S 31 RA 1123/98

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 31 RA 1123/98
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei der Rentenantragstellung 54jährige Klägerin hat in der ehemaligen DDR von 01.09.59 - 30.06.61 eine Ausbildung zur Stenotypistin absolviert. Im Anschluss daran war sie im Bundesgebiet als Sachbearbeiterin und zuletzt als Sekretärin tätig.

Dr. ^Golch^ beschreibt in seinem neurologischen und psychiatrischen Gutachten vom 06.06.2000 die Leistungsfähigkeit der Klägerin wie folgt:
- ohne Arbeiten unter Zeitdruck
- ohne Schichtarbeiten und Nachtarbeiten

Nach dem orthopädischen Gutachten von Dr. ^Kipping^ vom 22.09.2000 stellt sich das Leistungsvermögen der Klägerin wie folgt dar:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- überwiegend sitzend
- sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen, jedoch überwiegend in geschlossenen Räumen
- unter Vermeidung von schädigenden physikalischen Einflüssen, wie Nässe; Kälte und Zugluft
- ohne Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Lasten
- ohne jedwede Überkopftätigkeit und stärkere Belastung des rechten Armes
- ohne jedwede kniebelastende Tätigkeit

Dr. ^Kipping^ gibt in seinem Gutachten u.a. an, dass keinerlei Kraftarbeit und keinerlei dauerhafter Einsatz der rechten Hand, auch für differenzierte Tätigkeiten mehr möglich ist. Insbesondere ist das Bedienen einer Tastatur und PC-Tätigkeit sowie auch Sortierarbeit, Verpackarbeit nicht mehr zumutbar. Der rechte Arm kann im wesentlichen als helfender Arm eingesetzt werden.

Außerdem besteht eine Limitierung der Gehstrecke. Gehstrecken sind so einfach nur noch bis 500 m zumutbar. Die Klägerin kann jedoch ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen und ein Kfz führen.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte verweist die Klägerin im Schriftsatz vom 18.10.2000 auf die Tätigkeit einer Mitarbeiterin im Empfang oder an Informationsstellen nach der Vergütungsgruppe VIII BAT in öffentlichen Verwaltungen oder vergleichbaren Institutionen.

Hierzu gehören Tätigkeiten der visuellen Ein- und Ausgangsbeobachtung, Erteilung von Auskünften (Zuständigkeiten, Ansprechpartner, Öffnungszeiten), Ausgabe von Informationsbroschüren, Formularen, Besucherausweisen, telefonische Besucheranmeldung, Entgegennehmen von Schlüsseln, Sorgetragung für Ordnung und Sauberkeit im Foyer, ggf. auch der Schließdienst.

Im Schriftsatz des Rechtsvertreters der Klägerin vom 13.11.99, den Sie mir mit Schreiben vom 12.12.2000 mit der Bitte um Einbeziehung in das Gutachten zugeleitet haben, wird u.a. angegeben, dass die aus der Vergütungsgruppe VIII BAT genannten Verweisungsberufe einer Mitarbeiterin im Empfang oder an Informationsstellen ausgesprochene "Randberufe" wie Saaldiener und Museumswächter darstellen. Es sei zu prüfen, ob derart eingeschränkte Tätigkeiten nicht erst nach Bewährung mit der relativ hohen Gehaltsgruppe VIII BAT bezahlt werden. Da die Klägerin zuletzt in der Privatwirtschaft beschäftigt gewesen sei und innerhalb des relativ großen Betriebs keine leidensgerechte Arbeitsstelle für sie gefunden werden konnte, dürfte ihr auch der Zugang zu derartigen Behördentätigkeiten als Außenstehende versperrt sein. Es handelt sich um ausgesprochene Schonarbeitsplätze innerhalb einer Behördenverwaltung.

Bei der von der Beklagten ausgeführten Tätigkeit dürfte es sich um die Tätigkeit einer Pförtnerin handeln. Frauen üben eine derartige Tätigkeit erfahrungsgemäß meist in der Funktion einer Empfangsdame aus. Pförtnerinnenarbeitsplätze gelten vielfach als Schonarbeitsplätze, die für die innerbetriebliche Umsetzung leistungsgemindeter Beschäftigter geeignet sind. In nennenswertem Umfang sind Arbeitsplätze für Pförtnerinnen im Bundesgebiet allerdings auch Außenstehenden zugänglich.

Bei Industriebetrieben ist es zutreffend, dass solche Pförtnerarbeitsplätze überwiegend als Schonarbeitsplätze gelten und der innerbetrieblichen Besetzung mit leistungsgeminderten Beschäftigten vorbehalten sind.

Tätigkeitsinhalte, Anforderungen und Belastungen sind sehr unterschiedlich. Hauptsächlich werden sie durch den Einsatzort bestimmt (z.B. Industriebetrieb mit großem Werksgelände, Behörde, Klinik, Büro- oder Verwaltungsgebäude).

Auf Pförtnerarbeitsplätzen, vor allem bei Behörden, Verwaltungen usw. liegt der Schwerpunkt im Besucherempfang und in der Auskunfteiteilung. Hier sind häufig Büroarbeiten (Postabfertigung, Ablage, Schreibarbeiten, Listen führen usw.) mit zu verrichten. Die Bedienung der Telefonanlage gehört dabei ebenfalls oft zu den Aufgaben. Sitzen überwiegt meist deutlich, auch Zwangshaltungen sind möglich, wenn z.B. häufiger oder länger Schreibmaschinenschreiben oder Arbeit am Computer verlangt wird. Dafür ist üblicherweise nicht oder in sehr viel geringerem Umfang mit Schichtarbeit, ungünstigen Umgebungseinflüssen, Gefahrensituationen u.ä. zu rechnen. Bestimmte Mindestanforderungen werden an Umgangsformen, Auftreten, äußeres Erscheinungsbild u.ä. gestellt. Ob die Klägerin über die geforderten Voraussetzungen verfügt, kann von hier aus nicht beurteilt werden. Da nach dem Gutachten von Dr. ^Kipping^ der Klägerin insbesondere das Bedienen einer Tastatur und PC-Tätigkeit nicht mehr zumutbar ist, können bei einer Tätigkeit, bei der der Schwerpunkt im Besucherempfang und Auskunftserteilung in Verbindung mit Büroarbeiten liegt, die Leistungseinschränkungen nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden. Auch Zeitdruck kann bei einer Empfangstätigkeit z.B. bei größerem Besucherandrang nicht ausgeschlossen werden.

Im BAT (Bundesangestelltentarifvertrag) werden Pförtner/innen nach mindestens dreijähriger Beschäftigung als Bote oder Pförtner/in im Arbeiterverhältnis im öffentlichen Dienst in die Vergütungsgruppe (VergGr) X eingruppiert. Bei der Bundesanstalt für Arbeit erfolgt die Eingruppierung eines Pförtners/einer Pförtnerin ab Beginn der Beschäftigung in VergGr X. Angestellte mit Tätigkeiten der VergGr X werden nach zweijähriger Bewährung in VergGr X der VergGr IXb zugeordnet. Angestellte mit Tätigkeiten der VergGr IX b erhalten nach zweijähriger Bewährung in VergGr IX b die VergGr IX a.

Pförtner/innen bei großen kommunalen Verwaltungen und Betrieben in Verwaltungsgebäuden mit starkem Publikumsverkehr, die in größerem Umfang Auskünfte zu erteilen haben, für die die Kenntnis der Zuständigkeiten nicht nur der Dienststelle (des Betriebes), bei der sie beschäftigt sind, erforderlich ist, werden zu Beginn ihrer Beschäftigung als Pförtner/in in VergGr IXb eingruppiert.

Im BAT sind Angestellte im Büro-, Registratur-, Buchhaltereidienst usw. mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit in VergGr X, mit einfacheren Tätigkeiten in VergGr IXb und mit - gemessen an den vorgenannten - schwierigeren Tätigkeiten in VergGr VIII eingruppiert.

Charakteristisch für Aufgaben in der VergGr VIII sind vor allem Verantwortlichkeit, große Selbständigkeit, besondere eigene Initiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besondere eigene Überlegung und eine höhere Befähigung, z.B. Fremdsprachenkenntnisse, die Fähigkeit, Schreiben nach skizzierten Angaben selbst zu entwerfen oder ähnliches.

Eine Tätigkeit, wie von der Beklagten beschrieben, wird üblicherweise nicht nach VergGr VIII vergütet. Die VergGr. VIII ist oft auch Eingangsstufe für ausgebildete Verwaltungsfachangestellte.

Anzumerken ist noch, dass verbindliche Tarifauskünfte nicht zum Aufgabengebiet der Bundesanstalt für Arbeit gehören.

Sie konnten bisher von den jeweiligen Tarifpartnern, den Auskunfts- und Beratungsstellen der Arbeitsgerichte und den Tarifauskunftsstellen der Bezirksregierung eingeholt werden.

Die bei den Bezirksregierungen angesiedelten Tarifauskunftsstellen wurden zum 01.07.2000 aufgelöst. Bei den Arbeitsgerichten werden Auskünfte über den Inhalt von Tarifverträgen nur noch im Vorfeld einer beabsichtigten Klage erteilt. Nach Mitteilung des Bayerischen Staatsministerium vom 05.07. und 5.10.2000 werden Tarifauskünfte zukünftig vom Deutschen Gewerkschaftsbund/Landesbezirk Bayern und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft ausschließlich deren Mitglieder erteilt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, Tarifauskünfte bei einem Rechtsanwalt gegen Gebühr einzuholen.
Saved
Datum