S 11 RA 177/99

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 11 RA 177/99
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Ihrer Anfrage zufolge ist die Frage nach der beruflichen Einsetzbarkeit einer Krankenschwester bedeutsam mit nachfolgendem Leistungsvermögen:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- wechselweise im Stehen und Gehen
- ohne schweres Heben und Tragen von Patienten
- ohne dauerndes Sitzen und Stehen
- ohne längere Arbeiten in vorne übergebeugter Körperhaltung

Sie bitten um Mitteilung, inwieweit mit diesem Leistungsvermögen insbesondere eine Verwendungsfähigkeit als Arzthelferin oder in Teilbereichen des erlernten Berufes, z.B. in Ambulanzen, Reha-Kliniken oder Speziallabors besteht.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Arzthelferin

Die Ausbildung zur Arzthelferin dauert nach § 2 Verordnung über die Berufsausbildung zum Arzthelfer/zur Arzthelferin vom 10.12.85 drei Jahre. Arzthelferinnen unterstützen den Arzt durch Übernahme verschiedenartiger nicht-ärztlicher Tätigkeiten, die in einer Arztpraxis anfallen. Sie betreuen Patienten vor, während und nach der Behandlung, sorgen für eine rationelle Gestaltung des Tagesablaufs (Praxisorganisation), Vermeidung langer Wartezeiten für die Patienten, assistieren bei der Behandlung sowie bei chirurgischen Eingriffen, übernehmen die Pflege, Wartung, Reinigung und Desinfektion der Instrumente, Apparaturen sowie anderer Praxiseinrichtungen, sorgen für Sauberkeit und Hygiene in Praxis-, Sanitär- und Laborräumen, führen (einfache) Laborarbeiten z.B. Blut-, Harn-, Stuhluntersuchungen u.ä. durch und erledigen Büro-, Verwaltungs- und Abrechnungsarbeiten, z.B. Führen der Krankenblätter, Abrechnen mit Krankenkassen und Lieferanten usw.

Die Tätigkeit einer Arzthelferin ist körperlich leicht, zeitweise mittelschwer und wird in temperierten Praxis- und Laborräumen im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen verrichtet. Wesentliche körperliche Eignungsvoraussetzungen sind die Funktionstüchtigkeit der Arme und Hände, die Fähigkeit zu beidhändigem Arbeiten und weitgehende Funktionstüchtigkeit der Beine und der Wirbelsäule, gute neuro-vegetative Belastbarkeit.

Aus berufskundlicher Sicht ist es vorstellbar, dass eine ausgebildete Krankenschwester eine Tätigkeit als Arzthelferin verrichtet. Da eine Krankenschwester jedoch üblicherweise über keine Kenntnisse des Praxisablaufes, EDV-Kenntnisse, Kenntnisse im Abrechnungswesen verfügt, muss mit mindestens sechs Monaten Anlernung bis zu einer vollständigen Einarbeitung gerechnet werden.

Insgesamt erscheint eine Verweisung der Klägerin auf die Tätigkeit einer Arzthelferin nicht realisierbar.

Arbeiten in Ambulanzen

Allgemein ist anzumerken, dass grundsätzlich das Krankenpflegegesetz in § 2 Abs1. Ziffer 3 ganz deutlich aussagt, dass die Voraussetzungen für den Krankenpflegeberuf auf körperlicher und geistiger Gesundheit beruhen.

Einrichtungen, die in nennenswertem Umfang diagnostische und therapeutische Maßnahmen ausschließlich mit Patienten durchführen, die weder gehoben noch getragen werden müssen, können aus berufskundlicher Sicht nicht benannt werden.

In allen Abteilungen des Krankenhauses ist die Pflegeintensität bzw. -abhängigkeit enorm gestiegen, da der Anteil der über 65jährigen Patienten aufgrund der veränderten Altersstruktur der Bevölkerung zunimmt. Auch die verkürzte Verweildauer der Patienten erhöht die erforderliche Pflegeleistung. Das bedeutet, dass der überwiegende Teil der Patienten im Akutkrankenhaus heutzutage pflegerische Hilfestellung hinsichtlich Mobilisation, Betten und Lagern benötigt.

Zur diagnostischen Abklärung z.B. nach Stürzen müssen auch in einer Ambulanz ältere und pflegeabhängige Patienten gelagert bzw. umgebettet werden. Hierbei handelt es sich in der Regel um Heben und Tragen von erheblichen Lasten. Das Leistungsvermögen der Klägerin entspricht auch für eine Tätigkeit in einer Ambulanz nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Arbeiten in Reha-Kliniken

In Reha-Kliniken ist zwar vielfach von geringeren Belastungen als meist im Stationsdienst auszugehen, ganz sind Pflegeleistungen, die schweres Heben und Tragen und/oder Zwangshaltungen erfordern, jedoch üblicherweise nicht zu umgehen. Das Leistungsvermögen der Klägerin, die nur noch in der Lage ist, körperlich leichte Arbeiten zu verrichten, genügt nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Arbeiten in Speziallabors

Gedacht werden könnte an einem Ansatz im Blutspendedienst. Hierbei handelt es sich üblicherweise um eine Labortätigkeit und es sind in der Regel Personen aus anderen Berufen wie z.B. Medizinisch-Technische Assistenten tätig. Jedoch werden zur Blutentnahme auch Krankenschwestern vollschichtig beschäftigt. In geringem Umfang werden von diesen Kräften auch verwaltungstechnische Arbeiten erledigt. Die Tätigkeit im Blutspendedienst kann sowohl im Innen- wie auch im Außendienst (Teams mobil) erfolgen. Auch wenn eine Krankenschwester üblicherweise im Blutspendeinnendienst ihre Arbeit verrichtet, kann bei Bedarf der Einsatz im Außendienst erforderlich sein. Im Außendienst müssen Betten auf- und abgebaut werden. Schweres Heben und Tragen kann hier durchaus erforderlich sein.

Die Tätigkeit einer Krankenschwester im Blutspendeinnen- wie auch außendienst wird überwiegend im Stehen und in nach vornübergebeugter Haltung (bei der Blutentnahme, da die Betten, auf dem die Blutspender liegen sehr niedrig sind) verrichtet. Teilweise ist Gehen möglich. Tätigkeiten, die im Sitzen verrichtet werden, fallen nur in sehr geringem Umfang an (verwaltungstechnische Arbeiten). Schweres Heben und Tragen kann bei der Lagerung und dem Betten eines Blutspenders erforderlich sein, z.B. dann, wenn dieser nach der Blutabnahme aufsteht und aufgrund von Kreislaufschwierigkeiten das Bewusstsein verliert. Das schnelle Handeln der diensthabenden Krankenschwester im Blutspendedienst ist dann erforderlich.

Nach Auskunft eines großen Blutspendedienstes erkranken Krankenschwestern, die langjährig im Blutspendedienst beschäftigt sind häufig an Wirbelsäulen- und Hüftleiden. Aus berufskundlicher Sicht ist der Klägerin auch eine Tätigkeit im Blutspendedienst aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr uneingeschränkt zumutbar.

Außerdem wurden in die Überlegungen Tätigkeiten in Labors oder technischen Untersuchungsstellen miteinbezogen.

Ein Großteil der medizinischen Labortätigkeiten ist nach dem MTA-Gesetz erlaubnispflichtig und darf nur von Kräften mit bestandener entsprechender Prüfung verrichtet werden. Krankenpflegekräfte kommen nur für einige nichterlaubnispflichtige, in der Regel einfache Teiltätigkeiten in Frage. Selbst dafür sind erweiterte - und aktuelle - Laborkenntnisse erforderlich. Eine Einarbeitung in Teilbereiche ist innerhalb von 3 Monaten möglich, es wird auch eine Reihe von entsprechenden Lehrgängen (Dauer einige Tage bis einige Wochen, je nach Themenumfang und Vertiefungsgrad) angeboten. Allerdings werden dafür erfahrungsgemäß Arzthelferinnen bevorzugt. Die körperliche Belastung ist überwiegend leicht. Die Arbeiten sind vorwiegend im Stehen oder Sitzen mit kurzfristigem Gehen zu verrichten. Ein Wechsel der Körperhaltung, entsprechend dem gesundheitlichen Erfordernis ist nicht immer möglich. Zwangshaltungen können z.B. bei Arbeit am Mikroskop auftreten. Zeitdruck, evtl. Überstunden oder u.U. gelegentlich Wochenend-, Nacht- oder Bereitschaftsdienst ist nicht ungewöhnlich.

Für Arbeiten im Bereich EKG, Röntgen und EEG gilt das oben Gesagte weitgehend genauso. Gehen und Stehen überwiegt hier jedoch in der Regel deutlich und bei Notfällen oder beim Stützen und Lagern hilfsbedürftiger Patienten können auch schwerere Hebebelastungen auftreten.

Die Leistungseinschränkungen der Klägerin können nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtig werden.
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