S 31 RA 1117/97

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 31 RA 1117/97
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei der Rentenantragstellung 48jährige Klägerin hat von 16.12.62 - 31.07.67 eine Tätigkeit als Haushaltshilfe ausgeübt. Von 03.04.67 -24.02.69 absolvierte sie eine Ausbildung in der Altenkrankenpflege und war anschließend im erlernten Beruf bis 22.02.73 tätig. Von 01.10.74 - 31.12.78 war die Klägerin als Kassiererin beschäftigt. Ab 01.10.80 hat sie erneut eine Beschäftigung als Krankenpflegehelferin verrichtet. Ab 10.03.1997 bestand Arbeitsunfähigkeit.

Nach dem fachchirurgisch-orthopädischen Gutachten vom 13.04.98 von Dr. ^Lange^ stellt sich die Leistungsfähigkeit der Klägerin wie folgt dar:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- in geschlossenen Räumen, kurzfristig im Freien
- im Wechsel der Arbeitsposition (Gehen, Stehen, Sitzen); der gelegentliche Wechsel der Arbeitsposition sollte gewährleistet sein mit leicht akzentuierend sitzender Tätigkeit
- ohne Heben und Tragen von Lasten über 5kg
- ohne häufiges Bücken
- ohne Arbeiten an Maschinen und am Fließband

Dr. ^Lange^ gibt in seinem Gutachten außerdem an, dass häufiges Treppensteigen sowie häufiges Besteigen von Leitern und Gerüsten entfallen müssen.

In ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 15.10.98 gibt Dr. ^Paech-Unglert^ an, dass die Klägerin keine Tätigkeiten mehr ausüben sollte, die ständig mit hohem Zeitdruck verbunden sind, unter Akkord- und Fließbandbedingungen erfolgen.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte verweist die Klägerin sowohl im Bescheid vom 02.01.97 auf eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte im Innendienst (BAT IX) und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Im Widerspruchsbescheid vom 05.09.97 konkretisiert die Beklagte die Verweisungstätigkeit und nennt z.B. einen Ansatz in einer Registratur bzw. einem Archiv.

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Mitteilung, ob die Klägerin mit den im medizinischen Gutachten, genannten Einschränkungen im Verweisungsberuf tätig sein kann.

Arbeiten in einer Registratur können sowohl auf der kurzfristig Angelernten- bis hin zur qualifiziert Angelerntenebene erfolgen.

Im BAT sind Angestellte in Büro-, Registratur-, Buchhaltereidienst usw. mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit in VergGr. X, mit einfacheren Tätigkeiten in VergGr IXb und mit - gemessen an den vorgenannten - schwierigeren Tätigkeiten in VergGr. VIII eingruppiert.

Die Belastungen bei Arbeiten in einer Registratur sind üblicherweise zumindest zeitweise bis mittelschwer. Eine wechselnde Körperhaltung ist möglich, jedoch wird Bücken, Hantieren über Kopfhöhe und z.T. Besteigen von kleinen Leitern verlangt. Auch in einer Registratur kann Heben und Tragen über 5kg nicht immer vermieden werden. Ein zeitweises Überschreiten der Restgesundheit der Klägerin kann daher nicht ausgeschlossen werden.

Die Beklagte nennt im Widerspruchsbescheid vom 05.09.97 Bürohilfstätigkeiten wie z.B. Führen von einfachen Karteien, Kontrolllisten, Inhaltsverzeichnissen, der Ausfertigung von formularmäßigen Bescheinigungen, Benachrichtigungen und Erinnerungen.

Diese Tätigkeiten sind körperlich leicht und werden in der Regel überwiegend im Sitzen verrichtet. Jedoch sind sie durch den zunehmenden Einsatz von EDV und moderner Bürokommunikation rückläufig.

Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum ist zu Tätigkeiten, die am Computer verrichtet werden, folgendes auszuführen:

Durch die komplexen Arbeits- und Informationsmöglichkeiten am Computer (sehr leistungsfähige Hard- und Softwaregenerationen, Vernetzung und Integration) besteht immer weniger Gelegenheit, einen Haltungswechsel zu vollziehen. Die Aufgaben und Tätigkeitsabläufe waren ohne den Einsatz von EDV so gestaltet, dass Arbeitsmaterialien und Arbeitsgegenstände sowie Informationen noch nicht zentral am Schreibtisch zur Verfügung standen und somit mehr Abwechslung in der Arbeitshaltung erforderten bzw. ermöglichten (z.B. Ordner in Schränken, in Registratur, in Zentralarchiven und Informationsbeschaffung bei Kollegen anderer Organisationseinheiten etc.).

Als weitere Verwaltungstätigkeit im Innendienst könnte noch an einen Ansatz als Mitarbeiterin in der Poststelle in Behörden und Firmen gedacht werden.

Sofern die Post nicht zusätzlich vom Postamt geholt werden muss, sind die eingehenden Sendungen (z.B. Postsäcke, - körbe, -pakete) einschließlich der Hauspost (z.B. auch Akten) anzunehmen und zu öffnen. Der Inhalt muss entnommen, auf Vollständigkeit geprüft, großteils mit einem Eingangvermerk sowie - nach Feststellung des Empfängers - mit einem Weiterleitungsvermerk versehen und entsprechend sortiert werden. Die Verteilung im Haus wie auch das Einsammeln der Ausgangspost kann von den Mitarbeitern der Post miterledigt werden oder Boten übertragen sein. Üblicherweise ist jedoch die Ausgangspost zu sortieren, zu kuvertieren bzw. zu verpacken, korrekt zu frankieren und zur Abholung in Säcken, Körben o.ä. bereitzustellen oder ggf. auch selbst zum Postamt zu befördern. Verschiedentlich sind bei der Tätigkeit Maschinen (z.B. Brieföffnungs-, Kuvertier-, Frankiermaschinen) zu bedienen. Die Arbeiten erfordern in der Regel gelegentlich mittelschwere Belastbarkeit, vor allen Dingen im Hinblick auf die zu bewegenden Lasten. In diesem Zusammenhang wird auch Bücken verlangt. Ein Wechsel der Körperhaltung ist möglich, wobei Gehen sogar in beachtlichem Umfang, u.U. einschließlich Treppensteigen, anfällt, wenn die Post auch ausgetragen und eingesammelt wird. Die Tätigkeit einer Mitarbeiterin in einer Poststelle ist sowohl in der Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt ab der untersten Ebene der Angestelltenberufe zu finden, z.B.
- Bundesentgelttarifvertrag für die Chemische Industrie: Entgeltgruppe E 1 = kurze Einweisung = Verteilen von Post, E 2 = Berufspraxis von bis zu 13 Wochen = Sortieren und Verteilen von Post, E 3 = Berufspraxis von 6 bis 15 Monaten = Postabfertigen;
- Gehaltstarifvertrag für die Angestellten des Speditions- und Transportgewerbes in Bayern: Gehaltsgruppe 1 = Einweisung am Arbeitsplatz = Postabfertiger, Gehaltsgruppe 2 = Berufsausbildung = Postabfertiger
- BAT VerGr X = Hilfsleistung bei der Postabfertigung, VerGr IXb = Postabfertigen, VerGr VIII = schwierigere Tätigkeit (im Vergleich zu den vorgenannten).

Da die Klägerin nach dem fachchirurgisch-orthopädischen Gutachten von Dr. ^Lange^ vom 13.04.2000 nur noch körperlich leichte Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg verrichten kann, können aus berufskundlicher Sicht auch bei einer Tätigkeit als Mitarbeiterin in einer Poststelle die Leistungseinschränkungen der Klägerin nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Abschließend ist allgemein anzumerken, dass auf Arbeitgeberseite üblicherweise keine Bereitschaft besteht, minderbelastbare, ältere Arbeitnehmerinnen mit dem beruflichen Werdegang der Klägerin für Verwaltungsarbeiten, in die sich die Klägerin innerhalb von drei Monaten einarbeiten kann, neu einzustellen.

Zur ggf. erforderlichen Einarbeitung für die einzelnen Tätigkeiten wurde keine Stellung genommen, da diese Frage in ihrem Beweisbeschluss vom 25.11.99 nicht enthalten.
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Datum