S 25 RJ 1486/97

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 25 RJ 1486/97
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 36jährige Kläger hat von 09/75 - 09/78 den Beruf des Landschaftsgärtners erlernt und anschließend ausgeübt. Von 03/82 - 10/86 war er als Baufachwerker und anschließend bis 10/88 als Handwerkerhelfer tätig. Ab 03/90 hat der Kläger wieder eine Beschäftigung in seinem erlernten Beruf als Gärtner verrichtet.

Die Beklagte ging im Bescheid vom 21.10.96 davon aus, dass der Kläger in der Lage ist, in seinem Lehrberuf als Gärtner sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichtere bis mittelschwere Arbeiten (ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne Zeitdruck, ohne Überkopfarbeit) vollschichtig zu verrichten.

Nach dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. ^Paech-Unglert^ vom 10.09.1998 stellt sich die Leistungsfähigkeit des Klägers wie folgt dar:
- vollschichtig leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten
- im Gehen, Stehen und Sitzen
- ohne häufiges schweres Heben und Tragen sowie Bücken
- ohne Tätigkeiten, die häufig ungeschützt unter Einwirkung von Kälte, Nässe und Zugluft sowie bronchialreizenden Stoffen erfolgen
- ohne ständig mit Zeitdruck, Akkord- oder Fließbandbedingungen
- ohne erhöhte Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, die Konzentrationsfähigkeit, die Reaktionsfähigkeit, die Ausdauer und die geistige Beweglichkeit
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Mitteilung, welche Berufstätigkeiten der Kläger im berufsnahen Bereich des Garten- und Landschaftsbaus im Hinblick auf seine Ausbildung, seine bisherige Tätigkeit und seines gesundheitlichen Leistungsvermögens noch verrichten kann. Außerdem bitten Sie u.a. dabei auf die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten (Bl. 101 der Klageakte) einzugehen.

Dr. ^Schmidt^, Leiter der Abt. für Sozialmedizin der Beklagten, nennt in seiner Stellungnahme vom 02.10.1998 (Bl. 101 der Klageakte) Beschäftigungen z.B. innerhalb eines Gartencenters mit Bestandsbetreuung, Beratung und Verkauf. Gleiches gelte für Betätigungen in Blumengeschäften oder im Rahmen der Grabpflege u.a. Gärtner ist ein dreijähriger Ausbildungsberuf mit sieben Fachrichtungen (Baumschule, Friedhofsgärtnerei, Garten- und Landschaftsbau, Gemüsebau, Obstbau, Staudengärtnerei und Zierpflanzenbau).

Der Kläger hat offenbar den Beruf Gärtner Fachrichtung Garten und Landschaftsbau erlernt und war als Landschaftsgärtner tätig.

Das Arbeitsgebiet eines Landschaftsgärtners umfasst Bau und Pflege, Umgestaltung und Sanierung von:
- Hausgärten und anderen Außenanlagen im Wohnungsbau, an öffentlichen Bauten bzw. in Industrie- und Gewerbegebieten
- Grünanlagen, Parks und Friedhöfen
- Verkehrsbegleitgrün
- Schutzpflanzungen und -einrichtungen, ingenieurbiologischen Sicherungsbauweisen
- Innenraum- und Bauwerksbegrünung
- Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen
- Steh- und Fließgewässer

Außerdem arbeiten die Landschaftsgärtner im Natur- und Umweltschutz sowie in der Landschaftspflege.

Dabei werden u.a. folgende Tätigkeiten ausgeführt:
- Baustellen vorbereiten und einrichten
- Erd- und Oberbodenarbeiten; Boden pflegen und sanieren
- Be- und Entwässerungsmaßnahmen durchführen
- Wege und Plätze bauen; befestigte Flächen herstellen
- Stein-, Holz- und Metallarbeiten (z.B. bei Mauern und Treppen, Pergolen und Zäunen sowie Wasseranlagen)
- Pflanzen unter Beachtung ihrer Ansprüche und Qualitätsstandards verwenden
- Vegetationstechnische Arbeiten (z.B. pflanzen und säen)
- Entwicklungs- und Unterhaltungsarbeiten; Pflegemaßnahmen durchführen
- Bäume pflegen und sanieren.

Verkäufer

Einzelhandelsgärtnereien, Gartenbaumschulen und Gartencenter bieten neben einem umfangreichen Sortiment an Pflanzen und Gartenzubehör auch eine fachkundige Beratung und entsprechende Serviceleistungen an. In diesen Bereichen besteht aufgrund der vielseitigen Interessen der Privatkunden ein zunehmender Fachkräftebedarf.

In Blumengeschäften erfolgt der Verkauf in der Regel durch Floristen. Es handelt sich um einen Beruf mit dreijähriger Ausbildung. Anzumerken ist, dass in diesem Beruf überwiegend weibliche Beschäftigte zu finden sind.

Die Tätigkeit beinhaltet insbesondere:
- Erkennen und Beurteilen der Kundenwünsche, fachliches Beraten
- Binden von Sträußen im Verkauf
- Bedienen von Kunden, Verkaufen
- Verpacken, Kassieren
- Mitarbeiten in der Blumengeschenkvermittlung
- Herrichten der Ware für den Verkauf, Warenpflege im Verkaufsraum
- Preisermittlung und -auszeichnung

Es handelt sich im wesentlichen um Handarbeit (Binden von Sträußen) um das Herstellen floristischer Werkstücke (z.B. Kränze), häufig mit Hilfe von scharfen Werkzeugen und Hilfsmitteln (Schere, Messer und Bindedraht).

Die Arbeiten sind leicht, gelegentlich mittelschwer und werden überwiegend im Stehen im Wechsel mit Gehen (z.B. Fertigen von Tischschmuck, Pflegen von Pflanzen) verrichtet. Zeitdruck kann nicht ausgeschlossen werden.

Notwendig für diese Tätigkeit ist Sinn für die ästhetische Wirkung von Formen und Farben (Zusammenstellen von Sträußen, Gestecken u.ä.), Hand- und Fingergeschicklichkeit (Umgang mit empfindlichem Material) und Merkfähigkeit.

Voraussichtliche körperliche Nichteignung für diese Tätigkeit besteht u.a. bei Funktionsstörungen der Hände, Arme, Beine oder der Wirbelsäule, chronischer Erkrankungen der Atemwege, Allergieneigung und bei Alkohol- oder Drogenabhängigkeit.

Unabhängig vom Leistungsvermögen bzw. einer Eignung des Klägers für den Verkauf in Blumengeschäften dürften dem Kläger, der den Beruf des Gärtners Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau erlernt und ausgeübt hat, aus berufskundlicher Sicht ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum nicht ausreichen. Gärtner können in diesen Bereich durchaus einen Ansatz finden, bevorzugt jedoch Gärtner der Fachrichtung Zierpflanzenbau bzw. Friedhofsgärtnerei.

Verkäufer ist im Einzelhandel ein Beruf mit 2-jähriger, im Großhandel mit dreijähriger Ausbildung. Arbeitsplätze existieren jeweils in nennenswerter Zahl und sind auch Außenstehenden zugänglich.

In Gartencentern o.ä., die die Waren hauptsächlich in Selbstbedienung anbieten, ist immer wieder mit der Überforderung der Leistungsfähigkeit des Klägers zu rechnen. Der wesentliche Teil, der Aufgaben besteht in der Betreuung des Verkaufsraumes bzw. der Verkaufsfläche im Freien einschließlich Auffüllen der Regale, Stapeln der Waren auf dem Boden etc., Auszeichnen usw. Die Arbeiten sind leicht bis mittelschwer, z.T. aber auch gelegentlich schwer. Insbesondere fällt Heben und Tragen von Lasten sowie Bücken an, wenn auch nicht unbedingt jeden Tag gleichbleibend häufig. In erheblichem Umfang ist dies jedoch erfahrungsgemäß z.B. bei der Annahme von Lieferungen, beim Durchführen von Sonderverkaufsaktionen o.ä. erforderlich. Nahezu ausschließlich wird Gehen und Stehen verlangt, z.T. außerdem zeitweise Besteigen von Leitern.

Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen. Ob der Kläger die persönlichen Mindestvoraussetzungen mitbringt kann nicht beurteilt werden. Anzumerken ist, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. ^Paech-Unglert^ vom 10.09.98 nur noch Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, die Konzentrationsfähigkeit, die Reaktionsfähigkeit, die Ausdauer und die geistige Beweglichkeit verrichten kann.

Bei persönlicher Eignung können Grundkenntnisse häufig in ca. 6 Wochen vermittelt werden. Der zur vollständigen Einarbeitung eines Facharbeiters mit branchenspezifischen Vorkenntnissen erforderliche Zeitraum beträgt jedoch üblicherweise drei bis sechs Monate.

Zu den Aufgaben eines Fachverkäufers in Baumschulen gehört der Verkauf von Pflanzen des jeweiligen Sortiments; ggf. auch der Verkauf von Saaten, Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Daneben ist der Fachverkäufer zuständig für die Sortierung, Aufbereitung und fachgerechte Pflege der Ware. Außerhalb der grünen Verkaufssaison müssen auch übliche gärtnerische Arbeiten ausgeführt werden.

Die Tätigkeit eines Fachverkäufers wird im Gehen und Stehen verrichtet. Bei den üblichen gärtnerischen Arbeiten kann es bis zu schweren Belastungen kommen. Häufiges Bücken und Arbeiten mit vornübergebeugtem Oberkörper (z.B. beim Graben, Hacken und Harken) ist erforderlich. Gelegentlich kommt es auch zu anderen Zwangshaltungen wie Knien, Hocken, Überkopfarbeiten.

Wesentliche körperliche Eignungsvoraussetzungen sind u.a.:
- gute Körperkraft
- funktionsfähige Gliedmaßen
- Fähigkeit für beidhändiges Arbeiten
- Belastbarkeit der Wirbelsäule

Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum entspricht das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Anzumerken ist , dass seit dem 12. Juli 1994 eine Prüfung zum "Geprüften Kundenberater - Gartenbau" existiert , da - wie bereits ausgeführt - Einzelhandelsgärtnereien, Gartenbaumschulen und Gartencenter neben einem umfangreichen Sortiment an Pflanzen und Gartenzubehör auch eine fachkundige Beratung und entsprechende Serviceleistung anbieten und in diesen Bereichen aufgrund der vielseitigen Interessen der Privatkunden ein zunehmender Fachkräftebedarf besteht.

Aufbauend auf das fachliche Wissen und Können, das in einer gärtnerischen Berufsausbildung und einer mindestens einjährigen Berufspraxis in Betrieben des Gartenbaues erworben wurde, kann die Prüfung zum Kundenberater - Gartenbau abgelegt werden. Zur Vorbereitung werden 6-monatige Lehrgänge durchgeführt, in die auch Betriebspraktika eingebunden sind. Inhalte dieser Maßnahme sind Warenkunde und Dienstleistungen, Kundenberatung und Verkauf, Markt und Betrieb.

Für Kundenberatung im besonderen Fach- und Großhandel (z.B. Blumen- und Gärtnereigroßhandel) trifft es vielfach zu, dass der Verkauf im Verkaufsraum oder sogar am Schreibtisch anhand von Listen, Katalogen oder über ein ComputerTerminal abgewickelt und eine strikte Trennung zum Lager eingehalten wird.

Diese Tätigkeit beinhaltet in der Regel keine Belastungen, denen der Kläger physisch nicht mehr gewachsen ist. Anzumerken ist, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. ^Paech-Unglert^ vom 10.09.98 nur noch Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, die Konzentrationsfähigkeit, die Reaktionsfähigkeit, die Ausdauer und die geistige Beweglichkeit verrichten kann.

Arbeitgeberbefragungen und vermittlerische Erfahrungen zufolge wird außerdem üblicherweise den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten größere Bedeutung als dem produktbezogenen Wissen zugemessen und kaufmännisch ausgebildeten Personal (vor allem Groß- oder u.U. auch Einzelhandelskaufleute) beschäftigt. Aufgrund seines beruflichen Werdeganges verfügt der Kläger nur über begrenzte warenkundliche Kenntnisse. Ein Einarbeitungszeitraum von drei Monaten ist daher bei weitem zu kurz.

Vertriebsbeauftragter Außendienstmitarbeiter,

Aufgrund der Fachkenntnisse pflanzlicher/gärtnerischer Produkte, Betriebsmittel, Maschinen, Geräte, der Anwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln u.ä. könnte an die Tätigkeit eines Vertriebsbeauftragten z.B. für Gartenbedarfsartikel, Düngemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel, Maschinen und technisches Gerät für Gartenbau, Gewächshäuser gedacht werden.

Diese Tätigkeit wird überwiegend im Außendienst verrichtet und ist meist stark stressbelastet. Die damit verbundenen u.U. erheblichen Fahrleistungen gehen durch Sitzen in weitgehend statischer Haltung erfahrungsgemäß mit Wirbelsäulenbelastungen im Rücken und Schulter-Nacken-Bereich einher. Anzumerken ist, dass nach dem Gutachten von Dr. ^Paech-Unglert^ vom 10.09.98 der Kläger aufgrund des zeitweiligen Drogenkonsums nicht auf das Fahren eines Kfz angewiesen sein sollte.

Heben und Tragen von schwereren Lasten kann gelegentlich erforderlich sein (Mitführung von Demonstrationsstücken, Werbematerial etc.). Arbeitsplätze gibt es in genügend großer Zahl; sie sind auch Außenstehenden -auch aus dem produktspezifischen gewerblichen Bereich
- zugänglich. Allerdings genügt ein Zeitraum von maximal drei Monaten zur Einarbeitung üblicherweise nicht, um neben den vertieften warenkundlichen Kenntnissen das notwendige kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Wissen und ausreichende verkaufstechnische Fertigkeiten zu erweben.

Beschäftigungsalternativen lt. gabi 051

Den Akten sind Auszüge aus der "gabi" (Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen - Ausgabe Oktober 1982) zur Berufsordnung 051 (Gärtner/Gärtnerin) beigefügt.

Die zahlreichen Tätigkeiten wurden - soweit noch nicht an anderer Stelle genannt - in die Überlegungen einbezogen und u.a. mit Hilfe der Angaben zur Verwandtschaft zum Ausgangsberuf und zur erforderlichen Einarbeitung/Zusatzbildung unter dem Aspekt der speziell beim Kläger vorhandenen Vorkenntnisse und seines Leistungsvermögens auf ihre gesundheitliche und soziale Zumutbarkeit hin überprüft. Verweisungsmöglichkeiten, die im Fall des Klägers die Leistungsfähigkeit nicht in mindestens einer Hinsicht überfordern und die gleichzeitig nicht mehr als eine maximal dreimonatige Einarbeitung erfordern, können aus berufskundlicher Sicht nicht benannt werden.

Andere Berufstätigkeiten im berufsnahen Bereich des Garten- und Landschaftsbaus, die der Kläger im Hinblick auf seine Ausbildung, seine bisherige Tätigkeit und sein gesundheitliches Leistungsvermögen noch verrichten kann, in die er sich bei Anlerntätigkeiten in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten einarbeiten kann und für die ausreichend Arbeitsplätze vorhanden sind, können aus berufskundlicher Sicht nicht aufgezeigt werden.

Anzumerken ist noch, dass verbindliche Tarifauskünfte nicht zum Aufgabengebiet der Bundesanstalt für Arbeit gehören. Sie können jedoch von den jeweiligen Tarifpartnern, den Auskunfts- und Beratungsstellen der Arbeitsgerichte und den Tarifauskunftsstellen der Bezirksregierung eingeholt werden.
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