu kurz sein.

Bei praktischen Demonstrationen und Anleitungen können die für einen Kfz-Mechaniker typischen Belastungen wie Arbeiten in Arbeitsgruben und an Hebebühnen, häufig Zwangshaltungen (Arbeiten im Bücken, Hocken, Knien, Liegen, sowie Überkopfarbeit oder in halbgebückter Haltung) auftreten. Das Einwirken von Nässe, Kälte und Zugluft kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Auch stellen Lehrtätigkeiten neben der fachlichen Kompetenz besondere Anforderungen an die pädagogischen und psychologischen Fähigkeiten eines Meisters. Besondere psychische Belastungen sind nicht auszuschließen. Bei einer Tätigkeit als Ausbildungsmeister (Kfz-Handwerk) können dennoch - auch wenn diese hauptberuflich ausgeübt wird - die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Anzumerken ist, dass vollberufliche Ausbilder in betrieblichen Ausbildungswerkstätten im Handwerk oder in überbetrieblichen Einrichtungen nicht sehr häufig anzutreffen sind.

Leiter eines Ersatzteillagers (Kfz)

Für einen Kfz-Mechanikermeister, der zuletzt als Betriebsleiter selbständig war und wie im Schriftsatz des Klägervertreters vom 30.01.2002 angegeben, täglich 0,5 Stunden für die Ersatzteilbeschaffung verwendet hat, wäre eine Verweisung als Leiter eines Ersatzteillagers (Kfz) denkbar.

Zu den Aufgaben eines Ersatzteillageristen gehört u.a. die Lagerung von Kfz-Ersatzteilen und Zubehör, die Abgabe an die Kfz-Handwerker in der Werkstatt, aber auch der Verkauf an Außenstehende.

Sobald jedoch - wie in kleineren oder mittleren Lagern (im Kfz-Gewerbe üblich) häufig oder zeitweise erforderlich - Lager und Transportarbeiten (bei der Warenannahme, der Einlagerung, der Kommissionierung und der Ausgabe) verrichtet werden müssen, kommt es zu Belastungen durch auch mittelschweres (da Hilfsmittel erfahrungsgemäß nicht in jedem Fall eingesetzt werden können), u.U. sogar schweres Heben und Tragen, Bücken, Recken, ggf. Besteigen von Leitern und evtl. vereinzelt Zugluft oder Temperaturschwankungen. Diesen Anforderungen ist der Kläger nicht mehr in vollem Umfang gewachsen.

Autoverkäufer

In ähnlich gelagerten Fällen wird häufig die Tätigkeit eines Autoverkäufers als zumutbare Verweisungsmöglichkeit genannt. Diese Tätigkeit ist körperlich leicht und entspricht somit weitgehend dem Leistungsvermögen des Klägers. Als Autoverkäufer werden in der Regel jedoch Kaufleute beschäftigt. Neben Branchen- und kaufmännischen Kenntnissen sind vor allem sicheres Auftreten im Bedienen und Beraten von Kunden, gutes äußeres Erscheinungsbild und Verhandlungsgeschick gefragt. Von Autoverkäufern wird nicht nur die Erteilung von technischen Auskünften, sondern auch Information über die Finanzierung, Preisnachlässe, Sonderausstattungen, Kaufverträge etc. erwartet. Aus berufskundlicher Sicht ist keine geeignete berufliche Alternative in der Tätigkeit eines Autoverkäufers für den Kläger zu sehen, da ihm ein dreimonatiger Einarbeitungszeitraum nicht ausreichen dürfte. Anzumerken ist, dass der Kläger in seinem eigenen Betrieb, der auch Neu- und Gebrauchtwagen verkauft hat, einen Autoverkäufer beschäftigt hatte und selbst diese Tätigkeit nicht ausgeübt hat.

Hausmeister

Gedacht werden könnte noch an eine Hausmeistertätigkeit. Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf, es gibt kein einheitliches, verbindliches Berufsbild. Gute handwerkliche Kenntnisse und Fertigkeiten werden vorausgesetzt, eine verwertbare handwerkliche Ausbildung (Sanitär-, Heizungs- oder Elektroinstallateur, Schlosser, ggf. auch Schreiner) häufig gewünscht, zum Teil auch verlangt. Die Tätigkeit liegt auf der Ebene der Anlern- und Facharbeiterberufe. Beim Vorliegen einer verwertbaren Ausbildung ist die Tätigkeit oft auch auf Facharbeiterebene entlohnt. Je nach Aufgabenstellung und Vorkenntnissen ist von einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten bis zu einem Jahr auszugehen.

Die Aufgaben eines Hausmeisters variieren je nach Art des zu betreuenden Objekts (Wohnhaus oder -anlage, Büro- und Fabrikgebäude, Schule, Theater, Heime usw.). Dazu gehören: Mängel feststellen und beheben (z.B. an allen elektrischen Anlagen einschließlich Beleuchtungs-, Heizungs- und Sanitäranlagen, an Türen, Fenstern, Möbeln, Aufzügen), ggf. Fremdfirmen einschalten, deren Arbeit überwachen und abnehmen, Wartungsarbeiten und Schönheitsreparaturen durchführen, Reinigungsarbeiten im, ggf. auch außerhalb des Gebäudes vornehmen (z.B. auch Schneeräumen, Streudienst) oder Garten, Grün- und Sportanlagen pflegen, für die Einhaltung von Feuerschutz und sonstigen Sicherheitsbestimmungen sorgen, Mithilfe bei Umzügen, Aufstellen von Sitzgelegenheiten in Sälen etc., Beschilderungen anbringen, auch Botendienste, Wohnungsbesichtigungen mit Mietinteressenten durchführen usw. Abhängig von der Größe des Objekts und der Arbeitsorganisation ist vielfach eine Verschiebung möglich zwischen dem eigentlichen Durchführen der Arbeit und dem Veranlassen der Ausführung durch Fremdfirmen und deren Überwachung. Es handelt sich aber immer um eine selbständige, eigenbestimmte und -verantwortliche Tätigkeit.

Die körperlichen Belastungen sind überwiegend leicht bis mittelschwer, gelegentlich unter Umständen auch schwer. Gehen und Stehen überwiegt bei weitem, Zwangshaltungen (Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit) lassen sich in der Regel ebenso wenig ausschließen wie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Ebenso sind Arbeiten im Freien erforderlich. Auch Heben, Tragen und Bewegen von schwereren Lasten wird üblicherweise verlangt. Ein Hausmeister sollte daher über einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat verfügen. Die Leistungsfähigkeit des Klägers entspricht nicht mehr den Anforderungen, die üblicherweise an einen Hausmeister gestellt werden.

Telefonist

Eine häufig genannte, berufsfremde Verweisungstätigkeit ist die Telefonistentätigkeit. Obwohl häufig in drei Monaten erlernbar, ist sie tariflich vielfach Gehaltsgruppen zugeordnet, die eine mindestens 2jährige (kaufmännische) Ausbildung, nicht jedoch generell eine dreijährige voraussetzen. Sie ist körperlich leicht, verlangt weder häufiges Bücken und beinhaltet in der Regel auch keine Gefährdung durch Witterungseinflüsse, Kälte und Zugluft. Vorausgesetzt werden muss dabei, dass Arbeit ausschließlich im Sitzen möglich ist. Ob der Kläger außerdem die nötigen persönlichen Voraussetzungen mitbringt (Merk- und Konzentrationsfähigkeit, Flexibilität, Höflichkeit, gewisse Sprachgewandtheit bei verständlicher Sprache und möglichst angenehmer Stimme, psychischer Belastbarkeit), kann von hier aus nicht beurteilt werden.

Weitere qualifizierte Facharbeitertätigkeiten, die der Kläger innerhalb einer maximal dreimonatigen Einarbeitungszeit mit dem bestehenden Leistungsvermögen vollschichtig verrichten könnte, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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