S 14 RA 61/97

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 14 RA 61/97
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der am ^04.09.^1941 geborene Kläger hat in der Zeit vom 01.04.56 bis 30.09.59 eine Lehre als Maschinenschlosser erfolgreich absolviert, war danach bis 27.03.60 als Schlosser und Dreher, bis 14.05.65 als Betriebsschlosser und Dreher und anschließend bis 31.04.96 als Monteur, Kontrolleur und Meister in der Wareneingangskontrolle beschäftigt. Die Ausbildung zum Industriemeister absolvierte der Kläger in der Zeit vom Okt. 75 bis Sept. 78.

Nach der sozialmedizinischen Beurteilung der ärztlichen Sachverständigen darf der Kläger folgende Tätigkeiten nicht mehr verrichten:
- Heben von mittelschweren und schweren Lasten (über 15 kg)
- Tätigkeiten mit Haltungsmonotonie (vor allen Dingen nach vorwärts geneigt)
- überwiegendes Stehen und Gehen
- häufiges Bücken
- Tätigkeiten im gekennzeichneten Lärmbereich
- Tätigkeiten am Fließband
- Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten
- Tätigkeiten mit stark wechselnden Temperatureinflüssen
- im Freien, in Zugluft
- unter besonders stresshaften Bedingungen (besonderer Zeitdruck)
- mit besonderen Anforderungen an die Merk- und Konzentrationsfähigkeit
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Mitteilung, welche Anforderungen an die Tätigkeit eines Industriemeisters in körperlicher und psychischer Hinsicht gestellt werden.

Des weiteren bitten Sie um Stellungnahme zu Verweisungstätigkeiten für die der Kläger gesundheitlich und sozial zumutbar in Betracht kommt, insbesondere die in der Tarifgruppe III des Manteltarifvertrags der Bayerischen Metallindustrie genannten Tätigkeiten "Prüfen von Werkstoffen nach vorgegebenen Verfahren". Außerdem ist zu prüfen, ob der Kläger noch für andere Tätigkeiten der Tarifgruppen III und IV in Betracht kommt.

Der Kläger war Ihrer Anfrage zufolge zuletzt als Monteur, Kontrolleur und Meister in der Wareneingangskontrolle tätig. Nach Auskunft des Arbeitgebers war die Tätigkeit als Industriemeister überwiegend im Stehen und Gehen zu verrichten. Da der Kläger den Beruf des Maschinenschlossers (seit Neuordnung der Metallberufe im Jahre 1987 Industriemechaniker - Maschinen- und Systemtechnik) erlernt hat, gehe ich davon aus, das er die Weiterbildung zum Industriemeister - Fachrichtung Metall absolviert hat.

Ein Industriemeister -Fachrichtung Metall kann angesetzt werden in den Bereichen Fertigung, Ausbildung, Instandhaltung, Fertigungsplanung, - steuerung, - überwachung, Planung, Konstruktion, Sicherheitstechnik, Umweltschutz, Technischer Kundendienst, Qualitätskontrolle, Mess- und Prüftechnik und Lager und Transport.

Der Industriemeister ist eine technische Führungskraft für das mittlere Management und verantwortlich für die Erfüllung der Produktionsziele nach Menge, Qualität, Termin und Wirtschaftlichkeit. Tätigkeiten sind insbesondere das Planen, Einrichten und Instandhalten der Betriebsmittel, das Koordinieren des reibungslosen Produktionsablaufs, das Überwachen der Arbeitsleistung, der Kostenentwicklung und der Qualitätssicherung, das Einarbeiten, das Anlernen und Führen der Mitarbeiter, das Planen der Personalentwicklung und das Fördern der beruflichen Bildung der Mitarbeiter sowie das Organisieren und Durchführen von Maßnahmen der beruflichen Bildung (insbesondere Auszubildende/Praktikanten) und das Durchführen von Maßnahmen der Arbeitssicherheit und des Umweltschutzes.

Die Arbeiten sind in der Regel körperlich leicht und in wechselnder Körperhaltung, wobei Gehen und Stehen überwiegen kann, zu verrichten. Belastungen wie Akkordarbeit, Bücken, Knien und Heben und Tragen von Lasten treten normalerweise nicht oder selten auf. Schichtarbeit ist jedoch im Metallbereich durchaus üblich. Ebenso kann der Aufenthalt im gekennzeichneten Lärmbereich nicht immer vermieden werden. Meistertätigkeiten ohne nennenswerte praktische Mitarbeit stellen zwar erfahrungsgemäß geringere Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit, dafür höhere an die psychische Belastbarkeit. Von besonderer Bedeutung sind Flexibilität, Verantwortungsbewusstsein, Organisationsvermögen, Kooperationsfähigkeit, Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen sowie psychische Belastbarkeit. Ebenso ist gute Merk- und Konzentrationsfähigkeit eine unverzichtbare Voraussetzung. Anzumerken ist, das gerade bei Führungstätigkeiten Stress nicht ausgeschlossen werden kann und auch Arbeiten unter Zeitdruck nicht vermieden werden können.

Aus berufskundlicher Sicht können bei einer Tätigkeit als Industriemeister auch ohne praktische Mitarbeit die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Allgemein ist zu den Tätigkeitsbeispielen im Manteltarifvertrag für die Angestellten in der Bayerischen Metallindustrie folgendes anzumerken:

Die Auflistung in den Gehaltsgruppen beinhalten kaufmännische und technische Tätigkeiten, die von Arbeitnehmern mit entsprechender Ausbildung ausgeführt werden. Meistertätigkeiten sind zwar in den jeweiligen Gehaltsgruppen benannt, jedoch handelt es sich nicht um typische Meistertätigkeiten.

Bei den Tätigkeiten, die in den Gehaltsgruppen genannt werden, handelt es sich außerdem um eine beispielhafte Auflistung von Tätigkeiten, die keine abschließende Aufzählung darstellt.

Ihrer Anfrage zufolge ist insbesondere zu der in der Tarifgruppe III der Bayerischen Metallindustrie genannten Tätigkeit "Prüfen von Werkstoffen nach vorgegebenen Verfahren" Stellung zu nehmen.

Diese Tätigkeit wird in der Regel von Werkstoffprüfern - Schwerpunkt Metalltechnik (Beruf mit 3 jähriger Ausbildung) verrichtet.

Werkstoffprüfer des Schwerpunktes Metalltechnik sind überwiegend in der labortechnischen Prüfung metallischer Werkstoffe eingesetzt. Ihre Arbeitsplätze befinden sich deshalb auch meist in Prüflabors metallurgischer - d.h. metallherstellender Unternehmen sowie in metallverarbeitenden Betrieben. Die Aufgaben eines Werkstoffprüfers des Schwerpunktes Metalltechnik lassen sich in zwei wesentliche Aufgabenfelder gliedern:
- Das exakte Bestimmen verschiedener (in der Regel metallischer) Werkstoffe mit allen physikalischen Kennwerten (z.B. Härte, Zugfestigkeit), die den jeweiligen Werkstoff ausmachen
- Das Bestimmen von Werkstofffehlern und ihrer möglichen Ursachen.

Es handelt sich in der Regel um eine körperlich leichte Arbeit, die je nach Ansatz überwiegend im Sitzen oder im Stehen, z.T. auch in Zwangshaltungen (z.B. Bücken, vorgestreckte Arme) verrichtet wird. Der Arbeitsablauf ist durch Verfahrensvorschriften geregelt, im übrigen handelt es sich um weitgehend selbständige Aufgabenerledigung (Erledigung von Teilaufgaben Z.T. ist Arbeit unter Zeitdruck bei Terminarbeiten) erforderlich. Lärm kann z.B. bei werkstoffzerstörenden Prüfungen nicht vermieden werden. Belastungen durch Dämpfe, Gase und Gerüche treten z.T. beim Umgang mit Chemikalien auf. Auch besteht Unfallgefahr beim Umgang mit aggressiven Chemikalien.

Voraussichtliche körperliche Nichteignung besteht bei wesentlichen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und Beine, Funktionsstörungen der Hände und Arme, nicht voll ausgeglichenen Sehfehlern, mangelndem räumliches Sehen, gestörtem Farbensehen, nicht korrigierbarer Schwerhörigkeit, Hautleiden (insbesondere an den Händen), chronischer Erkrankung der Atemwege, Erkrankungen des Zentralnervensystems (insbesondere Krampfanfälle) und bei Allergieneigung.

Voraussichtliche psychische Nichteignung besteht bei unselbständiger oder unzuverlässiger Arbeitsweise, unsystematischer oder ungenauer Arbeitsweise, Mangel an Konzentration, Sorgfalt, Ausdauer und unzureichender Wahrnehmungsgenauigkeit/-geschwindigkeit.

Unabhängig vom Leistungsvermögen kann sich der Kläger aufgrund seines beruflichen Werdeganges - trotz der absolvierten Prüfung zum Industriemeister - Fachrichtung Metall - nicht auf die in der Gehaltsgruppe III des Manteltarifvertrags der Bayerischen Metallindustrie für Angestellte genannte Tätigkeit "Prüfen von Werkstoffen nach vorgegebenen Verfahren" auf Facharbeiterebene innerhalb von drei Monaten einarbeiten. Eine geeignete Verweisungstätigkeit wird aus berufskundlicher Sicht daher in diesem Bereich nicht gesehen.

In die Überlegungen wurden noch qualifizierte Kontrolltätigkeiten einbezogen. Sie beinhalten zwar meistens geringere körperliche Belastungen als Fertigungstätigkeiten. Akkord- und Fließbandarbeit ist nicht üblich, obwohl Zeitdruck nicht immer ganz auszuschließen ist.

An Konzentration, Aufmerksamkeit, Sorgfalt, Genauigkeit und z.T. Entscheidungsfähigkeit werden jedoch hohe Anforderungen gestellt. Dies gilt insbesondere in hohem Maße für Kontrolltätigkeiten auf Facharbeiterebene. Für verschiedene Prüftätigkeiten ist gute Fingerfertigkeit notwendig. Es gibt körperlich leichte Kontrolltätigkeiten, die nicht in einseitiger Körperhaltung ausgeführt werden müssen. Je nach Arbeitsplatz kann jedoch Stehen oder Sitzen - z.T. sogar deutlich - überwiegen. Haltungsmonotonie lässt sich nicht ausschließen. Das Leistungsvermögen des Klägers entspricht nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Gedacht werden könnte aufgrund der Qualifizierung zum Industriemeister
- Fachrichtung Metall an eine Tätigkeit in der Arbeitsvorbereitung.

Die Aufgaben in diesem Bereich sind insbesondere das Optimieren von Fertigungs-/Arbeits- prozessen, dabei z.B.:
- Analysieren und Festlegen der zu einer Produktion notwendigen/bestmöglichen Fertigungs- oder Montageschritte, soweit nicht durch andere Stellen (z.B. Konstruktion) vorgegeben (Ablaufplanung)
- Festlegen in Frage kommender Arbeitsplätze/Fertigungseinrichtungen, Montagestellen, ggf. auch der Prüfmethoden, der Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -überwachung
- Einrichten der Arbeitsplätze unter Berücksichtigung ergonomischer Gesichtspunkte und einer wirtschaftlichen Fertigung
- Erarbeiten von Zeitaufnahmen/Zeitstudien und anderen Arbeitsstudien (Multimomentaufnahmen u.ä.), Vorgeben von Sollzeiten
- Ermitteln der Durchlauffristen bestimmter Losgrößen (Fristenplanung) abhängig von Bearbeitungs-, Ruhe- und Transportzeiten
- Erstellen von Materialplänen, Stücklisten, Leistungsverzeichnissen u.ä. (Bedarfsplanung)
- Durchführen der Arbeitssteuerung durch Festlegen der Maschinenbelegungspläne (Kapazitätsauslastung, Auslastung des Arbeitskräftepotentials) für eine kontinuierliche Fertigung und Vorgeben der Einrichtung der einzelnen Maschinen hinsichtlich fertigungstechnischer Erfordernisse
- Durchführen der Terminplanung, Arbeitsfortschritts-/Terminüberwachung von Arbeitsablaufanalysen

Tätigkeiten in der Arbeitsvorbereitung sind körperlich leicht und werden überwiegend im Sitzen und teilweise im Stehen verrichtet. Vorausgesetzt wird Flexibilität, Verantwortungsbewusstsein, Konzentrationsfähigkeit, Organisationsvermögen, Kooperationsfähigkeit sowie psychische Belastbarkeit.

Mit der computerunterstützten Fertigungstechnik (CAM) können gleichzeitig an mehreren Fertigungsplätzen unterschiedliche Funktionen ausgeführt werden. Diese bestehen darin, eine Arbeitsplanung mit Lagerverwaltung, Werkzeugverwaltung und detaillierte Zeichnungserstellung einerseits zu bewirken und andererseits aus den Daten der CAD (computerunterstützte Konstruktion) konkrete CNC-(computergeführte numerische Steuerungen) Bearbeitungsprogramme zu generieren. Eingeschlossen sind hierin alle Subsysteme der Fertigungssteuerung von der CNC-Maschine über Roboter oder Handhabungsautomaten, Transport-, Lager- und Montagesteuerung bis hin zur automatischen Qualitätssicherung.

Die Arbeitsvorbereitung befasst sich mit der Fertigungsplanung und -steuerung. Diese Funktionen werden mit Hilfe der CAM und PPS-Techniken für den gesamten Produktionsbetrieb integriert.

PPS ist eine rechnerunterstützte Methode zur Mengen-, Termin- und Kapazitätsplanung zum Veranlassen und Überwachen der Fertigungsabläufe. Im Industriebetrieb verschieben sich die Anwendungen der EDV immer mehr in Richtung technisch-organisatorischer Informationssysteme mit der Hauptaufgabe der Produktionsplanung und -steuerung (PPS).

Ob der Kläger bei seiner letzten Tätigkeit damit gearbeitet hat und somit nur eine Vertiefung der Kenntnisse in Form einer Einarbeitung erforderlich ist oder ob die Kenntnisse grundlegend erworben werden müssen, kann aufgrund der Angaben in Ihrer Anfrage nicht beurteilt werden.

Unabhängig davon entspricht das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr den üblichen Anforderungen, da einerseits der Aufenthalt im Lärmbereich nicht ausgeschlossen werden kann und an Tätigkeiten in der Arbeitsvorbereitung besondere Anforderungen an die Merk- und Konzentrationsfähigkeit gestellt werden.

Werkzeuglagerverwalter

Im Hinblick auf die Verwertbarkeit der beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen wurde noch die Tätigkeit des Werkzeuglagerverwalters in der metallverarbeitenden Industrie geprüft.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger die Funktion eines Werkzeuglagerverwalters auf zumutbarer Qualifikationsebene nach einer Einarbeitungszeit von max. 3 Monaten ausüben kann.

Die Arbeiten erfordern jedoch zeitweise mittelschwere oder u.U. schwere Belastbarkeit. Das ergibt sich zum einen daraus, dass es sich erfahrungsgemäß um Regalarbeit handelt, die mit häufigem Bücken und meist außerdem Steigen auf Leitern (auch mit Lasten) verbunden ist.

Zum anderen treten bei der Ausgabe und dem Einordnen der Materialien und Werkzeuge u.U. sogar schwere Hebe- und Tragebelastungen auf. Bei der ggf. erforderlichen Werkzeugpflege und -instandsetzung sind üblicherweise Zwangshaltungen nicht ganz auszuschließen.

Diese Arbeitsplätze werden erfahrungsgemäß bevorzugt mit betriebsinternen Mitarbeitern besetzt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dennoch eine nennenswerte Zahl an auch Außenstehenden zugänglichen Arbeitsplätzen existiert.

Eine ständige Rücksichtnahme auf alle Leistungseinschränkungen des Klägers kann nicht gewährleistet werden.
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