S 17 RA 537/96

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 17 RA 537/96
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei der Rentenantragstellung 37jährige Klägerin hat nach dem Besuch der Wirtschaftshandelsschule von 1973 - 1977 eine Tätigkeit als Anfangskontoristin verrichtet. Danach war sie bis 1979 als Sekretärin beschäftigt. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit war die Klägerin von Januar 81 bis Januar 1995 als Raumausstatterin/Raumgestalterin selbständig tätig. Neben ihrer selbständigen Tätigkeit hat sie seit 01.07.89 im Einrichtungsgeschäft ihres Ehemannes eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Verkauf, als Kundenberaterin und im Büro verrichtet.

Dr. ^Michael Madlener^ beschreibt in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 10.10.96 folgendes Leistungsvermögen:
- vollschichtig leichtere Arbeiten
- im Gehen, Stehen und Sitzen
- sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen
- ohne Heben und Tragen von Lasten
- ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten
- ohne Arbeiten an Maschinen, die den Einsatz beider Arme verlangten

Möglich sind Arbeiten im EDV-Bereich, soweit die entsprechenden Programme "Maus"-gesteuert und somit einhändig bedienbar sind.

Nach dem psychiatrisch-psychotherapeutisch-sozialmedizinischen Gutachten von Dr. ^Rudelich^ vom 03.02.97 stellt sich die Leistungsfähigkeit wie folgt dar:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen
- in geschlossenen Räumen
- ohne Heben und Tragen von Lasten
- ohne häufiges Bücken
- ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten
- ohne Arbeiten an Maschinen, die den Einsatz beider Arme verlangen

Arbeiten eines Einhändigen sind möglich.

Nach dem neurochirurgischen Fachgutachten von Dr. ^Kast^ vom 20.12.99 ist von folgendem Leistungsvermögen auszugehen:
- vollschichtig leichtere Tätigkeiten
- im Gehen, Stehen und Sitzen
- sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen

Es können nur Tätigkeiten verrichtet werden, die ausschließlich mit dem rechten Arm durchgeführt werden. Vorstellbar ist eine überwiegend sitzende Tätigkeit, z.B. im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Beantwortung folgender Fragen:

1. In welchem Beruf hat die Klägerin ihr höchstes Qualifikationsniveau im Verlauf ihres Erwerbslebens erreicht? Welche Berufsbezeichnung ist dieser Tätigkeit zuzuordnen? Handelt es sich bei dieser beruflichen Tätigkeit um eine Tätigkeit der Klägerin als Ungelernte, als Angelernte oder als Facharbeiterin?

2. Kann die Klägerin noch in den früher ausgeübten Tätigkeitsbereichen arbeiten? Gegebenfalls: Was steht einer entsprechenden Berufsausübung entgegen?

3. Kann die Klägerin im Büro oder sonstigen Innendienst (z.B. Registratur, Archiv), wie sie im öffentlichen Dienst in Vergütungsgruppe IX BAT vergütet werden, arbeiten (vgl. Widerspruchsbescheid vom 21.08.1996)? Gegebenfalls: Was steht einer entsprechenden Tätigkeit entgegen?

4. Sofern die unter 2. und 3. genannten Tätigkeiten ausscheiden: Welche Tätigkeiten kommen für die Klägerin mit ihrem Leistungsprofil in Betracht? Gibt es solche Tätigkeiten in nennenswertem Umfang oder sind sie für betriebsfremde leistungsgeminderte Versicherte nicht in nennenswertem Umfang zugänglich?

Bei der Beantwortung der Fragen ist die erworbene berufliche Qualifikation und das gesundheitliche Leistungsvermögen der Klägerin zugrunde zu legen. Es wird gebeten, jeweils die Anforderungen der erörterten Berufe und auch die tarifliche Einstufung darzulegen. Auch wird um Erläuterung gebeten, ob es sich um "Schonarbeitsplätze" handelt.

zu Frage 1:

Die Klägerin hat keinen Beruf erlernt, konnte jedoch aufgrund des Besuches der Wirtschaftshandelsschule im Anschluss daran die Tätigkeit einer Anfangskontoristin (eine Bezeichnung, die heute nicht mehr verwendet wird) ausüben. Aus berufskundlicher Sicht ist diese Tätigkeit am ehesten vergleichbar mit dem früher existierenden zweijährigen Ausbildungsberuf der Bürogehilfin, der am 13.02.1991 aufgegangen ist in den dreijährigen Ausbildungsberuf der Kauffrau für Bürokommunikation.

Der erfolgreiche Handelschulbesuch von wenigstens zwei Jahren konnte bei einer Ausbildung zur Bürogehilfin mit 1 Jahren angerechnet werden. Bürogehilfinnen führten büromäßige Arbeiten in der kaufmännischen Verwaltung von Betrieben der gewerblichen Wirtschaft, aber auch des Handwerks aus.

Nach Arbeitgeberauskunft vom 10.08.1996 (Bl. 312 ff. der Gerichtsakten) war die Klägerin vom 01.09.1973 - 31.12.1976 als Schreibkraft tätig und hat Briefe nach Steno- und Phonodiktat gefertigt und Karteiarbeiten erledigt.

Im Laufe ihres Berufslebens war die Klägerin als Sekretärin tätig und hat nach eigenen Angaben (Bl. 277 der Gerichtsakten) im Geschäft ihres Mannes folgende Büroarbeiten erledigt: Bestellungen bei Lieferanten, Überprüfungen von Auftragsbestätigungen, Schreiben von Rechnungen, sonstiger Schriftverkehr, buchhalterische Vorbereitungen und Abwicklungen. Besonders komplizierte Sachen hätte ihr Mann übernommen.

Aus berufskundlicher Sicht ist die Klägerin aufgrund der von ihr verrichteten kaufmännischen Tätigkeiten als zweijährig ausgebildete Fachkraft einzustufen.

Nach der Gewerbeabmeldung vom 02.01.1995 (Bl. 19 Beklagtenakte) hat die Klägerin ein Raumgestaltungsgeschäft geführt. Als Tätigkeiten wurden in dieser Abmeldung die Beratung, der Verkauf und die Dekoration angegeben.

Ebenfalls nach eigenen Angaben (Bl. 15 Gerichtsakte) wurden von der Klägerin in der Firma ihres Ehemannes Kundenberatungsgespräche geführt, einfachere Planungsentwürfe gefertigt sowie leichtere handwerkliche Tätigkeiten verrichtet.

Raumgestaltung wird auf der obersten Qualifikationsstufe von Innenarchitekten verrichtet. Die Berufsaufgaben der Innenarchitekten und Innenarchitektinnen sind durch die Architektengesetze der Bundesländer geregelt. Ihre Berufsaufgabe ist demnach die gestaltende, baukünstlerische, technische, wirtschaftliche, ökologische und soziale Planung von Innenräumen und die damit verbundene bauliche Änderung von Gebäuden. Darüber hinaus gilt vor allem die Gestaltung von Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen als klassisches Arbeitsgebiet speziell der Innenarchitektur.

Innenarchitekten und Innenarchitektinnen sind für den Raum bildenden Ausbau und konstruktiven Innenausbau zuständig. Sie planen und gestalten Räume bzw. Raumkonzepte für den privaten, den öffentlichen und den geschäftlichen Bereich, einschließlich der Entwurfs- und Ausführungsplanung. Innenarchitekten und Innenarchitektinnen müssen viele Faktoren in ihre Planungen einbeziehen, beispielsweise vorgegebenene Gebäudestrukturen, funktionsbezogene Raumzuordnungen, Raumproportionen, Materialien und Farben, haustechnische Anlagen, optimale Beleuchtung oder auch die Außenräume. Sie sind an der Vorbereitung und Vergabe von Bauleistungen beteiligt und in der Funktion als Bauleiter/in überwachen sie die Ausführung der Arbeiten. In der Phase der Objektbetreuung und Dokumentation sorgen sie zum Beispiel dafür, dass Mängel beseitigt werden oder stellen alle zeichnerischen Darstellungen und rechnerischen Ergebnisse eines Objekts systematisch zusammen.

Je nach Auftrag oder beruflichem Ansatz entwerfen sie auch Möbel, Leuchten, Bau- und Innenausbauelemente, sind im Industriedesign, Messebau, für Ausstellungen oder in der Einrichtungsberatung tätig.

In der Regel wird für den Zugang zur Tätigkeit ein abgeschlossenes Studium der Innenarchitektur an Fachhochschulen bzw. Universitäten vorausgesetzt.

Als Zugangsalternativen für Aufgaben im Bereich Ausbau kommen insbesondere auch Architekten und Architektinnen in Frage, für Aufgaben im Design von Möbeln und Einrichtungsgegenständen auch Diplom-Designerinnen. Aus berufskundlicher Sicht dürfte die Klägerin die Qualifikationsstufe einer Innenarchitektin aufgrund der mir vorliegenden Akten nicht erreicht haben.

Raumausstatterin ist ein handwerklicher Beruf mit dreijähriger Ausbildung. Raumausstatterinnen sind zuständig für die Gestaltung und Ausstattung von Räumen mit Bodenbelägen, Dekorationen, Wandbekleidungen und Polstermöbeln. Raumausstatterinnen beraten Kunden über die Ausstattung von Wohn- und Geschäftsräumen. Sie planen die Raumausstattung und bereiten sie vor; beispielsweise wählen sie die Materialien aus und ermitteln die Kosten. Sie verlegen Bodenbeläge und bekleiden Wände und Decken mit Stoffen und Tapeten. Sie führen Fenster- und Raumdekorationen durch und stellen Polstermöbel her und reparieren diese.

Die Klägerin hat diesen Beruf nicht erlernt. Üblicherweise wird für den Zugang zur Tätigkeit einer Raumausstatterin eine abgeschlossene Berufsausbildung als Raumausstatterin vorausgesetzt. Aufgrund teilweise gleicher oder ähnlicher Tätigkeiten können im Einzelfall auch andere Beschäftigte aus den verwandten Bereichen Möbelpolsterung, Dekoration und Raumgestaltung Zugang zur Tätigkeit haben. Fehlende Kenntnisse können dabei durch Einarbeitung bzw. Anlernen nachgeholt werden. Die Klägerin war vor Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit auch nicht in einem verwandten Bereich beschäftigt. Da die Klägerin in der Beratung, im Verkauf und in der Dekoration tätig war, wäre sie am ehesten dem Berufsbild des 2jährig ausgebildeten Verkäufers zuzuordnen.

Die Aufgaben eines Verkäufers in Einrichtungshäusern sind:
- Ermitteln der Kundenwünsche, - probleme, - ansprüche
- Zeigen, Vorführen von Möbeln, deren Verwendung, Gebrauch und Stellmöglichkeiten
- Unterbreiten (ggf. zeichnerisch) von Vorschlägen für die Wohnraumgestaltung
- Beraten über die Lieferprogramme diverser Hersteller
- Erläutern der Verarbeitungsqualitäten und Preisunterschiede
- Beraten in Farb-, Stil- und Qualitätsfragen
- ggf. Aufnehmen von Raummaßen bei Kunden "vor Ort"
- Führen von speziellen Beratungsgesprächen bezüglich Innendekoration, Sonderwünschen, veränderten Bedürfnissen, neuen Einrichtungstrends, Materialien und Farbgebungen, Veränderungen der Wohnsituation
- Erarbeiten von Angeboten und Kostenvoranschlägen, ggf. Beraten über Zahlungsabwicklungen, Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. Raten-Kredite)
- Informieren, Beraten über Lieferzeiten, Termine und Leistungen
- ggf. Bestellen von Polstermöbeln bei Herstellern/Lieferanten
- Vereinbaren von Lieferterminen in Abstimmung mit Kunden, Lager, Lieferpersonal, ggf. Mö- belspeditionen
- ggf. Mitwirken bei der Sortimentsgestaltung, Warenpräsentation
- Durchführen von Verkaufsförderungsmaßnahmen, Werbung, Mitwirken an Marketing-Maßnahmen, Beobachten des Kaufverhaltens und Steuerung des Verkaufs
- Erstellen der Verkaufsabrechnung
- Bearbeiten anfallender Aufgaben im Rechnungs- und Personalwesen
- Durchführen sonstiger Verwaltungsarbeiten
- Preise kalkulieren, Kosten berechnen, statistische Arbeiten durchführen.

Aus berufskundlicher Sicht ist die Klägerin als zweijährig ausgebildete Fachkraft einzustufen.

zu Frage 2:

Die von der Klägerin verrichteten kaufmännischen Tätigkeiten werden überwiegend am PC verrichtet. Arbeiten am PC erfordern üblicherweise uneingeschränkte Funktionstüchtigkeit beider Arme, da Schreibarbeiten mit der Tastatur zu erledigen sind. Entsprechende Programme, die ausschließlich "Maus"-gesteuert und somit einhändig bedienbar sind, sind bei Erledigung dieser Arbeiten nicht üblich. Aus berufskundlicher Sicht entspricht das Leistungsvermögen der Klägerin für kaufmännische Arbeiten nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Die Tätigkeit einer Raumausstatterin ist üblicherweise überwiegend mittelschwer, zeitweise auch schwer. Heben und Tragen von schweren Lasten kann nicht vermieden werden. Die Arbeiten werden überwiegend im Stehen, aber auch im Sitzen verrichtet. Zwangshaltungen, vor allem Bücken, Knien, auch Hocken und Überkopfarbeiten sind neben Arbeiten auf Leitern und Gerüsten erforderlich. Das Leistungsvermögen der Klägerin für eine Tätigkeit als Raumausstatterin entspricht ebenfalls nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Bei der Tätigkeit einer Verkäuferin in Einrichtungshäuser ist in Spezialgeschäften die Kundenberatung in wechselnder Körperhaltung möglich. Insgesamt lassen sich bei Verkaufstätigkeiten Heben und Tragen von Lasten bei der Gestaltung des Verkaufsraumes und der Warenpräsentation in der Regel nicht vermeiden, auch Bücken, Arbeit auf Leitern und Überkopfarbeit kann erforderlich sein. Auch in Einrichtungshäusern kann es vorkommen, dass Verkäufer beim Transport und dem Aufstellen der Ausstellungsstücke und bei sonstigen Dekorationsarbeiten mitarbeiten. Allerdings treten diese Belastungen nicht ausnahmslos in allen Häusern und wenn, dann nicht allzu häufig auf.

Zwischenzeitlich ist der Einsatz von EDV auch in Einrichtungshäuser bei der Auftragsentgegennahme bzw. -abwicklung üblich. Daten des Kunden bzw. der zu bestellenden Ware sind in den PC einzugeben. Dies erfolgt üblicherweise mit der Tastatur. Es ist zwar vorstellbar, diese Daten auch mit einer Hand einzugeben, jedoch dürfte es üblicherweise von Arbeitgebern nicht toleriert werden, da es dadurch zu Verzögerungen kommt und dies nicht zur Kundenzufriedenheit führt. Insgesamt entspricht das Leistungsvermögen der Klägerin auch für eine Tätigkeit als Verkäuferin nicht mehr den üblichen Anforderungen.

zu Frage 3:

Mitarbeiter in einer Registratur oder in einem Archiv sind verantwortlich für das Registrieren und Archivieren von Akten und anfallendem Schriftverkehr, Vergeben von Aktenzeichen entsprechend den geltenden Aktenplänen und von fortlaufenden Aktennummern sowie das Anlegen von Neuakten unter Beachtung der Aktenordnung und Aussondern von Altakten unter Beachtung von Aufbewahrungsfristen. Ebenso werden die Terminüberwachung und allgemeine Verwaltungsarbeiten im Bereich der Aktenhaltung und Registratur von ihnen erwartet.

Arbeiten in einer Registratur können sowohl auf der kurzfristig Angelernten- bis hin zur qualifiziert Angelerntenebene erfolgen.

Im BAT sind Angestellte in Büro-, Registratur-, Buchhaltereidienst usw. mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit in VergGr. X, mit einfacheren Tätigkeiten in VergGr IXb und mit - gemessen an den vorgenannten - schwierigeren Tätigkeiten in VergGr. VIII eingruppiert.

Die Belastungen bei Arbeiten in einer Registratur oder in einem Archiv sind üblicherweise zumindest zeitweise bis mittelschwer. Eine wechselnde Körperhaltung ist möglich, jedoch wird Bücken, Hantieren über Kopfhöhe und z.T. Besteigen von kleinen Leitern verlangt. Die volle Funktionstüchtigkeit beider Arme ist für Arbeiten in einer Registratur oder in einem Archiv erforderlich. Das Leistungsvermögen der Klägerin entspricht auch für diese Tätigkeiten nicht mehr den üblichen Anforderungen.

zu Frage 4:

Gedacht werden könnte an die Tätigkeit einer Telefonistin, da grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Person, der nur noch Arbeiten einer Einhändigen möglich sind, den Beruf der Telefonistin ausübt.

In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Üblicherweise werden für die Tätigkeit einer Telefonistin beide Hände benötigt. Falls der Arbeitsplatz, wie in der Regel in größeren Telefonzentralen z.B. bei Behörden, mit einem Kopfhörer ausgestattet ist, kann aus berufskundlicher Sicht auch eine Person, der nur noch Arbeiten einer Einhändigen möglich sind, eine "reine" Telefonistinnentätigkeit verrichten. Voraussetzung ist jedoch, dass die gesunde Hand so geschickt und belastbar ist, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Da die "reine" Telefonistentätigkeit ausschließlich im Sitzen verrichtet wird, kann das von Dr. ^Rudelich^ in seinem psychiatrisch-psychotherapeutisch-sozialmedizinischen Gutachten vom 03.02.97 genannte Erfordernis von abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen nicht berücksichtigt werden. Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Bei Arbeitsplätzen für Telefonistinnen in Unternehmen, die in Kombination mit Auskunfts-, Informations- oder Besucherempfangsstellen existieren, werden üblicherweise keine Kopfhörer, sondern Telefonhörer benutzt. Aus berufskundlicher Sicht kommt eine Person, der nur noch Arbeiten einer Einhändigen möglich sind, für solche Mischtätigkeiten nicht infrage.

Wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist, ist die Tätigkeit einer Telefonistin zwar von einer Ungelernten in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der qualifiziert Angelerntenebene zuzuordnen.

Die Tätigkeit einer Telefonistin ist u.a. in folgenden Tarifverträgen zu finden:

a. Gehaltstarifvertrag für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern, Beschäftigungsgruppe II = abgeschlossene kaufmännische Ausbildungszeit mit bestandener Abschlussprüfung oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem artverwandten auch gewerblichen Beruf mit bestandener Abschlussprüfung, wenn die Tätigkeit im Zusammenhang mit dieser Berufsausbildung steht.

= Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten, z.B. Telefonistin

b. Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie, Entgeltgruppe E4 = Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine abgeschlossene 2-jährige Berufsausbildung erworben werden oder Arbeitnehmer, die gleich zu bewertende Tätigkeiten verrichten, z.B. das Herstellen von Fernsprechverbindungen in einer Telefonzentrale.

c. Tarifvertrag der bayerischen Metallindustrie, Gehaltsgruppe II = Tätigkeiten unterschiedlicher Art, die nach Anweisung ausgeübt werden, z.B. Bedienen von Fernsprechanlagen. Sie erfordern Kenntnisse, wie sie in der Regel durch eine einschlägige 2jährige Berufsausbildung mit Abschluss erworben werden oder gleichwertige auf andere Weise erworbene Kenntnisse.

d. Gehaltstarifvertrag für die Angestellten des Speditions- und Transportgewerbe in Bayern, Gehaltsgruppe 2 = Angestellte, die Kenntnisse und Fähigkeiten haben, wie sie im allgemeinen durch eine kaufmännische oder technische Berufsausbildung erworben werden, z.B. Telefonist.

Anzumerken ist noch, dass verbindliche Tarifauskünfte nicht zum Aufgabengebiet der Bundesanstalt für Arbeit gehören.

Sie konnten bisher von den jeweiligen Tarifpartnern, den Auskunfts- und Beratungsstellen der Arbeitsgerichte und den Tarifauskunftsstellen der Bezirksregierung eingeholt werden.

Die bei den Bezirksregierungen angesiedelten Tarifauskunftsstellen wurden zum 01.07.2000 aufgelöst. Bei den Arbeitsgerichten werden Auskünfte über den Inhalt von Tarifverträgen nur noch im Vorfeld einer beabsichtigten Klage erteilt. Nach Mitteilung des Bayerischen Staatsministerium vom 05.07. und 5.10.2000 werden Tarifauskünfte zukünftig vom Deutschen Gewerkschaftsbund/Landesbezirk Bayern und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft ausschließlich deren Mitglieder erteilt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, Tarifauskünfte bei einem Rechtsanwalt gegen Gebühr einzuholen.

Andere Tätigkeiten, die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die der Klägerin gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihr nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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