S 14 RJ 1563/98 A

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 14 RJ 1563/98 A
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 47jährige Kläger hat den Beruf des Busfahrers erlernt und ausgeübt.

Die Beklagte ging bei ihrer Entscheidung von folgendem Leistungsvermögen aus:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- ohne überwiegend einseitige Körperhaltung
- nicht auf Leitern und Gerüsten
- ohne erhöhte Verletzungsgefahr
- ohne besonderen Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband)

Nach dem Gutachten von Dr. ^Steinig^ vom 22./23.11.99 ist von folgendem Leistungsvermögen auszugehen:
- vollschichtig leichte, aber auch gelegentlich mittelschwere Arbeiten
- im Gehen, Sitzen und Stehen
- in geschlossenen Räumen oder bei günstiger Witterung auch im Freien
- ohne dauerndes Heben und Tragen von Lasten über 15 kg
- ohne Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten oder an unfallgefährdeten Maschinen
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Dr. ^Steinig^ gibt in seinem Gutachten vom 22./23.11.99 an, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Busfahrer nicht mehr verrichten kann. Die frühere Tätigkeit als landwirtschaftlicher Arbeiter ist seines Erachtens durchaus wieder zumutbar. Ebenso kann nach Ansicht von Dr. ^Steiner^ der Kläger zweifelsfrei als Kleber, Sortierer oder Verpacker oder auch als einfacher Pförtner Einsatz finden.

Ihrer Anfrage zufolge ist der Kläger nur auf Facharbeitertätigkeiten und Tätigkeiten im Bereich der sogenannten oberen Anlernebene verweisbar.

Bei den vom gerichtlichen Sachverständigen angegebenen zumutbaren Verweisungstätigkeiten handelt es sich um ungelernte bzw. kurzfristig angelernte Tätigkeiten.

Außerdem sind Ihrer Anfrage zufolge im Rahmen der berufskundlichen Stellungnahme derartige Berufe zu benennen, die der Kläger unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen und nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten noch vollwertig verrichten kann. Da Facharbeitertätigkeiten für Ungelernte Ausbildungszeiten von mehr als drei Monaten erfordern, wird das Erfordernis der höchstens dreimonatigen Einarbeitungszeit oder Einweisungszeit im Regelfall zu einem Ausschluss von Verweisungsberufen führen, in der der Kläger keine berufsbedingten Vorkenntnisse aufweisen kann.

Grundsätzlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Busfahrer außer für Fahrertätigkeiten über verwertbare Kenntnisse verfügt, um innerhalb einer maximal dreimonatigen Einarbeitungszeit eine andere Tätigkeit auf der Ebene der oberen Anlernberufe oder der Facharbeiterberufe zu verrichten.

Der gerichtliche Sachverständige schließt in seinem Gutachten vom 22./23.11.99 eine Rückkehr in den erlernten Beruf als Busfahrer aus. Aus berufskundlicher Sicht könnte jedoch - sollten von medizinischer Seite keine Bedenken gegen eine Fahrertätigkeit bestehen - an die Tätigkeit eines Medikamentenausfahrers gedacht werden, da diese Tätigkeit häufig als zumutbare Verweisungstätigkeit genannt wird. Anzumerken ist jedoch, dass der Kläger nicht mehr an unfallgefährdenden Maschinen arbeiten kann.

Die Fahrertätigkeit ist körperlich leicht und ermöglicht im Kurzstreckenbereich mit häufigen Fahrtunterbrechungen einen Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, wobei in der Regel dennoch Sitzen - in weitgehend statischer oder sogar Zwangshaltung überwiegt. Gerade die Wirbelsäule und der Schulter-Nackenbereich ist daher erfahrungsgemäß besonders belastet.

Beim Ausliefern von Medikamenten kann es nicht ausgeschlossen werden, dass nicht nur leichte Gebinde gehoben und getragen werden müssen (z.B. Tropflösungen). Auch bei Pflege-, Wartungs- und ggf. erforderlicher Pannenbehebung kann es zu höheren als nur leichten Belastungen kommen. Dauerndes Heben und Tragen von Lasten über 15 kg ist allerdings nicht erforderlich. Nach dem Gutachten von Dr. ^Steinig^ können dem Kläger nur noch Arbeiten im Freien bei günstigen Witterungsbedingungen zugemutet werden. Sowohl beim Ausliefern als auch bei eventuellen Pannen ist der Aufenthalt im Freien bei günstigen und ungünstigen Witterungsbedingungen erforderlich. Ob dies die Restgesundheit gefährdet oder auf Dauer schädigt, kann aus berufskundlicher Sicht nicht beurteilt werden. Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Telefonist

In die Überlegungen miteinbezogen wurde noch die berufsfremde Tätigkeit eines Telefonisten, die zwar von einem Ungelernten - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar ist, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der oberen Anlernebene zuzuordnen ist. Die Tätigkeit eines Telefonisten ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen verrichtet. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Wenn der Kläger die persönlichen Mindestvoraussetzungen mitbringt und die Restgesundheit nicht durch ausschließliches Sitzen gefährdet oder auf Dauer geschädigt wird, könnte aus berufskundlicher Sicht eine Verweisung auf die Tätigkeit eines Telefonisten erfolgen.

Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Kontrolleur bzw. Fahrausweisprüfer

Gedacht werden könnte noch an die Tätigkeit eines Fahrausweisprüfers. Wie mir eine regionale Verkehrs-AG telefonisch mitgeteilt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Bewerber mit dem beruflichen Werdegang des Klägers, sofern persönliche Eignung vorliegt, einen Ansatz als Fahrausweisprüfer erhält. In der Regel werden jedoch Kräfte mit kaufmännischer Ausbildung eingestellt.

Nach einem Auswahlverfahren werden die in Frage kommenden Bewerber insgesamt ca. drei Monate innerbetrieblich geschult.
- 14 Tage Theorie Tarif- und Streckenkenntnisse
- 5 Tage Theorie Sicherheits- und Serviceaufgaben
- 4 Wochen Praktikum
- 3 Tage Theorie Verkauf
- 4 Wochen Praktikum Verkauf
- 5 Tage Theorie Fahrausweisprüfung

Nach jedem Theorieteil erfolgt eine schriftliche Prüfung.

Erst nach erfolgreichem Abschluss dieser betriebsinternen Weiterbildungsmaßnahme erfolgt ein Ansatz als Fahrausweisprüfer. Dreimal im Jahr werden die Fahrausweisprüfer nachgeschult. Insbesondere sind immer wieder die Tarif- und Streckenkenntnisse zu aktualisieren. Ebenso sind die gesetzlichen Grundlagen immer wieder aufzufrischen und ggf. Änderungen zu erlernen.

Die Vergütung erfolgt nach dem BAT und liegt mindestens auf Facharbeiterniveau. Nach einem lediglich dreimonatigen Einarbeitungszeitraum - ohne betriebsinterne Weiterbildungsmaßnahme - ist ein Ansatz als Fahrausweisprüfer nicht möglich.

Die Tätigkeit eines Fahrausweisprüfers ist sehr stressbetont und erfordert neben einer hohen Frustrationstoleranzgrenze gute Umgangsformen. Ob der Kläger diese persönlichen Mindestanforderungen mitbringt, kann von hieraus nicht beurteilt werden. Anzumerken ist, dass eine Tätigkeit als Fahrausweisprüfer durch unregelmäßige Arbeitszeit geprägt ist.

Unabhängig davon, ob der Kläger für die Tätigkeit eines Fahrausweisprüfers die persönliche Eignung mitbringt, ist aus berufskundlicher Sicht insbesondere keine geeignete Verweisungstätigkeit erkennbar, da ein lediglich dreimonatiger Einarbeitungszeitraum nicht ausreicht, um auf zumutbarer Ebene einen Ansatz zu erhalten.

Der Vollständigkeithalber werden jedoch übliche Verweisungstätigkeiten auf Zumutbarkeit aus berufskundlicher Sicht geprüft.

Fuhrparkdisponent

Häufig wurde die Tätigkeit eines Fuhrparkdisponenten für einen Berufskraftfahrer als zumutbare Verweisungstätigkeit genannt.

Die Aufgaben eines Fuhrparkdisponenten sind insbesondere:
- Sicherstellen einer optimalen Transport- und Lagerleistung unter Berücksichtigung des momentanen Standorts von Frachtgut und Transportmitteln, dabei Veranlassen:
- Verpacken des Transportgutes in geeignete Transportbehälter
- Zusammenstellen von Ladungen (Berücksichtigen der Tourenstrecke)
- Termingerechtes Bereitstellen von Transportmitteln
- Koordinieren des Transports, Umschlags und der Lagerung
- Planen des wirtschaftlichen Einsatzes von zur Verfügung stehenden Fahrzeugen und Fahrer(n/innen)
- Entgegennehmen von Aufträgen, Beraten von Kund(en/innen)
- Kontrollieren von Kosten

Die Tätigkeit eines Fuhrparkdisponenten stellt für einen Berufskraftfahrer nach längerer Berufserfahrung und entsprechenden Kenntnissen im Transport- und Speditionswesen und nach entsprechender Einarbeitung/Zusatzbildung (mehr als drei Monate) häufig eine Aufstiegsposition im Beschäftigungsbetrieb dar.

Üblicherweise werden jedoch für Tätigkeiten im Bereich Fuhrparkdisposition Kaufleute (insbesondere Speditionskaufleute) beschäftigt. Neben kaufmännischen, bürotechnischen und zunehmend EDV- Kenntnissen sind gute planerische und organisatorische Fähigkeiten erforderlich.

Es handelt sich um eine stressbetonte, häufig unter Zeitdruck zu verrichtende, sehr verantwortungsvolle, körperlich leichte Tätigkeit. Der Aufenthalt im Freien, auch bei ungünstigen Witterungsverhältnissen, kann nicht ausgeschlossen werden.

Persönliche Mindestanforderungen sind extrem hohe Stressbelastbarkeit, Nervenstärke, Höflichkeit und gute Umgangsformen, Organisationstalent, Verantwortungsbewusstsein, geographisches Grundverständnis, Fähigkeit im Umgang mit rechtlichen Vorschriften, Teamfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Führungsqualitäten (Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Fahrern, Durchsetzungsvermögen).

Unabhängig vom Leistungsvermögen des Klägers ist in diesem Bereich insbesondere keine geeignete Verweisungstätigkeit erkennbar, da dem Kläger ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum nicht ausreicht, um mindestens auf der oberen Anlernebene angesetzt zu werden.

Kfz-Kundenberater

Gedacht werden könnte an die Tätigkeit eines Kundenberaters in Autohäusern, bei der die Leistungseinschränkungen des Klägers weitgehend berücksichtigt werden können.

Die Aufgaben in diesem Bereich sind insbesondere:
- Beraten und Verkaufen von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen einschl. der jeweils gewünschten Ausstattung sowie ggf. des gewünschten Zubehörs
- Beraten in Finanzierungsfragen von Neu- und Gebrauchtwagen
- Prüfen der Fahrzeuge und des Zubehörs auf ordnungsgemäßen Zustand (z.B. Neuwagen), Qualität (z.B. Ersatzteile) und Menge, Versorgen der Werkstatt mit einzubauenden Ersatzteilen für Kundenfahrzeuge
- Durchführen von Verkaufsförderungsmaßnahmen, Werbung, Mitwirken an Marketingmaßnahmen, Beobachten des Kaufverhaltens und Steuerung des Verkaufs
- Erstellen der Verkaufsabrechnung
- Bearbeiten anfallender Aufgaben im Rechnungs- und Personalwesen
- Durchführen sonstiger Verwaltungsarbeiten
- Preise kalkulieren, Kosten berechnen, statistische Arbeiten durchführen Im Neuwagengeschäft ist die Tätigkeit häufig auf einen bestimmten Hersteller spezialisiert.

Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Als Kfz-Kundenberater werden in der Regel jedoch Kaufleute beschäftigt. Die Tätigkeit ist auf der Facharbeiterebene angesiedelt. Die Einarbeitungszeit für einen Ungelernten ist mit mindestens drei Monaten anzusetzen. Da insbesondere auch kaufmännische Kenntnisse erforderlich sind, ist auch bei einem Berufskraftfahrer von einer mehr als dreimonatigen Einarbeitungszeit auszugehen.

Neben Branchen- und kaufmännischen Kenntnissen sind vor allem sicheres Auftreten im Bedienen und Beraten von Kunden, gutes äußeres Erscheinungsbild und Verhandlungsgeschick gefragt.

Obwohl das Leistungsvermögen weitgehend den üblichen Anforderungen genügen dürfte, ist auch als Kfz-Kundenberater keine geeignete berufliche Alternative erkennbar, da der erforderliche Einarbeitungszeitraum drei Monate übersteigt.

Reparaturannahme und Fahrzeugrückgabe in einer größeren Kfz-Werkstatt

Zu erwägen ist noch eine Tätigkeit in der Reparaturannahme und Fahrzeugrückgabe in einer größeren Kfz-Werkstatt.

Zu den Aufgaben gehört die Inaugenscheinnahme des Fahrzeugs, die Schadensdiagnose, die Umsetzung der Angaben des Kunden in einen werkstattgerechten Arbeitsauftrag, die Abschätzung der Reparaturzeit, die Terminplanung, die Erstellung eines Kostenvoranschlages, die Endabnahme des reparierten Fahrzeugs und ggf. die Veranlassung der Material- und Ersatzteilbeschaffung sowie Stellung eines Ersatzfahrzeuges und nach Erledigung der Reparatur die Rückgabe des Fahrzeugs an den Kunden. Die körperlichen Belastungen sind in der Regel leicht, ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen findet statt, allerdings ist kurzfristig immer wieder Bücken, Vorbeugen, Hocken, Knien und Überkopfarbeit erforderlich. Auch bei Probefahrten wird die Wirbelsäule beansprucht. Belastungen durch Temperaturschwankungen, Zugluft, Witterungseinflüsse und Abgase sind oft gleichfalls nicht auszuschließen. Neben persönlicher Eignung (ähnlich wie im Verkauf), Fachkompetenz sowie Berufserfahrung in Schadensdiagnose und Kundendienst wird in der Regel die Meisterprüfung vorausgesetzt, da es sich um eine Schlüsselfunktion in der Kfz-Werkstatt handelt. Im allgemeinen besteht für Bewerber mit der Vorbildung des Klägers keine Aussicht einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Unabhängig davon genügen dem Kläger drei Monate Einarbeitszeit nicht, um auf zumutbarer Qualifikationsebene angesetzt zu werden. Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Weitere Verweisungsmöglichkeiten auf der Facharbeiter- oder mindestens auf der oberen Anlernebene, die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die dem Kläger gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihm nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
Saved
Datum