S 7 RJ 1112/97

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 7 RJ 1112/97
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die am ^07.02.^ 1956 geborene Klägerin ist gelernte Damenschneiderin und hat den erlernten Beruf von 07/81 - 03/96 ausgeübt.

Dr. ^Pröbstl^, Orthopäde, beschreibt die Leistungsfähigkeit der Klägerin in seinem Gutachten vom 06.05.99 wie folgt:
- vollschichtig leichte und mittelschwere Arbeiten
- ohne Schwerarbeit
- im Sitzen, im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen
- ohne Arbeiten überwiegend in Zwangshaltungen
- ohne Arbeiten mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel
- ohne Anforderung an das Hörvermögen

Nach dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. ^Anstätt^ vom 07.07.99 stellt sich die Leistungsfähigkeit der Klägerin wie folgt dar:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- in wechselnder Körperhaltung
- ohne schwere und mittelschwere Arbeiten
- ohne körperlichen Zwangshaltungen
- ohne Arbeiten, die mit Heben und Tragen schwerer Lasten ohne mechanische Hilfsmittel verbunden sind
- ohne Arbeiten, die besondere Anforderungen an den Gleichgewichtssinn stellen
- ohne Arbeiten mit Gefährdung an laufenden Maschinen
- ohne Anforderungen an das Hörvermögen
- ohne Arbeiten unter Zeitdruck
- ohne Wechselschicht- oder Nachtarbeiten
- ohne Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit

Auch Einwirkung von Kälte, Zugluft und Nässe sind zu vermeiden. Ebenfalls ist die Klägerin besonderen Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit nicht gewachsen.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Damenschneiderin

Die Tätigkeiten einer Damenschneiderin sind das Anfertigen, Ändern bzw. Reparieren von Damen- und Kinderoberbekleidung aller Art, wie z.B. Damen- und Mädchenkleider sowie -blusen, Abendkleider, Mäntel, Jacken, Röcke, Kostüme, Hosen, Wesen u.ä. unter Berücksichtigung der modischen Tendenzen, der Persönlichkeit der Kundinnen, des jeweiligen Anlasses usw.

Bei der Tätigkeit einer Damenschneiderin handelt es sich um körperlich leichte Arbeit, die überwiegend im Sitzen und teilweise im Stehen, in geschlossenen, temperierten Räumen eines Handwerksbetriebes verrichtet wird. Zwangshaltungen können nicht vermieden werden. In der Regel besteht keine Möglichkeit, den Wechsel der Körperhaltung entsprechend den gesundheitlichen Erfordernissen vorzunehmen. Außerdem sind die Arbeiten häufig unter Zeitdruck zu verrichten, was durchaus besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit stellen kann.

Aus berufskundlicher Sicht können die Leistungseinschränkungen der Klägerin bei einer Tätigkeit als Damenschneiderin nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Die Klägerin war zuletzt als Änderungsschneiderin beschäftigt und hat hauptsächlich Änderungsnäharbeiten verrichtet.

Die Belastungen bei der Tätigkeit einer Änderungsschneiderin sind weitestgehend denen einer Damenschneiderin vergleichbar. Wenn nur von anderen Personen (z.B. Verkaufspersonal, Absteckerinnen) gekennzeichnete oder abgesteckte Änderungen vorzunehmen sind, wird allerdings Gehen und Stehen, Vorbeugen, Seitneigen, Bücken, Hocken, ggf. Knien und Arbeit mit erhobenen Armen seltener verlangt; wenn diese Arbeiten jedoch immer selbst auszuführen sind, kommen entsprechende Belastungen häufiger vor. Zeitdruck tritt hier oft vermehrt auf.

Auch für die zuletzt verrichtete Tätigkeit einer Änderungsschneiderin entspricht das Leistungsvermögen der Klägerin nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Vereinzelt gibt es in der industriellen Fertigung Arbeitsplätze für Hand-, Ausbesserungs- oder Änderungsnäherinnen. Tätigkeitsinhalt sind Korrekturen, Ausbesserungen an fehlerhaft gearbeiteten Nähten oder ähnlichem, Ausführen von Näharbeiten an schwer zugänglichen Stellen und z.T. auch anschließendes Ausbügeln. Die Näharbeiten sind z.T. von Hand, u.U. aber auch mit der Maschine im Sitzen zu verrichten, Bügeln erfolgt in der Regel im Stehen. Einseitige Körperhaltung überwiegt jedoch.

Meist handelt es sich um Zeitlohnarbeiten, die keinem ausgeprägten Zeitdruck unterliegen. Zur Einarbeitung reicht erfahrungsgemäß ein Zeitraum von max. drei Monaten aus. Da sich solche - sowieso nur in geringer Zahl vorhandene - Arbeitsplätze zur Umsetzung leistungsgeminderter Betriebsangehöriger anbieten, sind sie allerdings Außenstehenden üblicherweise nur im Ausnahmefall zugänglich.

Fachverkäuferin

In ähnlich gelagerten Fällen wurde noch die Tätigkeit einer Fachverkäuferin als zumutbare Verweisungsmöglichkeit genannt.

Führen von Verkaufsgesprächen, Kundenberatung und kaufmännische Arbeiten wie Ausstellen von Rechnungen, Führen von Warenbestands- oder Bestellisten, Kassenabrechnungen o.ä. sind nur ein Teil der Aufgaben eines Verkäufers. Warenbereitstellung, Betreuung und Gestaltung des Verkaufsstandes oder des Verkaufsraumes, Auffüllen von Regalen, Ständern etc., Auszeichnen, sind ebenfalls Aufgaben eines Verkäufers. In Boutiquen und Modegeschäften ist die Verkäuferin in der Regel zusätzlich noch für die Annahme von Lieferungen und deren Einlagerung zuständig.

Nur leichte Belastbarkeit reicht für Verkaufstätigkeiten üblicherweise für die Erledigung aller Aufgaben nicht aus. Stehen und Gehen ist nahezu ausschließliche Arbeitshaltung, Heben und Tragen von Lasten, Bücken und Recken, gelegentlich u.U. sogar Besteigen von Leitern kann nicht ausgeschlossen werden.

Das Erscheinungsbild einer Verkäuferin im Textilbereich sollte gepflegt sein.

Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch eine gewisse psychische Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen. Ob die Klägerin die persönlichen Mindestanforderungen mitbringt, kann von hieraus nicht beurteilt werden.

Bei nicht korrigierbarer Hörstörung besteht voraussichtliche Nichteignung für eine Verkäuferinnentätigkeit.

Anzumerken ist, dass neben warenkundlichem Wissen auch kaufmännische und verkaufstechnische Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, für deren Vermittlung üblicherweise ein Zeitraum von mindestens drei Monaten angesetzt wird, um die einer zweijährig ausgebildeten Verkäuferin entsprechende Qualifikationsebene zu erreichen.

Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum ist der Klägerin aus berufskundlicher Sicht auch eine Tätigkeit im Verkauf aufgrund ihrer Leistungseinschränkungen nicht mehr uneingeschränkt zumutbar.

Qualitätskontrolleurin

In die Überlegungen miteinbezogen wurden noch Kontrolltätigkeiten in der Bekleidungsindustrie.

Kontrollieren der genähten Teile, Berichtigen von Fehlern und Erkennen von Maschinenfehlern (Zwischenkontrolle) ist Ausbildungsinhalt der ersten Stufe, der einjährigen Ausbildung zur Bekleidungsnäherin. Hierfür werden jedoch häufig auch kurzfristig angelernte Kräfte eingesetzt. Qualifiziertere Kontrolltätigkeiten wie die Überprüfung der Maße, der Passform, der Verarbeitungsqualität, der Vollständigkeit bis zur Endabnahme an Kleidungsstücken sind in der Regel auf Facharbeiterebene angesiedelt. Üblicherweise werden sie besonders bewährten und qualifizierten Kräften übertragen, da dies meist als Aufstieg verstanden wird. Die Teile bzw. die fertiggestellten Stücke kommen häufig auf einem Transport- bzw. an einem Laufband hängend an den Arbeitsplatz, müssen ggf. abgehängt, teilweise einer Puppe übergezogen und am Ende u.U. wieder aufgehängt werden. Dabei ist überwiegend im Stehen, verbunden mit etwas Gehen zu arbeiten. Abhängig von der Größe der zu kontrollierenden Stücke (vor allem in der Teile-, d.h. der Zwischenkontrolle) kann teilweise - sonst u.U. zeitweise bei eigenen Nacharbeiten - auch Sitzen möglich sein. Es handelt sich in der Regel um leichte Arbeiten, meist ohne schweres Heben und Tragen. Lärmbelastung ist möglich. Vor allem aber ist von ständigem Zeitdruck auszugehen, da auch dann, wenn nicht im Einzel- oder Gruppenakkord zu arbeiten ist, dem Fertigungstempo entsprechend bestimmte Stückzahlen pro Zeiteinheit zu erbringen sind. Einen zusätzlichen Belastungsfaktor stellt hier das geforderte hohe Maß an Daueraufmerksamkeit und Konzentration trotz oftmals Monotonie dar. Teilweise ist sogar Schichtarbeit anzutreffen. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin genügt erfahrungsgemäß nicht mehr den Anforderungen.

Andere Verweisungsmöglichkeiten auf der Ebene der Facharbeiter- oder Anlernberufe, die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die der Klägerin gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihr nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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