S 7 RJ 1103/99

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 7 RJ 1103/99
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 40jährige Kläger hat vom 27.08.73 - 13.09.76 den Beruf des Schreiners erlernt und bis 31.12.77 ausgeübt. Nach Ableistung des Grundwehrdienstes war er bis 31.12.83 als Möbelmonteur tätig. Im Anschluss daran absolvierte der Kläger eine Umschulung zum Orthopädiemechaniker. Diesen Beruf übte er bis 15.07.95 aus.

Die Beklagte ging im Bescheid vom 18.01.1999 von folgendem Leistungsvermögen aus:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- in geschlossenen, normal temperierten, trockenen Räumen
- ohne überwiegend einseitige Körperhaltung

Im Widerspruchsbescheid vom 25.08.1999 gibt die Beklagte folgendes Leistungsvermögen an:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- ohne häufiges Bücken

Nach dem orthopädisch-rheumatologischen Gutachten von Dr. ^Schwenkert^ vom 20.06.2000 stellt sich die Leistungsfähigkeit des Klägers wie folgt dar:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- in geschlossenen Räumen
- möglichst im Wechsel von Stehen, Sitzen und Gehen
- ohne Haltungskonstanz und Position im Hohlkreuz
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte verweist den Kläger im Bescheid vom 18.01.1999 auf Prüf- und Kontrolltätigkeiten in der Metall- und Kunststoffindustrie. Im Widerspruchsbescheid nennt sie als weitere Verweisungstätigkeiten den angelernten Mechaniker, den Feinmechaniker und Prüfen und Messen von elektrischen Bauteilen oder Prüfen von Dreh-, Stanz-, Gummiform-, Spritz- und Kunststoffgussteilen und Bremsbelägen. Ihrer Anfrage zufolge werden von der Beklagten folgende zumutbare Verweisungstätigkeiten genannt: angelernter Mechaniker, Feinmechaniker, Prüfer von elektrischen Bauteilen. Sie bitten um Mitteilung, ob der Kläger mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen diese Tätigkeiten noch ausüben kann und wie lange die Einarbeitungszeit (mehr oder weniger als drei Monate) ist. Außerdem bitten Sie um Benennung von eventuell weiteren für den Kläger in Betracht kommenden Verweisungsberufe, die dem Leistungsprofil des Klägers noch entsprechen und in einer Einarbeitungszeit von drei Monaten erlernt werden können.

angelernter Mechaniker

Mechaniker ist in der Industrie wie im Handwerk ein Beruf mit 3-jähriger Ausbildung. Er umfasst leichte bis mittelschwere Arbeiten, die in der Regel in geschlossenen Räumen, meist im Gehen und Stehen, aber auch im Sitzen,. z.T. in Zwangshaltung (vornübergebeugte Haltung, u.U. Bücken, Überkopfarbeit) zu verrichten sind. Das Tragen schwerer Werkstücke kann erforderlich sein. Auch bestimmte Montage-, Wartungs- und Reparaturaufgaben können u.U. höhere Anforderungen an die Belastbarkeit stellen. Akkord- und Schichtarbeit oder Arbeit unter Zeitdruck stellt keine Ausnahme dar. Weitere Belastungen entstehen aus dem Umgang mit Lösungs-, Kühl- und Schmiermitteln und durch Lärm. Eine dem Leistungsvermögen des Klägers entsprechende berufliche Alternative ist aus berufskundlicher Sicht als Mechaniker nicht zu sehen.

Feinmechaniker

Die Aufgaben sind insbesondere das Mitwirken bei Entwurf und Entwicklung von Fein- und Feinstgeräten, die Einzelanfertigung von Apparaten, Baugruppen, Maschinen, (nach Zeichnungen, Versuchsmodellen und anderen Vorgaben, Mustern einschl. Werkzeugmustern), der Bau von Mustern, Nullserien, Kleinserien, die Übernahme fachlicher Aufgaben in der Serienfertigung von Apparaten, Baugruppen, Maschinen, die Herstellung, der Umbau, der Zusammenbau von Einzelteilen, das Justieren und Eichen sowie die Kontrolle und die Instandhaltung, Wartung und Reparatur von feinmechanischen Erzeugnissen. Die Arbeiten sind meist körperlich leicht, zeitweise mittelschwer im Wechsel zwischen überwiegendem Stehen und Gehen oder Sitzen in oft vornübergebeugter Haltung mit gelegentlichen Zwangshaltungen wie Bücken, Knien oder Überkopfarbeit. Wechselschicht ist möglich. Teilweise wird im Akkord oder unter akkordähnlichen Bedingungen gearbeitet. Zusätzliche Belastungen entstehen auch hier durch häufigen Kontakt mit Kühlschmiermitteln, Lösungs- oder Reinigungsmitteln, Ölen und Fetten, Lacken und Kunststoffen, Dämpfen oder Metallstaub. Vorausgesetzt wird neben voller Funktionstüchtigkeit der Hände, Arme und Beine gute Hand-Fingergeschicklichkeit und gutes Nahsehvermögen für Fein- und Präzisionsarbeiten. Aufgrund seines beruflichen Werdeganges dürfte für den Kläger zumindest die qualifiziert Angelerntenebene erreichbar sein. Unabhängig davon ist jedoch auch in diesem Bereich eine ständige Rücksichtsnahme auf alle Leistungsminderungen des Klägers nicht möglich.

Prüfer von elektrischen Bauteilen

Prüftätigkeiten kommen in der Elektroindustrie auf den verschiedensten Qualifikationsebenen vor. Dabei sind Bauelemente, Baugruppen, Geräte oder Anlagen auf unterschiedliche Art und Weise - z.B. optisch (u.a. unter der Lupe oder am Mikroskop), mit einfachen Messinstrumenten, an Messgeräten, komplexen Messplätzen oder mit Prüfcomputern nach Schaltplänen, Prüfanweisungen, mit Hilfe von Prüfprogrammen etc. zu kontrollieren.

Auf der Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten gibt es Arbeitsplätze mit nur leichten Belastungen. Meist ist jedoch überwiegend bis nahezu ausschließlich im Sitzen zu arbeiten, wobei es z.B. durch Feinarbeit auf engem Raum, durch Arbeit am Mikroskop oder am Bildschirm zu gewissen Zwangshaltungen im Schulter-Nacken-Bereich und Rücken kommen kann. Bei ggf. erforderlichen Auf- oder Umbau des Messplatzes kann gelegentlich Bücken und Heben und Tragen anfallen.

Notwendig ist in der Regel gutes Nahseh-, Raum- und Farbensehvermögen, beidhändige feinmanuelle Geschicklichkeit und ein hohes Maß an Sorgfalt und Konzentration. Üblicherweise sind Elektronikkenntnisse, Kenntnisse in der Mikroprozessortechnik und ähnliches notwendig. Sofern es sich nicht um einfache Serienprüfungen und Abgleichaufgaben unterhalb der zumutbaren Qualifikationsebene handelt, ist, um mit dem raschen technischen Wandel mithalten zu können, erfahrungsgemäß Anpassungsbereitschaft an neue Entwicklungen und ständige Weiterbildung erforderlich.

Sollte der Kläger über keinerlei Industrieerfahrung verfügen, kann im Rahmen einer dreimonatigen Einarbeitung erfahrungsgemäß nur die Ebene der Anlernberufe erreicht werden. Falls auch noch keine oder nur sehr geringe Elektronikkenntnisse vorhanden sind, die unbedingt notwendig sind, reicht ein Zeitraum von drei Monaten nicht aus bzw. ist der Besuch von Lehrgängen erforderlich. Anzumerken ist, dass der Kläger aufgrund seines beruflichen Werdeganges nicht über Elektronikkenntnisse verfügen dürfte. Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum können bei einer Tätigkeit als Prüfer die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Fachverkäufer für Orthopädietechnik

Aufgrund der zuletzt verrichteten Tätigkeit als Orthopädiemechaniker könnte noch an eine Tätigkeit in der Beratung und im Verkauf z.B. in Sanitätshäusern gedacht werden.

Tätigkeiten im Ladengeschäft sind:
- Entgegennehmen der Kundenaufträge
- Fachliches Bedienen und Beraten der Kunden
- Zeigen der verschiedenen Artikel aus den Bereichen Orthopädie-, Medizin- und Rehabilitationstechnik, Stomaversorgung, Krankenpflege, Miederwaren u.a.
- Erklären ihrer Einsatzmöglichkeiten
- Erteilen fachlicher Auskünfte
- Verkaufen der oben genannten Artikel, einschließlich Kassieren und Verpacken
- Auspacken, Kontrollieren, Auszeichnen sowie fachgerechtes Lagern des Warensortiments
- Mitwirken beim Ausstellen der Waren (Schaufensterdekoration u.ä.)
- Warenpräsentation, Mitwirkung bei der Werbung (effektvoller Einsatz des von den Firmen angebotenen Werbematerials u.ä.)

Tätigkeiten in der Anprobekabine sind:
- Maßnehmen an den Patienten
- Herstellen von Farb- oder Gipsabdrücken
- Anprobieren und Anpassen der in der Werkstatt angefertigten Heil- und Hilfsmittel oder der Verkaufsartikel wie z.B.: Bruchbänder, Leibbinden, Einlagen, Brustprothesen, Miederwaren, Kompressionsstrümpfe, Gesundheitsschuhe u.a.

Nur leichte Belastbarkeit reicht auch für Verkaufstätigkeiten in Sanitätshäusern üblicherweise für die Erledigung aller Aufgaben nicht aus. Stehen und Gehen ist nahezu ausschließliche Arbeitshaltung, Heben und Tragen von Lasten, Bücken und Recken, gelegentlich u.U. sogar Besteigen von Leitern kann nicht ausgeschlossen werden. Auch eine Hebeleistung über Kopf kann bei einer Verkäufertätigkeit auch in diesem Bereich nicht immer vermieden werden. Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch eine gewisse psychische Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen. Aus berufskundlicher Sicht können die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden. Daher ist auch in diesem Bereich keine geeignete berufliche Alternative erkennbar.

Hausmeister

Gedacht werden könnte noch aufgrund des erlernten Berufes des Schreiners an eine Hausmeistertätigkeit. Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf, es gibt kein einheitliches, verbindliches Berufsbild. Gute handwerkliche Kenntnisse und Fertigkeiten werden vorausgesetzt, eine verwertbare handwerkliche Ausbildung (Sanitär-, Heizungs- oder Elektroinstallateur, Schlosser, ggf. auch Schreiner) häufig gewünscht, zum Teil auch verlangt. Die Tätigkeit liegt auf der Ebene der Anlern- und Facharbeiterberufe. Beim Vorliegen einer verwertbaren Ausbildung ist die Tätigkeit oft auch auf Facharbeiterebene entlohnt. Je nach Aufgabenstellung und Vorkenntnissen ist von einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten bis zu einem Jahr auszugehen.

Die Aufgaben eines Hausmeisters variieren je nach Art des zu betreuenden Objekts (Wohnhaus oder -anlage, Büro- und Fabrikgebäude, Schule, Theater, Heime usw.). Dazu gehören: Mängel feststellen und beheben (z.B. an allen elektrischen Anlagen einschließlich Beleuchtungs-, Heizungs- und Sanitäranlagen, an Türen, Fenstern, Möbeln, Aufzügen), ggf. Fremdfirmen einschalten, deren Arbeit überwachen und abnehmen, Wartungsarbeiten und Schönheitsreparaturen durchführen, Reinigungsarbeiten im, ggf. auch außerhalb des Gebäudes vornehmen (z.B. auch Schneeräumen, Streudienst) oder Garten, Grün- und Sportanlagen pflegen, für die Einhaltung von Feuerschutz und sonstigen Sicherheitsbestimmungen sorgen, Mithilfe bei Umzügen, Aufstellen von Sitzgelegenheiten in Sälen etc., Beschilderungen anbringen, auch Botendienste, Wohnungsbesichtigungen mit Mietinteressenten durchführen usw. Abhängig von der Größe des Objekts und der Arbeitsorganisation ist vielfach eine Verschiebung möglich zwischen dem eigentlichen Durchführen der Arbeit und dem Veranlassen der Ausführung durch Fremdfirmen und deren Überwachung. Es handelt sich aber immer um eine selbständige, eigenbestimmte und -verantwortliche Tätigkeit.

Die körperlichen Belastungen sind überwiegend leicht bis mittelschwer, gelegentlich unter Umständen auch schwer. Gehen und Stehen überwiegt bei weitem, Zwangshaltungen (Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit) lassen sich in der Regel ebenso wenig ausschließen wie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Auch Heben, Tragen und Bewegen von schwereren Lasten wird üblicherweise verlangt. Ein Hausmeister sollte daher über einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat verfügen.

Die Leistungsfähigkeit des Klägers entspricht nicht mehr den Anforderungen, die üblicherweise an einen Hausmeister gestellt werden.

Telefonist

In die Überlegungen einbezogen wurde noch die berufsfremde Tätigkeit eines Telefonisten, die zwar von einem Ungelernten - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar ist, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der qualifiziert Angelerntenebene zuzuordnen ist. Die Tätigkeit eines Telefonisten ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen, keinesfalls im Wechsel von Stehen, Sitzen und Gehen ausgeübt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Aus berufskundlicher Sicht ist dem Kläger auch eine Telefonistentätigkeit, die ausschließlich im Sitzen verrichtet wird und keinerlei Möglichkeit zum Stehen und Gehen bietet, nicht mehr uneingeschränkt zumutbar.

Andere Verweisungsmöglichkeiten, die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die dem Kläger gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihm nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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