S 31 RJ 1672/98

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 31 RJ 1672/98
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 37jährige Kläger hat von 08/75 - 07/78 den Beruf des Spenglers erlernt und anschließend ausgeübt. Von 01/87 - 03/88 bildete er sich zum Spenglermeister im Handwerk fort. Ab 04/90 - 11/97 war der Kläger als Spenglermeister selbständig.

Die Beklagte ging im Bescheid vom 27.04.98 und im Widerspruchsbescheid vom 13.07.98 von folgendem Leistungsvermögen aus:
- vollschichtige Arbeiten
- zu ebener Erde
- ohne Nacht- und Wechselschicht
- ohne Zeitdruck

Dr. ^Beier^ beschreibt das Leistungsvermögen des Klägers in seinem internistischen Fachgutachten vom 17.03.99 wie folgt:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- im Gehen, Stehen und Sitzen
- im Freien und in geschlossenen Räume
- ohne Heben und Tragen von Lasten
- ohne häufiges Bücken
- ohne Arbeiten an Maschinen, am Fließband sowie auf dem Dach oder auf Gerüsten
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Gemäß Beweisanordnung vom 08.09.1999 bitten Sie um Mitteilung, ob der Kläger angesichts seiner Gesundheitsbeeinträchtigungen noch in der Lage ist,
- in seinem bisherigen Beruf als Bauspenglermeister tätig zu sein
- seinen Betrieb fortzuführen
- in den im Schreiben vom 13.07.99 genannten Verweisungstätigkeiten (Baustoffverkäufer, Fachberater oder organisatorischer Betriebsleiter eines entsprechend großen Dachdeckerbetriebes) tätig zu sein.

Außerdem bitten Sie um Mitteilung, ob der Kläger angesichts seines erlernten Berufes in der Lage ist die genannten Verweisungstätigkeiten innerhalb von einer Anlernzeit von drei Monaten, von seinen Fähigkeiten her auszuüben.

Spengler sind nicht nur leichten, sondern mittelschweren und zum Teil sogar schweren Belastungen ausgesetzt. Die Arbeiten sind u.a. teilweise in Zwangshaltung oder auf Leitern und Gerüsten zu erbringen oder anderweitig mit Absturz- und Unfallgefahr verbunden.

Ein Spenglermeister ist bei der praktischen Mitarbeit den gleichen Belastungen ausgesetzt. Zusätzlich oder ggf. - sofern dadurch eine vollschichtige Auslastung erreicht wird, was insbesondere in größeren Betrieben möglich ist - auch ausschließlich sind körperlich weniger belastende Arbeiten zu verrichten wie z.B. Kundenakquisition und -beratung, Auftragsplanung, Konstruktion, Angebotserstellung, Planung, Steuerung und Überwachung des Arbeitskräfte-, Maschinen-, Geräte- und Fahrzeugeinsatzes, Materialdisposition und -beschaffung, Anleitung oder Ausbildung von Mitarbeitern, Abnahme und Abrechnung. Auch bei den hier anfallenden Tätigkeiten kann den Leistungseinschränkungen nicht in jedem Fall ständig und in vollem Umfang Rechnung getragen werden. Beispielsweise wird bei der Aufmassnahme und der Arbeitsüberwachung auf der Baustelle zumindest kurzfristig Klettern auf Leitern, Gerüste oder sogar Dächer verlangt.

Anzumerken ist, dass bei einer ausschließlich vom Büro aus zu verrichtenden planerischen und organisatorischen Tätigkeit Stresssituationen, Termin- oder Zeitdruck oder unregelmäßige Arbeitszeiten ohne geregelte Pausen zum Teil nicht ungewöhnlich sind.

Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger zwar Erfahrung in der Führung eines Kleinbetriebes hat, in dem er z.Zt. nur die Bürotätigkeit und Organisation übernimmt. Für den Ansatz in einem größeren Betrieb, wo tatsächlich keine praktische Mitarbeit mehr erforderlich ist, müssen die kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen, organisatorischen und bürotechnischen Kenntnisse jedoch deutlich aufgefrischt, vertieft und erweitert werden, wozu eine Einarbeitung von drei Monaten häufig nicht genügt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kläger nicht über die in solchen Betrieben erforderlichen EDV-Kenntnisse verfügt.

Bei der Tätigkeit eines Spenglermeisters können einerseits die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden bzw. dürfte ihm andererseits ein maximal drei Einarbeitungszeitraum für einen Ansatz als Spenglermeister ohne praktische Mitarbeit nicht ausreichen.

Aus berufskundlicher Sicht kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger seinen Betrieb fortführen kann. Anzumerken ist, dass von einem selbständiger Spenglermeister mit einem kleinen Betrieb (lt. eigenen Angaben hat der Kläger einen Betrieb mit 4 Angestellten und einer Büroangestellten - ärztliche Unterlagen der Beklagten) in der Regel - wenn er nicht sogar praktisch mitarbeitet - die Aufmassnahme und die Arbeitsüberwachung erfolgt. Klettern auf Leitern, Gerüsten oder sogar Dächern ist - wenn auch kurzfristig - erforderlich. Dr. ^Beier^ gibt in seinem Gutachten vom 17.03.99 an, dass der Kläger keinesfalls in der Lage, ist u.a. Arbeiten auf dem Dach oder auf Gerüsten zu leisten, da hier Selbst- und Fremdgefährdung vorliegen würde.

Baustoffverkäufer

Die Beklagte nennt in ihrem Schreiben vom 13.07.1999 die Tätigkeit eines Baustoffverkäufers als zumutbare Verweisungstätigkeit.

In Betrieben, die Waren überwiegend in Selbstbedienung anbieten (Bau-, Heimwerkermärkte) stellen Aufgaben wie Warenannahme, Lagerung, Bereitstellung und Platzierung im Verkaufsraum, Auszeichnung, Bestandsüberwachung und Mitwirkung bei der Sortimentsgestaltung und Beschaffung die Tätigkeitsschwerpunkte dar. Kundenkontakte, z.B. Orientierungshilfen, Auskünfte zu Qualität, Verarbeitungstipps, stellen eine besondere, obgleich unverzichtbare Serviceleistung dar. Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen

Tätigkeiten im Verkauf sind zumindest leicht bis mittelschwer. Heben und Tragen von Lasten ist keineswegs zu vermeiden. Die zu bewegenden Gewichte können sogar das mittelschwere Maß übersteigen. Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum entspricht das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Für Kundenberatung im Baustoff-Fachhandel trifft es vielfach zu, dass der Verkauf im Verkaufsraum oder sogar am Schreibtisch anhand von Listen, Katalogen oder über ein Computer-Terminal abgewickelt und eine strikte Trennung zum Lager eingehalten wird. Die Tätigkeit ist dadurch körperlich weniger belastend und die Leistungseinschränkungen des Klägers könnten weitgehend berücksichtigt werden.

Arbeitgeber beschäftigen für diese Tätigkeit jedoch in der Regel kaufmännisch ausgebildete Kräfte, wie z.B. Großhandelskaufleute (Beruf mit 3-jähriger Ausbildung).

Die Vermittlung der notwendigen kaufmännischen und verkaufstechnischen Kenntnisse und Fertigkeiten für einen Ansatz auf der Ebene der Facharbeiterberufe beansprucht in der Regel einen längeren als maximal dreimonatigen Einarbeitungszeitraum. Aus berufskundlicher Sicht ist auch in dieser Tätigkeit kein geeigneter beruflicher Ansatz für den Kläger zu sehen.

Fachberater

Die Beklagte nennt in ihrem Schreiben vom 13.07.2000 die Tätigkeit eines Fachberaters als weitere zumutbare Verweisungstätigkeit.

Die Aufgaben eines Fachberaters bzw. Kundenberaters (Spenglerei) sind insbesondere:
- Beratung und Information von Kunden, Auftraggebern, Architekten u.a. über betriebliche Leistungen, insbesondere über Eindeckung von Dachflächen und Verkleidung von Decken und Wandflächen (Fassadenverkleidungen) mit Blechen, Metallverbundstoffen oder Kunststoff, über Anfertigung und Installierung von Verkleidungen, Rohren, Schächten, Zylindern, sonstigen Bau- und Formteilen aus Blech und Kunststoffen für Behälter, lufttechnische Anlagen, Förder- und Transportanlagen, Industriefilter, zur Kälte-, Wärme-, Schallschutzisolierung sowie für sonstige Anwendungsgebiete
- Ggf. Beratung und Information über Solarkollektorflächen, Energiedächer u.ä. Anlagen und Geräte der Energieerzeugung
- ggf. Durchführung von Lehrvorträgen, Schulungskursen, Objektberatung, u.U. Reklamationsberatung, verlegetechnische Arbeiten wie Lehrverleger
- Produktdemonstration (für Demonstrationszwecke und zur Kundeninformation Verlegen, Verarbeiten, z.T. auch Vorführen und Erklären neuer Produkte der Bedachungs-, Fassadenverkleidungs- und Abdichtungstechnik).

Heben und Tragen von Lasten kann im Rahmen von Präsentationen oder Demonstrationen nicht immer ausgeschlossen werden. Anzumerken ist, dass die Tätigkeit üblicherweise als stressreich (z.B. durch unregelmäßige Arbeitszeit, Überstunden, Termindruck, vorgegebene Mindestleistungszahlen) gilt.

Erforderlich sind fundierte Produkt- und Verfahrenskenntnisse (der eigenen wie der Konkurrenz), Kenntnisse des Marktes (hinsichtlich Kundenstruktur, Bedürfnissen, Erwartungen, Angebot, Nachfrage, Preis- und Leistungsgefüge) und ein gewisses Maß an kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen sowie an bürotechnischen Fertigkeiten. Vorausgesetzt wird außerdem persönliche Eignung wie Aufgeschlossenheit, Flexibilität, Sprachgewandtheit, Verhandlungsgeschick, Überzeugungsfähigkeit, Höflichkeit und gepflegtes Äußeres. Ob der Kläger die persönlichen Mindestvoraussetzungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden.

Der Kläger hatte bisher einen kleinen Handwerksbetrieb mit vier Angestellten und einer Büroangestellten. Für die Tätigkeit eines Fachberaters im Außendienst müsste er Produkt- und Verfahrenskenntnisse erweitern und vertiefen. Aus berufskundlicher Sicht und vermittlerischer Erfahrung dürfte ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum zu kurz sein.

organisatorischer Betriebsleiter

In ihrem Schreiben vom 13.07.2000 nennt die Beklagte die Tätigkeit eines organisatorischen Betriebsleiter als zumutbare Verweisungstätigkeit.

Betriebsleiter, die nicht praktisch mitarbeiten, finden nur einen Ansatz in größeren Betrieben. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich auf meine Ausführungen zum Spenglermeister.
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