S 11 RJ 1170/99

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 11 RJ 1170/99
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
In Ihrer Anfrage vom 04.09.2002 bitten Sie um ergänzende Stellungnahme.

Die Beklagte gibt im Schriftsatz vom 01.08.2002 an, dass die Tätigkeit des Material- und Werkzeugausgeber und des Gerätezusammensetzers Beschäftigungen im Tarifgefüge der Metallindustrie sind und diese Arbeitsplätze auf der angelernten Ebene angesiedelt sind und bei denjenigen, die aus einer Ausbildung Vorkenntnisse im Metallbereich mitbringen, in Einarbeitungszeiten von weniger als drei Monaten auszuüben sind. Außerdem beschreibt die Beklagte in ihrem Schriftsatz das Leistungsvermögen des Klägers wie folgt: leichte bis mittelschwere körperliche Arbeit in wechselnder Körperhaltung.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

In meiner Stellungnahme vom 22.07.2002 (Seite 3) habe ich ausgeführt, dass dem Kläger für eine Tätigkeit als Material- und Werkzeugausgeber auf zumutbarer Qualifikationsebene ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum genügen dürfte. Jedoch kann der Kläger nach dem orthopädisch-rheumatologischen Gutachten von Dr. ^Schwenkert^ vom 18.12.2001 nur noch Arbeiten verrichten, die nicht mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg verbunden sind.

Die Arbeiten eines Material- und Werkzeugausgebers können wie bereits ebenfalls in meiner Stellungnahme angegeben, nicht hinsichtlich der auftretenden Hebe- und Tragebelastungen auf maximal 10 kg beschränkt werden. Außerdem wird die Tätigkeit eines Material- und Werkzeugausgebers deutlich überwiegend im Stehen und Gehen ausgeführt. Die Möglichkeit zum Sitzen ist üblicherweise entsprechend dem gesundheitlichen Erfordernis nicht gegeben. Daher wurde von mir in meiner Stellungnahme angegeben, dass die Leistungseinschränkungen des Klägers bei einer Tätigkeit als Material- und Werkzeugausgeber nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden können.

Bei der Tätigkeit eines Gerätezusammensetzers wurde von mir in meiner Stellungnahme vom 22.07.2002 (Seite 5) angegeben, dass der Kläger die Ebene der Facharbeiterberufe auf der Tätigkeiten üblicherweise von z.B. Feinmechanikern verrichtet werden, nicht innerhalb von maximal drei Monaten erreichen kann. Die Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten wurde jedoch nicht ganz ausgeschlossen. Unabhängig davon, dass auf dieser Ebene, wie bereits in meiner Stellungnahme angegeben, in der Regel überwiegend qualifiziert angelernte Montiererinnen beschäftigt werden, entspricht das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr den üblichen Anforderungen, da die Arbeiten meist überwiegend in einseitiger Körperhaltung, vielfach bis hin zu Zwangshaltungen zu verrichten sind. Nach dem Gutachten von Dr. ^Schwenkert^ vom 18.12.2001 und auch wie von der Beklagten im Schriftsatz vom 01.08.2002 angegeben, ist der Kläger noch in der Lage Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung zu verrichten.

Als Weiteres gibt die Beklagte im Schriftsatz 01.08.2002 an, dass meine Ausführungen in der berufskundlichen Stellungnahme zum Telefonisten kaum nachzuvollziehen sind. Ihrer Ansicht nach sei bei der leichten körperlichen Arbeit eines Telefonisten ein Wechsel der Arbeitshaltung zur Auflockerung schmerzbedingter Gefügestörungen möglich.

Anmerken möchte ich, dass Dr. ^Schwenkert^ in der mündlichen Verhandlung am 18.12.2001 angab, dass das Leistungsvermögen des Klägers 8 Stunden pro Arbeitstag beträgt, dass überwiegendes Sitzen dem Kläger als Arbeitshaltung wegen der Wirbelsäule nicht anzuraten ist und von daher Arbeiten in wechselnder Körperhaltung möglich sind.

Die "reine" Telefonistentätigkeit, die von einem Ungelernten auch innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten erlernbar ist, wird, wie bereits in meiner Stellungnahme vom 22.07.2002 ausgeführt, ausschließlich im Sitzen verrichtet. Bereits eine Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen verrichtet wird, rät Dr. Schwenkert dem Kläger als Arbeitshaltung wegen der Wirbelsäule nicht an. Bei einer "reinen" Telefonistentätigkeit ist auch ein Wechsel der Arbeitshaltung zur Auflockerung schmerzbedingter Gefügestörungen nicht immer möglich. Nach den von mir durchgeführten telefonischen Recherchen bzw. Arbeitsplatzbesichtigungen bei Betriebsbesuchen gehen in einer Telefonzentrale von z.B. Behörden bzw. größeren Firmen laufend Telefongespräche ein. Auch bei Vorhandensein von mehreren Mitarbeitern in der Telefonzentrale, die ununterbrochen die Gespräche annehmen und die gewünschte Verbindung herstellen, kommt es immer wieder vor, dass Anrufer in der Warteschleife auf die Annahme ihres Gespräches warten müssen. Außerdem sind die Telefonisten in der Regel nicht nur dazu da, Anrufer zu den Mitarbeitern in der Behörde oder Firma durchzustellen, sondern sie fungieren auch als Telefonvermittler, suchen also Nummern heraus und stellen die Verbindung her. Teilweise können Mitarbeiter in einer Behörde oder Firma Gespräche außerhalb des Ortstarifs nicht von ihrem Apparat aus führen.

Die Beklagte gibt in ihrem Schriftsatz vom 01.08.2002 - wie bereits ausgeführt - an, dass bei der leichten körperlichen Arbeit eines Telefonisten ein Wechsel der Arbeitshaltung zur Auflockerung schmerzbedingter Gefügestörungen möglich ist. Dies gelte vor allem, aber umso mehr, an den Arbeitsplätzen als Montierer, Verpacker, Sortierer und Kontrolleur.

Wie ebenfalls bereits in meiner Stellungnahme vom 22.07.2002 beschrieben werden die in der industriellen Fertigung vorkommende Tätigkeiten wie Montier-, Verpackungs-, Sortier- und Kontrollarbeiten in der Regel im Akkord oder unter akkordähnlichen Bedingungen verrichtet. Aus berufskundlicher Sicht kann daher ein Wechsel der Arbeitshaltung zur Auflockerung schmerzbedingter Gefügestörungen nicht erfolgen. Wie außerdem in meiner Stellungnahme angegeben, ist ein Wechsel der Körperhaltung möglich, wenn die zu bearbeitenden Teile selbst an- und abtransportiert werden. Jedoch fallen dann u.U. auch schwerere Hebe- und Tragebelastungen an. Außerdem ist ein Wechsel der Körperhaltung entsprechend der zur erledigenden Aufgaben vorzunehmen. Der Zeitpunkt kann nicht frei gewählt werden.

Im Schriftsatz vom 01.08.2002 bestreitet die Beklagte, dass Arbeitsplätze von Museumswärter ausschließlich im Stehen und Gehen verrichtet werden.

Museumswärter beaufsichtigen während der Öffnungszeiten die Objekte beziehungsweise die Räumlichkeiten. Dabei führen sie nach bestimmten Kontroll- beziehungsweise Sicherheitsplänen Kontrollgänge durch. Sie überwachen ebenfalls die Tätigkeit der Angehörigen von Fremdfirmen und des Reinigungspersonals. Museumswärter sorgen auch für Ordnung und Sauberkeit und helfen Besuchern bei der Suche nach bestimmten Räumen oder Objekten. Wie bereits ausgeführt wird diese Tätigkeit annähernd ausschließlich im Stehen und Gehen verrichtet, da in der Regel mehrere Räume zu überwachen sind und Sitzen nur gestattet ist, wenn kein Besucher im Museum ist. Aus berufskundlicher Sicht ist der Kläger auch für diese Tätigkeit nicht mehr geeignet, da er wie im Gutachten von Dr. ^Schwenkert^ vom 18.12.2001 und im Schriftsatz der Beklagten vom 01.08.2001 nur noch fähig ist, Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung zu verrichten.

Ergänzend zu meiner Stellungnahme vom 22.07.2002 nehme ich zur Tätigkeit des Hausmeisters wie folgt Stellung:

Hausmeister

Die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 08.09.1999 und im Schriftsatz vom 07.01.2001 genannte Tätigkeit eines Hausmeisters würde noch auf zumutbarer Qualifikationsebene liegen. Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf, es gibt kein einheitliches, verbindliches Berufsbild. Gute handwerkliche Kenntnisse und Fertigkeiten werden vorausgesetzt, eine verwertbare handwerkliche Ausbildung (Sanitär-, Heizungs- oder Elektroinstallateur, Schlosser, ggf. auch Schreiner) häufig gewünscht, zum Teil auch verlangt. Die Tätigkeit liegt auf der Ebene der Anlern- und Facharbeiterberufe. Beim Vorliegen einer verwertbaren Ausbildung ist die Tätigkeit oft auch auf Facharbeiterebene entlohnt. Je nach Aufgabenstellung und Vorkenntnissen ist von einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten bis zu einem Jahr auszugehen. Dem Kläger dürfte aufgrund seines beruflichen Werdeganges für einen Ansatz auf zumutbarer Qualifikationsebene eine maximal dreimonatige Einarbeitungszeit ausreichen.

Hausmeister können in unterschiedlichen Funktionsformen zum Einsatz kommen. Entsprechend vielfältig und unterschiedlich können die Aufgaben und Tätigkeiten sein.

Aufgaben/Tätigkeiten eines Hausmeisters z.B. von größeren Wohnkomplexen sind:
- Durchführung von Sichtkontrollen (z.B. Heizung, Lüftung, Feuchtigkeit, äußere Gebäudeschäden, wie Risse u.ä.)
- Behebung erkennbarer Schäden bzw. Veranlassung der erforderlichen Reparaturen, Beaufsichtigung und Abrechnung derselben, Dokumentation der Abläufe
- Schlüsselverwaltung
- Wartung und Instandhaltung der haustechnischen Anlagen
- Organisation der Entsorgung
- Pflege der Außenanlagen, Winterdienst
- Kontaktpflege und Umgang mit den Bewohnern des Gebäudes
- Organisation und Überwachung der Gebäudereinigung: Einteilung und Beaufsichtigung der Reinigung, Einweisung der Reinigungskräfte, Bestimmung der Reinigungsverfahren und der Häufigkeit der Reinigung, Verwaltung und Lagerung der Reinigungsmittel.

Erfahrungsgemäß sind die Aufgaben eines Hausmeisters zu 70 % handwerkliche Instandhaltungs- und Reparatur - sowie gärtnerische und reinigende Außenarbeiten, zu 20 % Mieterbetreuung und zu 10% Verwaltungsarbeiten.

Die Arbeiten eines Hausmeisters sind in der Regel leicht bis mittelschwer, können u.U. aber auch gelegentlich schwer sein. Stehen und Gehen überwiegt deutlich, ein Wechsel der Arbeitshaltung ist jedoch möglich (90% Stehen und Gehen mit Treppensteigen und 10% Sitzen). Heben und Tragen von schweren Lasten ist zwar in der Regel nicht täglich oder häufig erforderlich, lässt sich meist aber nicht ganz ausschließen. Dabei ist nicht nur an das Bewegen von Möbeln (außer in Schulen z.B. in Bürohäusern, Heimen, Krankenhäusern, Tagungsstätten usw.) gedacht, sondern auch z.B. an den Umgang mit Abfallcontainern, größeren Mengen an Hilfs- und Betriebsstoffen (Streusand, Gips- oder Zementsäcke, Farbkübel u.ä.). Die Ausstattung mit anderen als einfachen Geräten (z.B. Sack- oder Schubkarre, unterlegbare Transportrollen o.ä.), die doch den körperlichen Einsatz fordern, lohnt sich oft nicht oder sie können, wo sie vorhanden sind, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten oder der Art der Arbeit teilweise nicht eingesetzt werden. Zwangshaltungen (Bücken, Hocken, Knien) lassen sich ebenso wenig ausschließen wie Arbeiten auf Leitern und Überkopfarbeiten. Ein Hausmeister sollte daher über einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat verfügen. Auch an einen Hausmeister in größeren Wohnkomplexen werden diese Anforderungen gestellt.

Aus berufskundlicher Sicht ist, obwohl der Kläger sich innerhalb von drei Monaten in die Tätigkeit eines Hausmeisters einarbeiten dürfte, auch hier keine berufliche Alternative erkennbar, da die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden können.
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Datum