S 3 RA 161/99

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 3 RA 161/99
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der Kläger hat die berufliche Qualifikation eines Schreinermeisters (in der Fensterherstellung) und war zuletzt als Produktmanager beschäftigt.

Streitig ist Ihrer Anfrage zufolge, welche Tätigkeiten und Anforderungen der Beruf eines Produktmanagers erfordert. Sie bitten daher um Beantwortung folgender Fragen:

1. In welchen Bereichen kann ein Schreinermeister/Tischlermeister als Produktmanager eingesetzt werden?

2. Über welche Fertigkeiten in

a. handwerklicher
b. kaufmännischer
c. organisatorischer
d. verkaufstechnischer
e. körperlicher
f. seelisch-geistiger

Hinsicht muss der Produktmanager üblicherweise verfügen?

3. Auf welchem Wege werden diese Kenntnisse und Fertigkeiten üblicherweise verlangt?
4. Welche Zeit nimmt diese Ausbildung in Anspruch?
5. Wie viele Arbeitsplätze, auf die die gegebene Beschreibung des "Produktmanagers" anwendbar ist, gibt es im geographischen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland?
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Der Zugang zur Tätigkeit als Produktmanager ist nicht geregelt. Üblicherweise wird eine abgeschlossene Ausbildung als Betriebswirt/in für Absatz- und Werbewesen oder für Marketing oder als Fachkaufmann/Fachkauffrau für Marketing, als Marketingfachwirt/in oder aber als Werbefachwirt/in vorausgesetzt.

Produktmanager entwickeln Produktideen, sie erkennen Marktlücken aus den Marktforschungsergebnissen und setzen die Produktideen zu marktreifen Prototypen in Zusammenarbeit mit der Fertigung um. Auch die Gestaltung des Sortiments im Einklang mit der Marketing-Konzeption hinsichtlich Sortimentstiefe und -breite gehört zu ihrem Aufgabengebiet. Sie bestimmen die zu einer Produktlinie gehörenden Produkte beziehungsweise die Anzahl von Produktlinien, die das Unternehmen am Markt anbietet.

Schließlich arbeiten sie bei der Gestaltung der Produktverpackung hinsichtlich Form und Farbe mit in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Verkaufsförderung und der gegebenenfalls beauftragten Werbeagentur Tätigkeiten im Einzelnen, die von einem Produktmanager insbesondere zu verrichten sind:

- Informationsmaterial über wichtige Marktfaktoren wie etwa neue Zielgruppen, die Entwicklung bei bedeutsamen Abnehmerkreisen oder die Situation bei Konkurrenzunternehmen regelmäßig und systematisch beschaffen
- Sekundärmaterial wie Statistiken, Zeitungsartikel, Verbraucherpost, Preislisten von Konkurrenzfirmen, Jahresberichte und Bilanzen anderer Unternehmen, Veröffentlichungen von Berufsverbänden sammeln und zusammenstellen
- Primärerhebungen (vor allem bei der Einführung von Produktinnovationen) in Zusammenarbeit mit spezialisierten, externen Marktforschungsinstituten durchführen
- Marktdaten und -informationen auswerten und in Form von Marktanalysen und Lageberichten aufbereiten
- Informationsgewinnungsprogramme zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens entwickeln (zum Beispiel Verkaufsbemühungen, Entwicklung auf Teilmärkten, Vertriebswege, Kunden- und Auftragsstruktur)
- Gewonnene Daten aufbereiten, in Berichten und Analysen zusammenfassen und beurteilen
- Markt- und Situationsanalysen durch Empfehlungen ergänzen, wie die festgelegten Markt- und Absatzziele durch Einsatz des absatzpolitischen Instrumentariums realisiert werden können
- Marketingstrategien und Absatzpläne unter Berücksichtigung der jeweiligen absatzpolitischen Instrumente (Produkt-, Distributions- und Preispolitik sowie Werbung und Verkaufsförderung) erstellen
- Teilpläne für eine Marketingkonzeption in Teamarbeit mit anderen Unternehmensmitarbeitern/-mitarbeiterinnen (zum Beispiel aus den Bereichen Fertigung, Finanzen, Verkaufsaußendienst) und externen Marketingspezialisten erarbeiten
- Geplante Absatzziele in einer detaillierten Verkaufsplanung zeitlich und regional begrenzen
- Werbe- und Verkaufsförderungsaktionen planen und koordinieren
- Preispolitische Empfehlungen ausarbeiten
- Vertriebswege festlegen
- Von der Geschäftsleitung akzeptierte Marketingkonzeptionen eigen- oder mitverantwortlich in die Praxis umsetzen
- Erfüllung der einzelnen Teilpläne wie Verkaufsplanung oder Werbe- und Verkaufsförderungsaktionen mit Hilfe der Vertriebskostenrechnung überwachen
- Über Statistiken und Kennzifferrechnungen Abweichungsanalysen vornehmen und, falls notwendig, für Plananpassungen sorgen

Anzumerken ist, dass aufgrund der äußerst knappen Angaben über den beruflichen Werdegang und die Inhalte der zuletzt verrichteten Tätigkeit als Produktmanager nur sehr allgemeine Aussagen möglich sind. Andere Ausführungen wären Vermutungen.

Die Tätigkeit eines Produktmanagers wird für einen Schreiner bzw. Schreinermeister nicht als Beschäftigungsalternative in der "gabi" (Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen) genannt. In der Regel findet bzw. hat ein Schreinermeister ohne zusätzliche Qualifikationen keinen Ansatz als Produktmanager (wie oben beschrieben).

In der "gabi" wird u.a. die Tätigkeit als Fachberater insbesondere für Hölzer, Holzwerkzeuge, Baustoffe, -bedarf, -elemente, Holz- und Bautenschutzmittel, Holzgeräte, -werkzeuge, Holzbe- und -verarbeitungsmaschinen, Furniere, Leisten, Beschläge, Möbel, Küchen-, Laden-, Gaststätteneinrichtungen, Fenster, Türen, Fenster- und Türelemente, Fertighäuser, Leitern, Heimwerkerbedarf, Bilderrahmen etc. als Beschäftigungsalternativen für einen Schreiner bzw. Schreinermeister genannt. Der Zugang zu Tätigkeiten im Verkauf ist Schreinern bzw. Schreinermeistern nach Einarbeitung bzw. Zusatzbildung insbesondere möglich, da Angehörige dieser Berufe über Kenntnisse in der Be- und Verarbeitung von Holz, Holzwerkstoffen, Holzschutzmitteln, Klebstoffen, Glas, in der Handhabung, Bedienung von Säge-, Hobel-, Fräs- und Schleifmaschinen sowie Messwerkzeugen verfügen.

Fachberater können sowohl im
A. Außendienst als auch
B. im Innendienst
tätig sein.

A.
zu Frage 1:

Der Zugang zu den Tätigkeiten als Fachberater im Außendienst ist nicht geregelt.

In der Regel - je nach Beschäftigungsart und -betrieb - wird eine abgeschlossene Fortbildung als Fachberater im Außendienst erwartet. Aber auch andere Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in einem kaufmännischen Beruf, mit entsprechender Verkaufspraxis, haben Zugang zu den Tätigkeiten.

Je nach beruflicher Position und speziellen Gegebenheiten des Arbeitgebers werden zum Teil umfassende technische Kenntnisse der Produkte verlangt.

Fachberater im Außendienst arbeiten für Betriebe und Unternehmen unterschiedlichster Art als Angestellte oder auch als selbständige Fachberater. Neben ihren zeitweisen Tätigkeiten in Büroräumen haben sie vor allem bei Kunden (zu Hause, in deren Firma, Behörde) zu tun.

Fachberater im Außendienst sind qualifizierte Fachkräfte, die aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage sind, selbständig Beratungs- und Verkaufsgespräche anzubahnen, verkaufsfördernde Maßnahmen zu planen, umzusetzen, Absatzaktivitäten zu organisieren und zu steuern.

Aufgabe von Fachberatern ist es, den vorhandenen Kundenstamm zu betreuen und neue Kunden zu gewinnen. Dazu gehört neben den damit zusammenhängenden Arbeiten wie Schriftverkehr, Auftragsabwicklung, Terminverfolgung, Erstellung von Verkaufsstatistiken und Berichterstattung u.a. Präsentation und Demonstration der Ware, Vorlegen von Mustern und Katalogen, Information und Beratung über Eigenschaften und Vorteile der Ware bzw. des Angebots, verhandeln über Preise, Zahlungs- und Lieferbedingungen mit dem Ziel, möglichst viele, große und rentable Aufträge zu erhalten. Die Entlohnung ist in der Regel zumindest z.T. vom eingeholten Auftragsvolumen abhängig (Provision).

Fachberater führen planende, beratungsvorbereitende Arbeiten am Schreibtisch aus. Sie können den PC und moderne Bürokommunikationsmittel bedienen.

Beim Kunden beraten und informieren sie mit Hilfe von Prospekten und anderen Beratungs-/Verkaufsunterlagen/-objekten (Produktproben, Demonstrationsobjekte, Vorführmodelle).

zu Frage 2:

Persönliche Mindestvoraussetzungen für eine Tätigkeit als Fachberater sind gutes mündliches Ausdrucksvermögen, Flexibilität, Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit, Organisationsvermögen, Kontakt- und Anpassungsfähigkeit, Verhandlungsgeschick, Überzeugungskraft, Aufgeschlossenheit für neue Informationen und Erfahrungen, Umstellfähigkeit (Fähigkeit, sich auf unterschiedliche Kunden und Kundenwünsche einzustellen), Selbständigkeit, ausreichende psychische Stabilität (Misserfolgstoleranz), gewandtes, verbindliches Auftreten und gepflegte äußere Erscheinung.

a. Ein Schreinermeister muss für eine Tätigkeit als Fachberater die erforderlichen Produktkenntnisse (der eigenen wie der Konkurrenzprodukte ) erwerben, vertiefen bzw. erweitern.

b. Zusätzlich sind kaufmännische, betriebswirtschaftliche und bürotechnische Kenntnisse und EDV-Kenntnisse (im Außendienst ist zwischenzeitlich der Umgang mit einem Laptop Standard, um dem Kunden während des Gesprächs über z.B. Preise, ggf. Preisnachlässe zu informieren) zu erlernen bzw. zu vertiefen. Kenntnisse des Marktes (hinsichtlich Kundenstruktur, Bedürfnissen, Erwartungen, Angebot, Nachfrage, Preis- und Leistungsgefüge) sind ebenfalls zu erwerben.

c. und d. Ebenso ist Wissen über Verkaufspsychologie, Akquisition und Umgang mit schwierigen Kunden erforderlich.

e. Eine Außendiensttätigkeit lässt zwar einen recht häufigen Wechsel der Körperhaltung zu, verlangt aber meist erhebliche Fahrleistungen mit dem PKW mit den typischen Belastungen, wozu auch in gewissem Umfang Witterungseinflüsse gehören. Schwereres Heben und Tragen sowie Bücken kann im Rahmen von Präsentationen oder Demonstrationen nicht immer ausgeschlossen werden. Daher wird üblicherweise Funktionstüchtigkeit der Wirbelsäule, Arme, Hände und Beine, normales oder gut korrigiertes Sehvermögen u.a. für Bildschirmtauglichkeit vorausgesetzt. Bei Schwerhörigkeit und ausgeprägten Sprachstörungen besteht voraussichtlich Nichteignung für die Tätigkeit eines Fachberaters.

f. Zudem gilt die Tätigkeit üblicherweise als stressreich (z.B. durch unregelmäßige Arbeitszeit, Überstunden, Termindruck, vorgegebene Mindestleistungszahlen). Es ist daher ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit und eine hohe Frustrationstoleranzgrenze (Umgang mit Kunden) erforderlich.

zu Frage 3 und 4:

Facharbeiter oder Handwerksmeister der entsprechenden Branche können mit Einarbeitung/Zusatzbildung vor allem im kaufmännischen/betriebswirtschaftlicher Bereich, in Abhängigkeit von der Arbeitsaufgabe einen Ansatz als Fachberater finden, wenn sie besonders qualifiziert sind.

Bei der Ausbildung zum Fachberater im Außendienst handelt es sich um eine berufliche Fortbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG), in der Regel im Anschluss an einen anerkannten kaufmännischen Ausbildungsberuf. Sie endet mit einer Prüfung vor der Industrie- und Handelkammer und/oder der internen Prüfung durch den Lehrgangsträger.

Die Ausbildungsdauer ist unterschiedlich. Sie beträgt - je nach Unterrichtsform - zwischen 6 und 18 Monate (ca. 500-900 Unterrichtsstunden).

zu Frage 5:

Die Beschäftigtenstatistik ist nicht so differenziert gegliedert, dass eine genaue Aussage darüber getroffen werden kann, wie viele Arbeitsplätze es im geographischen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für Produktmanager bzw. Fachberater existieren. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass eine nennenswerte Zahl von Arbeitsstellen vorhanden sind.

B.
zu Frage 1:

Denkbar ist noch die Tätigkeit eines Fachberaters im Innendienst z.B. im Fach- oder Großhandel.

Insbesondere sind folgende Tätigkeiten zu verrichten:
- Abwicklung von Bestellungen, z.T. im beratenden Gespräch mit dem Kunden
- Ausarbeitung von Individualangeboten; ggf. Entgegnnahme und Einarbeitung von Sonderwünschen
- Klärung von Rückfragen usw.
- Interne Weiterleitung von bearbeitenden Bestellungen
- Sorge für termingerechte Lieferung, Überwachung von Terminen für Bestellungen
- Bearbeitung von Reklamationen
- Weitergabe von Anregungen und Wünschen von Kunden, Auftraggebern u.ä.
- Informieren der Abnehmer je nach Betrieb über Marktneuheiten, Neuerscheinungen
- Werben neuer Kunden, z.B. durch Zusenden von Katalogen bzw. Besuch von Außendienstmitarbeitern.

zu Frage 2:

a. Arbeitgeberbefragungen und vermittlerische Erfahrungen zufolge wird üblicherweise den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten größere Bedeutung als dem produktbezogenen und anwendungsspezifischen Wissen zugemessen und kaufmännisch ausgebildeten Personal (vor allem Groß- oder u.U. auch Einzelhandelskaufleute) beschäftigt. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, das ein Schreinermeister einen entsprechenden Ansatz findet bzw. hat.

b. Die kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse müssen sich angeeignet bzw. vertieft werden. Ebenso ist das Erlernen bzw. die Vertiefung von EDV-Kenntnissen erforderlich.

c. und d. Auch bei einer Tätigkeit im Innendienst sind verkaufstechnische Kenntnisse, Kenntnisse über Akquisition und Umgang mit schwierigen Kunden erforderlich.

e. Da es vielfach zutrifft, dass der Verkauf im Verkaufsraum oder sogar am Schreibtisch anhand von Listen, Katalogen oder über ein Computer-Terminal abgewickelt und eine strikte Trennung zum Lager eingehalten wird , ist z.B. lediglich leichte Belastbarkeit ausreichend. Längerfristiges Sitzen kann erforderlich sein, so dass ein Wechsel der Körperhaltung entsprechend dem gesundheitlichen Erfordernis nicht immer möglich ist. Für Arbeit am Computer-Terminal ist normales oder gut korrigiertes Sehvermögen erforderlich (Bildschirmtauglichkeit).

f. Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit voraus.

zu Frage 3:

Üblicherweise wird für Tätigkeiten im Fach- bzw. Großhandel eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung vorausgesetzt. Einzelhandelskaufmann und Großhandelskaufmann sind Berufe mit dreijähriger Ausbildung.

zu Frage 4:

Ein Schreinermeister dürfte sich für eine Tätigkeit als Fachberater im Innendienst z.B. für Fenster innerhalb von drei bis sechs Monaten einarbeiten.

zu Frage 5:

Ich verweise auf meine Ausführungen unter A.
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